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Volken und die Keller, von 1314 bis 1888 - Gemeinde Volken

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Chronik<br />

einer Familie <strong>Keller</strong><br />

aus <strong>Volken</strong><br />

Band 1: <strong>Volken</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Keller</strong>, <strong>von</strong> <strong>1314</strong> <strong>bis</strong> <strong>1888</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

3 Vorwort<br />

4 Das Dorf <strong>Volken</strong> im Zürcher Weinland<br />

6 Der Name <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> der Kelhof Der Kelhof in <strong>Volken</strong> im Jahr <strong>1314</strong><br />

7 Schenkungs-Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> <strong>1314</strong><br />

8 Der Gr<strong>und</strong>zins des Kelhofes <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

9 <strong>Volken</strong>er Bauern im mittelalterlichen Lehensystem<br />

10 Der Zehnten<br />

11 Das Tavernenrecht, das „Täfry“ -- Der Streit um das Täfry <strong>von</strong> 1428 in Flaach<br />

12 Abgabenstreit zwischen Ulrich III <strong>von</strong> Gachnang <strong>und</strong> „den <strong>Keller</strong>n <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>“ 1446<br />

14 Die <strong>Keller</strong> als stärkste Steuerzahler in <strong>Volken</strong><br />

15 Ertrag der ausserordentlichen Steuererhebung auf der zürcherischen Landschaft 1467<br />

16 Hensli <strong>Keller</strong>s Ehefrau als Tauschobjekt zwischen Vogtei Andelfingen <strong>und</strong> Frauenkloster Töss 1459<br />

18 Die <strong>Keller</strong>-Sippe als Lehensbauern des Klosters St. Katharinenthal im Jahre 1574<br />

20 Ein Gültenbrief gibt Einblick in das Leben in <strong>Volken</strong> um 1575<br />

22 Das Heimwesen der Witwe Anna <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong>, 1602<br />

25 Schuldspruch-Urk<strong>und</strong>e der Gebrüder <strong>Keller</strong> vom 4. Oktober 1608<br />

27 Wie <strong>die</strong> Volkemer <strong>die</strong> Zahlung der Gr<strong>und</strong>zinsen zu vermeiden suchten<br />

28 Der Kelhof in <strong>Volken</strong> als Erblehen der <strong>Gemeinde</strong>, 1775<br />

32 Der Weinbau<br />

34 Vom 16. Jahrh<strong>und</strong>ert in <strong>Volken</strong><br />

35 Erste Vorahnen der <strong>Keller</strong>-Sippe <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

36 Auszug aus den noch vorhandenen Pfarrbüchern der Pfarrei Andelfingen, Taufen in <strong>Volken</strong><br />

38 Auszug aus den noch vorhandenen Pfarrbüchern der Pfarrei Andelfingen, Liste der Ehen in <strong>Volken</strong><br />

39 Stammbaum einer Familie <strong>Keller</strong> <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

40 Die lückenlos nachgewiesenen Vorfahren des Verfassers: Jörg <strong>Keller</strong> (13.3.1603 - 18.2.1872)<br />

42 Georg <strong>Keller</strong> (*1645)<br />

44 Eingabe der <strong>Gemeinde</strong>behörden <strong>Volken</strong>s an <strong>die</strong> Zürcher Regierung 19.5.1707<br />

50 Hans <strong>Keller</strong> (9.7.1672 - 2.5.1743)<br />

52 Hans Heinrich <strong>Keller</strong> (22.6.1712 - 21.4.1781)<br />

53 Amtsrecht der Herrschaft Andelfingen<br />

54 Hans Jakob <strong>Keller</strong> (8.9.1742 - 27.7.1808)<br />

55 Essen <strong>und</strong> Trinken – Es soll besser werden<br />

56 Hans Konrad <strong>Keller</strong> (28.2.1779 - 25.6.1821)<br />

58 Ach, <strong>die</strong>se Steuern – neue Anbaumethoden – Politik<br />

59 Der Wandel der Umwelt<br />

60 Johann Conrad <strong>Keller</strong> (28.1817 - 7.3.<strong>1888</strong>)<br />

62 Klima <strong>und</strong> Katastrophen – <strong>die</strong> politische Entwicklung<br />

63 Landwirtschaft, Auswanderung<br />

64 J.C.<strong>Keller</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Post - Entwicklung der Post im Flaachtal<br />

65 Johann Conrads letzte Jahre<br />

66 Anna <strong>Keller</strong>-Wiesendanger (28.4.1826 - 25.4.1906)<br />

69 Anhang<br />

70 Liste der Verkäufe 1884-<strong>1888</strong><br />

72 Verkaufsvertrag <strong>von</strong> 1887 der Liegenschaft Restaurant Post<br />

76 Beistandschaft <strong>und</strong> Vorm<strong>und</strong>schaft <strong>von</strong> Susanna <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> ihren Kindern<br />

2


Vorwort<br />

Die erste Fassung <strong>die</strong>ser Chronik erschien im März 2008. Sie wird in der vorliegenden zweiten, erweiterten<br />

Fassung ergänzt mit der Auswertung <strong>von</strong> Urk<strong>und</strong>en, welche wichtige geschichtliche Ereignisse in <strong>Volken</strong><br />

beschreiben <strong>und</strong> über <strong>die</strong> frühesten erwähnten <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong> berichten.<br />

Die Chronik wurde neu in drei Bände aufgeteilt. Der erste behandelt zuerst allgemein den Kelhof <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Keller</strong><br />

in <strong>Volken</strong> <strong>bis</strong> ungefähr 1600. Anschliessend folgen <strong>die</strong> lückenlos nachweisbaren Ahnen des Verfassers <strong>bis</strong><br />

zum Wegzug aller Nachkommen <strong>und</strong> zum Tod des letzten in <strong>Volken</strong> lebenden Vorfahrs in <strong>1888</strong>. Der zweite<br />

Band ist ihren in der Schweiz niedergelassenen Nachkommen <strong>bis</strong> zur Gegenwart gewidmet. Der dritte Band<br />

schliesslich berichtet über <strong>die</strong> Familien, welche <strong>von</strong> einem Enkel abstammen, der 1911 in <strong>die</strong> Provinz<br />

Saskatchewan in Kanada zog <strong>und</strong> Stammvater eines grossen Clans wurde.<br />

Der hier vorliegende erste Band dürfte für alle <strong>Keller</strong>, <strong>die</strong> aus <strong>Volken</strong> stammen, interessant sein, denn auch<br />

ihre Ahnen könnten auf <strong>die</strong> ersten drei <strong>bis</strong> 1467 urk<strong>und</strong>lich erwähnten <strong>Keller</strong> zurückzuführen sein.<br />

Für <strong>die</strong> Auswertung der hier publizierten Urk<strong>und</strong>en schulde ich einen ganz besonderen Dank dem Historiker<br />

Dr. Alois Stadler in Goldingen, ehemals Kantonsbibliothekar in St. Gallen. Er erstellte <strong>die</strong> buchstabengetreue<br />

Abschrift der Urk<strong>und</strong>en sowie <strong>die</strong> Übersetzung in <strong>die</strong> heutige Sprachform. Von ihm stammen <strong>die</strong> Erklärungen<br />

<strong>und</strong> Anmerkungen zu den Urk<strong>und</strong>en sowie zahlreiche Hinweise auf geschichtliche Zusammenhänge.<br />

Seine umfassenden Erklärungen der den Kelhof betreffenden Urk<strong>und</strong>en werden in der Schrift: „Der Kelhof zu<br />

<strong>Volken</strong>“ detailliert wiedergegeben. In der vorliegenden Broschüre werden sie zur leichteren Lesbarkeit zusammengefasst.<br />

– Der besseren Übersichtlichkeit wegen wurden <strong>die</strong> Haupttitel mit Farbe unterlegt.<br />

Es haben mir sehr viele Menschen mit Hinweisen <strong>und</strong> Informationen geholfen; allen bin ich sehr dankbar. Und<br />

schliesslich danke ich den Mitarbeitern des Staatsarchivs des Kantons Zürich, insbesondere dem stellvertretenden<br />

Staatsarchivar Dr. Hans-Ulrich Pfister sowie Thomas Neukom für ihre Unterstützung <strong>und</strong> Beratung,<br />

auf <strong>die</strong> ich immer zählen durfte. Prof.Dr.h.c. Peter Ziegler, Wädenswil, interpretierte <strong>die</strong> Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> 1446<br />

<strong>und</strong> Frau Regula Geiger, Küsnacht, hat den Text auf Fehler durchgelesen <strong>und</strong> geprüft. Ihnen allen gilt mein<br />

herzlichster Dank.<br />

Nachdruck ist, auch teilweise, unter Quellenangabe gestattet.<br />

Ende März 2008, nachgeführt im Frühjahr 2011.<br />

Hans Peter <strong>Keller</strong>, 8700 Küsnacht<br />

Schiedhaldenstrasse 32<br />

kellerhp@ggaweb.ch<br />

3


Das Dorf <strong>Volken</strong> im Zürcher Weinland<br />

4


<strong>Volken</strong> liegt im Weinland, dem Zürcher Unterland, abseits <strong>von</strong> Durchgangsstrassen <strong>und</strong> Eisenbahnlinien. <strong>Volken</strong><br />

wird erstmals in einer Urk<strong>und</strong>e vom 14. April 1044 unter dem Namen „Volhinchovan“ erwähnt, als ein<br />

Zibo de Volhinchovan als Zeuge bei einer Land-Vergabung in Erscheinung trat 1 . Es muss demnach damals<br />

einen grösseren Hof eines Alemannen mit Namen Volcho oder ähnlich gegeben haben. Die Gegend war schon<br />

früh besiedelt, was sowohl F<strong>und</strong>e aus der Bronzezeit wie auch aus der Zeit der Völkerwanderung beweisen.<br />

Der <strong>Gemeinde</strong>bann umfasst 319 ha, <strong>und</strong> auf ihm wurden <strong>von</strong> alters her Ackerbau <strong>und</strong> Weinbau betrieben.<br />

Im Mittelalter war in <strong>Volken</strong> der Gr<strong>und</strong>besitz stark zersplittert. Als Gr<strong>und</strong>besitzer erschienen u.a. <strong>die</strong> Klöster<br />

Rheinau <strong>und</strong> St. Katharinental in Diessenhofen, <strong>die</strong> Abtei Allerheiligen in Schaffhausen, <strong>die</strong> Chorherrenstifte<br />

Embrach <strong>und</strong> Heiligenberg, Winterthur, sowie <strong>die</strong> Herren <strong>von</strong> Eschlikon. 2 Allerheiligen besass nach dem ältesten<br />

Güterbeschrieb (um 1150) in <strong>Volken</strong> ein Gr<strong>und</strong>stück <strong>und</strong> eine Schuppose (kleinerer Hof <strong>von</strong> unbestimmter<br />

Grösse). 3 – Nach dem Urbar <strong>von</strong> 1810 existierte bei einem produktiven Gebiet <strong>von</strong> r<strong>und</strong> 230 ha folgender<br />

Gr<strong>und</strong>besitz: Kloster Rheinau 8 ha, Kloster Katharinental 35 ha, Kloster Para<strong>die</strong>s 9 ha, Chorherrenstift Heiligenberg<br />

resp. Amt Winterthur 81 ha, Chorherrenstift Embrach 25 ha, Kloster Haslen, total 164 ha. 4<br />

Bis 1610 mussten <strong>die</strong> Leute <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> nach Andelfingen zur Kirche gehen. Daran erinnert heute noch ein<br />

Wanderweg mit dem Namen „Chileweg“, der über Egg nach Andelfingen führt. Als um 1600 <strong>die</strong> Kirche<br />

Flaach abbrannte <strong>und</strong> r<strong>und</strong> zehn Jahre später wieder aufgebaut wurde (<strong>die</strong> Flaachener mussten <strong>bis</strong> zu <strong>die</strong>sem<br />

Zeitpunkt nach Berg am Irchel zur Kirche gehen), wollten <strong>die</strong> Volkemer den kürzeren Weg zur Kirche wählen.<br />

Der Andelfinger Pfarrer schrieb in seine Pfarrbücher: „1611 ging <strong>die</strong> Gmaind gen Flaach“ 5 . <strong>Volken</strong> selbst<br />

besass nie eine eigene Kirche, doch 1360 bestand in <strong>Volken</strong> eine Kapelle als Filiale <strong>von</strong> Andelfingen. Sie dürfte<br />

zur Reformationszeit verschw<strong>und</strong>en sein. 6<br />

<strong>Volken</strong> bildete im Jahr 1798 mit Flaach eine Munizipalgemeinde, erhielt aber mit der Wahl eines <strong>Gemeinde</strong>rats<br />

am 21. April 1805 wieder <strong>die</strong> volle Selbständigkeit. 7 - Wegen der schlechten Erschliessung durch Strassen<br />

siedelte sich in <strong>Volken</strong> keine Industrie an.<br />

Die Zahl der Einwohner erreichte <strong>bis</strong> heute nie 400. Aus dem Steuerverzeichnis <strong>von</strong> 1467 8 , als erstmals eine<br />

Pro-Kopf-Steuer für über 15-Jährige verlangt wurde, geht hervor, dass in <strong>Volken</strong> 41 Steuerpflichtige, also<br />

Personen älter als 15 Jahre, lebten. Die Einwohnerzahl entwickelte sich wie folgt:<br />

Einwohner<br />

1476: 55<br />

1571<br />

1611: 110<br />

1612: 72<br />

1634: 194<br />

1678: 305<br />

1685: 322<br />

1727: 323<br />

1809: 282<br />

1850: 385<br />

1900: 248<br />

1930: 267<br />

1986: 205<br />

2003: 273<br />

2009: 309<br />

Haushaltungen<br />

1467 gab es 11 Haushaltungen 9<br />

Der Zollrodel <strong>von</strong> 1571 verzeichnete 23 Haushaltungen: 9 Ritzmann, 6 <strong>Keller</strong>, 3 Buri,<br />

je eine Gisler, Saler, Christen, Frey <strong>und</strong> (Werd-)Müller.<br />

1612 starb 1/3 der Bevölkerung <strong>Volken</strong>s innert weniger Tage an der Pest<br />

1634 gab es 9 Familien <strong>Keller</strong>, 8 Ritzmann, 5 Gysler, 4 Buri, je 2 Frey, Kündig <strong>und</strong><br />

Werdmüller sowie je eine Familie Schuler, Bader, Morgen, Peter <strong>und</strong> Saler<br />

1685: Die 322 Einwohner verteilen sich auf 64 Haushaltungen<br />

1727 gab es in <strong>Volken</strong> 67 Haushaltungen 10<br />

1 StAZH Dd 10.1 Urk<strong>und</strong>enbuch Zürich 741-1234, Band 1, Seite 128<br />

2 Die <strong>Gemeinde</strong>n in Kanton Zürich S.206, Hrsg.Verein Zürcherischer <strong>Gemeinde</strong>ratsschreiber &Verwaltungsbeamter 1981<br />

3 Chronik des Kantons Zürich, Bezirke Winterthur <strong>und</strong> Andelfingen, 1963, Seite 350, StAZH Dc 155<br />

4 Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>, Seite 53<br />

5 StAZH EIII 8.3. S.73<br />

6 Freiburger Diözesanarchiv Bd. V. <strong>und</strong> Paul Kläui „Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>“, 1932, StAZH Dc F 40, Seite 83<br />

7 Hans Peter <strong>Keller</strong> “<strong>Volken</strong> im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert“, Seite 10<br />

8 Steuerbücher <strong>von</strong> Stadt <strong>und</strong> Landschaft Zürich, Band 2, StAZH Dg 1<br />

9 Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, Seite 155 <strong>und</strong> Chronik des Kantons Zürich (siehe auch 3)<br />

10 Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>, Seite 157<br />

5


Der Name <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> der Kelhof<br />

Im Mittelalter besassen vor allem kirchliche Institutionen (Klöster) <strong>und</strong> Adlige Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden. Sie verliehen<br />

ihre Güter an Menschen, welche den Boden bearbeiten <strong>und</strong> nutzen sollten <strong>und</strong> <strong>die</strong> als Gegenleistung Zinsen<br />

bezahlen mussten. Der Gr<strong>und</strong>herr konnte seinen Gr<strong>und</strong>besitz im Dorf an mehrere Lehenbauer verpachten.<br />

Er wählte den Fähigsten als Beamten, der <strong>die</strong> Abgaben der Lehenbauern einsammelte <strong>und</strong> gesamthaft dem<br />

Gr<strong>und</strong>herrn überbrachte. Diese Gr<strong>und</strong>zinsen wurden in Form <strong>von</strong> Naturalien entrichtet. Vom beauftragten<br />

Beamten verlangte der Gr<strong>und</strong>besitzer, dass er einen festen Vorratsraum baue, in welchem <strong>die</strong> Naturalien gelagert<br />

werden konnten, <strong>bis</strong> der Gr<strong>und</strong>besitzer sie benötigte respektive <strong>bis</strong> sie nach dessen Weisung abgegeben<br />

wurden. Die gewöhnlichen Bauernhäuser des Mittelalters waren dafür meist zu primitiv <strong>und</strong> zu ärmlich. Der<br />

so beauftragte Beamte musste einen grösseren Hof mit einem soliden Lagerraum bewirtschaften. Lateinisch<br />

war damals <strong>die</strong> Sprache der gehobenen Klassen, des Adels <strong>und</strong> der Kirche. Ein solcher fester Vorratsraum<br />

hiess auf Lateinisch „cella“ oder „cellarium“, sodass der Hof, zu welchem das „cellarium“ gehörte, bald einmal<br />

Cella-Hof, ausgesprochen Kellahof, hiess. Diese Bezeichnung schliff sich über <strong>die</strong> Jahrzehnte ab auf<br />

„Kelhof“ oder „Kelnhof“. Der gr<strong>und</strong>herrschaftliche Verwalter <strong>und</strong> Bewirtschafter <strong>die</strong>ses Kelhofes hiess auf<br />

lateinisch „cellarius“, aus welchem Wort eben der „<strong>Keller</strong>“ wurde. Er konnte auch andere Höfe für andere<br />

Gr<strong>und</strong>besitzer bewirtschaften, wie auch aus Volkemer Urk<strong>und</strong>en hervorgeht. Wichtig waren seine Ehrlichkeit,<br />

