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134 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143 In eine ähnliche Richtung gehen auch andere, nicht zuletzt auch auswärtige, Beobachter wie Wolfgang Kil (2006), Ulrich Brinkmann (2006) oder Roman Hollenstein (2002). So überzeugend ihre Kritik an dem überzogenen Anspruch der GHND scheint, die die Rekonstruktion von immer mehr Leitbauten fordere und dabei die historische Vielschichtigkeit des Vorkriegszustands zugunsten eines Kunstprodukts opfere, so konventionell wirkt deren Argumentation. Kil etwa weist gerade noch auf das Gegenbeispiel des im Sinne denkmalpflegerischer Prinzipien sanierten ehemals teilzerstörten Lipsiusbaus hin, inzwischen Sitz der Kunsthalle, kann aber in seiner bekannten kulturkritischen Diktion offenbar nur die Position der Rekonstruktionskritiker stabilisieren, ohne irgendeinen wesentlichen zusätzlichen Impuls zu geben, der die konkrete Auseinandersetzung um den Neumarkt voranbringen würde, wo ja gerade keine zu sichernden Spuren, sondern eine weitgehend leere Fläche zur Wiederbebauung ansteht. Allerdings mag die Mobilisierung vergleichbarer Stimmen dazu beigetragen haben, dass inzwischen auch Nachkriegsbauten wie der Kulturpalast als erhaltenswert gelten dürfen. Brinkmann entlarvt mit scharfem Architekturkritikerblick die Konzeption einzelner Quartiere und weist dabei insbesondere darauf hin, dass bereits 1945 nicht mehr bestehende Gebäude (Hotel de Saxe) wiedererrichtet würden, die Nutzflächenmaximierung einer konsequenten Rekonstruktion im Wege stehe und neue Technologien einer echten barocken Fassadengestaltung widersprächen. Seine deutlichen Hinweise auf die Leistungsfähigkeit zeitgenössischer Architektur im Neumarktbereich mag wiederum zusamderaufbau der Frauenkirche befürwortet hatte, auf die gute Dokumentationslage für den rekonstruierenden Wiederaufbau hin. Eine Übereinstimmung der äußeren Fassade mit der inneren Grundriss- und Baustruktur entschärfe den späteren Vorwurf der Erschaffung eines „Disneylands“. Als Negativ-Beispiele führt er den Römer in Frankfurt am Main sowie den Markt in Hildesheim an (Jürgen Paul zit. in Magirius 1992: 73). Obwohl also das Leitbautenkonzept von außen eher als vermittelnde Argumentationslinie angesehen werden kann, wird es im Rahmen der komplexeren stadtbildorientierten Argumentation des GHND als argumentatives Versatzstück für die Erhöhung der Zahl der Leitbauten und damit für Wiederaufbaumaßnahmen verwendet. (Angeführte) Argumente gegen einen Wiederaufbau Den Befürwortern stehen die relativ allgemein gültigen Argumente gegen einen möglichst originalgetreuen Wiederaufbau gegenüber. Sie heben darauf ab, dass ein Wiederaufbau in jeder Form als „Geschichtsfälschung“ abzulehnen sei. Die Gegenwartsarchitektur sei die einzig denkbare Antwort auf die Anforderungen unserer Zeit. In Dresden existiert ein angeblicher „Kulissenwahn“. Allein die Moderne des 20. Jahrhunderts habe den „Fluch der Vergangenheit“ aufgebrochen (Donath 2006: 120). In der Gegenüberstellung wird noch einmal das diametral andere Authentizitätsverständnis deutlich. So finden sich denn auch in einer bewertenden Analyse der Wiederaufbaupläne implizit die wesentlichen Argumente von Architekten, Architekturkritikern und Denkmalpflegern, die sich gegen einen Wiederaufbau aussprechen. So weist Andreas Ruby (2000) auf das – bekannte – Argument hin, der Wiederaufbau greife beliebige Zustände aus der „lebendigen Sequenz ihrer Geschichte“ heraus und erkläre sie zum „eigentlichen Wesen“ Dresdens, insbesondere die Barockzeit, deren Bauten durch Canaletto verewigt wurden. Der von Ruby aufgeworfene Disneyland-Vergleich wird aber vor Ort mit Hinweis darauf, „dass Disneyland eine ortlose, klischeehafte Erfindung“ sei, während am Neumarkt versucht wür­ de, einen „authentischen historischen Ort als gebautes Bild“ zurückgewinnen zu können, vom Kunsthistoriker Jürgen Paul (2007) zurückgewiesen. Auch der Architekt Thomas Will kritisiert den Wiederaufbau für seine Hoffnung darauf, „verlorene Kulturdenkmäler kraft moderner Wissenschaft und Technik weitgehend ebenbürtig reproduzieren zu können.“ Er reiht sich damit in die Kritik an dem ausgehöhlten Authentizitätsbegriff ein und begreift die Wiederaufbaumaßnahmen lediglich als „Bildschmuck“.

