PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen

PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen

urbane.transformationen.de
von urbane.transformationen.de Mehr von diesem Publisher
30.01.2015 Aufrufe

116 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143 Das Flächenbombardement vom 13. und 14. Februar 1945 hat die Innenstadt Dresdens sowie das Neumarktquartier in wesentlichen Teilen zerstört. Die ausgebrannte Frauenkirche brach schließlich in sich zusammen. Von einem Großteil der Gebäude blieben nur noch Fragmente übrig. Das ehemalige Platzgefüge war nicht mehr erkennbar. Nur wenige Gebäude überstanden den Angriff weniger unbeschadet. Zu ihnen zählten das Johanneum am Jüdenhof, Teile des Landhauses, die Torhäuser des Coselpalais sowie das Kurländer Palais. Auch die Bauten an der Brühlschen Terrasse und die bürgerlichen Barockbauten an der östlichen Rampischen Straße wiesen im Vergleich zu den anderen Gebäuden einen geringeren Zerstörungsgrad auf (Donath 2006: 101). Die Phase der Enttrümmerung begann 1945 im Anschluss an die Zerstörung. Ein wichtiger Aspekt war die Sicherung der Ruinen und Bergung sowie Inventarisierung wertvoller Fassadenfragmente von zerstörten Gebäulen und musikalischen Leben. Begünstigt durch den Anstieg des Fremdenverkehrs und dem gleichzeitigen Wegzug von Adeligen und Hofbeamten wurden Bürgerhäuser und Palais zu vornehmen Hotels umgewandelt. Bekannte Beispiele hierfür sind etwa die Hotels „Stadt Berlin“, „British Hotel“ oder das „Hotel de Saxe“. Die Festsäle wurden für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Berühmte Persönlichkeiten besuchten den Neumarkt (u. a. Frédéric Chopin, Fjodor Dostojewski, Ludwig Richter, Karl Marx). In dieser Zeitphase erlangte der Neumarkt außerdem seine Bedeutung als Festplatz Dresdens und Bühne städtischen, gesellschaftlichen Lebens. In der Errichtung des Denkmals für König Friedrich August II. 1867 und des Lutherdenkmals 1885 kam das bürgerliche Selbstbewusstsein zum Ausdruck. In den Folgejahrzehnten nahm die Bedeutung des Quartiers als attraktiver Geschäfts- und Gewerbestandort immer mehr zu. Dies hatte zur Folge, dass die gewerbliche Nutzung sich auch vertikal in die oberen Geschosse ausbreitete. Parallel dazu galt das Quartier nicht mehr als gehobener Wohnstandort. Vor allem das einkommensstärkere Bürgertum, das in den großen repräsentativ ausgestatteten Vorderhauswohnungen lebte, verließ das Neumarktgebiet und zog in Villenviertel außerhalb des Stadtkerns. Arbeiter und Angestellte zogen in die Seitenflügel und Hinterhäuser der teilweise schon heruntergekommenen Hofanlagen (Donath 2006: 78 ff., Stadt Dresden: Neumarkt Dresden – Eine Ausstellung des Stadtplanungsamtes: o. S.). Während die Neubautätigkeit stagnierte, prägten zahlreiche Umbaumaßnahmen das Baugeschehen: Aufstockungen, überdimensionierte Ladeneinbauten und Fassadenveränderungen im Neobarockstil zerstörten das Raumgefüge des Platzes. Im Zuge der Industrialisierung hatte sich die vornehme Haupt- und Residenzstadt zu einer Industriestadt gewandelt. Nach der Eröffnung der ersten Eisenbahnlinie 1839 begann vor allem westlich des Stadtkerns die Ansiedlung von ausgedehnten Industrieanlagen entlang der Schienenstrecke und der Elbhäfen. Währens der Wachstumsjahre der Gründerzeit erfolgte der Bau des Hauptbahnhofes (1898) und des Neustädter Bahnhofs (1901) als weiterer Fernbahnhof. Die bauliche Struk­ tur des Stadtkerns erfuhr mit dem Durchbruch einer Querverbindung 1885 – 1888 einschneidende bauliche Veränderungen. Während der Neumarkt nördlich dieser Achse in seiner baulichen Substanz unverändert blieb, führte die Intensivierung südlich davon zu einer regen Neubautätigkeit. Die neu angelegte Prager Straße entwickelte sich zu einer eleganten Geschäftsstraße. Im 20. Jahrhundert, insbesondere zwischen den beiden Weltkriegen, stagnierte die Bautätigkeit in Dresden (Paul 1997: 22). Der Neumarkt als innerstädtisches Quartier hatte inzwischen an Bedeutung als attraktiver Geschäfts- und Gewerbestandort und Schauplatz gesellschaftlichen Lebens verloren. Die Bausubstanz verfiel zunehmend, weshalb in den 1930er Jahren die Stadtverwaltung eine Sanierung des Quartiers als Reaktion auf städtebauliche Missstände in Betracht zog. 1936 führte wurden in der Salzgasse aufgrund der vorherrschenden städtebaulichen Missstände erste Sanierungen durchgeführt, bei der alte Bausubstanz aus dem 16. Jahrhundert abgerissen und durch einen größeren Wohnblock ersetzt wurde. Der Zweite Weltkrieg verhinderte eine weitere Umsetzung der Planungen (Donath 2006: 99 f.). Zerstörung