Sachkompetenz <strong>und</strong> Loyalität.<br />

Der Kelhof in <strong>Volken</strong> im Jahre <strong>1314</strong><br />

Auch <strong>Volken</strong> hatte seinen Kelhof. Über alle bekannten Einzelheiten wird in der Schrift „Der Kelhof zu <strong>Volken</strong>“<br />

sehr detailliert berichtet 11 . Er war im Besitz der Freiherren <strong>von</strong> Eschlikon (das in der Pfarrei Dinhard<br />

liegt), einem Freien-Geschlecht des 13.-14. Jahrh<strong>und</strong>erts, welches 1250 zu Rheinheim (Baden D) <strong>und</strong> zu Anfang<br />

des 14. Jahrh<strong>und</strong>ert in Schwarzenbach SG, <strong>Volken</strong> <strong>und</strong> Flaach Güter besass. Es gab mehrere Burkharts<br />

<strong>von</strong> Eschlikon in <strong>die</strong>sen Jahrh<strong>und</strong>erten. Einer <strong>von</strong> ihnen wurde ab 1282 erwähnt <strong>und</strong> starb 1331. Er schenkte<br />

den Kelhof in <strong>Volken</strong> <strong>1314</strong> dem Kloster St. Katharinental bei Diessenhofen <strong>und</strong> <strong>die</strong>nte dem Kloster als Kaplan,<br />

wofür er eine lebenslängliche Rente erhielt. Die Urk<strong>und</strong>e, welche <strong>die</strong>se Schenkung bezeugt, ist auf der<br />

gegenüberliegenden Seite 7 abgebildet. In ihr wird der Kelhof zum ersten Mal erwähnt.<br />

Der in der Urk<strong>und</strong>e aufgeführte Gr<strong>und</strong>zins zeigt, dass der Kelhof ein bedeutender <strong>und</strong> sehr grosser Hof gewesen<br />

sein musste. Es ist zu bedenken, dass <strong>die</strong> grosse abzuliefernde Menge mit Handarbeit zu erarbeiten war.<br />

Das rief nach einer zahlenmässig grossen Familie, welche bei der Bewirtschaftung mithelfen musste.<br />

Als 1433 <strong>die</strong> einzelne Hofstatt, „Hub“ genannt, <strong>von</strong> nur einem Juchart Umfang, <strong>und</strong> der Weingarten dem Kelhof<br />

zugeteilt wurden, umfasste der ganze Besitz 84 Jucharten Acker, 11 ¾ Mannmad Wiesen, 14 Jucharten<br />

Wald mit 3 1/2 Fuder Holzrecht im <strong>Gemeinde</strong>holz <strong>und</strong> 2 Jucharten Reben. Alles war damals noch im Besitz<br />

des Klosters St. Katharinental.<br />

Einiges deutet darauf hin, dass der Freiherr Burkhart <strong>von</strong> Eschlikon Kredite auf seinen Hof aufnahm. So verpfändete<br />

er den Zehnten, also den zehnten Teil des jährlichen Ernte-Ertrags, <strong>und</strong> das Kloster St. Katharinental<br />

konnte ihn erst 1433 zurückkaufen. 12 Und als er an einem unbekannten Datum im Jahr 1331 starb, bestätigte<br />

am 24. August 1331 Freiherr Peter <strong>von</strong> Matzingen, dass er vom Kloster St. Katharinental mit 30 Pf<strong>und</strong> Pfennig<br />

Zürcher Münze wegen einer Forderung an den Kelhof in <strong>Volken</strong> entschädigt worden sei. Das muss unmittelbar<br />

nach dem Hinschied Burkharts gewesen sein. Offenbar hatte der Freiherr <strong>von</strong> Matzingen dem Verstorbenen<br />

Geld gegen Verpfändung eines Teils des Kelhofes ausgeliehen, <strong>und</strong> deshalb bat er <strong>die</strong> neue Besitzerin<br />

des Kelhofs um Rückzahlung 13 .<br />

11 Verfasser ebenfalls Hans Peter <strong>Keller</strong>, 8700 Küsnacht<br />

12 Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>, Seite 43<br />

13 Urbare <strong>und</strong> Rödel der Stadt <strong>und</strong> Landschaft Zürich <strong>bis</strong> 1336, StAZH DD Band 12,Seite 183<br />

6


Schenkungs-Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> <strong>1314</strong><br />

Freiherr Burkhart <strong>von</strong> Eschlikon schenkt den Kelhof in <strong>Volken</strong> dem Nonnenkloster St. Katharinental<br />

Urk<strong>und</strong>e besiegelt <strong>von</strong> Burkhart <strong>von</strong> Eschlikon, Ritter Heinrich <strong>von</strong> Randegg, Ritter Johannes Truchsess <strong>von</strong><br />

Diessenhofen, Huch <strong>von</strong> Randegg<br />

Staatsarchiv des Kantons Thurgau in Frauenfeld, Signatur StATG 7’44’36.<br />

Siegel <strong>von</strong> links nach rechts:<br />

1. O 44 mm, gespaltener Schild, r. 2 Türme, l. steigender Löwe S. BVRCH. DE ESCHELLIKON<br />

2. 44/37 mm, Bären- oder Löwenkopf …DNI HEINRICI DE RANDEG<br />

3. O 44 mm, n.vorn geneigt. Schild m.Truchsessenkessel S’ IOHIS DEPIFERI DE DIESSENHOFEN<br />

4. O 43 mm gespaltener Schild, r. leer, l. Schachbrettmuster SIGILL VM HVGONIS DE RADEGGE<br />

7


Der Gr<strong>und</strong>zins des Kelhofs <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

Die Grösse des Kelhof <strong>Volken</strong>s lässt sich aus der Menge des jährlich abzuliefernden Gr<strong>und</strong>zinses erahnen:<br />

12 Mütt Kernen = 1'142 Liter à 0,755 kg = ca. 864 kg Weizen<br />

6 Mütt Roggen = 576 Liter à 0.700 kg = ca. 403 kg Roggen<br />

4 Malter Haber = 1’536 Liter à 0,445 kg = ca. 683 kg Hafer<br />

1 Mütt Gerste = 96 Liter à 0,700 kg = ca. 67 kg Gerste<br />

l Mütt Bohnen = 96 Liter à 0.755 kg = ca. 72 kg Bohnen<br />

1 Mütt Erbsen = 96 Liter à 0.755 kg = ca. 72 kg Erbsen<br />

2 Pf<strong>und</strong> Pfennige nach Winterthurer Währung (also Bargeld)<br />

4 Hühner im Herbst <strong>und</strong> 2 Hühner in der Fasnacht<br />

zu Ostern 1 Lamm <strong>und</strong> 100 Eier<br />

Die Hube, ein dazugehörender kleinerer Hof, zahlte jährlich<br />

9 ½ Mütt Kernen = 671 Liter à 0,755 kg = ca. 432 kg Weizen<br />

6 Mütt Haber = 576 Liter à 0,445 kg = ca. 256 kg Hafer<br />

32 Schilling Bargeld Winterthurer Währung<br />

2 Hühner im Herbst <strong>und</strong> 2 in der Fasnacht<br />

100 Eier<br />

Vergleicht man <strong>die</strong> Abgaben des Kelhofes zwischen <strong>1314</strong> <strong>und</strong> 1574, so können wir ersehen, dass sich <strong>die</strong> Höhe<br />

der Abgaben nur wenig veränderte. Hingegen änderte sich <strong>die</strong> Zusammensetzung der landwirtschaftlichen<br />

Produktion. Im Mittelalter, also in unserem Fall <strong>1314</strong>, wurden nebst Korn <strong>und</strong> Haber auch Roggen, Gersten,<br />

Erbsen <strong>und</strong> Bohnen in grösseren Mengen angepflanzt. Diese Nahrungsmittel stehen 1574 nicht mehr auf der<br />

Abgabenliste. Auch das Lamm fehlt. Die Geldabgabe hat sich <strong>von</strong> 2 auf 3 Pf<strong>und</strong> erhöht, ebenso wuchs <strong>die</strong><br />

Zahl der abzugebenden Hühner <strong>von</strong> 6 auf 9 <strong>und</strong> der Eier <strong>von</strong> 100 auf 210.<br />

Abgaben gemäss Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> <strong>1314</strong> <strong>von</strong> 1574<br />

Kernen 12 Mütt 22 Mütt<br />

Roggen 6 Mütt --<br />

Hafer 4 Malter 4 Malter <strong>und</strong> 3 Mütt<br />

Gerste 1 Mütt --<br />

Erbsen 1 Mütt --<br />

Bohnen 1 Mütt --<br />

Bargeld 2 Pf<strong>und</strong> Pfennig 3 Pf<strong>und</strong> Haller Heugeld<br />

Hühner in der Fasnacht 2 3<br />

Hühner im Herbst 4 6<br />

Eier 100 210<br />

Osterlamm 1 --<br />

In der Währung <strong>und</strong> Mass <strong>von</strong> Winterthur Winterthurer Mass <strong>und</strong><br />

Schaffhauser Währung<br />

Zum weiteren Vergleich: Der Kelhof Oberdinhart zahlte 1430: 10 Mütt Kernen, 3 Malter Hafer, 2 Pf<strong>und</strong> Pfennig,<br />

100 Eier <strong>und</strong> 8 Hühner als Zins jährlich, war also deutlich kleiner 14<br />

Getreidemasse<br />

Das Getreide wurde nicht nach Gewicht, sondern nach Volumen gemessen. Es gab ein besonderes Mass für<br />

„rauhe Frucht“ (ungerelltes Korn, Hafer) <strong>und</strong> für „glatte“ Frucht (gerelltes Korn, Obst, Bohnen, Erbsen).<br />

Beim gerellten Korn (Kernen) waren <strong>die</strong> Kerne <strong>von</strong> der Spelze befreit. Nach dem Winterthurer Mass war 1<br />

Mütt „rauhe Frucht“ 111,01 Liter (nach Zürcher Mass: 83,40 Liter) <strong>und</strong> <strong>die</strong> „glatte Frucht“ 96,30 Liter resp.<br />

82,80 Liter! Somit wog ein Mütt Kernen „glatte Frucht“ nach Winterthurer Mass 55 <strong>bis</strong> 60 kg. Ein Malter<br />

entsprach 4 Mütt. 15<br />

14 Zürcher Chronik Nr. 2 1958, Hans Kläui: „das Lehenswesen <strong>und</strong> seine Mannigfaltigkeit, Seiten 188ff<br />

15 Geschichte des Kantons Zürich, Werd Verlag, Band 2, S. 516<br />

8


<strong>Volken</strong>er Bauern im mittelalterlichen Lehensystem<br />

Das Herrschaftssystem des Mittelalters beruhte auf Besitz <strong>von</strong> Land <strong>und</strong> Leuten. Das Land wurde den Bauern<br />

als Lehen überlassen, gegen einen jährlichen Gr<strong>und</strong>zins sowie <strong>die</strong> Abgabe des zehnten Teils der Ernte. Man<br />

kann <strong>von</strong> einem eigentlichen Lehensgebäude, einer „Lehenspyramide“, sprechen. An ihrer Spitze stand der<br />

oberste Lehnsherr. Er belehnte aus Reichsgütern <strong>die</strong> Angehörigen des Hochadels <strong>und</strong> der Kirche: Herzöge,<br />

Grafen <strong>und</strong> Freiherren sowie Bischöfe <strong>und</strong> Klöster. Der Adel musste ihm dafür als Vasallen Heerfolge <strong>und</strong><br />

Beamten<strong>die</strong>nste leisten. Die edelfreien Geschlechter besassen aber auch Güter, <strong>die</strong> kein königliches Lehen,<br />

sondern freier Eigenbesitz waren, sogenanntes Allodialgut, das aus direkter Erbfolge <strong>von</strong> den alemannischen<br />

<strong>und</strong> fränkischen Grossen stammte.<br />

Im 11. <strong>und</strong> 12. Jahrh<strong>und</strong>ert erscheint immer deutlicher ein weiterer Stand, der des niedern Adels, der wahrscheinlich<br />

zum guten Teil aus einer Mittelschicht <strong>von</strong> freien Leuten hervorging. Diese nahmen als regionale<br />

Gr<strong>und</strong>besitzer eine bevorzugte Stellung ein. Dieser niedrige Adel stand im Dienste der Herzöge, Grafen, Freiherren<br />

oder Reichsabteien, bildete deren berittene Wehrmacht <strong>und</strong> wird darum auch Dienstadel oder Ministerialadel<br />

genannt.<br />

Die unterste Stufe der ganzen Lehenspyramide bilden <strong>die</strong> Bauern, <strong>die</strong> im Schweisse ihres Angesichts den Boden<br />

bebauten, den andere besassen. Sie waren Pächter oder „buwman“, genossen den Ertrag der Äcker sowie<br />

den Schutz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verwaltungsorganisation ihrer Lehensherren, waren aber <strong>von</strong> <strong>die</strong>sen abhängig, also unfrei,<br />

<strong>und</strong> schuldeten ihnen den jährlichen Gr<strong>und</strong>zins <strong>und</strong> weitere Abgaben. 16 Diese wurden üblicherweise mit Naturalien<br />

bezahlt.<br />

16 Zürcher Chronik Nr. 2 1958: Hans Kläui: „Das Lehenswesen <strong>und</strong> seine Mannigfaltigkeit“, StAZH Dm 32 2, S.190+193<br />

9


Der Zehnten<br />

Bauer bringt Abgaben<br />

aus Thomas Murner:<br />

„Von dem grossen lutherischen Narren“<br />

Strassburg 1522 17<br />

.<br />

Die Zehnten waren ursprünglich Abgaben der Bauern <strong>von</strong> ihrer jährlichen Ernte zum Unterhalt des Pfarrers,<br />

der Dorfkirche <strong>und</strong> der Armen. Da <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>herren für <strong>die</strong> kirchliche Organisation (Kirchenbau <strong>und</strong> –<br />

Unterhalt, Armenfürsorge, Gehalt der Geistlichen) auf dem Land zu sorgen hatten, mussten <strong>die</strong>se Zehnten an<br />

<strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>herren abgegeben werden. Später kamen aber solche Zehntenrechte auch in andere Hände. Mancherorts<br />

wurden <strong>die</strong> Naturalabgaben durch einen Geldbetrag ersetzt. In <strong>Volken</strong> besass das Chorherrenstift Embrach<br />

seit 1497 nahezu alle Zehnten.<br />

Sehr ungünstig wirkt das psychologische Moment durch <strong>die</strong> Art, wie der Zehnten bezogen wurde. Der Bauer<br />

hatte <strong>die</strong> Getreidegarben auf dem Acker aufzustellen, desgleichen das Heu auf der Wiese in gleich grossen<br />

Haufen (Schöchli) bereitzulegen, worauf der Zehntenherr oder dessen Amtsleute zu einem vereinbarten Zeitpunkt<br />

erschienen <strong>und</strong> den Erntesegen vom Schauplatz wegholten. Diese überaus sichtbare Dezimierung des<br />

Jahresertrages erregte leicht den Groll des Bauern, <strong>und</strong> <strong>die</strong> ungenaue Art der Eintreibung verleitete zudem zu<br />

allerhand Schlichen <strong>und</strong> Mogeleien.<br />

Der Umstand, dass auch nach der Reformation viele Pfarrer einen wesentlichen Teil ihrer Besoldung in Form<br />

<strong>von</strong> Korn- <strong>und</strong> Heuzehnten persönlich auf Stoppelfeldern <strong>und</strong> Wiesen zusammensuchen mussten, war für <strong>die</strong><br />

Betroffenen äusserst mühselig <strong>und</strong> für das kirchliche Leben nicht gerade förderlich.<br />

Nachdem in Flaach-<strong>Volken</strong>, wo sich <strong>die</strong> Bauern nach Kräften um <strong>die</strong> Zehntenpflicht herumdrückten, <strong>die</strong> Leutpriester<br />

der Reformationszeit auf den Einzug des kleinen Zehntens verzichtet hatten, nahmen es <strong>die</strong> beiden<br />

folgenden Pfarrer wieder genauer. Sie machten sich, wie der Geistliche Johannes Jud berichtete, dadurch sehr<br />

unbeliebt, <strong>und</strong> der eine <strong>von</strong> ihnen erhielt den Spitznamen „Rumst“ (du räumst auf, d.h. mit dem Erntesegen!).<br />

Die fortgesetzten Ärgernisse bei dem schwer berechenbaren Heuzehnten führten schon früh dazu, dass er in<br />

eine feste Abgabe, das sogenannte „Heugeld“ oder „Heuzehntengeld“ umgewandelt wurde, wobei <strong>die</strong> Bauern<br />

in der Regel viel besser fuhren, als mit der Ablieferung in natura. 18 19<br />

17 Katalog der Ausstellung: “Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhäuser Museen<br />

18 Zürcher Chronik Nr. 2 1958: Hans Kläui: „Das Lehenswesen <strong>und</strong> seine Mannigfaltigkeit“, StAZH Dm 32 2, S. 214<br />

19 Katalog der Ausstellung: “Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhäuser Museen<br />

10


Das Tavernenrecht, das „Täfry“<br />

Die Bezeichnung „Täfry“ stammt vom Wort „Taverne“ <strong>und</strong> bezeichnet das Recht, Wein auszuschenken. Das<br />

war (<strong>und</strong> ist <strong>bis</strong> heute) auch in <strong>Volken</strong> ein wichtiger Erwerbszweig, so wichtig, dass Mitte des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

in <strong>Volken</strong> <strong>und</strong> Flaach mehrere Streitfälle um <strong>die</strong> Abgaben auf den Ausschank <strong>von</strong> Wein dokumentiert<br />

sind. Für <strong>die</strong> Verleihung des „Täfry“ zahlte man eine einmalige Gebühr. Auf der ausgeschenkten Menge Wein<br />

wurde eine Verbrauchs- <strong>und</strong> Umsatzsteuer, „Ungeld“ genannt, erhoben.<br />

Die Stadt Zürich führte das „Weinungeld“ ab 1403 in ihrem Herrschaftsgebiet ein. 20<br />

Der Streit um das Täfry <strong>von</strong> 1428 in Flaach<br />

Im Jahre 1428 kam es zu einem Streit zwischen den Leuten <strong>von</strong> Flaach <strong>und</strong> Ritter Ulrich II <strong>von</strong> Gachnang,<br />

damals Inhaber der Gerichtsbarkeit Flaach-<strong>Volken</strong>, weil <strong>die</strong>ser eine Abgabe <strong>von</strong> allem Wein-Ausschank forderte.<br />