Fallstudien 135 „Daraus ist ein Konsens entstanden, der, so emotional geladen wie er ist, – genau wie beim Berliner Schloss – nicht mehr aufzulösen ist, und diesen Konsens muss man respektieren, jedenfalls als Faktum akzeptieren, egal ob man ihn mitträgt oder nicht. Es hat auch keinen Sinn, immer wieder die kulturphilosophische Grundsatzfrage stellen, ob das, was da am Neumarkt gewollt wird, kulturell legitim sei oder nicht. Die, die es tun, berufen sich dabei auf ein fundamentalistisches, normativ gesetztes Axiom der moralischen Pflicht der Einheit von Zivilisation und Kultur, von zivilisatorischem Status und kulturellem Bewusstsein, kultureller Identifikation und ihrer Darstellung gemäß dem Diktum, dass jede Zeit ihren zivilisatorischen Fortschritt habe, aus dem sie sich ihre eigene kultumen mit der Gestaltungskommission eine wichtige Unterstützung für die vermittelnde Position der Stadtverwaltung gewesen sein. Interessant an der Konstellation in Dresden ist also offenbar die breite Bewegung innerhalb der ansonsten wiederaufbaukritischen Professionen wie der Kunstgeschichte und Denkmalpflege, die sich für einen Wiederaufbau erwärmen können. Sie stützen sich auf die Nadlersche Tradition, die wiederum ohne die Kontinuität des Wiederaufbaudenkens nach dem Krieg und den Verweis auf den barocken Dresden-Mythos keine so große Plausibilität erlangen würde. Die durchaus kritischen Stimmen, die es auch in Dresden gibt, können sich vor diesem Hintergrund offenbar zu keiner schlagkräftigen Bewegung formen, wenngleich sie maßgeblich für den Alltag der Nicht-Leitbauten werden, die in moderat zeitgenössischen Formen errichtet werden. (Angeführte) Argumente für vermittelnde Varianten Geht man davon aus, dass die Extremposition der GHND nicht fordert, sämtliche historischen Gebäude am Neumarkt zu rekonstruieren, sondern vor allem eine besonders hohe Zahl von Leitbauten mit teilhistorischem Innenleben, Sicherung der Keller und gestalterisch hochwertigen und aus deren Verständnis mit den Leitbauten harmonierenden Neubaufassaden an den übrigen Gebäuden, kann man den sich abzeichnenden Weg der Stadt als vermittelnde Variante begreifen, wenngleich in der Öffentlichkeit die dorthin führenden Argumente aus Wettbewerben und der Anwendung des städtebaulich-gestalterischen Konzepts weniger prominent sind. Die hinter der zeitgenössischen Ausführung von Neubauten außerhalb der Leitbautenkulisse, dem Verzicht auf die Keller und der geringeren Zahl von Leitbauten stehenden Kräfte können eher als Ausfluss von Vermittlungsprozessen als eine Umsetzung von Argumenten für vermittelnde Varianten verstanden werden. Gleichwohl stehen implizit hinter diesem Weg weniger rigide Vorstellungen von der gestalterischen Bindung der Architekten und Investoren an die historischen Vorgängerbauten angesichts der untergebrachten zeitgenös­ sischen Nutzungen, dem Versuch, Investoren zu gewinnen und einer Vorstellung davon, welchen Spielraum architektonische Gestaltung in einem Umfeld wie dem Neumarkt besitzen sollte. Als originär vermittelnde Argumentationsweise, die eher interpretativ-erklärend denn handlungsleitend ist, kann die Position von Donath (2006: 120) verstanden werden, der ein anderes Verständnis von Gegenwartsarchitektur in einem seiner Auffassung nach zu wenig berücksichtigten Eingehen auf die gegenwärtigen Bedürfnisse der Stadtbewohner sieht und dazu die zwanglose Bereitschaft eines (unbekannten) Vereinsmitglieds anführt, historische Fassaden mit modernen funktionalen Gebäudegrundrissen zu kombinieren: „Warum immer unbedingt auf das Schöne in der Architektur verzichten Nur weil uns, vom Modernismus angetrieben, Architekten und Stadtplaner das einreden wollen Wir Bürger wollen in einer schönen Stadt leben. Was ist also schlimm daran, ein modernes Gebäude hinter eine historisierende Fassade zu stellen Wir empfinden nun einmal Fassadengestaltungen der vergangenen Jahrhunderte als ansehnlich. Das können moderne Glas- und Betonklötze in dieser Art niemals aufwiegen.“ (in Donath 2006: 120) Interessant für das Verständnis der Situation vor Ort ist die – allerdings erst ex post – bewusst vermittelnde Position von Jürgen Paul (2007: 3 ff.):