Fallstudien 117 den, um die sich bis 1948 sich Bürger und der damalige Stadtkonservator Hans Nadler bemühten. Nadler sprach in diesem Zusammenhang von der „Verteidigung der Reste“. Weiterhin sorgte er dafür, die zugeordneten und nummerierten Fundstücke an sicheren Orten einzulagern und Abtransporte der Trümmer zu verhindern (Pohlack 2008: 34). Bereits 1949 sprach er sich für den Erhalt des historischen Stadtgrundrisses und der Rekonstruktion der barocken Frauenkirche unter der Verwendung der erhalten gebliebenen Sandsteinteile analog zur Zwingersanierung aus, stieß jedoch auf den Widerstand der damaligen SED-Führung (Donath 2006: 101, Pohlack 2008: 34). Der Kunstwissenschaftler Jürgen Paul (1997: 24) geht davon aus, dass der nachfolgende Wiederaufbau „[…] das Ergebnis eines langen, widersprüchlichen Prozesses immer wieder wechselnder, oft genug verfehlter Planungen und deren meist nur fragmentarischer Ausführung“ ist. Er führt an, dass ungeachtet der Zerstörungen „[…] noch genug an beschädigten Bauten und wiederaufbaufähigen Ruinen geblieben war, um die bedeutenden und stadtbildprägenden Zeichen wiederherzustellen, um – mit notwendigen Korrekturen – den Grundriss erhalten, um der Stadt, ihrem historischen Kern, in ihren zentralen Bereichen und in den Wohngebieten ihre städtebauliche Struktur, ihre räumlichen Proportionen und ihren Baucharakter bewahren zu können“. In den ersten Jahren nach Kriegsende sind Planvorstellungen für den Wiederaufbau entwickelt worden. Unter der Leitung von Stadtbaurat Conert entstand 1945 der „Große Dresdener Aufbauplan“, der 1946 durch den Stadtrat bestätigt wurde. Diese erste Planung Conerts sah einen Wiederaufbau über historischen Stadtgrundriss vor, der bis 1949 noch „alternativlos“ blieb. Bereits 1949 wurde dieses Planungsziel zu Gunsten eines von Mart Stam (Rektor der Kunsthochschule) verfassten radikaleren Entwurfsansatzes fallengelassen, der dann in der zweiten Fassung des Entwicklungsplans festgeschrieben wurde (Schwarzbach 2000: 18). Die Wiederaufbauplanung der kommunistischen Führung in den frühen 1950er Jahren war von der Prämisse der Umgestaltung Dresdens zu einer sozialistischen Großstadt im Stil der Moderne anstelle der „feudalistischen Stadt“ geleitet. 1952 erfolgte der Befehl, nach den von der Regierung erlassenen Direktiven auf dem Altstadtgebiet ein sozialistisches Stadtzentrum mit einem zentralen Kundgebungs- und Aufmarschplatz, einer Magistrale und einem Turmgebäude nach Moskauer Vorbild zu bauen (Paul 1997: 24). Bei der Grundsteinlegung am Altmarkt verkündete Walter Ulbricht 1953: „Das neue Dresden wird „[…] durch sein architektonisches Bild den historischen Sieg der Arbeiterklasse über die kapitalistische Weltordnung widerspiegeln“ (Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden 2000: 7). Es folgte der unter dem damaligen Bürgermeister Walter Weidauer vehement vorangetriebene Flächenabbruch, der in den 1950er und 1960er Jahren in weiten Teilen der Innenstadt einen Wiederaufbau nach sozialistischem Muster ermöglichen sollte, aber nur wenig Rücksicht auf die überlieferten Stadtstrukturen nahm. Weidauer ging aufgrund seiner Äußerungen, „die grausigen Spuren des Krieges“ sowie die baulichen Zeugnisse „jahrhundertelanger Ausbeutung“ beseitigen zu wollen, und der anschließenden Umsetzung in die Tat als „Wiesen-Walter“ in die Stadtgeschichte Dresdens ein (Donath 2006: 103). Die aus dieser Zeit stammenden Bilder von Schafen, die auf der großen Brachfläche des Neumarkts inmitten des leer geräumten historischen Stadtzentrums vor dem Trümmerhaufen der Frauenkirche grasten, wirkten noch lange Zeit in den Köpfen der Bevölkerung nach (Kulke 29.08.2009). Die Flächenenttrümmerung wurde 1951 mit der Verfüllung der verbliebenen Kelleranlagen abgeschlossen (Schwarzbach 2000: 18). Der Neumarktbereich spielte in den Planungen zunächst eine untergeordnete Rolle. Sie konzentrierten sich auf den Altmarkt, der entsprechend Walter Ulbrichts Verkündung ab 1953 auf verändertem Platzgrundriss wiederaufgebaut wurde. Grundlage für alle Planungen bildeten das 1950 erlassene Wiederaufbaugesetz sowie die 1951 erlassenen 16 Grundsätze zum Städtebau im Sinne des stalinistischen Kulturprogramms der damaligen UdSSR, der für Städtebau und Architektur einen das „Nationale Kulturerbe“ fortführenden Baustil vorschrieb (Paul 1997: 25). Das Wiederaufbaugesetz ermöglichte die Durchsetzung der Flächenenttrümmerung, indem