Er meinte, dass niemand in Flaach Wein ausschenken dürfe, der nicht das Tavernenrecht <strong>von</strong> ihm empfangen<br />

habe. Dies habe er ihnen bei einer Busse <strong>von</strong> zehn Pf<strong>und</strong> verboten. Dagegen behaupteten <strong>die</strong> Leute <strong>von</strong><br />

Flaach, es sei eine althergebrachte Gewohnheit: wer einen Weingarten besitze <strong>und</strong> selber bebaue, der dürfe<br />

auch ohne Tavernenrecht seinen Wein ausschenken. Ulrich <strong>von</strong> Gachnang habe ihnen erstmalig den Weinausschank<br />

mit einer Abgabe <strong>von</strong> zehn Pf<strong>und</strong> belastet. Das sei aber gegen althergebrachtes Recht, denn ein erstmaliges<br />

Gebot dürfe nur mit drei Schilling behaftet sein. Sie seien darum nicht der Meinung, dass sie an <strong>die</strong>ses<br />

Gebot geb<strong>und</strong>en seien, sondern sie seien überzeugt, dass sie den Wein, den sie selber angebaut hätten, ungehindert<br />

<strong>und</strong> ohne Tavernenrecht ausschenken dürften.<br />

Am Montag vor St. Albanstag, 14. Juni 1428, fällten Schultheiss <strong>und</strong> Rat <strong>von</strong> Winterthur ihr Urteil: „Was das<br />

Tavernenrecht <strong>und</strong> <strong>die</strong> verlangte Abgabe betrifft, urteilen wir, dass <strong>die</strong> Leute <strong>von</strong> Flaach nicht schuldig sind,<br />

<strong>die</strong> zehn Pf<strong>und</strong> dem Ulrich <strong>von</strong> Gachnang zu geben. Auch sollen <strong>die</strong> Leute <strong>von</strong> Flaach auch in Zukunft das<br />

Recht haben, den Wein, den sie selber in <strong>die</strong>sem Gerichtsbezirk angebaut haben, nach ihrer Möglichkeit auszuschenken,<br />

ohne eine Abgabe entrichten zu müssen, sofern Ulrich <strong>von</strong> Gachnang nicht nachweisen kann, dass<br />

sie <strong>von</strong> <strong>die</strong>sem Wein <strong>bis</strong>her eine Tavernensteuer bezahlt haben. Wer jedoch angekauften Wein ausschenken<br />

will oder wer seinen Wein nicht selber angebaut hat, der soll <strong>die</strong> Abgabe für den Ausschank bezahlen“ 21 .<br />

Weiter entschieden Schultheiss <strong>und</strong> Rat <strong>von</strong> Winterthur, <strong>die</strong> Leute <strong>von</strong> Flaach sollen jährlich einen Tag mit der<br />

Hand <strong>und</strong> zwei mit dem Pflug (Fron)Dienst tun <strong>und</strong> einen Karren Mist führen. Für <strong>die</strong> Benützung der Allmend<br />

soll Ulrich <strong>von</strong> Gachnang denen <strong>von</strong> Flaach wie früher ein Mütt Kernen geben. Endlich wurde erklärt, er sei<br />

nicht berechtigt, zu verlangen, dass <strong>die</strong> Leute <strong>von</strong> Flaach in seine Mühle fahren. Gachnang durfte also den <strong>von</strong><br />

ihm gewünschten Mühlenzwang nicht einführen. Dass der Streit vor Schultheiss <strong>und</strong> Rat <strong>von</strong> Winterthur kam,<br />

rührt daher, dass <strong>die</strong> Gachnang wahrscheinlich schon damals, sicher aber 1430, Winterthurer Bürger waren.<br />

Das Urteil der Winterthurer Regierung zeigt, wie <strong>die</strong> Rechte der Edelleute abnahmen, wobei allerdings <strong>die</strong>se<br />

Entwicklung vorwiegend dazu führte, dass <strong>die</strong> Macht der Städte sowohl zu Lasten der Adligen wie auch der<br />

Bauern zunahm.<br />

Die Abgabe auf den Weinausschank betrug gemäss <strong>die</strong>sem Urteil 4 Haller pro Saum. 1 Saum nach Zürcher<br />

Mass war 165,05 Liter, nach Winterthurer Mass 161,55 Liter.<br />

20 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 1, Seite 320<br />

21 StAZH F II a S. 166/77 <strong>und</strong> FV S, 458-467; Emil Stauber, Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, S. 78 ff<br />

11


Abgabenstreit zwischen Ulrich III. <strong>von</strong> Gachnang <strong>und</strong><br />

„den <strong>Keller</strong>n <strong>von</strong> Volcken“ 1446<br />

Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> 1446: das Gerichts-Urteil im Abgabenstreit<br />

ausgestellt <strong>und</strong> mit Siegel <strong>von</strong> Sigm<strong>und</strong> <strong>von</strong> Hohenlandenberg StATG 7’44’36<br />

12


Abgabenstreit zwischen Ulrich III. <strong>von</strong> Gachnang <strong>und</strong><br />

„den <strong>Keller</strong>n <strong>von</strong> Volcken“, 1446<br />

Von 1351 <strong>bis</strong> 1493 22 waren <strong>die</strong> Herren <strong>von</strong> Gachnang Inhaber der Gerichtsvogtei Flaach-<strong>Volken</strong>. Als „Vögte“<br />

<strong>und</strong> Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit hatten sie <strong>die</strong> Aufgabe, Ruhe <strong>und</strong> Ordnung in <strong>die</strong>sem Gebiet aufrecht<br />

zu erhalten, Kauf- <strong>und</strong> andere Verträge zwischen den Einwohnern auszustellen, Streitigkeiten zu schlichten<br />

<strong>und</strong> Fehlbare zu büssen. Als Entgelt mussten ihnen <strong>die</strong> Bewohner <strong>die</strong>ses Herrschaftsgebiets pro Jahr einen<br />

oder zwei Tage Fron<strong>die</strong>nst leisten, dazu gewisse Abgaben entrichten <strong>und</strong> schliesslich waren sie dem Vogt zum<br />

Gehorsam verpflichtet („mit <strong>die</strong>nsten, täffri, gehorsammi <strong>und</strong> ändern sachen zu tuend gep<strong>und</strong>en“).<br />

Von ca. 1430 <strong>bis</strong> 1450 amtete Ulrich IIl. <strong>von</strong> Gachnang zu Goldenberg als Gerichtsherr in Flaach-<strong>Volken</strong>.<br />

Dies war eine unruhige Zeit, denn <strong>die</strong> Bauern suchten sich mehr <strong>und</strong> mehr <strong>von</strong> ihren Gr<strong>und</strong>lasten zu lösen. Im<br />

Jahre 1428 hatte sich darum Ulrich II. <strong>von</strong> Gachnang bemüht, <strong>die</strong> alte gr<strong>und</strong>herrliche Abgabe auf dem gesamten<br />

Weinausschank („Täfri“, vom Wort Tavernenrecht abgeleitet) sowie weitere Fron<strong>die</strong>nste wieder einzuführen,<br />

was ihm aber Schultheiss <strong>und</strong> Rat <strong>von</strong> Winterthur als Schiedsgericht nicht zugestanden. Nur auf dem zugekauften<br />

Wein mussten Abgaben bezahlt werden, nicht aber auf selbst produziertem. In den vierziger Jahren<br />

versuchten <strong>die</strong> Inhaber der beiden grossen Kelhöfe in Flaach <strong>und</strong> in <strong>Volken</strong>, sich sämtlicher vogteilicher Abgaben<br />

zu entledigen. Auch <strong>die</strong> Familie <strong>von</strong> Hensli <strong>Keller</strong>, welche damals den Kelhof in <strong>Volken</strong> als Erblehen<br />

vom Kloster St. Katharinenthal bebaute, verweigerte nun dem Gerichtsherrn <strong>die</strong> gr<strong>und</strong>herrlichen Abgaben mit<br />

der Begründung, der Kelhof sei ein freies Landgut des Klosters <strong>und</strong> dessen Pächter müssten deshalb dem Gerichtsherrn<br />

keine Abgaben leisten.<br />

Das liess sich jedoch Ulrich III. <strong>von</strong> Gachnang nicht gefallen. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung,<br />

zu „spenn, zwyung, stoß <strong>und</strong> wyderpart“. Da beide Parteien auf ihrem Standpunkt beharrten, eskalierte der<br />

Streit <strong>bis</strong> vor den Landesherrn, den habsburgischen Herzog Albrecht VI. <strong>von</strong> Österreich, der zu <strong>die</strong>ser Zeit in<br />

der Gegend weilte, um <strong>die</strong> Stadt Zürich im Kampf gegen <strong>die</strong> Eidgenossen zu unterstützen. Diesmal hatte Ulrich<br />

III. <strong>von</strong> Gachnang mehr Glück als sein Vater, denn der Landesherr war ein Fre<strong>und</strong> der Familie <strong>von</strong> Gachnang.<br />

Er beauftragte seinen getreuen Adeligen Sigm<strong>und</strong> <strong>von</strong> Hohenlandenberg mit der Schlichtung <strong>die</strong>ses<br />

Streits. Dieser setzte ein Schiedsgericht ein, dem Schiedsrichter beider Parteien angehörten. Auf Seiten <strong>von</strong><br />

Gachnang waren <strong>die</strong>s Eberhard <strong>von</strong> Boswil <strong>und</strong> Walter <strong>von</strong> Münchwilen, seitens der <strong>Keller</strong> Jörg <strong>von</strong> Sal zu<br />

Winterthur <strong>und</strong> Hans Loris zu Diessenhofen. Auf einem Gerichtstag machten <strong>die</strong>se Klage, Anklage, Aussagen<br />

<strong>und</strong> beantworteten Fragen. Alles wurde schriftlich festgehalten. Beide Parteien übergaben besiegelte Urk<strong>und</strong>en<br />

mit ihren Argumenten. Da aber <strong>die</strong> Schiedsrichter zu keinem gemeinsamen Urteil kamen („<strong>und</strong> alz <strong>die</strong> schidlüt<br />

jn dem rechten <strong>und</strong> jn der urtal nit ainß mit jren rechtsprüchen worden sind“), nahm Sigm<strong>und</strong> <strong>von</strong> Hohenlandenberg<br />

<strong>die</strong> Sache selbst an <strong>die</strong> Hand, stu<strong>die</strong>rte sämtliche Unterlagen <strong>und</strong> stimmte den Ansichten der Partei<br />

<strong>Keller</strong> zu. Wortführer war Jörg <strong>von</strong> Sal. Er stellte fest: Der Hof der <strong>Keller</strong> liegt in der Gr<strong>und</strong>herrschaft Ulrichs<br />

<strong>von</strong> Gachnang. Nach Ordnung- <strong>und</strong> Strafrecht (Twing <strong>und</strong> Bann) untersteht <strong>die</strong>ser Hof mit Dienstbarkeiten,<br />

Abgaben <strong>und</strong> Gehorsamspflicht dem Gr<strong>und</strong>herrn, so wie <strong>die</strong> anderen Höfe in <strong>die</strong>sem Gebiet, es sei denn, das<br />

Kloster Sankt Katharinental oder <strong>die</strong> <strong>Keller</strong> könnten nachweisen, dass sie <strong>von</strong> <strong>die</strong>sen Pflichten entb<strong>und</strong>en<br />

wurden.<br />

Die Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> <strong>1314</strong> der Klosterfrauen <strong>von</strong> Diessenhofen besagt aber nur, dass Freiherr Burkart <strong>von</strong> Eschlikon<br />

dem Kloster den Kelhof <strong>Volken</strong> als freien Besitz übergeben habe. Darin ist nicht festgehalten, dass <strong>die</strong><br />

Rechte des Gr<strong>und</strong>herrn aufgehoben seien; es wurde nur Besitz, nicht Rechtsanspruch verschoben.<br />

Die <strong>Keller</strong> bestritten den Anspruch des Gr<strong>und</strong>herren Ulrich III. <strong>von</strong> Gachnang auf seine gr<strong>und</strong>herrlichen Rechte<br />

nicht. Die <strong>Keller</strong> schulden weiterhin dem Gr<strong>und</strong>herrn Gehorsam, Dienst, Abgaben, wie das im Gerichtsgebiet<br />

Kyburg üblich ist.<br />

Aus dem Vorfall geht weiter klar hervor, dass der Weinausschank ein bedeutender Bestandteil des bäuerlichen<br />

Einkommens gewesen sein muss. Sonst wäre um <strong>die</strong> Frage, welche Abgabe (Weinungeld genannt) für das<br />

Täfri abzuliefern war, nicht so heftig <strong>und</strong> so oft gestritten worden.<br />

22 Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, S. 180<br />

13


Die <strong>Keller</strong> als stärkste Steuerzahler in <strong>Volken</strong><br />

Nebst den Abgaben, welche <strong>die</strong> Bauern den gr<strong>und</strong>herrlichen Vögten (in <strong>Volken</strong> <strong>die</strong> <strong>von</strong> Gachnang) zu leisten<br />

hatten, mussten sie auch eine Landessteuer bezahlen. Diese wurde <strong>von</strong> der Stadt Zürich eingefordert, welche<br />

<strong>die</strong> Oberherrschaft durch den Obervogt in Andelfingen ausübte. Steuerpflichtig waren in Stadt <strong>und</strong> Landschaft<br />

Zürichs alle Einwohner, welche älter als 15 Jahre waren. Ab dem Jahr 1450 verfügte <strong>die</strong> Steuerordnung, dass<br />

<strong>von</strong> je 100 Pf<strong>und</strong> Vermögen 10 Schilling als Steuer zu entrichten sei, was einem Steuerfuss <strong>von</strong> 5 o/oo entspricht.<br />

Für Leute, <strong>die</strong> weniger als 50 Pf<strong>und</strong> Vermögen besassen, wurde <strong>die</strong> Steuer nach deren Lebensaufwand<br />

veranlagt. Von Knechten wurde nach der Verordnung <strong>von</strong> 1442 ein Wochenlohn als Steuer verlangt,<br />

Mägde wurden nach der Höhe ihres Lohnes <strong>und</strong> dem Aufwand besteuert. Das Minimum für Knechte <strong>und</strong><br />

Mägde auf 2 Schilling angesetzt. 23<br />

Dabei ist zu beachten, dass das Vermögen der Bewohner der Landschaft erheblich kleiner war als dasjenige<br />

der Städter. Im Jahr 1467 wurde in Stadt <strong>und</strong> Landschaft Zürich erstmals eine Kopfsteuer (Leibsteuer genannt)<br />

erhoben. 24 Sie betrug für jeden Steuerpflichtigen fünf Schillinge. 25<br />

Die folgende Aufstellung zeigt, dass der Verwalter des Kelhofes der reichste Dorfbewohner war:<br />

1450 Vermögenssteuer Leibsteuer<br />

Hensly <strong>Keller</strong>s hus <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> )<br />

Hensly <strong>Keller</strong>, sin wib ) 1 Pf<strong>und</strong> 5 Schilling<br />

sin mutter )<br />

ire kind )<br />

Clewy Saler<br />

3 Schillling<br />

1467<br />

Hennsli <strong>Keller</strong>, sin wib ) 1 Pf<strong>und</strong> 15 Schilling 45 Schilling<br />

Cuny, sin Bruder )<br />

Greth, sin swester )<br />

Heyni, sin sun )<br />

Hennsli, sin sun )<br />

Uly, sin sun )<br />

Hennsli, sin sun )<br />

A°lli, sin tochter )<br />

Anna, sin junckfrow<br />

5 Schilling<br />

7 Mitglieder der Familie Ritzmann 10 Schilling 35 Schilling<br />

5 Mitglieder der Familie Saler 10 Schilling 25 Schilling<br />

4 Mitglieder der Familie Weber 7 Schilling 20 Schilling<br />

7 Mitglieder der Familie Müller 10 Schilling 35 Schilling<br />

4 Mitglieder der Familie Humlinger 2 Schilling 20 Schilling<br />

4 Mitglieder der Familie Bury 7 Schilling 20 Schilling<br />

Ähnliches ist für <strong>die</strong> Jahre 1468-1470 zu melden: <strong>die</strong> Familie <strong>von</strong> Hensly <strong>Keller</strong> bezahlte in jedem <strong>die</strong>ser Jahre<br />

1 Pf<strong>und</strong> 15 Schillinge Vermögenssteuer <strong>und</strong> 45 Schillinge Leibsteuer, mehr als alle andern.<br />

Als Kaufkraftvergleich <strong>die</strong>nen können folgende Zahlen aus dem Rechnungsbuch Herzog Albrechts VI. <strong>von</strong><br />

Österreich aus den Jahren l444 <strong>bis</strong> 1446:<br />

2 Paar Schuhe: 16 Schilling 16 Denare, 1 Mass Malvoisier-Wein: 1 Schilling 16 Denare; 1 Pferd: 24 Pf<strong>und</strong>.<br />

Oder 26 für <strong>die</strong> Jahre 1400 – 1500 : 1 Schwein (1452): 3 Pf<strong>und</strong> 6 Schilling; 1 Huhn (15. Jahrh<strong>und</strong>ert) ca. 1<br />

Schilling;1 Käse (1458): 8 Schilling; 1 Paar Schuhe (15. Jahrh<strong>und</strong>ert): 6-12 Schilling;<br />

23 StAZH Dg 1 Band 2 Steuerbücher <strong>von</strong> Stadt <strong>und</strong> Landschaft Zürich<br />

24 Ulrich Schlüer: Untersuchungen über <strong>die</strong> soziale Struktur <strong>von</strong> Stadt <strong>und</strong> Landschaft Zürich im 15. Jahrh. S.180 <strong>und</strong> 188<br />

25 do, Seite 228<br />

14


27)<br />

Das Zürcher Weinland gehörte im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert zu den ärmsten Regionen der Zürcher Landschaft 28 . Durch<br />

<strong>die</strong> Leibsteuer wurden <strong>die</strong> Armen mit Steuern belastet, nachdem sie <strong>bis</strong> 1467 zum Teil steuerfrei ausgingen.<br />

26 Paul Kläui: Ortsgeschichte, eine Einführung<br />

27 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 85<br />

28 Ulrich Schlüer: Untersuchungen über <strong>die</strong> soziale Struktur <strong>von</strong> Stadt <strong>und</strong> Landschaft im 15. Jh., Seite 214<br />