134 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

In eine ähnliche Richtung gehen auch andere,<br />

nicht zuletzt auch auswärtige, Beobachter<br />

wie Wolfgang Kil (2006), Ulrich<br />

Brinkmann (2006) oder Roman Hollenstein<br />

(2002). So überzeugend ihre Kritik<br />

an dem überzogenen Anspruch der GHND<br />

scheint, die die Rekonstruktion von immer<br />

mehr Leitbauten fordere und dabei die historische<br />

Vielschichtigkeit des Vorkriegszustands<br />

zugunsten eines Kunstprodukts<br />

opfere, so konventionell wirkt deren Argumentation.<br />

Kil etwa weist gerade noch auf<br />

das Gegenbeispiel des im Sinne denkmalpflegerischer<br />

Prinzipien sanierten ehemals<br />

teilzerstörten Lipsiusbaus hin, inzwischen<br />

Sitz der Kunsthalle, kann aber in<br />

seiner bekannten kulturkritischen Diktion<br />

offenbar nur die Position der Rekonstruktionskritiker<br />

stabilisieren, ohne irgendeinen<br />

wesentlichen zusätzlichen Impuls<br />

zu geben, der die konkrete Auseinandersetzung<br />

um den Neumarkt voranbringen<br />

würde, wo ja gerade keine zu sichernden<br />

Spuren, sondern eine weitgehend leere<br />

Fläche zur Wiederbebauung ansteht. Allerdings<br />

mag die Mobilisierung vergleichbarer<br />

Stimmen dazu beigetragen haben,<br />

dass inzwischen auch Nachkriegsbauten<br />

wie der Kulturpalast als erhaltenswert gelten<br />

dürfen. Brinkmann entlarvt mit scharfem<br />

Architekturkritikerblick die Konzeption<br />

einzelner Quartiere und weist dabei<br />

insbesondere darauf hin, dass bereits 1945<br />

nicht mehr bestehende Gebäude (Hotel de<br />

Saxe) wiedererrichtet würden, die Nutzflächenmaximierung<br />

einer konsequenten<br />

Rekonstruktion im Wege stehe und<br />

neue Technologien einer echten barocken<br />

Fassadengestaltung widersprächen. Seine<br />

deutlichen Hinweise auf die Leistungsfähigkeit<br />

zeitgenössischer Architektur im<br />

Neumarktbereich mag wiederum zusamderaufbau<br />

der Frauenkirche befürwortet<br />

hatte, auf die gute Dokumentationslage<br />

für den rekonstruierenden Wiederaufbau<br />

hin. Eine Übereinstimmung der äußeren<br />

Fassade mit der inneren Grundriss- und<br />

Baustruktur entschärfe den späteren Vorwurf<br />

der Erschaffung eines „Disneylands“.<br />

Als Negativ-Beispiele führt er den Römer<br />

in Frankfurt am Main sowie den Markt in<br />

Hildesheim an (Jürgen Paul zit. in Magirius<br />

1992: 73). Obwohl also das Leitbautenkonzept<br />

