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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />

99<br />

Anteile einer gesellschaftlichen Funktion<br />

besitzt bzw. mit diesen verknüpft<br />

ist, indem die zunächst als allgemeingültig<br />

verstandene „Stadtbildverschönerung“<br />

auch als Aneignung des städtischen<br />

Raums durch eine bestimmte<br />

Geschmacksgruppe wirkt.<br />

• Dabei emanzipiert sich auch ein populärer<br />

Begriff von „Schönheit“ und kann<br />

nunmehr innerhalb der gesellschaftlichen<br />

Auseinandersetzung als gleichberechtigt<br />

gegenüber der durch die Elitekultur<br />

vorgenommenen Abwertung als<br />

„Kitsch“ angesehen werden. Dies erodiert<br />

die Elitekultur zudem in einer Weise,<br />

dass ehemals „kitschige“ Dinge heute<br />

neben der Hochkultur stehen bzw.<br />

durch ironischen Gebrauch von dieser<br />

integriert wurden.<br />

• Durch das Aufkommen und die Ausweitung<br />

des Bürgertums im Sinne einer<br />

Verallgemeinerung von materiellem<br />

Wohlstand, können die wesentlichen<br />

Grundbedürfnisse als befriedigt gelten,<br />

sind Gebrauchsgegenstände zu Distinktionsmitteln<br />

geworden und haben kulturelle<br />

Güter und Erlebnisse an Bedeutung<br />

gewonnen. Dadurch, dass die kapitalistische<br />

Massengesellschaft diese kulturellen<br />

Bedürfnisse zunächst vor allem<br />

durch Kopien, Miniaturen und Repliken<br />

zu befriedigen suchte, aber keine Formund<br />

Stilsicherheit vermitteln konnte, besteht<br />

auf dem nunmehr erreichten Wohlstandsniveau<br />

zum einen eine gesteigerte<br />

Nachfrage nach Besonderheit und Originalität<br />

und zeigt sich zum anderen<br />

das Verhältnis von Echtem und Nachgemachtem<br />

verwischt.<br />

• So, wie der „schöne“ Kitsch als „Balsam<br />

für die Seele“ dient, ist Heimat als<br />

Komplexität reduzierender Ort der „Gemütlichkeit“<br />

in der zunehmend mobilen<br />

Gesellschaft bedeutender geworden.<br />

Individuen und Bevölkerungsteile<br />

entscheiden dabei ebenso eigenständig<br />

über ihre Auffassung von „Gemütlichkeit“,<br />

wie dies oben für „Schönheit“ ausgeführt<br />

wurde. Hinzu kommt, dass Heimat<br />

zwar weiterhin aus nostalgischen<br />

Gefühlen und Kindheitserinnerungen<br />

gespeist sein kann, dies aber etwa durch<br />

Migration und Ortspolygamie nicht länger<br />

zwingend erforderlich ist. So wird<br />

die (neue) Heimat heute bewusst an­<br />

geeignet und sind mehrere, wechselnde<br />

Heimaten möglich. So, wie Einrichtungs-<br />

und Dekorationsgegenstände an<br />

gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen<br />

haben, um den eigenen Status innerhalb<br />

der Gesellschaft zu verdeutlichen<br />

und zugleich um in einer zunächst<br />

fremden Umgebung „heimisch“ zu werden,<br />

besteht dieses Verlangen abhängig<br />

von persönlichen Möglich- und Fähigkeiten<br />

auch für das erweiterte Umfeld<br />

und die städtische Umwelt. Durch soziales,<br />

kulturelles oder politisches Engagement<br />

versuchen Zugezogene, entweder<br />

sich bewusst von der alteingesessenen<br />

Bevölkerung abzuheben oder eine stärkere<br />

Verwurzelung und Integration zu<br />

erreichen. Dabei wirken sie auch gestaltend<br />

auf ihre Umwelt ein und orientieren<br />

sich dabei an ihren in früheren Heimaten<br />

gemachten Erfahrungen und dort<br />

entwickelten Geschmacksurteilen.<br />

• Durch die Individualisierung besteht<br />

aber auch ein Bedürfnis nach Absetzung,<br />

hier also letztlich nach der Durchsetzung<br />

des eigenen Schönheitsempfindens<br />

gegenüber dem anderer bzw.<br />

anderer Gruppen. Als eine Fortsetzung<br />

dieses Distinktionsverhaltens kann man<br />

zudem auch die – zumindest innerhalb<br />

der Argumentation behauptete – Notwendigkeit<br />

von Stadtgesellschaften ansehen,<br />

sich innerhalb des Städtewettbewerbs<br />

von konkurrierenden Standorten<br />

und Destinationen abzugrenzen und<br />

dies etwa durch die Herstellung von Alleinstellungsmerkmalen<br />

zu verwirklichen<br />

(vgl. Richter 2009).<br />

Die bewusste „Stadtbildverschönerung“ als<br />

wesentliche Funktion vieler Rekonstruktionsvorhaben<br />

kann somit wohl gelingen,<br />

aber nur innerhalb der begriffsimmanenten<br />

Grenzen. Da es sich um ein individuelles<br />

bzw. kollektives Geschmacksurteil<br />

handelt, wird auch zunächst lediglich das<br />

Schönheitsempfinden derjenigen Individuen<br />

und Gruppen befriedigt, die durch<br />

ihre Geschmacksvorlieben entsprechend<br />

ausgerichtet sind und somit in der Regel<br />

innerhalb des Wiederaufbauvorhabens auf<br />

Seiten der Rekonstruktionsbefürworter zu<br />

finden sein werden. Hierfür ist zudem eine<br />

Umsetzung erforderlich, die ihren Ansprüchen<br />

und Vorstellungen entspricht. Darüber<br />

hinaus ist aber auch denkbar, dass<br />

sich weitere Menschen durch Gewöhnung

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