15


Hensli <strong>Keller</strong>s Ehefrau als Tauschobjekt zwischen der Vogtei Andelfingen <strong>und</strong><br />

dem Frauenkloster zu Töss 1459<br />

Hensli <strong>Keller</strong> auf dem Kelhof in <strong>Volken</strong> heiratete um 1450 eine Frau aus Rutschwil bei Winterthur, sie hiess<br />

Elli <strong>Keller</strong>. In Rutschwil besass aber das Nonnenkloster Töss gr<strong>und</strong>herrliche Rechte. Elli <strong>Keller</strong> unterstand<br />

also der Gr<strong>und</strong>herrschaft des Klosters Töss. Solche Zugehörige bezeichnete man im Mittelalter als „Eigenleute“.<br />

Als sie nun als Ehefrau des Hensli <strong>Keller</strong> nach <strong>Volken</strong> zog, wo <strong>die</strong> Stadt Zürich nebst der Landesherrschaft<br />

auch gr<strong>und</strong>herrliche Rechte beanspruchte, musste ihre Zugehörigkeit zum Kloster Töss gelöst <strong>und</strong> stattdessen<br />

eine neue Bindung mit der zürcherischen Herrschaft eingegangen werden. Aus der .Eigenfrau“ des<br />

Klosters wurde jetzt eine „Untertanin“ der Stadt Zürich.<br />

Diese Rechtshandlung vollzog der zürcherische Obervogt in Andelfingen im Jahre 1459. Für <strong>die</strong> Loslösung<br />

aus der klösterlichen Gr<strong>und</strong>herrschaft musste nach damaligem Recht ein Geldbetrag bezahlt werden, womit<br />

sämtliche Rechtsansprüche des Klosters auf <strong>die</strong> betreffende Person beglichen wurden. Beim „Auskauf“ der<br />

Elli <strong>Keller</strong> schlug man einen andern Weg ein: Der Obervogt <strong>von</strong> Andelfingen, Heinrich Sutter, kam mit dem<br />

Nonnenkloster in Töss überein, dass <strong>die</strong>se Auslösung mit einem Tausch geregelt werden solle. Denn der Zufall<br />

wollte es, dass zu gleicher Zeit eine Zugehörige der zürcherischen Herrschaft Andelfingen wegzog <strong>und</strong> im<br />

Gebiet der Gr<strong>und</strong>herrschaft des Klosters Töss Wohnsitz nahm. Diese Frau hiess Anna Wartman; sie heiratete<br />

den Ullman <strong>Keller</strong> zu Adlikon, der zur Herrschaft des Klosters Töss gehörte.<br />

So tauschten also <strong>die</strong> zwei verschiedenen Herrschaftsbezirke ihre „Eigenfrauen“ aus: Elli <strong>Keller</strong>, <strong>die</strong> „Eigenfrau“<br />

des Klosters Töss, wurde zur zürcherischen „Untertanin“, <strong>und</strong> <strong>die</strong> zürcherische „Untertanin“ Anna<br />

Wartman wurde „Eigenfrau“ des Nonnenklosters in Töss. Das geschah nach den Regeln des mittelalterlichen<br />

Herrschafts- <strong>und</strong> Niederlassungsrechts. In der Urk<strong>und</strong>e wurde auch festgehalten, dass mit <strong>die</strong>sem Vertrag auch<br />

<strong>die</strong> bereits geborenen <strong>und</strong> <strong>die</strong> noch zu erwartenden Kinder wie ihre Mutter der neuen Herrschaft zugehören<br />

sollen, mit „aller eigenschaffi <strong>und</strong> lechenschafft, aller gewaltsami, <strong>die</strong>nst, vällen <strong>und</strong> gelassen <strong>und</strong> sust aller<br />

ander vorderung <strong>und</strong> ansprach“.<br />

Bemerkenswert ist, dass <strong>die</strong> Stadt Zürich ihren leibeigenen Untertanen 1525 <strong>die</strong> Freiheit gewährte <strong>und</strong> auf ein<br />

Bezug <strong>von</strong> „Fall <strong>und</strong> Lass“, d.h. auf eine Erbschaftsteuer verzichtete. 29 Somit waren auch <strong>die</strong> „Eigenleute“<br />

<strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong> spätestens ab <strong>die</strong>sem Jahr frei.<br />

29 Geschichte des Kantons Zürich, Werd Verlag , Band 2 Seite 31<br />

16


Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> 1459, Tausch zwischen der Vogtei Andelfingen <strong>und</strong> dem Kloster Töss<br />

StAZH CII 13 Nr. 528<br />

17


Die <strong>Keller</strong>-Sippe als Lehenbauern des Klosters St. Katharinenthal im Jahre 1574<br />

Im Jahre 1574 erneuerte das Kloster St. Katharinenthal den Lehenvertrag für den Kelhof in <strong>Volken</strong>. Gr<strong>und</strong><br />

dafür dürfte der Tod Jörg <strong>Keller</strong>s gewesen sein, der wahrscheinlich das Oberhaupt der <strong>Keller</strong>-Sippe in <strong>Volken</strong><br />

war <strong>und</strong> als eigentlicher Lehenträger <strong>die</strong> Mitbewirtschafter des grossen Kelhofes vor dem Kloster vertrat. Insgesamt<br />

waren damals sieben Männer der <strong>Keller</strong>-Sippe am Lehen beteiligt. Sie mussten umgehend eine Vertragsbestätigung<br />

ins Kloster zurückschicken, damit <strong>die</strong> Priorin <strong>und</strong> der Konvent <strong>von</strong> St. Katharinenthal ein<br />

Beweismittel in der Hand hatten <strong>und</strong> mit Sicherheit annehmen konnten, dass <strong>die</strong> <strong>Keller</strong> alle Bestimmungen des<br />

Lehenvertrags richtig verstanden hatten <strong>und</strong> auch gewillt waren, <strong>die</strong>se einzuhalten. Zu <strong>die</strong>sem Zweck wurde in<br />

der Bestätigung der gesamte Text des Lehenvertrags Wort für Wort wiederholt. Diese handschriftliche Bestätigung<br />

der Lehenleute war so wichtig, dass sie in Form einer Urk<strong>und</strong>e vom zürcherischen Obervogt in Andelfingen,<br />

dem Junker Hans Heinrich Holzhalb, ausgestellt <strong>und</strong> besiegelt wurde.<br />

Der Lehenvertrag gibt nicht nur Einblick in <strong>die</strong> Sippe der <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong>, sondern er zeigt auch, wie im<br />

Spätmittelalter ein grosser Lehenhof aussah <strong>und</strong> wie er bebaut wurde. Der gesamte Kelhof war ein Erblehen.<br />

„Lehen“ bedeutet, dass <strong>die</strong> <strong>Keller</strong> nicht Eigentümer <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden waren, sondern dass der Hof dem<br />

Kloster gehörte <strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Lehenleute für <strong>die</strong> Nutzung einen Lehenzins entrichteten <strong>und</strong> den Hof im Sinne<br />

des Klosters zu unterhalten hatten. Aber <strong>die</strong> Bezeichnung „Erblehen“ beinhaltet auch, dass <strong>die</strong> <strong>Keller</strong> ein lebenslängliches<br />

Anrecht hatten auf <strong>die</strong>sen Kelhof <strong>und</strong> ihn sogar auf <strong>die</strong> Nachkommen „vererben“ konnten,<br />

allerdings ohne <strong>die</strong> Verpflichtungen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bindung zum Kloster zu verändern. Diese Möglichkeit zur Vererbung<br />

hatte zur Folge, dass der grosse Kelhof nach <strong>und</strong> nach auf mehrere Nachkommen verteilt wurde, während<br />

der „Cellarius“ im Frühmittelalter als Beamter den gesamten Hof für das Kloster mit Knechten <strong>und</strong> Mägden<br />

als einheitlichen Betrieb geführt hatte.<br />

Bei der Erneuerung des Lehenvertrags im Jahre 1574 bewirtschafteten folgende Leute der <strong>Keller</strong>-Sippe je einen<br />

Teil des Lehenhofes: <strong>die</strong> beiden Brüder Heinrich <strong>und</strong> Hans <strong>Keller</strong>, ein weiterer Heinrich <strong>Keller</strong> (= Sohn<br />

des verstorbenen Felix <strong>Keller</strong>), dann Ulrich, Andreas <strong>und</strong> Konrad <strong>Keller</strong> (<strong>die</strong> als „Verwandte“ bezeichnet werden),<br />

zudem Hans <strong>Keller</strong> (als Vorm<strong>und</strong> der Kinder des kürzlich verstorbenen Jörg <strong>Keller</strong>). Insgesamt war also<br />

der Kelhof zur Zeit in sieben Teile gegliedert, vielleicht sogar in acht, da der letztgenannte Hans <strong>Keller</strong> wahrscheinlich<br />

nicht nur Vorm<strong>und</strong> war, sondern selber auch einen Teil bebaute, während das Gr<strong>und</strong>stück der bevorm<strong>und</strong>eten<br />

Kinder des Jörg <strong>Keller</strong> eine eigenständige Bewirtschaftungseinheit blieb. Indirekt zeigt <strong>die</strong>ser<br />

Lehenvertrag auch, dass <strong>die</strong> <strong>Keller</strong>-Nachkommenschaft in <strong>Volken</strong> recht breit war. Gültenbriefe der <strong>Keller</strong>-<br />

Sippe in <strong>Volken</strong> deuten daraufhin, dass in <strong>Volken</strong> auch Familien-Angehörige wohnten, <strong>die</strong> am Kelhof nicht<br />

beteiligt waren. Man darf sogar vermuten, dass im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte einzelne Teile des Erblehens auch<br />

an <strong>Keller</strong>zweige vererbt oder verkauft wurden, <strong>die</strong> sich früher ausserhalb <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> niedergelassen hatten.<br />

Die Zersplitterung des klösterlichen Gr<strong>und</strong>besitzes unter zahlreiche Lehenbauern bildete ein Gefahr für den<br />

Weiterbestand des Kelhofes. Darum stellte das Kloster St. Katharinenthal im Lehenvertrag eindeutig fest, dass<br />

<strong>die</strong> <strong>Keller</strong>-Sippe das Lehengut auf höchstens acht Pächter aufteilen dürfe <strong>und</strong> <strong>die</strong>s nur mit Wissen <strong>und</strong> Genehmigung<br />

des Klosters, wie es <strong>die</strong>smal aus Wohlwollen <strong>und</strong> auf wiederholte Bitten geschehen sei. Als Eigentümer<br />

des Kelhofes war das Kloster bestrebt, <strong>die</strong> verschiedenen Teile wieder fester miteinander zu verbinden.<br />

Es verlangte darum, dass bei Tod oder Wegzug eines Pächters dessen Lehen zu allererst dem Kloster angeboten<br />

werden müsse. Zudem waren <strong>die</strong> verschiedenen Bewirtschafter der Kelhofteile verpflichtet, einen Obmann<br />

zu wählen („einen rechtschaffenen <strong>und</strong> vermöglichen Mann aus ihren Reihen zu ihrem Lehenträger oder Bürgen<br />

ernennen“). Dieser war für den gesamten Kelhof dem Kloster verantwortlich <strong>und</strong> musste jeden Herbst den<br />

Lehenzins gesamthaft dem Kloster abliefern. Der Lehenzins bestand noch grösstenteils aus Naturalabgaben,<br />

wobei das Quantum immer gleich gross blieb, unabhängig <strong>von</strong> der jährlich unterschiedlichen Ernte.<br />

18


Lehenvertrag vom 30. März 1574 des Klosters St. Katharinental mit den <strong>Keller</strong><br />

Reversurk<strong>und</strong>e der <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong>, ausgestellt vom Obervogt in Andelfingen 1574: <strong>die</strong> am Kelhof in <strong>Volken</strong><br />

beteiligten Lehenträger aus der <strong>Keller</strong>-Sippe bestätigen den erhaltenen Lehenbrief des Klosters Katharinenthal<br />

StATG 7’44’36<br />

19


Ein Gültenbrief gibt Einblick in das Leben in <strong>Volken</strong> um 1575<br />

Aus dem Jahre 1575 ist ein Schuldbrief der Familie <strong>Keller</strong> erhalten geblieben. Er berichtet <strong>von</strong> einem Hypothekarvertrag<br />

über 600 Gulden zwischen dem Geldgeber Alexander Hönysen in Alten <strong>und</strong> fünf Männern der<br />

<strong>Keller</strong>-Sippe in <strong>Volken</strong>, <strong>die</strong> das Geld als Hypothek auf ihre Anteile am Kelhof aufnehmen. Der Rechtsakt wird<br />

wie üblich vor der Verwaltung der zuständigen Herrschaft Andelfingen gefertigt, vor dem so genannten Gericht;<br />

es besteht in administrativen zivilen Angelegenheiten aus dem Untervogt <strong>und</strong> einigen Richtern. Dabei<br />

werden <strong>die</strong> beiden Parteien <strong>von</strong> gewählten Fürsprechern vertreten. Die Urk<strong>und</strong>e besitzt staatliche Rechtskraft,<br />

denn der Untervogt legitimiert den Vertrag im Namen des zürcherischen Obervogts, Hans Heinrich Holzhalb,<br />

<strong>und</strong> des Rats der Stadt Zürich; zusätzlich bekräftigt er das ausgestellte Dokument mit dem Siegel des Obervogts.<br />

Interessant ist, dass <strong>die</strong> <strong>Keller</strong> als Geldnehmer „zur grösseren Sicherheit“ auch den vornehmen Gerichtsherrn<br />

zu Flaach, Heinrich Peyer, bitten, den Vertrag ebenfalls mit seinem Siegel zu bezeugen. Dieser<br />

Junker Heinrich Peyer war damals Besitzer der Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong> <strong>und</strong> vertrat <strong>die</strong> niedere Gerichtsbarkeit<br />

über Gr<strong>und</strong>besitz <strong>und</strong> Lehenleute in Flaach-<strong>Volken</strong>. So hängt neben dem Siegel des zürcherischen<br />

Obervogts Holzhalb auch das Siegel des Gerichtsherrn Peyer – ein sichtbares Neben- <strong>und</strong> Miteinander<br />

der gr<strong>und</strong>herrlichen Vogtei <strong>und</strong> der obrigkeitlichen Landesherrschaft.<br />

In Bezug auf <strong>Volken</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Keller</strong>-Sippe stellt sich <strong>die</strong> Frage, welche Familienmitglieder <strong>die</strong>se Hypothek<br />

aufgenommen haben <strong>und</strong> aus welchen Gründen <strong>die</strong>s geschah. Als Geldempfänger nennt <strong>die</strong> Urk<strong>und</strong>e <strong>die</strong> drei<br />

Brüder Hartmann, Christian <strong>und</strong> Hans Jaggli <strong>Keller</strong>. Bei der Verlehnung des Kehlhofes im Jahre 1574, also<br />

nur ein Jahr zuvor, wurden <strong>die</strong>se drei Männer noch nicht genannt. Waren vielleicht Hartmann, Christian <strong>und</strong><br />

Hans Jaggli <strong>Keller</strong> <strong>die</strong> Söhne des verstorbenen Jörg <strong>Keller</strong> Hatten sie in der Zwischenzeit ihr Erbe angetreten<br />

<strong>und</strong> brauchten sie jetzt Geld zur Auslösung ihres Besitzes <strong>von</strong> den Ansprüchen anderer Erben Der Gültenbrief<br />

<strong>von</strong> 1575 gibt dazu keine genaueren Informationen. Die drei Brüder erhalten <strong>die</strong> 600 Gulden vom Geschäftsmann<br />

Alexander Hönysen in Alten als Hypothek zu 5 Prozent <strong>und</strong> bezahlen deshalb jährlich an St. Verenentag<br />

einen Zins <strong>von</strong> 30 Gulden. Nach sechs Jahren wollen sie das entlehnte Geld wieder zurückerstatten.<br />

Der Geldgeber verlangte für seine 600 Gulden eine Sicherheit, ein Pfand. Deshalb wurden <strong>die</strong> drei Hauptschuldner<br />

unterstützt <strong>von</strong> zwei weiteren Vertretern der <strong>Keller</strong>-Sippe, nämlich durch <strong>die</strong> Gebrüder Heinrich <strong>und</strong><br />

Hans <strong>Keller</strong>, <strong>die</strong> als „Mitgülten“ oder Bürgen für <strong>die</strong> jährliche Zinsleistung <strong>und</strong> Rückzahlung der Hypothek<br />

nach sechs Jahren mithafteten. Diese beiden Brüder dürften jene zwei Männer gewesen sein, <strong>die</strong> im Lehenvertrag<br />

<strong>von</strong> 1774 als Mitinhaber des Kelhofes an vorderster Stelle genannt werden.<br />

Als weitere Sicherheit setzten <strong>die</strong> drei Schuldner nach damaliger Gewohnheit ihren ganzen Gr<strong>und</strong>besitz als<br />

Pfand ein – sowohl ihren Anteil am Kelhof, dem gemeinsamen Erblehen, wie auch ihren eigenen Gr<strong>und</strong>besitz.<br />

Bei der Aufzählung <strong>die</strong>ser Pfandgüter werden auch <strong>die</strong> Lehenzinse für ihre Anteile am Kelhof genannt. Vergleicht<br />

man <strong>die</strong>sen Zins mit früheren Lehenverträgen des Kelhofes, zeigt es sich, dass nur ein Teil <strong>die</strong>ses klösterlichen<br />

Gr<strong>und</strong>besitzes in den Händen der drei Schuldner lag. Es müssen also 1575 noch andere – ungenannte<br />

– <strong>Keller</strong> als Inhaber des Kelhofes in <strong>Volken</strong> gewohnt <strong>und</strong> gewirtschaftet haben. Die <strong>Keller</strong>-Sippe in <strong>Volken</strong><br />

dürfte also mindestens aus sechs <strong>bis</strong> acht Familien bestanden haben, wie <strong>die</strong>s auch der Lehenbrief <strong>von</strong> 1574<br />

darlegt.<br />

Aus der Pfandbeschreibung im Gültenbrief 1575 lässt sich auch <strong>die</strong> Ausdehnung <strong>und</strong> Bedeutung des Kelhofes<br />

erahnen. Obwohl gemäss Lehenzinsangaben nur etwa <strong>die</strong> Hälfte des Kelhofes als Gr<strong>und</strong>pfand in <strong>die</strong>ser Urk<strong>und</strong>e<br />

beschrieben wird, weist schon <strong>die</strong>ser halbe Kelhof erstaunliche Ausmasse auf: 2 Häuser, l Scheune, l<br />