116 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Das Flächenbombardement vom 13. und<br />

14. Februar 1945 hat die Innenstadt Dresdens<br />

sowie das Neumarktquartier in wesentlichen<br />

Teilen zerstört. Die ausgebrannte<br />

Frauenkirche brach schließlich in sich<br />

zusammen. Von einem Großteil der Gebäude<br />

blieben nur noch Fragmente übrig.<br />

Das ehemalige Platzgefüge war nicht mehr<br />

erkennbar. Nur wenige Gebäude überstanden<br />

den Angriff weniger unbeschadet. Zu<br />

ihnen zählten das Johanneum am Jüdenhof,<br />

Teile des Landhauses, die Torhäuser<br />

des Coselpalais sowie das Kurländer Palais.<br />

Auch die Bauten an der Brühlschen<br />

Terrasse und die bürgerlichen Barockbauten<br />

an der östlichen Rampischen Straße<br />

wiesen im Vergleich zu den anderen Gebäuden<br />

einen geringeren Zerstörungsgrad<br />

auf (Donath 2006: 101). Die Phase der Enttrümmerung<br />

begann 1945 im Anschluss<br />

an die Zerstörung. Ein wichtiger Aspekt<br />

war die Sicherung der Ruinen und Bergung<br />

sowie Inventarisierung wertvoller<br />

Fassadenfragmente von zerstörten Gebäulen<br />

und musikalischen Leben. Begünstigt<br />

durch den Anstieg des Fremdenverkehrs<br />

und dem gleichzeitigen Wegzug von Adeligen<br />

und Hofbeamten wurden Bürgerhäuser<br />

und Palais zu vornehmen Hotels umgewandelt.<br />

Bekannte Beispiele hierfür sind<br />

etwa die Hotels „Stadt Berlin“, „British Hotel“<br />

oder das „Hotel de Saxe“. Die Festsäle<br />

wurden für kulturelle Veranstaltungen genutzt.<br />

Berühmte Persönlichkeiten besuchten<br />

den Neumarkt (u. a. Frédéric Chopin,<br />

Fjodor Dostojewski, Ludwig Richter, Karl<br />

Marx). In dieser Zeitphase erlangte der<br />

Neumarkt außerdem seine Bedeutung als<br />

Festplatz Dresdens und Bühne städtischen,<br />

gesellschaftlichen Lebens. In der Errichtung<br />

des Denkmals für König Friedrich<br />

August II. 1867 und des Lutherdenkmals<br />

1885 kam das bürgerliche Selbstbewusstsein<br />

zum Ausdruck. In den Folgejahrzehnten<br />

nahm die Bedeutung des Quartiers als<br />

attraktiver Geschäfts- und Gewerbestandort<br />

immer mehr zu. Dies hatte zur Folge,<br />

dass die gewerbliche Nutzung sich auch<br />

vertikal in die oberen Geschosse ausbreitete.<br />

Parallel dazu galt das Quartier nicht<br />

mehr als gehobener Wohnstandort. Vor allem<br />

das einkommensstärkere Bürgertum,<br />

das in den großen repräsentativ ausgestatteten<br />

Vorderhauswohnungen lebte, verließ<br />

