PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />
95<br />
Da visuelle Medien in der menschlichen<br />
Wahrnehmung eine herausgehobene Stellung<br />
einnehmen, hat mit der Fortentwicklung<br />
der technischen Möglichkeiten die<br />
Bildhaftigkeit der Massenmedien zugenommen.<br />
Wenngleich die symbolische<br />
Stadtpolitik durch erzeugte Bilder an sich<br />
keine Neuigkeit darstellt, wurde sie durch<br />
die Medialisierung intensiviert (von Saldern<br />
2006) und stellen ein wesentliches Kriterium<br />
für die Bewertung im Städtewettbewerb<br />
dar, sind sie doch im Vergleich zu<br />
anderen Alleinstellungsmerkmalen wesentlich<br />
prägnanter und einfacher vermittelbar.<br />
„Nachdem der gegenwartsdeutende<br />
und zukunftsweisende Fortschrittsglaube<br />
abhanden gekommen war, wurde und wird<br />
vermehrt auf Oberflächenwirkung und Kulissenflair<br />
gesetzt, wozu sich die Wiederherstellung<br />
von Gebäuden aus längst vergangenen<br />
Zeiten offensichtlich besonders<br />
gut eignet. Dahinter stehen oftmals ökonomische<br />
Verwertungsinteressen und Verteilungskämpfe<br />
im härter gewordenen Städtewettbewerb.“<br />
(Ebd.: 32) In seiner Bildkritik<br />
beschreibt Pörksen (1997) zudem die verschwimmende<br />
Grenze von Image und der<br />
„Sache selbst“. Dem ist allerdings entgegenzuhalten,<br />
dass diese identitätsprägenallgemeineren<br />
populistischen Bewegung,<br />
die sich gegen die wohlfahrtstaatliche Moderne<br />
insgesamt einschließlich ihrer baulichen<br />
Hinterlassenschaften richtet. Dies<br />
entspräche dann auch der Vorstellung<br />
vom Populismus als einer „dünnen“ Ideologie,<br />
die sich anderer Ideologien bedient<br />
(hier nämlich einer konservativen Vorstellung<br />
von Stadt und Architektur).<br />
4.24 Mediengesellschaft<br />
In der Politikwissenschaft wird derzeit<br />
von einer gesteigerten Rolle der Medien innerhalb<br />
demokratischer Entscheidungsprozesse<br />
ausgegangen, die zum Teil zur<br />
Annahme eines Wandels von einer Parteiendemokratie<br />
in eine „Mediendemokratie“<br />
(Meyer 2001, 2002) führt. „Die Regeln der<br />
medialen Politikdarstellung – unterhaltsam,<br />
dramatisierend, personalisiert und<br />
mit Drang zum Bild, allesamt der Darstellungskunst<br />
des Theaters entlehnt – greifen<br />
in zunehmendem Maße und mit beträchtlichen<br />
Folgen auf das politische<br />
Geschehen selbst über. Die Selektion spektakulärer<br />
Ereignisse, die effektsichere Inszenierung<br />
der Profis, die weite Teile des<br />
Mediensystems bestimmen, regieren zunehmend<br />
auch die Politik.“ (Meyer 2001: 7)<br />
Dieser Wandel als Teil einer allgemeinen<br />
Medialisierung der Gesellschaft (Jarren<br />
2001) beeinflusst auch die politischen Entscheidungsprozesse<br />
über potentielle Wiederaufbauvorhaben.<br />
Wiederaufbauvorhaben besitzen in ihrer<br />
Vorbereitung, Durchführung und im<br />
fertig gestellten Zustand einen beträchtlichen<br />
medialen Wert als Nachricht, Bild<br />
und Symbol. Bei Anwendung der aufeinander<br />
abgestimmten Kriterien von Selektions-<br />
und Präsentationslogik zur Verwertung<br />
in den Massenmedien, stellen sich<br />
die Rekonstruktionen als attraktiv dar, da<br />
sie zum einen durch ihren Ereignischarakter<br />
und ihre weiterhin vergleichsweise<br />
hohe Besonderheit einen hohen Nachrichtenwert<br />
(vgl. Luhmann 1996), und<br />
durch die gegebenen Inszenierungsmöglichkeiten<br />
einschließlich Dramatisierung<br />
(Geschichte der Zerstörung) und<br />
Personifikation (Spender) auch ein anhaltendes<br />
Publikumsinteresse sicherstellen<br />
(vgl. Schulz 1976). Durchaus im Gegensatz<br />
zu den häufig fachlich begründeten Argumenten<br />
von Wiederaufbaukritikern und<br />
vor allem zu komplexeren Alternativlösungen,<br />
den es häufig zudem an einer Visualisierung<br />
mangelt, entsprechen Rekonstruktionsvorhaben<br />
und viele Argumente ihrer<br />
Unterstützer zudem dem Wunsch nach<br />
kurzen, prägnanten Aussagen (Vgl. Pretting<br />
2005: 143), der insbesondere für audio-visuelle<br />
Präsentation, aber auch den<br />
Einsatz plakativer Werbemedien bedeutsam<br />
ist.<br />
Abbildung 10<br />
Attrappe des Berliner Stadtschlosses als besondere Form medialer Präsentation<br />
Quelle: Robert Schediwy/CC by-sa