Baumgarten, l Krautgarten, 40 Jucharten Ackerland, 4 Mannmad <strong>und</strong> 3 Jucharten Wiese sowie 3 Jucharten<br />

Wald. Als privates Eigentum der Geldnehmer nennt <strong>die</strong> Urk<strong>und</strong>e zusätzlich: 9 Ackerparzellen mit insgesamt<br />

10 Jucharten, 5 Mannmad Wiesland, 6 Jucharten Wald <strong>und</strong> l Juchart Reben.<br />

In der heutigen Zeit ungewohnt, aber in spätmittelalterlichen Gültenbriefen üblich, fordert <strong>die</strong> wortmächtige<br />

Absicherung, dass <strong>die</strong> Schuldner gar kein Recht haben, sich gegen <strong>die</strong> eingegangene Pflicht zur Verzinsung<br />

<strong>und</strong> Rückzahlung zu wehren. Weder rechtliche noch wirtschaftliche Gründe, weder politische Zwänge noch<br />

Unwetter oder ges<strong>und</strong>heitliche Schäden, weder Teuerung noch Krieg <strong>und</strong> Hungersnot können sie vor dem<br />

Zugriff des Geldgebers schützen. Diese aufwändige Absicherungsformel dürfte wegen der spätmittelalterlichen<br />

Rechtsunsicherheit notwendig gewesen sein.<br />

20


In altertümlicher Gewohnheit <strong>und</strong> Formelhaftigkeit erscheint auch das Vorgehen gegen säumige Schuldner:<br />

Wenn Zinsen ausstehen oder wenn das Kapital nicht rechtzeitig zurückerstattet wird, muss der Gläubiger<br />

<strong>die</strong> Schuldner vorerst mahnen. Dies kann durch einen Boten oder einen Brief oder mündlich durch Alexander<br />

Hönysen selbst geschehen. Danach müssen <strong>die</strong> Schuldner innert acht Tagen in aller Öffentlichkeit in<br />

einem Wirtshaus zu Andelfingen ihre Schuld begleichen. Andernfalls kann der Gläubiger über das Pfand so<br />

weit verfügen, <strong>bis</strong> sein Guthaben bezahlt ist.<br />

Die Urk<strong>und</strong>e gibt auch Informationen zum bäuerlichen Leben in der Dorfgemeinde <strong>Volken</strong>. Deutlich sichtbar<br />

wird <strong>die</strong> mittelalterliche Drei-Zelgen-Wirtschaft. Die <strong>Keller</strong> nutzen in jeder der drei Zelgen je ein grosses<br />

Ackerfeld (<strong>von</strong> 12, 13 <strong>und</strong> 15 Jucharten). Ursprünglich gehörten <strong>die</strong> drei Zelgen der ganzen Dorfgemeinde<br />

<strong>und</strong> wurden nach einer bestimmen Anzahl <strong>von</strong> Jahren den Bauern der Dorfschaft parzellenweise<br />

neu zugeteilt. Zur Zeit <strong>die</strong>ses Gültenbriefs scheinen aber <strong>die</strong> Felder bereits in festem Besitz der Bauern zu<br />

sein. So steht auch der Allmeindwald mindestens zum Teil in Privatbesitz; <strong>die</strong> <strong>Keller</strong> nutzen darin ein Gehölz<br />

<strong>von</strong> 3 Jucharten. Erstaunlich ist aber, dass sie nebst <strong>die</strong>sen Anteilen an der <strong>Gemeinde</strong>flur auch über<br />

einen stark parzellierten eigenen Gr<strong>und</strong>besitz verfügen. Darunter finden sich auch 6 Jucharten Wald <strong>und</strong><br />

zwei Weinberge. Nebst der gemischten Produktion für <strong>die</strong> Selbstversorgung des grossen Haushalts (Korn<strong>und</strong><br />

Haberfelder, Vieh- <strong>und</strong> Hühnerhaltung, Gemüse-, Obst- <strong>und</strong> Weingärten, Wald) nimmt der Ackerbau<br />

eine Vorrangstellung ein; das überschüssige Getreide wird auf den Markt gebracht <strong>und</strong> versorgt <strong>die</strong> Bauern<br />

mit barem Geld.<br />

Die „Kanzley Andelfingen“ vermerkte am 22. Juni 1730 auf der Urk<strong>und</strong>e, <strong>die</strong> durch sie begründete <strong>und</strong> besicherte<br />

Schuld sei jetzt zurückbezahlt worden. Mithin <strong>die</strong>nte sie 155 Jahre lang als Sicherheit für Kredite,<br />

nicht nur 6 Jahre, wie es im Originaltext der Urk<strong>und</strong>e stipuliert wurde.<br />

Die Urk<strong>und</strong>e liegt im <strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> unter der Signatur I A 7.<br />

21


Das Heimwesen der Witwe Anna <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong> 1602<br />

Die Urk<strong>und</strong>e hält einen Hypothekarvertrag fest, ähnlich der Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> 1575. Hans <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> Witwe<br />

Anna <strong>Keller</strong>, wohnhaft in <strong>Volken</strong>, entlehnen gemeinsam je 100 Gulden, <strong>die</strong> sie für ihren Landwirtschaftsbetrieb<br />

brauchen. Der Text nennt den genauen Gr<strong>und</strong> nicht. Die Bemerkung, man habe das Geld zum „guten<br />

Nutzen“ verwendet, um weiterem „Schaden vorzukommen“, lässt vermuten, dass besondere Aufwendungen<br />

den Hof aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Es macht den Anschein, dass Hans <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Witwe Anna <strong>Keller</strong> den Betrieb gemeinsam führen. Ist vielleicht Hans <strong>Keller</strong> der Sohn der Witwe <strong>und</strong> haben<br />

<strong>die</strong> beiden nach dem Tod des Vaters den Hof übernommen <strong>und</strong> eventuell andere Miterben ausbezahlt<br />

Ähnliche Gründe könnten schon <strong>die</strong> frühere Generation um 1575 zur Geldaufnahme gedrängt haben.<br />

Der Geldgeber ist Ulrich Hettlinger, ein Bürger der Stadt Winterthur, der als Stadtrat aus angesehenem <strong>und</strong><br />

auch wohlhabendem Kreis stammt. Mehr lässt <strong>die</strong> Urk<strong>und</strong>e nicht verlauten. Das HBLS (Historisch-<br />

Biographisches Lexikon der Schweiz) führt Ulrich Hettlinger (+1638) als Schultheiss (1618-1634) <strong>von</strong><br />

Winterthur auf.<br />

Interessant ist, dass der Text in der Ich-Form der beiden Gläubiger aufgesetzt ist. Sie lassen <strong>die</strong> Urk<strong>und</strong>e<br />

ausstellen. Das deutet auf eine gehobene Stellung hin, was durch <strong>die</strong> Grösse des Bauernhofs erhärtet wird.<br />

Die Fertigung des Vertrags geschah in gleicher Weise wie 1575, also vor dem Vogteiamt Andelfingen, mit<br />

dem herrschaftlichen Schreiber <strong>und</strong> dem Siegel des zürcherischen Landvogts, <strong>die</strong>smal <strong>von</strong> Jakob <strong>von</strong><br />

Schanis, der <strong>von</strong> 1562 <strong>bis</strong> 1611 lebte. Wiederum fällt auf, dass <strong>die</strong> Sicherung des entlehnten Geldes sowie<br />

der Zinsleistung mit vielen Worten, beinahe im beschwörenden Ton, festgelegt wird. Da gibt es kein Entrinnen,<br />

keine Ausrede. Weder Krankheit noch kriegerische Ereignisse, weder Missernte noch Gerichtsentscheide<br />

können das Abgemachte schwächen. Die Gläubiger haften für Kapital <strong>und</strong> Zins mit all ihrem liegenden<br />

<strong>und</strong> fahrenden Gut.<br />

Der Quellenwert <strong>die</strong>ser Urk<strong>und</strong>e liegt vor allem in der Beschreibung des gemeinsamen Hofes <strong>von</strong> Hans<br />

<strong>und</strong> Anna <strong>Keller</strong>, den <strong>die</strong> beiden als Versicherungspfand einsetzen. Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden scheinen aber unter<br />

den beiden aufgeteilt zu sein, denn <strong>die</strong> Parzellen der beiden Eigentümer werden gesondert aufgelistet. Haus<br />

<strong>und</strong> Hofgebäude dürften wohl <strong>von</strong> beiden gemeinsam genutzt werden, denn sie werden ganz am Schluss<br />

des Güterverzeichnisses aufgeführt. Es fällt auf, dass der Landwirtschaftsbetrieb relativ gross <strong>und</strong> <strong>bis</strong> zu<br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt noch nicht verschuldet ist. Die starke Parzellierung (insgesamt 35 Stück) weist wiederum<br />

auf <strong>die</strong> mittelalterliche Allmeindgenossenschaft hin, in der das Land in den verschiedenen Lagen <strong>und</strong> in<br />

unterschiedlichen Nutzungsbereichen an <strong>die</strong> einzelnen Genossenhöfe aufgeteilt wurde. Die zahlreichen<br />

Flur- <strong>und</strong> Personennamen machen <strong>die</strong> Urk<strong>und</strong>e zum wertvollen Dokument der mittelalterlichen Landwirtschaft<br />

<strong>und</strong> der Familienforschung.<br />

Die Bezeichnung „Kelhof“ fehlt in <strong>die</strong>ser Urk<strong>und</strong>e. Die Güter <strong>von</strong> Hans <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> der Witwe <strong>Keller</strong> gehörten<br />

nicht zum Gr<strong>und</strong>besitz des Klosters St. Katharinenthal, sondern standen anscheinend gr<strong>und</strong>herrlich<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> Winterthur <strong>und</strong> Zürich. Denn <strong>die</strong> Urk<strong>und</strong>e hält fest, dass Hans <strong>Keller</strong> jährlich einen<br />

Gr<strong>und</strong>zins <strong>von</strong> 3 Mütt Kernen, ½ Mütt Haber <strong>und</strong> l ½ Gulden nach Winterthur zu bezahlen habe, zusätzlich<br />

noch 3 Gulden nach Zürich. Auch <strong>die</strong> Witwe <strong>Keller</strong> schuldete ihren Gr<strong>und</strong>zins nach Winterthur, nämlich 3<br />

Mütt Kernen, l Mütt Haber <strong>und</strong> 6 ½ Gulden. Noch mehr weitet sich das Bild des damaligen Dorfes <strong>Volken</strong>,<br />

wenn man den Güterbeschrieb <strong>von</strong> Hans <strong>und</strong> Witwe <strong>Keller</strong> betrachtet. Da werden insgesamt 20 Anstösser<br />

genannt, <strong>die</strong> in <strong>Volken</strong> wohnten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>besitz bebauten. Da<strong>von</strong> gehörten nur drei Personen der <strong>Keller</strong>-<br />

Sippe an, alle andern tragen einen andern Familiennamen.<br />

22


Hypothekar- (Gült-)vertrag für Witwe Anna <strong>und</strong> Hans <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong><br />

mit Stadtrat Ulrich Hettlinger in Winterthur, 1602<br />

Urk<strong>und</strong>e liegt im <strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>, Signatur I A 11<br />

23


Güter <strong>und</strong> Flurnamen im Gültenbrief 1602<br />

Hans <strong>Keller</strong><br />

Ackerland:<br />

2 Jucharten im „Krützenacher“<br />

½ J im „Zwyacher“<br />

1 J. „zwyschent den greben“<br />

½ J. „zwüschent den greben“<br />

½ J. im„Loole“<br />

9 Vierling im „Roßberg’<br />

2 ½ Vierling in der „Kimhalden“<br />

2 ½ Vierling im „Frowenächerlin“<br />

2 ½ J. im „Ebnedacher“<br />

3 Vierling in der „Breiten“<br />

2 ½ J. im „Rok“<br />

½ J. im „Zwinckel“<br />

Wiesen<br />

2 ½ Vierling in „Trogen wysen“<br />

1 Vierling in „Grubwysen“ ,<br />

l Mad im „Lotzenbach“<br />

Reben:<br />

½ J. im „Ebned“<br />

½ J. im „Lotzenbach“ .<br />

½ J. auf „Morenberg“<br />

Wald:<br />

2 J. im „Bardiser holtz“<br />

Besitz <strong>von</strong> Hans <strong>Keller</strong><br />

Acker: 27 ½ Jucharten<br />

Wiesen: 4 ½ Jucharten<br />

Reben: l ½ Jucharten<br />

Anna <strong>Keller</strong><br />

Ackerland:<br />

5 Vierling im „Bildacher“<br />

9 Vierling an „Dachlißhalden“<br />

5 Vierling auf der „Lachen“<br />

3 J im „Firstacher“<br />

2 ½ J. im„Kettacber“<br />

l J. im „Langacher“<br />

2 J. im „Krumb“<br />

2 ½ J. im „Seewadel“<br />

Wiesen:<br />

1 Mannmad in der „ Weid“<br />

½ Mannmad in der „Nüwyß“<br />

1 Vierling in „Trogen wys<br />

Reben:<br />

½ J. in der „Halden“<br />

1 Vierling am „Trüllinger“<br />

Wald:<br />

2 J. am „Kirchweg“<br />

Besitz der Witwe <strong>Keller</strong><br />

Acker: 15 ¾ Jucharten<br />

Wiesen: l ¾ Jucharten<br />

Reben: ¾ Jucharten<br />

Gemeinsamer Besitz () im Dorf <strong>Volken</strong>:<br />

Haus <strong>und</strong> Hof, Baum- <strong>und</strong> Krautgarten<br />

<strong>und</strong> ½ J. Reben beim Haus<br />

Weitere Flurnamen (Anstösser)<br />

„Saallenweg“<br />

„Müllibach“<br />

Flächenmasse (Kanton Zürich)<br />

Juchart = 4 Vierling<br />

Juchart (Acker) = 32,7 Aren<br />

Juchart (Reben) = 25,4 Aren<br />

Juchart (Wald) = 36,3 Aren<br />

1 Mannmad = l Mad = 4 Vierling<br />

I Mannmad (Wiese) = 29,1 Aren<br />

24


Schuldspruch-Urk<strong>und</strong>e der Gebrüder <strong>Keller</strong> vom 4. Oktober 1608<br />

Die Urk<strong>und</strong>e hält einen Streit innerhalb der Dorfgemeinschaft <strong>Volken</strong> fest, der für mittelalterliche Genossengemeinden<br />

typisch <strong>und</strong> aufschlussreich ist. Es ging darin um das Wegrecht der Schweineherde der Dorfbauern,<br />

gegen das sich <strong>die</strong> beiden Nachbarn Hans <strong>und</strong> Jörg <strong>Keller</strong> vergeblich zur Wehr setzten. Der Streit wurde<br />

schliesslich durch ein Schiedsurteil des Vogts der zürcherischen Herrschaft Andelfingen, Hans Peter Wolf,<br />

geschlichtet, der den Schiedsspruch in der Form einer Urk<strong>und</strong>e für alle Zeiten festhielt. Der Inhalt bringt also<br />

für <strong>die</strong> Dorf- <strong>und</strong> Allmeindgeschichte <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> interessante Details.<br />

Zu <strong>die</strong>ser Zeit bildete das Dorf <strong>Volken</strong> noch eine gut funktionierende Genossengemeinde, <strong>die</strong> über gemeinsames<br />

Land (= „Allmeind“) verfügte. Dieses Land wurde als Acker, Weide <strong>und</strong> Wald gemeinsam genutzt. Die<br />

Bauern im Dorf besassen zwar je einen eigenen Hof, aber sie hatten zusätzlich Anrecht an der Nutzung des<br />

Allmeindlandes, das ausserhalb des Dorfbezirkes lag. Die Versammlung der Dorfgenossen beschloss jeweils<br />

demokratisch, wie <strong>die</strong>ses Land verteilt <strong>und</strong> genutzt werden durfte. Die Bauern konnten einen bestimmten Teil<br />

ihres Viehs auf <strong>die</strong> gemeinsame Weide treiben <strong>und</strong> erhielten aus dem Gemeinwald ihren Holzteil. Etwas komplizierter<br />

war <strong>die</strong> Nutzung der Ackerfelder. Vorsteher der <strong>Gemeinde</strong> teilten das gemeinsame Ackerland<br />

(= „Zelg“) in Parzellen ein <strong>und</strong> übergaben den Genossen je eine Parzelle auf eine bestimmte Anzahl <strong>von</strong> Jahren<br />

zur privaten Nutzung. Manche <strong>Gemeinde</strong>n besassen zwei oder drei grosse Zelgen, so dass <strong>die</strong> einzelnen<br />

Bauern in jeder <strong>die</strong>ser Zelgen je einen Acker nutzen konnten. Im Jahre 1608 lag eine solche gemeinsame Zelg<br />

zu beiden Seiten der Landstrasse, welche zum „Kurtzen Mülliberg“ führte. Sämtliche Hofbesitzer im Dorf<br />

nutzten je eine Parzelle in <strong>die</strong>sem Ackerfeld, auch Hans <strong>und</strong> Jörg <strong>Keller</strong>.<br />

Im „Kurtzen Mülliberg“ gab es damals aber noch einen Eichen- <strong>und</strong> Buchenwald, der zur Schweinemast genutzt<br />

wurde (Eicheln <strong>und</strong> Buchennüsse). Damals war es üblich, dass jeder Bauer im Dorf ein oder mehrere<br />

Hausschweine hielt, <strong>die</strong> gemästet <strong>und</strong> im Herbst geschlachtet wurden. Jeder Bauer konnte nun sein Hausschwein<br />

(oder mehrere) zu einer bestimmten Zeit im Sommerhalbjahr in <strong>die</strong>sem Wald weiden lassen. Die<br />

Hofbesitzer im Dorf stellten einen Hirten an, welcher jeweils am Morgen <strong>die</strong> Schweine bei den Häusern abholte<br />

<strong>und</strong> gemeinsam auf <strong>die</strong> Weide führte (= „trib jrer schwyn hërd“) <strong>und</strong> am Abend wieder ins Dorf brachte.<br />

Der Hirt wanderte also mit den Schweinen auf der „fryggen“ (= freien) Landstrasse hinaus, an der Zelg vorbei<br />

<strong>und</strong> am Abend kehrte er mit seiner Herde auf dem gleichen Weg zurück. Anscheinend war es nicht leicht, <strong>die</strong><br />