von außen eher als vermittelnde<br />

Argumentationslinie angesehen werden<br />

kann, wird es im Rahmen der komplexeren<br />

stadtbildorientierten Argumentation des<br />

GHND als argumentatives Versatzstück<br />

für die Erhöhung der Zahl der Leitbauten<br />

und damit für Wiederaufbaumaßnahmen<br />

verwendet.<br />

(Angeführte) Argumente gegen einen<br />

Wiederaufbau<br />

Den Befürwortern stehen die relativ allgemein<br />

gültigen Argumente gegen einen<br />

möglichst originalgetreuen Wiederaufbau<br />

gegenüber. Sie heben darauf ab, dass<br />

ein Wiederaufbau in jeder Form als „Geschichtsfälschung“<br />

abzulehnen sei. Die<br />

Gegenwartsarchitektur sei die einzig<br />

denkbare Antwort auf die Anforderungen<br />

unserer Zeit. In Dresden existiert ein<br />

angeblicher „Kulissenwahn“. Allein die<br />

Moderne des 20. Jahrhunderts habe den<br />

„Fluch der Vergangenheit“ aufgebrochen<br />

(Donath 2006: 120).<br />

In der Gegenüberstellung wird noch einmal<br />

das diametral andere Authentizitätsverständnis<br />

deutlich. So finden sich denn<br />

auch in einer bewertenden Analyse der<br />

Wiederaufbaupläne implizit die wesentlichen<br />

Argumente von Architekten, Architekturkritikern<br />

und Denkmalpflegern, die<br />

sich gegen einen Wiederaufbau aussprechen.<br />

So weist Andreas Ruby (2000) auf<br />

das – bekannte – Argument hin, der Wiederaufbau<br />

greife beliebige Zustände aus<br />

der „lebendigen Sequenz ihrer Geschichte“<br />

heraus und erkläre sie zum „eigentlichen<br />

Wesen“ Dresdens, insbesondere die<br />

Barockzeit, deren Bauten durch Canaletto<br />

verewigt wurden. Der von Ruby aufgeworfene<br />

Disneyland-Vergleich wird aber<br />

vor Ort mit Hinweis darauf, „dass Disneyland<br />

eine ortlose, klischeehafte Erfindung“<br />

sei, während am Neumarkt versucht wür­<br />

de, einen „authentischen historischen Ort<br />

als gebautes Bild“ zurückgewinnen zu<br />

können, vom Kunsthistoriker Jürgen Paul<br />

(2007) zurückgewiesen.<br />

Auch der Architekt Thomas Will kritisiert<br />

den Wiederaufbau für seine Hoffnung darauf,<br />

„verlorene Kulturdenkmäler kraft<br />

moderner Wissenschaft und Technik weitgehend<br />

ebenbürtig reproduzieren zu können.“<br />

Er reiht sich damit in die Kritik an<br />

dem ausgehöhlten Authentizitätsbegriff<br />

ein und begreift die Wiederaufbaumaßnahmen<br />

lediglich als „Bildschmuck“.

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