das Neumarktgebiet und zog in Villenviertel<br />

außerhalb des Stadtkerns. Arbeiter<br />

und Angestellte zogen in die Seitenflügel<br />

und Hinterhäuser der teilweise schon heruntergekommenen<br />

Hofanlagen (Donath<br />

2006: 78 ff., Stadt Dresden: Neumarkt Dresden<br />

– Eine Ausstellung des Stadtplanungsamtes:<br />

o. S.). Während die Neubautätigkeit<br />

stagnierte, prägten zahlreiche Umbaumaßnahmen<br />

das Baugeschehen: Aufstockungen,<br />

überdimensionierte Ladeneinbauten<br />

und Fassadenveränderungen im<br />

Neobarockstil zerstörten das Raumgefüge<br />

des Platzes.<br />

Im Zuge der Industrialisierung hatte sich<br />

die vornehme Haupt- und Residenzstadt<br />

zu einer Industriestadt gewandelt. Nach<br />

der Eröffnung der ersten Eisenbahnlinie<br />

1839 begann vor allem westlich des Stadtkerns<br />

die Ansiedlung von ausgedehnten<br />

Industrieanlagen entlang der Schienenstrecke<br />

und der Elbhäfen. Währens der<br />

Wachstumsjahre der Gründerzeit erfolgte<br />

der Bau des Hauptbahnhofes (1898) und<br />

des Neustädter Bahnhofs (1901) als weiterer<br />

Fernbahnhof. Die bauliche Struk­<br />

tur des Stadtkerns erfuhr mit dem Durchbruch<br />

einer Querverbindung 1885 – 1888<br />

einschneidende bauliche Veränderungen.<br />

Während der Neumarkt nördlich dieser<br />

Achse in seiner baulichen Substanz unverändert<br />

blieb, führte die Intensivierung<br />

südlich davon zu einer regen Neubautätigkeit.<br />

Die neu angelegte Prager Straße<br />

entwickelte sich zu einer eleganten Geschäftsstraße.<br />

Im 20. Jahrhundert, insbesondere<br />

zwischen den beiden Weltkriegen,<br />

stagnierte die Bautätigkeit in Dresden<br />

(Paul 1997: 22). Der Neumarkt als innerstädtisches<br />

Quartier hatte inzwischen an<br />

Bedeutung als attraktiver Geschäfts- und<br />

Gewerbestandort und Schauplatz gesellschaftlichen<br />

Lebens verloren. Die Bausubstanz<br />

verfiel zunehmend, weshalb in den<br />

1930er Jahren die Stadtverwaltung eine<br />

Sanierung des Quartiers als Reaktion auf<br />

städtebauliche Missstände in Betracht zog.<br />

1936 führte wurden in der Salzgasse aufgrund<br />

der vorherrschenden städtebaulichen<br />

Missstände erste Sanierungen durchgeführt,<br />

bei der alte Bausubstanz aus dem<br />

16. Jahrhundert abgerissen und durch einen<br />

größeren Wohnblock ersetzt wurde.<br />

Der Zweite Weltkrieg verhinderte eine weitere<br />

Umsetzung der Planungen (Donath<br />

2006: 99 f.).<br />

Zerstörung

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!