Schweine brav beieinander zu halten. Die Ackerparzellen lockten mit saftigem Getreide, mit Rüben <strong>und</strong> Gemüse.<br />

Darum wehrten sich <strong>die</strong> beiden <strong>Keller</strong> gegen den aufkommenden Schaden (= „wurde jr saammen <strong>von</strong><br />

den schwynen übel zertretten unnd gschëndt, allso das sy jres fëlts nit nach notturfft geniessen möchten“). Sie<br />

verboten dem Schweinehirten kurzerhand, seine Herde auf der Landstrasse mitten durch <strong>die</strong> Ackerzelg zu<br />

führen, <strong>und</strong> verlangten, dass er mit den Säuen über <strong>die</strong> Wiese einen weniger schädlichen Weg suche.<br />

Da waren aber <strong>die</strong> andern Dorfbauern nicht einverstanden, da sie ihre Wiesen schützen wollten, „dann mengklichem<br />

bewüst, was schadens <strong>die</strong> schwyn in den wisen thügind“. In der <strong>Gemeinde</strong>versammlung beschloss <strong>die</strong><br />

Mehrheit, dass der Schweinehirt wie seit altersher seine Herde über <strong>die</strong> Landstrasse zur Weide führe. Da <strong>die</strong><br />

beiden <strong>Keller</strong> nicht nachgaben, musste der Streit (= „spann unnd miβhellung“) <strong>von</strong> der Obrigkeit geschlichtet<br />

werden. Vor dem Landvogt traten <strong>die</strong> Abgeordneten der <strong>Gemeinde</strong> auf <strong>und</strong> klagten gegen Hans <strong>und</strong> Jörg <strong>Keller</strong>.<br />

Die beiden Parteien wurden sich aber einig, dass der Streit nicht in einem Prozess vor dem Gericht, sondern<br />

gütlich durch einen Schiedsspruch behoben werden sollte, um grössere Unkosten zu vermeiden. So kam der<br />

Landvogt nach <strong>Volken</strong>, nahm Augenschein, hörte sich <strong>die</strong> beiden Parteien an <strong>und</strong> entschied, dass der Auftrieb<br />

der Schweine wie früher über <strong>die</strong> Landstrasse geschehen soll. Der Schiedsspruch weist aber auch darauf hin,<br />

dass <strong>die</strong> Bauern ihre Felder durch Zäune oder Grünhäge zu schützen hatten. Dies tat <strong>die</strong> Mehrheit der Bauern<br />

in <strong>Volken</strong>, darum wehrten sie sich nicht gegen den Schweinetrieb auf der Landstrasse, <strong>die</strong> an ihren mit Zäunen<br />

geschützten Äckern vorbei führte. Der Landvogt verlangte, dass auch Hans <strong>und</strong> Jörg <strong>Keller</strong> zum Schutz ihrer<br />

Ackerparzellen an der Landstrasse eine Dornenhecke oder einen andern Zaun erstellen sollten, um den<br />

Schweinen den Zugang zu verwehren („mögind sy jre acher unnd vëld mit dornnen ald sonst der straβ nach<br />

wie andere mehr vermachen“).<br />

25


Schuldspruch-Urk<strong>und</strong>e der Gebrüder <strong>Keller</strong> vom 4. Oktober 1608<br />

Die Urk<strong>und</strong>e liegt im <strong>Gemeinde</strong>-Archiv <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> unter der Signatur I A 12.<br />

Halbwilde Hausschweine<br />

26


Wie <strong>die</strong> Volkemer <strong>die</strong> Zahlung der Gr<strong>und</strong>zinsen zu vermeiden suchten<br />

Schon früh, sicher aber ab dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, fühlten sich <strong>die</strong> „Erblehenbauern“ immer mehr als effektive<br />

Besitzer der <strong>von</strong> ihnen bewirtschafteten Höfe. Sie hatten das Recht, ihren Hof zu verkaufen, zur Sicherung <strong>von</strong><br />

Krediten zu belasten <strong>und</strong> ihn zu vererben. Formal musste allerdings der Gr<strong>und</strong>herr, beim Kelhof in <strong>Volken</strong><br />

war <strong>die</strong> Priorin des Klosters St. Katharinental Gr<strong>und</strong>herrin, ihre Zustimmung geben. Diese wurde <strong>von</strong> der Person<br />

des neuen Erblehenbauers abhängig gemacht.<br />

Wie <strong>die</strong> früheren Urk<strong>und</strong>en zeigen, war der Kelhof zu <strong>Volken</strong> sehr gross <strong>und</strong> bot einer wachsenden Anzahl<br />

<strong>von</strong> Familien ein Auskommen. Somit war es nur logisch, dass über <strong>die</strong> Jahrh<strong>und</strong>erte eine Aufsplitterung des<br />

Besitzes stattfand. Schon in der Urk<strong>und</strong>e <strong>von</strong> 1574 äusserte St. Katharinental <strong>die</strong> Sorge, dass der Kelhof auf zu<br />

viele Pächter aufgeteilt würde <strong>und</strong> schränkte deshalb deren Anzahl auf höchstens 8 ein.<br />

Mit fortschreitender Parzellierung wuchs <strong>die</strong> Unübersichtlichkeit. Schon 1675 manifestierte sich unter den<br />

Bauern <strong>die</strong> Tendenz, sich der Zinsen zu entziehen. Im erneuerten Urbar des Klosters Rheinau <strong>von</strong> 1675 z.B.<br />

(als Urbar werden Güter- <strong>und</strong> Einkünfteverzeichnisse bezeichnet, <strong>die</strong> der Wirtschaftsführung, der Verwaltung,<br />

der Rechts- <strong>und</strong> der Besitzstandssicherung der Gr<strong>und</strong>herrschaft <strong>die</strong>nten) 30 steht, dass <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>stücke ohne<br />

Vorwissen Rheinaus zerstückelt worden seien, indem man hoffte, so allmählich den Zins zu hinterziehen. Der<br />

Gr<strong>und</strong>zins wurde nur noch als Steuer empf<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> so kommt es, dass <strong>die</strong> Volkemer Bauern sich oft weigerten,<br />

ihn zu bezahlen. 31 .<br />

Auch <strong>die</strong> Verantwortlichen <strong>von</strong> Katharinental erkannten, dass wegen der Aufsplitterung des Gr<strong>und</strong>besitzes<br />

<strong>und</strong> Schlamperei bei der Führung des Urbars eine korrekte Kontrolle des Gr<strong>und</strong>zinses fast unmöglich geworden<br />

war. Ihr Urbar war liederlich oder gar falsch nachgeführt worden <strong>und</strong> musste <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong> auf ersetzt werden.<br />

Im „Ersatzurbar <strong>und</strong> Traglibell für den Gr<strong>und</strong>zins des Klosters St. Katharinental ab 1756-1851“ 32 wird<br />

denn auch beklagt, dass seit 1756 wegen „Verteilungen, Erbfall, das Kaufen <strong>und</strong> Verkaufen“, hauptsächlich<br />

aber „sonderheitlich durch das liederliche <strong>und</strong> saumselige Betragen des Heinrich Gysslers Urbar <strong>und</strong> Lagerbrief<br />

überall <strong>und</strong> gänzlich in eine solche Confusion gebracht“ wurden, dass man den Gr<strong>und</strong>zins nicht mehr<br />

mit der erforderlichen Sorgfalt einziehen <strong>und</strong> kontrollieren konnte.<br />

Dies löste bei der Priorin <strong>von</strong> St. Katharinental als Gr<strong>und</strong>herrin <strong>und</strong> ihren Verwaltern den Entschluss aus, das<br />

aufgetretene Problem nachhaltig zu bereinigen. An hand noch vorhandener Zinsenbelege <strong>und</strong> alter Urbarien<br />

wurde 1773 ein neuer Urbar mit detaillierten Aufzeichnungen ab 1756 rekonstruiert. Für das Jahr 1756 wurden<br />

nicht weniger als 80 gr<strong>und</strong>zinspflichtige Familien aufgeführt, wo<strong>von</strong> nur noch 20 den Namen <strong>Keller</strong> trugen.<br />

Das zeigt sehr deutlich, wie nachhaltig sich <strong>die</strong> Besitzes- <strong>und</strong> damit Abgabe-Verhältnisse in den 462 Jahren<br />

Gr<strong>und</strong>herrschaft des Klosters St. Katharinental geändert hatten. Die Einschränkung der Erblehenträger des<br />

Kelhofes auf acht Familien war endgültig Makulatur geworden. Der nun seriös bereinigte Urbar wurde <strong>bis</strong><br />

zum Loskauf des Gr<strong>und</strong>zinses 1847 - 1851 fortgeführt. Zur Dokumentation der Wichtigkeit <strong>und</strong> zur Sicherung<br />

der Rechtsgültigkeit wurde der Ersatz-Urbar „mit obrigkeitlicher Bewilligung durch <strong>die</strong> Kanzley Andelfingen<br />

im Beysein des Lehensvogtes“ genehmigt. Damit war eine seriöse Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> Zinszahlungen auf dem<br />

St. Katharinental’schen Gr<strong>und</strong>besitz geschaffen.<br />

Weiter wurde bestätigt, dass ein vertrauenswürdiger Mann als „Trager“ bestimmt werden müsse, der <strong>die</strong> Aufgabe<br />

hatte, <strong>die</strong>se Abgaben einzuziehen <strong>und</strong> sie gesamthaft dem Kloster abzuliefern. Es ist aufgr<strong>und</strong> der vorhandenen<br />

Urk<strong>und</strong>en anzunehmen, dass allgemein schon vor im 16. <strong>und</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>die</strong> sogenannte „Tragerei“<br />

eingeführt wurde. Normalerweise wurde der Besitzer des Kernstücks des alten Hofes zum Trager bestimmt,<br />

der gegen eine bescheidene Entlöhnung <strong>von</strong> allen Parzellen des ehemaligen Hofes <strong>die</strong> entsprechenden<br />

Zinsanteile einsammeln <strong>und</strong> abliefern musste. 33<br />

Als Konsequenz, <strong>und</strong> damit ein ähnliches Risiko nicht noch einmal eintreten könne, fällten jetzt <strong>die</strong> Verantwortlichen<br />

des Klosters St. Katharinental einen Gr<strong>und</strong>satz-Entscheid, der in der nachfolgenden Urk<strong>und</strong>e auf<br />

Seiten 29ff wiedergegeben ist.<br />

30 Historisches Lexikon www.hls-dhs-dss.ch/index.php<br />

31 Paul Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>, Seite 40<br />

32 Signatur IV A 1 im <strong>Gemeinde</strong>archiv <strong>Volken</strong><br />

33 Historisches Lexikon der Schweiz, Andreas Ineichen: http://www.hls-dhs-dss.ch/index.php<br />

27


Der Kelhof in <strong>Volken</strong> als Erblehen der <strong>Gemeinde</strong> 1775<br />

Aus dem Jahre 1775 stammt ein weiterer Lehenbrief für den Kelhof in <strong>Volken</strong>. Besitzerin ist immer noch das<br />

Kloster St. Katharinenthal in Diessenhofen. 462 Jahre war es nun Eigentümerin <strong>die</strong>ses grossen Gutshofes, <strong>und</strong><br />

immer noch wurde der Hof in ähnlicher Weise verlehnt wie im Mittelalter. Äbtissin <strong>und</strong> Schwesternkonvent<br />

beurk<strong>und</strong>en den Lehenvertrag in althergebrachter Form <strong>und</strong> in traditionellem Wortlaut. Anderseits bezahlen<br />

<strong>die</strong> Lehenbauern immer noch den gleichen Naturalzins, in gleicher währschafter Qualität, gemessen nach Winterthurer<br />

Mass, nämlich 22 Mütt Kernen, 4 Malter <strong>und</strong> 3 Mütt Haber, 3 Pf<strong>und</strong> Heugeld, 3 Fasnachtshühner, 6<br />

Herbsthühner, 210 Eier.<br />

Der Hof ist immer noch ein Erblehen, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verlehnung erfolgt nach wie vor gemäss mittelalterlichem<br />

Recht. In eindrücklicher Weise beherrscht der Urk<strong>und</strong>enschreiber <strong>die</strong> jahrh<strong>und</strong>ertealten Formulierungen. So<br />

lautet <strong>die</strong> Beschreibung des Kelhofs 1775: „Hof <strong>und</strong> Gut zu <strong>Volken</strong>, in der Herrschaft Andelfingen gelegen,<br />

mit Häusern, Höfen, Hofstatten, Scheunen, Stallungen, Trotten, Kraut- <strong>und</strong> Baumgarten, Reben, Wiesen,<br />

Hanfpünten, Äckern, Feldern, Holz, Holzboden, Holzrecht, Wunn <strong>und</strong> Weide, mit Gr<strong>und</strong>, Grat, Steg, Weg,<br />

Wasser, Wasserflüssen <strong>und</strong> Wasserleitungen, mit Zu- <strong>und</strong> Wegfahrtswegen, auch mit allen Rechten, Freiheiten<br />

<strong>und</strong> Gerechtigkeiten, mit allem was jetzt <strong>und</strong> <strong>von</strong> Alterswegen dazugehört <strong>und</strong> dazu gehören soll, nicht mehr<br />

<strong>und</strong> nicht weniger, nichts ausgenommen.“<br />

Ähnlicher Weise werden auch <strong>die</strong> Bedingungen der jährlichen Zinszahlung in mittelalterlichen Ausdrücken<br />

formuliert, ebenso <strong>die</strong> Strafandrohungen für <strong>die</strong> Lehenbauern bei allfälliger Nichteinhaltung des Vertrags. Das<br />

Kloster will nach wie vor den Gr<strong>und</strong>besitz in <strong>Volken</strong> als einheitliches Erblehen erhalten. Wenn also ein<br />

Lehenmann seinen Anteil abgeben möchte, dann muss er ihn zuerst dem Kloster St. Katharinen anbieten, damit<br />

<strong>die</strong>ses einen andern ehrenhaften Bauern als neuen Lehenmann wählen <strong>und</strong> das Klostergut in <strong>Volken</strong> als<br />

Ganzes reibungslos verwalten <strong>und</strong> für <strong>die</strong> Zukunft sicher erhalten kamt.<br />

Der Lehenvertrag <strong>von</strong> 1775 weist aber eine wichtige Änderung auf: Die Männer der <strong>Keller</strong>-Sippe werden im<br />

Vertrag überhaupt nicht mehr als Lehenleute <strong>und</strong> Vertragspartner des Klosters genannt. Auch der „Lehenträger“,<br />

der in früheren Jahrh<strong>und</strong>erten im Namen der Lehenbauern mit dem Kloster verhandelt <strong>und</strong> den Jahreszins<br />

gesamthaft abgeliefert hatte, stammte jetzt nicht mehr aus einer <strong>Keller</strong>-Familie. An ihrer Stelle hatten<br />

Leute aus anderen Geschlechtern Lehengüter übernommen. Deshalb schloss das Kloster den Vertrag nicht<br />

mehr mit der <strong>Keller</strong>-Sippe ab, sondern mit der „<strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>“. Natürlich konnten nicht alle Männer der<br />

<strong>Gemeinde</strong> am Vertragswerk mitwirken, sondern sie delegierten zwei Amtspersonen zum Abschluss des<br />

Lehenvertrags, nämlich den Vogt Konrad Werdtmüller <strong>und</strong> den Vorgesetzten Hans Jakob Arbenz. Diese zwei<br />

Männer handelten als „bevollmächtigte Anwälte <strong>und</strong> Gewalthaber der <strong>Gemeinde</strong>“. Die beiden Bevollmächtigten<br />

waren nun auch gegenüber dem Kloster verantwortlich <strong>und</strong> sammelten den Lehenzins der beteiligten Bauern<br />

<strong>und</strong> lieferten ihn gesamthaft dem Kloster St. Katharinenthal ab. Die Urk<strong>und</strong>e verrät weder <strong>die</strong> Zahl noch<br />

<strong>die</strong> Namen der eigentlichen Lehenbauern, sondern nennt sie nur „Lehenbauern <strong>und</strong> Mitinteressierte“.Wir wissen<br />

aber vom „Ersatzurbar <strong>und</strong> Traglibell“ <strong>von</strong> 1773, dass es 80 Familien waren (siehe Seite 27). Der Lehenvertrag<br />

lässt verstehen, dass es in letzter Zeit häufige Wechsel bei den Lehenbauern gab, so dass sich Probleme<br />

für <strong>die</strong> Hofverwaltung ergaben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Klosterfrauen den Zerfall ihrer Güter in <strong>Volken</strong> anhalten wollten. Darum<br />

habe das Kloster mit Genehmigung des Landvogts seine Güter der <strong>Gemeinde</strong> als Erblehen anvertraut,<br />

weil im Gegensatz zu den sterblichen Lehenträgern eine <strong>Gemeinde</strong> beständiger sei <strong>und</strong> keinen Tod zu befürchten<br />

habe. Das gab den Klosterfrauen <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong>sen Vertrag auf <strong>die</strong> Dauer <strong>von</strong> 30 Jahren auszustellen.<br />

Wann <strong>und</strong> wie <strong>die</strong> <strong>Keller</strong> ihre Anteile verloren, darüber schweigt <strong>die</strong>se Urk<strong>und</strong>e. Sie bezeichnet den klösterlichen<br />

Besitz in <strong>Volken</strong> auch nicht mehr als „Kelhof“ sondern nennt ihn einfach „unser Hof“ oder „Klostergüter“.<br />

28


Erblehensbrief vom 2. Februar 1775<br />

29


Deckblatt des Erblehensbriefes vom 2. Februar 1775<br />

Urk<strong>und</strong>e im <strong>Gemeinde</strong>-Archiv <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> unter der Signatur I B 4.<br />

31


Der Weinbau<br />

<strong>Volken</strong> liegt angelehnt an den Worrenberg, ein gutes Gebiet für den Rebbau. Letzterer wird im Tal <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

erstmals im 14. Jahrh<strong>und</strong>ert erwähnt, <strong>und</strong> er muss für seine Bauern schon sehr früh ein wichtiger landwirtschaftlicher<br />

Erwerbszweig gewesen sein. Seit alter Zeit schenkt man im ganzen Zürcher Weinland dem Weinbau<br />

grosse Aufmerksamkeit, da es dafür vorzüglich geeignet ist. Vermutlich geht <strong>die</strong> Kultur der Reben in ihren<br />

