PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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94 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
ins Gespräch bringen und bewerben können.<br />
Allerdings vermutet Decker (2006: 27),<br />
dass die plebiszitären Formen, solange sie<br />
innerhalb des politischen Systems integriert<br />
sind, ein geeignetes Mittel zur Eindämmung<br />
populistischer Tendenzen sein<br />
könnten, da ungezähmte plebiszitäre Auswüchse<br />
institutionell eingebunden und<br />
damit begrenzt würden. Tatsächlich sind<br />
auch keinerlei Rekonstruktionsvorhaben<br />
bekannt, die auf dem Wege plebiszitär-demokratischer<br />
Partizipationsformen<br />
durchgesetzt worden wären. Alle weiteren<br />
populistischen Tendenzen auf der lokalen<br />
Ebene und deren Wirkmächtigkeit<br />
hinsichtlich der erfolgreichen Realisierung<br />
von Rekonstruktionsvorhaben oder<br />
der Strukturierung von Wiederaufbaudebatten<br />
erscheinen durch die vorangegangene<br />
These des „eingebauten“ Populismus<br />
besser erklärbar.<br />
Die Rekonstruktionswelle als<br />
„populistische Bewegung“<br />
In Fortführung der vorangegangenen Thesen<br />
stellt sich die Frage, inwieweit die Rekonstruktionswelle<br />
selbst eine populistische<br />
Bewegung darstellt. Dem ist<br />
allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
aus verschiedenen Gründen zu widersprechen:<br />
• Bislang ist keine ausreichende Breitenwirkung<br />
erkennbar. Mit rund einhundert<br />
mehr oder weniger erfolgreichen<br />
Vorhaben innerhalb eines Zeitraums von<br />
über dreißig Jahren erscheint die Rekonstruktionswelle<br />
trotz eindrucksvoller<br />
publizistischer Wirkung und baulicher<br />
Ergebnisse deutlich zu klein, als dass<br />
von einer bundesweiten Bewegung gesprochen<br />
werden könnte. Zu hinterfragen<br />
und genauer zu analysieren wäre, ob<br />
dies möglicherweise innerhalb der „Hotspots“<br />
der Rekonstruktionswelle auf lokaler<br />
Ebene der Fall ist. Dafür sprechen<br />
würden etwa die hohe Breitenwirkung,<br />
die die Bürgerinitiative für den Wiederaufbau<br />
der Alten Oper in Frankfurt<br />
seinerzeit erreicht hat, oder auch entsprechende<br />
Effekte des Frauenkirchen-<br />
Wiederaufbaus in Dresden. Allerdings<br />
scheint für beide Fälle die Dauerhaftigkeit,<br />
die zeitgenössischen Populismen<br />
etwa innerhalb vieler europäischer Par<br />
teiensysteme vergönnt ist, nicht gegeben<br />
zu sein. Vor diesem Hintergrund könnten<br />
Wiederaufbauvorhaben als vorübergehende<br />
Anknüpfungspunkte für latent<br />
vorhandene populistische Strömungen<br />
angesehen werden.<br />
• Es ist keinerlei Führerpersönlichkeit (vgl.<br />
Spier 2006: 37–38) erkennbar, die sich an<br />
die Spitze dieser Bewegung stellen würde.<br />
Ob ohne eine solche Galionsfigur<br />
in Zeiten der Mediendemokratie (Meyer<br />
2006) eine populistische Bewegung<br />
erfolgreich ist, muss bezweifelt werden.<br />
Allenfalls wäre – in einer noch weiter<br />
zu untersuchenden Abwandlung der<br />
Erkenntnisse über populistische Bewegungen<br />
– vorstellbar, dass diese Persönlichkeit<br />
durch eine andere Identifikationsfigur<br />
ersetzt werden könnte oder<br />
ein Leitbau und Symbol für die Machbarkeit<br />
und Realität von Rekonstruk tion<br />
wie die Frauenkirche in Dresden die<br />
Rolle einer solchen Führerpersönlichkeit<br />
übernehmen könnte.<br />
• Anders als in anderen europäischen<br />
Ländern scheint ein über die – letztlich<br />
wenigen – Rekonstruktionsvorhaben hinausgehender<br />
politischer Inhalt nicht<br />
vorhanden zu sein, der populistischen<br />
Bewegungen von Politikwissenschaftlern<br />
zugeschrieben wird. Hierzulande<br />
besteht weder eine mit Ländern wie<br />
Großbritannien (vgl. oben) oder den Niederlanden<br />
(Lootsma 2008) vergleichbare<br />
Bewegung für Retro-Architektur, noch<br />
wird städtebauliche Sanierung und der<br />
Umgang mit den Folgen städtischer Modernisierung<br />
momentan auf lokaler oder<br />
nationaler Ebene in besonderem Maße<br />
thematisiert. Wo diese Themen aufkommen,<br />
werden sie zudem eher von den innerhalb<br />
der Rekonstruktionsvorhaben<br />
kritisierten Eliten aufgegriffen, etwa bei<br />
der Frage der Reurbanisierung, der Baukultur<br />
etc.<br />
Folgt man hingegen Priesters (2007) These<br />
von einer postmodernen, populistischen<br />
„Revolte gegen Moderne“, zu der sicherlich<br />
auch der „Aufschrei“ (Mäckler zit.<br />
in BMVBS 2009: 36) nach Wiederaufbau<br />
zu rechnen wäre, so ist die Rekonstruktionsbewegung<br />
ebenfalls keine eigenständige<br />
populistische Bewegung. Stattdessen<br />
wäre die Rekonstruktionswelle lediglich<br />
ein Schauplatz oder auch Ausdruck einer