Anfängen ins achte Jahrh<strong>und</strong>ert oder noch weiter zurück; <strong>die</strong> Einführung der Abgabe des Zehntens durch<br />

Karl den Großen wird sich jedenfalls auch auf den Wein bezogen haben. Mit der Vermehrung der Bevölkerung<br />

nahm der Rebbau zu; <strong>die</strong> Rebe fand zwischen Thur <strong>und</strong> Rhein eine so ausgedehnte Pflege, dass dem Gebiet<br />

der schöne Name Weinland verliehen wurde.<br />

Die im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte erfolgte starke Vermehrung der Weinreben lässt <strong>die</strong> Annahme zu, dass es dem<br />

Weinbauer an Absatz nicht fehlte <strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Rebkultur sich lohnte. Der Verbrauch war früher, da Bier <strong>und</strong><br />

Most noch als seltene Getränke galten, weit grösser als in der Gegenwart; zudem litt der einheimische Wein<br />

nicht durch ausländische Konkurrenz, indem <strong>die</strong> Einfuhr fremden Weins verboten oder nur in beschränktem<br />

Masse gestattet war. So erließ der Rat in Zürich Ende 1562 ein Verbot des Ausschenkens <strong>von</strong> Veltliner Wein,<br />

„wo aber einer einem guten Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Nachbar Veltliner schenken wolle, das soll ihm zugelassen werden“.<br />

Die Bestrebungen, <strong>die</strong> Rebgebiete zu vergrössern, erregten im fünfzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert das Missfallen der<br />

Obrigkeit. In den Waldmannischen Spruchbriefen <strong>von</strong> 1489 wurde indessen den Bauern das Einlegen <strong>von</strong><br />

Reben gestattet. Aber schon im folgenden Jahrh<strong>und</strong>ert ergingen neue Verbote. Im Jahre 1572 untersagte der<br />

Rat das Einschlagen <strong>von</strong> Reben in Gütern <strong>und</strong> Zelgen, „darauf gemeine oder besonderbare Personen mit ihrem<br />

Vieh Weidgang <strong>und</strong> Weidrecht haben“. 34<br />

Der Rebbau war für Flaach <strong>und</strong> <strong>Volken</strong> <strong>von</strong> solcher Wichtigkeit, dass er direkten Einfluss auf <strong>die</strong> Bevölkerungsbewegung<br />

hatte. 1467 gab es in <strong>Volken</strong> 11 Haushaltungen mit 55 Seelen. Im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert fällt <strong>die</strong><br />

erste starke Bevölkerungszunahme in <strong>die</strong> Zeit, als der Rebbau einen starken Aufschwung nahm. So sagte um<br />

1569 Pfarrer Jud, dass <strong>die</strong> Bevölkerung seit Mannsdenken sich verdoppelt habe. 35 Die Zeit zwischen 1530 <strong>und</strong><br />

1565 brachte gute klimatische Bedingungen. Anschliessend fielen im ganzen Weinland <strong>die</strong> Weinmosterträge<br />

fast kontinuierlich <strong>bis</strong> zur Jahrh<strong>und</strong>ertwende, vorwiegend als Folge nasser <strong>und</strong> kalter Hochsommer. 36<br />

Das Weinland war auf <strong>die</strong> Zufuhr <strong>von</strong> Dünger angewiesen, der meistens <strong>von</strong> der Viehwirtschaft stammte. Die<br />

Erträge wurden durch <strong>die</strong> Hochsommerwitterung beeinflusst: Rekordernten bei hohen Temperaturen <strong>und</strong> guter<br />

Wasserversorgung, Missernten bei anhaltend nasskalter Witterung 37 .<br />

38<br />

34 Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, Seite 725<br />

35 Paul Kläui: Die Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>, Seite 156<br />

36 Chronik der Kantons Zürich, Bezirke Winterthur <strong>und</strong> Andelfingen, 1963<br />

37 Christian Pfister: Klimageschichte der Schweiz <strong>von</strong> 1525 <strong>bis</strong> 1860, Seiten 132 <strong>und</strong> 134<br />

38 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2 Seite 68<br />

32


Der Anbau <strong>von</strong> Reben <strong>und</strong> der Ausschank <strong>von</strong> Wein waren während Jahrh<strong>und</strong>erten ein wichtiger Faktor für<br />

das Einkommen der Bauern.<br />

Die auf Seite 13 abgebildete Urk<strong>und</strong>e bezeugt einen Streit wegen der Abgaben auf den Weinausschank, was<br />

dokumentiert, dass im Kelhof <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> schon 1446 Wein verkauft wurde. Die übrigen im <strong>Gemeinde</strong>archiv<br />

<strong>Volken</strong> liegenden Urk<strong>und</strong>en erwähnen nur den Besitz <strong>von</strong> Rebland durch <strong>die</strong> verschiedenen Bauern, nicht aber<br />

den Weinausschank.<br />

Interessant ist, dass r<strong>und</strong> 350 Jahre später in <strong>Volken</strong> nur eine Person erwähnt wird, <strong>die</strong> schon vor der Revolution<br />

<strong>von</strong> 1798 mit Bewilligung eine Weinschenke betrieb: Conrad <strong>Keller</strong>, Beck zu <strong>Volken</strong>, Unterbeck genannt.<br />

Er erhielt <strong>von</strong> der ab 1804 langsam wieder funktionsfähigen Zürcher Regierung das Patent für den Betrieb<br />

einer Weinschenke gratis. Der Ururgrossvater des Verfassers <strong>die</strong>ser Broschüre, Hans Conrad <strong>Keller</strong> (der erste<br />

<strong>Gemeinde</strong>ammann, auch Oberbeck genannt), war der zweite Inhaber eines Patentes zum Weinausschank. Er<br />

erhielt es 1805 auf Gr<strong>und</strong> seiner Bewerbung, musste aber für <strong>die</strong> Dauer <strong>von</strong> 10 Jahren Fr. 20.- bezahlen. Allerdings<br />

steht in den <strong>die</strong>sbezüglichen Akten, er habe sein Lokal schon während der Revolution klaglos betrieben…<br />

Es ist heute das Restaurant Post. - Auch in den folgenden Jahren, <strong>bis</strong> 1845, waren nur zwei <strong>Keller</strong> Patentinhaber.<br />

Erst 1845 kam Ulrich Schuler dazu. Details können in der Broschüre „<strong>Volken</strong> im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

Zukunft braucht Herkunft“ nachgelesen werden.<br />

Riesling Traube, sie gedeiht w<strong>und</strong>erbar am Worrenberg 39<br />

39 Aus Wikipedia: „Riesling Traube“<br />

33


Vom 16. Jahrh<strong>und</strong>ert in <strong>Volken</strong><br />

Albrecht Dürer: weinende Bäuerin<br />

aus dem Gebetsbuch Kaiser Maximilians I., um 1515 40<br />

Verkehrsverhältnisse um <strong>Volken</strong><br />

Die verkehrstechnische Erschliessung des Flaachtales war denkbar schlecht. Flaachemer <strong>und</strong> Volkemer verkauften<br />

auf den Märkten <strong>von</strong> Eglisau, Kaiserstuhl, Schaffhausen <strong>und</strong> Winterthur hauptsächlich Wein, mussten<br />

aber bei allen Brücken <strong>und</strong> Stadttoren Zoll bezahlen, was immer wieder Anlass zu Streitereien gab. Die wichtigste<br />

Verbindungsstrasse für <strong>Volken</strong> war über Dorf-Hünikon nach Winterthur. Sie wird als „der beschwerliche,<br />

marastische Weg durch den Schindlenberg“ beschrieben. Flaach, <strong>Volken</strong> <strong>und</strong> Dorf halfen 1644 mit, <strong>die</strong><br />

Strasse instand zu setzen, nachdem sie vorher völlig verkarrt gewesen war. 41<br />

Wohnverhältnisse<br />

Im Mittelalter lebte <strong>und</strong> schlief <strong>die</strong> Familie meist in einem engen <strong>und</strong> dunklen strohgedeckten Einfamilienhaus,<br />

das abgesehen vom elementarsten Schutz gegen Kälte <strong>und</strong> Nässe keine Annehmlichkeiten im heutigen Sinn bot.<br />

Erst etwa ab dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert entstand <strong>die</strong> Unterteilung der Häuser in Küche, Wohnstube <strong>und</strong> Kammern.<br />

Wasser wurde täglich vom Dorfbrunnen oder –Bach geholt, das Feuer in Herd <strong>und</strong> Ofen musste täglich neu<br />

angefacht werden. Wöchentlich gab es einen Waschtag am Bach oder Dorfbrunnen, eine Tortur für <strong>die</strong> geplagte<br />

Hausfrau. In der Gegend <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> wirkte sich der Rebbau auch auf <strong>die</strong> Art des Hausbaues aus:<br />

Scheunen <strong>und</strong> Ställe blieben klein, natürlich mit gewissen Ausnahmen wie den Kelhof. Das Dorf war eng zusammengebaut.<br />

Erst mit dem Rückgang des Weinbaus nach 1900 <strong>und</strong> dem Aufschwung der Milchwirtschaft<br />

wurden Ställe <strong>und</strong> Scheunen ausgebaut. 42<br />

Einschränkungen in der bäuerlichen Produktion<br />

Folgende Vorschriften griffen in <strong>die</strong> Freiheit der bäuerlichen Produktion ein<br />

Der Flurzwang = Verpflichtung, sich an <strong>die</strong> dörfliche Flurverfassung, <strong>die</strong> Dreizelgenwirtschaft, zu halten, d.h<br />

<strong>die</strong> in den Zelgen jeweils vorgeschriebenen Früchte anzubauen, <strong>die</strong> Pflug-, Anbau-, Ernte- <strong>und</strong> anderen Termine<br />

einzuhalten sowie sich an den kollektiven Arbeiten, z.B. Unterhalt der Wege <strong>und</strong> des Etters [<strong>die</strong> Umzäunung<br />

des Dorfes], Auf- <strong>und</strong> Abbau der Zäune etc. zu beteiligen 43<br />

Die Dreizelgenordnung war <strong>die</strong> örtliche Flurverfassung, bei der <strong>die</strong> gesamte Ackerflur eines Dorfes in drei<br />

ungefähr gleich grosse Schläge [Zelgen] eingeteilt war, in denen sich im jährlichen Turnus Wintergetreide,<br />

Sommergetreide <strong>und</strong> Brache wechselten.<br />

Die Weiderechte: Acker- <strong>und</strong> Getreidebau waren der wichtigste Erwerbszweig, waren aber streng geregelt.<br />

40 Katalog der Ausstellung „Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhauser Museen<br />

41 P.Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong> S.15; M.Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, S.37<br />

42 Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, Seite 47<br />

43 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 517<br />

34


Erste Vorahnen der <strong>Keller</strong>-Sippe in <strong>Volken</strong><br />

Seit der Reformation wurden verbreitet Pfarrbücher geführt, in welchen Taufen, Besuch des kirchlichen Unterrichts,<br />

Konfirmationen, Heiraten <strong>und</strong> Todesfälle festzuhalten waren. Diese Bücher sind <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen für <strong>die</strong><br />

Familienforschung. Es ist eine glückliche Fügung, dass ausgerechnet <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>, der kleinsten <strong>Gemeinde</strong><br />

Zürichs, einige Urk<strong>und</strong>en erhalten geblieben sind, welche <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong> seit 1305 dokumentieren.<br />

Später wurden auf Veranlassung <strong>von</strong> Antistes Johann Jakob Breitinger (1575 - 1645) Bevölkerungsverzeichnisse<br />

angelegt. Zur strafferen Erfassung der Kirchgenossen zu Stadt <strong>und</strong> Land forderte erstmals <strong>die</strong> „Ordnung<br />

der Dieneren der Kilchen in der Statt u. uff der Landtschafft Zürich“ vom 3. Mai 1628 jeden der Zürcher Synode<br />

unterstellten Pfarrer auf, „alle Jahre <strong>und</strong> eines jeden besonder, in ein ordentliche Verzeichnuss (zu)<br />

bringen <strong>die</strong> Namen aller Hussvätteren, Kinden <strong>und</strong> Diensten, damit er wüsse <strong>die</strong> Zahl aller vertrauwten Seelen“.<br />

44 - Nachdem <strong>bis</strong> im Frühjahr 1634 nur ganz wenige Pfarrer dem Aufruf gefolgt waren, sahen sich Bürgermeister<br />

<strong>und</strong> Rat erneut gezwungen - <strong>die</strong>smal im Zusammenhang mit der Bekämpfung des „leichtfertigen<br />

Fluchens, Schwörens <strong>und</strong> Gotteslästerns“ zu Stadt <strong>und</strong> Land - <strong>die</strong> saumseligen Geistlichen ernsthaft zur Ablieferung<br />

ihrer Verzeichnisse auf <strong>die</strong> Mai-Synode 1634 anzuhalten. 45<br />

Burkhart der <strong>Keller</strong> oder Kelner<br />

Er war der erste in Urk<strong>und</strong>en aufgeführte <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong>, Bewirtschafter des dortigen Kelhofes. In einer<br />

Urk<strong>und</strong>e vom 6. Mai 1305, ausgestellt in Bülach, 46 dokumentierte Freiherr Jakob <strong>von</strong> Wart den Verkauf seiner<br />

Schuppose (kleineres Bauerngut) in <strong>Volken</strong> an <strong>die</strong> Leutpriester <strong>von</strong> Buch <strong>und</strong> Embrach. Burchart der Kelner<br />

wird als derjenige erwähnt, der das Gut „buwet“ <strong>und</strong> Zins zahlt. Im selben Urk<strong>und</strong>enbuch 47 wird eine Urk<strong>und</strong>e<br />

beschrieben, in welcher Burkhart <strong>von</strong> Eschlikon (eben der Besitzer des Kelhofes <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>) mit den Pfründern<br />

<strong>von</strong> Heiligenberg bei Winterthur Güter in <strong>Volken</strong> tauschte. Die Urk<strong>und</strong>e datiert vom 9. Februar 1313,<br />

ausgestellt in <strong>Volken</strong>. Das aussergewöhnliche an <strong>die</strong>ser Urk<strong>und</strong>e ist <strong>die</strong> Tatsache, dass in <strong>die</strong>ser Urk<strong>und</strong>e nicht<br />

wie in allen andern nur Edelleute, sondern Burchart der <strong>Keller</strong> <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>, zusammen mit Bauern anderer<br />

Dörfer, als Zeugen erwähnt werden.<br />

Das zeigt deutlich, dass Burkhart der <strong>Keller</strong> <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> ein angesehener <strong>und</strong> vertrauenswürdiger Mann gewesen<br />

sein musste, der zusätzlich zum grossen Kelhof auch mehrere andere Bauerngüter verwaltete.<br />

Cunrat der <strong>Keller</strong><br />

Ein Cunrat der <strong>Keller</strong> zu <strong>Volken</strong> wird bezeugt in den „Urbaren <strong>und</strong> Rödel der Stadt <strong>und</strong> Landschaft Zürich<br />

<strong>bis</strong> 1336“. Am 31. Mai 1332 liess Kaplan Heinrich ein Verzeichnis der Zinseinkünfte des Klarissinnen-<br />

Klosters Para<strong>die</strong>s erstellen. Darin wird ein Gut „ze Volchikon“ erwähnt „dis buwet Cunrat der <strong>Keller</strong>“. Festgehalten<br />

wird allerdings, dass <strong>die</strong>se letzte Bemerkung als Nachtrag <strong>von</strong> einer anderen Hand angefügt wurde.<br />

Daraus kann geschlossen werden, dass nach dem 31. Mai 1332, zu einer nicht mehr feststellbaren Zeit, ein<br />

Konrad der <strong>Keller</strong> <strong>die</strong>ses Gut bewirtschaftete. Es darf angenommen werden, dass Cunrat der <strong>Keller</strong> zu <strong>Volken</strong><br />

der erste dokumentierte <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong> mit dem Vornamen Konrad ist (dem noch sehr viele gleichen Namens<br />

folgen sollten…), dass er ebenfalls den Kelhof „buwet“, d.h. bewirtschaftete <strong>und</strong> dass er ein Sohn des<br />

Burkhart der <strong>Keller</strong>s sein könnte.<br />

Hensly <strong>Keller</strong><br />

Hensly <strong>Keller</strong> ist wahrscheinlich der „<strong>Keller</strong>“, der im Streit mit Junker Ulrich III <strong>von</strong> Gachnang erwähnt wird<br />

(siehe Seiten 12 <strong>und</strong> 13). In den Steuerbüchern <strong>von</strong> Stadt <strong>und</strong> Landschaft Zürich wird er als grösster Steuerzahler<br />

1450 <strong>von</strong> Flaach <strong>und</strong> <strong>Volken</strong> aufgeführt; ebenfalls wird er in den Jahren 1467 – 1470 erwähnt. Die Urk<strong>und</strong>e<br />

<strong>von</strong> 1459 berichtet vom Tausch der Zugehörigkeit seiner Frau vom Kloster Töss nach Zürich.<br />

44 StAZH Mandsate III AA b 1 Seite 503<br />

45 StAZH E II 2 Seite 75, 2. Abschnitt = Zitat aus StAZH E II 700 Seite 2<br />

46 StAZH Urk<strong>und</strong>enbuch Band 8, Seite 67<br />

47 StAZH Urk<strong>und</strong>enbuch Band 9, Seite 66<br />

35


Auszug aus den noch vorhandenen Pfarrbüchern der Pfarrei Andelfingen<br />

Liste der Taufen in <strong>Volken</strong>, Familienname <strong>Keller</strong><br />

Signatur StAZH Datum Kind-Name Vater Mutter Pate Patin<br />

EIII 8.1 S.53 1537 Ursula Antoni Cunrat Saler Ursel Gyssler<br />

EIII 8.1. S12 19.Okt.1542 Anali Kleinhensli Christe Bury Andli Saler<br />

EIII 8.2. 24. Jan 1542 Christen Hans Christen Bury Dorothe Ritzmann<br />

S.159<br />

do 10. Juli 1542 Felix Thomann Kleinfelix Anneli Saler<br />

Ritzmann<br />

do 24. Sept.1542 Fronick Hans Hans Saler Fronick <strong>von</strong><br />

Fulach<br />

EIII 8.2 S.145 11. Juni 1565 Verena Christen Regula Mag Joseph Gysler Verena Kim<br />

do 7. Okt 1565 Joseph Felix Fronali Fritschi Joseph Gisler Regula Mag<br />

EIII 8.2 S.146 9. Febr. 1567 Junghans Junghans Margrit Georg Bury Bärbel Saler<br />

15. Mai 1567 Heini Felix Margret Kramer Heini Frei Bärbel Bury<br />

25.Jan 1568 Madlen Christen Regula Mag Heinrich Bury Madlen Gysler<br />

do 19. April Adelheid Felix Margret Kramer Hans Ritzmann<br />

Adelheid<br />

1568<br />

Ritzmann<br />

do 8. Aug 1568 Hans Ulrich Anna Saler Andreas Bury Margret Frey<br />

EIII.8.2S. 147 9. Aug.1568 Heini Hans Jakob Dorothe Gisler Heini Bury Verena Bucher<br />

do 8. Mai 1569 Jakob Heinrich Aglin Bury Jakob Christen Margret Frey<br />

do 7. Aug 1569 Elsy Felix Margret Kramer Ulrich<br />

Schmidlin<br />

Elsy Gechlingerin<br />

do 30. Okt. 1569 Elsy Christen Adelheit Mag Hans Bender Anna Saler<br />

do 20. Aug. Heinrich Christen Barbel Saler Hans Schmidlin<br />

Margret Frey<br />

1570<br />

do 31. Aug. Hans Heinricmann<br />

Hans Jakob Dorothe Gisler Hans Ritz-<br />

Salome<br />

1570<br />

Werthmüller<br />

EIII 8.2 S.148 25. Nov 1570 Anna Felix MargretKramer Felix Bury Anna Gisler<br />

do 28. Jan 1571 Agnes Christen Regula Koster Joseph Gisler Agnes Frey<br />

do 1. April 1571 Andreas Heinrich Aglin Bury Andreas<br />

Ritzmann<br />

Dorothea Visler<br />

do 5.Aug. 1571 Elsy Andreas Verena Bucher Georg Bury Elsy Schnider<br />

do 27. Nov 1571 Felix Christen Barbel Saler Felix Bury Margret Frey<br />

o 17. Febr. Agnes Heinrich Aglin Bury Georg Ritzmann<br />

Agnes Frey<br />

1572<br />

EIII8.2.S. 149 9. März 1572 Verena Felix MargretKramer Heinrich Saler Verena Gisler<br />

do 2. Juni 1572 Verena Hans Jakob Dorothe Gisler Hans Werthmüller<br />

Verena Gisler<br />

do 8. Juni 1572 Joseph Ulrich Anna Saler Joseph Gisler Regula Mag<br />

do 9. Sept 1572 Georg Georg Trina Pur Georg Bury Verena Chim<br />

do 2. Nov. 1572 Agnes Christen Regula Mag Hans Saler Agnes Bury<br />

do 23. Nov. Hans Kunrad<br />

Christen Barbara Saler Hans Benker MargretBinder<br />

1572<br />

do 1. Febr.1573 Felix Heini Margret Saler Felix Bury Aglin Saler<br />

do 5. April 1573 Peter Andreas Verena Bürgin Heinrich Bury Margrit Frey<br />

do 23.Aug. 1573 Felix Felix MargretKramer Felix Bury Barbel Bury<br />

do 11. Okt. 1573 Andreas Hans Jacob Dorothe Gisler Andreas Verena Chim<br />

Ritzmann<br />

do S. 150 26. Jan.1574 Dorothea Heinrich Agnes Bury HansRitzmann DorotheaGisler<br />

do 1. Aug. 1574 Hans<br />

Cünradt<br />

Heiny Margret Saler Hans Conrad<br />

Ritzmann<br />

Dorothea<br />

Kräpf<br />

do 16. Jan. 1575 Hans Christen Barbel Saler Rüdly Margret Frey<br />

Cünradt<br />

Schweizer<br />

do 6. März 1575 Rosa Heinrich Agly Bury Mathias Bollinger<br />

Rosa Ritzmann<br />

do 28. Aug 1575 Ulrich Ulrich Anna Saler Joseph Gisler Anna Frey<br />

do 25.Sept.1575 Hans<br />

Cünrad<br />

Heiny Margret Saler Hans Cünradt<br />

Ritzmann<br />

Dorothea<br />

Knöpfli<br />

36


Signatur<br />

StAZH<br />

Datum<br />

Name des<br />

Kindes<br />

Vater Mutter Pate Patin<br />

EIII.8.2 150 30. Okt 1575 Rosa Andreas Verena Bucher Jacob Christen Rosa Bury<br />

EIII.8.2.S151 23. 04 1576 Felix Hans Jacob Dorothe Gisler Felix Bury Margret Saler<br />

do 29. 04.1576 Anna Heinrich Aglin Bury Ulrich Schmid AnnaRitzmann<br />

do 17. 03.1577 Hartmann Heiny Margret Saler Joseph Gisler Margret Frey<br />

do 31. 03.1577 Anna Christen Bärbel Saler Hans Bürgy Anna<br />

Werdmüller<br />

do 4. Aug. 1577 Mathias Heinrich Aglin Bury Mathias Bullinger<br />

Verena Bucher<br />

do S. 152 20. Dez. 1577 Margreth Hans Jacob Dorothe Gisler Hans Frey Margreth Frey<br />

do 15.Febr. 1578 Fridolin Ulrich Anna Saler Joseph Gisler Bärbel<br />

Flachsmann<br />

do 23. Febr. Agnes Christen Bärbel Saler Andreas Anna Werdmüller<br />

1578<br />

Ritzmann<br />

do 27.04.1578 Margret Andreas Verena Bucher Felix Bury Margret Frey<br />

do 26. Okt 1578 Margret Heiny Margret Saler Hans Frey Margret Frey<br />

do S. 153 25. Juni 1579 Hartmann Hans Jacob Dorothe Gisler Hartmann Elsy Gisler<br />

<strong>Keller</strong><br />

do 14. 02. 1580 Elsy Heiny Margret Saler Joseph Gisler Margret Frey<br />

do 17. 04.1580 Margret Heinrich Aglin Bury Andreas Frey Margret Frey<br />

do 21. 08. 1580 Margret Andreas Verena Bucher Felix Bury Margret Frey<br />

do 2. Okt. 1580 Elsy Ulrich Anna Saler Hans<br />

Elsy Wolfer<br />

Werdmüller<br />

do S. 154 7. Febr. 1581 Elsy Hans Jacob Dorothe Visler Dies Fuchs Elsy Gisler<br />

do 31. Okt. 1581 Hans Heinrich Margret Saler Hans Frey Margret Frey<br />

do 25. 11. 1581 Andreas Heinrich Agli Bury Andreas Frey Regula Mag<br />

do S.155 25. Sept 1582 Agli Andreas Verena Bucher Hans Bury Agli Bury<br />

do 24. 02. 1583 Hans Heinrich Margret Saler Hans Frey Margret Frey<br />

do 24. Mai 1584 Hans Georg Anna Werdmüller<br />

Grosshans Elsy Wolfen<br />

Ritzmann<br />

do 4. Okt. 1584 Waldtpurg Andreas Verena Bucher Andreas Frey Waldtpurg<br />

Kern<br />

do 22.Aug.1585 Gret Heinrich Margret Saler Christen Gret Ritzmann<br />

Ritzmann<br />

EIII 8.3 S.71 28.Jan. 1610 Madalena Matthis Elsy Müller Diethelm Analy Ritzmann<br />

Wieser<br />

do 16. April Ursula Felix Euphrosina Georg Bury Ursel Fehr<br />

1610 Dorothea<br />

Nüssli<br />

Heinrich Saler Margret Buri<br />

do 5. Aug. 1610 Ursel Heinrich Margareth Grosshans Ursula Fehrin<br />

Schaubin Ritzmann<br />

do 19. Aug 1610 Georg Hans Anna Frey Georg Ritzmann<br />

Verena Bucher<br />

do 10. Okt. 1610 Elsi Hans Madalena Bury Georg Ritzmann<br />

Verena Freyin<br />

do S.73 14. Nov.1610 Martinus Hartmann Verena Meyer Hans Ritzmann<br />

Anna Ritzmann<br />

Die Leute <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> mussten <strong>bis</strong> 1610 nach Andelfingen zur Kirche <strong>und</strong> sind in den dortigen Pfarrbüchern<br />

registriert. In den Jahren <strong>von</strong> 1600 <strong>bis</strong> 1610 wurden teilweise aber auch vom Pfarrer <strong>von</strong> Flaach entsprechende<br />

Eintragungen gemacht. Erst ab 1610 war allein <strong>die</strong> Kirchgemeinde Flaach-<strong>Volken</strong> für <strong>Volken</strong> zuständig.<br />

37


Liste der Ehen in <strong>Volken</strong>, <strong>bis</strong> 1610 in der Pfarrei Andelfingen<br />

Signatur StAZH <strong>und</strong> Datum Ehemann <strong>Keller</strong> Ehefrau Herkunftsort<br />

EIII 8.7. S.61: 19.5.1566 Felix Margret Kramer Gräslikon<br />

do 26.5.1565 Ulrich Anna Saler <strong>Volken</strong><br />

do 25.8.1566 Heinrich Aglin (=Agatha) Bury <strong>Volken</strong><br />

do 27.4.1567 Hans Jacob Dorothea Fisler Berg am Irchel<br />

EIII 8.7. S.62 29.8.1568 Georg Catharina Süsstrunkin Hüniken<br />

do 6.11.1569 Christen Bärbel Saler <strong>Volken</strong><br />

do 6.11.1569 Cünradt Margret Fehr Gütickusen (Gütighausen)<br />

do 5.11.1570 Andreas Verena Bucher Dorf<br />

do 22.4.1572 Heini Margret Koller Buch am Irchel<br />

do 4.2.1582 Georg Anna Werdmüllerin <strong>Volken</strong><br />

do 13.5.1582 Ulrich Elly (=Elisabeth) Meyer Gräslikon<br />

38


Anna<br />

Heirat in<br />

Zollikon <strong>und</strong><br />

<strong>Volken</strong><br />

Stammbaum einer Familie <strong>Keller</strong> <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

rot: Vorfahren aller <strong>Keller</strong> aus <strong>Volken</strong><br />

Burkhard der <strong>Keller</strong><br />

erwähnt 1305, 1313, <strong>1314</strong><br />

..<br />

Kunrat der <strong>Keller</strong><br />

erwähnt 31.1.1332<br />

..<br />

Hensly <strong>Keller</strong><br />

erwähnt 1446, 1450 - 1470<br />

..<br />

blau: lückenlos nachgewiesene Vorfahren der Familie des Verfassers<br />

..<br />

Jörg <strong>Keller</strong> *13.3.1603 18.2.1672<br />

oo 1.2.1632<br />

Magdalena Fehr v. Flaach *25.4.1613, 1681<br />

<br />

‣<br />

<br />

‣<br />

Georg <strong>Keller</strong> *Nov.1645 <br />

oo Nov. 1670 Anna Gisler *1646 22.1685<br />

oo 9.2.1686 Barbara Peyer *25.2.1644 4.1696<br />

<br />

‣<br />

<br />

‣<br />

Hans <strong>Keller</strong> *9.7.1672 2.5.1743<br />

oo 30.1.1703 Küngold Steffen v. Dorf,<br />

*1680 17.7.1724<br />

<br />

‣<br />

<br />

‣<br />

Hans Heinrich <strong>Keller</strong> *21.6.1712 21.4.1781<br />

oo 15.2.1742 Anna Barbara Erb v. Zinzikon, *15.2.1722<br />

<br />

<br />

‣<br />

<br />

‣<br />

Hans Jakob <strong>Keller</strong> *8.9.1742 27.7.1808<br />

oo 12.7.1773<br />

Katharina Kündig*15.8.1749 31.10.1808<br />

<br />

‣<br />

<br />

‣<br />

Hans Konrad <strong>Keller</strong> *28.2.1779 25.6.1821<br />

oo 23.8.1813<br />

Susanna Gisler v. Flaach*17.2.1789 1.11.1857<br />

<br />

‣<br />

<br />

‣<br />

Johann Conrad <strong>Keller</strong> *28.1.1817 7.3.<strong>1888</strong><br />

oo 23.3.1847 Anna Wiesendanger v. Eschlikon<br />

*28.4.1826 25.4.1906<br />

<br />

‣<br />

Nachkommen siehe Band 2<br />

Susanna Bertha<br />

Heirat in Starb im 1.<br />

Winterthur Lebensjahr<br />

Johann Conrad<br />

Metzger in<br />

Schaffhausen<br />

Johann Hermann<br />

Weinhändler in<br />

Genua, Neuchâtel<br />

<strong>und</strong> Siders<br />

Gustav<br />

Bäcker in<br />

Winterthur<br />

<strong>und</strong> Zürich<br />

39


Die lückenlos nachgewiesenen Vorfahren des Verfassers<br />

1603, möglicherweise am 13. März (<strong>die</strong> vorhandenen Unterlagen lassen kein sicheres Datum zu), wurde der<br />

älteste lückenlos nachgewiesene Vorfahr des Verfassers, Jörg (oder Georg) <strong>Keller</strong>, geboren. Er war Tischmacher-<br />

(Schreiner-)meister gemäss Bevölkerungsverzeichnis 1634 S. 406. Im gleichen Bevölkerungsverzeichnis<br />

steht, dass sein Bruder Heinrich bei ihm wohnte. Er heiratete am 1. Februar 1632 Madalena Fehr <strong>von</strong> Flaach<br />

(1614-1681), mit welcher er 6 Kinder hatte. Er scheint relativ wohlhabend gewesen zu sein, denn gemäss Bevölkerungsverzeichnis<br />

<strong>von</strong> 1640 lebten bei ihnen ein Lehrbub namens Eberhard Gnehm <strong>und</strong> zwei Mägde,<br />

Elsbeth Fehr(in) <strong>und</strong> Lisbeth Fehr(in). Im Bevölkerungsverzeichnis vom 1649 wird erwähnt, dass eine Magd,<br />

Verena Bürgy <strong>und</strong> ein „Bub“, d.h. Knecht, namens Hans Joggli, in ihrem Haushalt wohnten. Zu seinem Tod<br />

am 18. Februar 1672 schrieb der Pfarrer <strong>von</strong> Flaach ins Totenregister <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>: „ein alter <strong>und</strong> übelzeitiger<br />

(=elender, schwacher) Mann starb gächling (sofort)“.<br />

Gleichzeitig mit dem erwähnten Jörg oder Georg <strong>Keller</strong> lebte in <strong>Volken</strong> ein zweiter Georg <strong>Keller</strong>, geboren<br />

1601. Er wurde Schuhmacher, heiratete am 24. Februar 1624 eine Verena Brandenberger <strong>von</strong> Flaach, <strong>die</strong> aber<br />

bereits nach einem Monat, am 23. März 1624, verstarb. Hierauf ehelichte er am 5. Oktober desselben Jahres<br />

eine Elsbeth Silber <strong>von</strong> Neftenbach, mit der er fünfzehn Kinder hatte. Als er am 12. März 1669 verstarb,<br />

schrieb derselbe Pfarrer: „Jörg <strong>Keller</strong>, das Schuhmächerli zu <strong>Volken</strong>, ein alter übelzeitiger Mann“! Wie <strong>und</strong><br />

ob <strong>die</strong> beiden Jörgen oder Georgen miteinander verwandt sind, kann wegen des Fehlens der entsprechenden<br />

Pfarrbücher nicht mehr festgestellt werden.<br />

Klima <strong>und</strong> Seuchen<br />

Wie waren <strong>die</strong> Lebensbedingungen zu ihren Lebzeiten<br />

Die klimatischen Widrigkeiten der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden verstärkt durch Pestzüge.<br />

Die Seuche traf auf Menschen, <strong>die</strong> bereits geschwächt waren durch schlechte Ernten <strong>und</strong> <strong>die</strong> daraus resultierende<br />

mangelhafte Ernährung. So waren 1611/12, 1629/30 <strong>und</strong> 1635/36 Pestjahre 48 . Im Januar <strong>und</strong> Februar<br />

1612 starben in <strong>Volken</strong> innert vier Wochen 38 Menschen, das sind r<strong>und</strong> 1/3 aller Einwohner, an der Pest. 49<br />

1611 hatte <strong>Volken</strong> 110 Einwohner, ein Jahr später, 1612, noch 72! Und 1616 war ein Dürresommer, in welchem<br />

<strong>die</strong> nur mit Regenwasser gespiesene Thur völlig austrocknete. 50<br />

Ob der rasche Tod des erstgeborenen Hans <strong>Keller</strong>, getauft 15. September 1635, gestorben im gleichen Jahr,<br />

auf <strong>die</strong> Pest zurückzuführen ist Wir wissen es nicht.<br />

48 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 513<br />

49 Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, Seite 28<br />

50 Die Bauernhäuser des Kantons Zürich, Band 3 Weinland, Zürcher Unterland <strong>und</strong> Limmattal, Seite 15<br />

40


Die „kleine Eiszeit“ führte 1600 zu einer Seegfrörni, welche 10 Wochen dauerte <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ernten <strong>die</strong>ses Jahres<br />

negativ beeinflusste! 51 1603 dauerte <strong>die</strong> „alte Thüre“ (Teuerung) unvermindert an, <strong>und</strong> durch das ganze Jahr<br />

herrschte gar „Kriegsgefahr“, so dass man Tag <strong>und</strong> Nacht Wache hielt. 52<br />

Für 1636 meldete der Pfarrer <strong>von</strong> Stammheim, Christoph Tubenmann, das Auftreten <strong>von</strong> Wölfen, <strong>die</strong> Pferde<br />

<strong>und</strong> Kühe rissen; zur selben Zeit richteten „Feldmäuse <strong>und</strong> Ratten“ grossen Schaden in Feld <strong>und</strong> Häusern an.<br />

In jenem Jahr zog der letzte grosse Pestzug durch das Zürcher Weinland, denn an der Wurzel der Pest sassen<br />

<strong>von</strong> pestkranken Ratten angesteckte Rattenflöhe. Die ohne Zweifel mit dem ausländischen Kriegsgeschehen in<br />

Zusammenhang stehende Pest kann als wohl schmerzhafteste Auswirkung gelten. 53<br />

Am 28. März 1653 beschwerten sich einige <strong>Gemeinde</strong>n über <strong>die</strong> harte Praxis der Schuldeneintreiber. Es unterschrieben<br />

auch Leute <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>. Im selben Frühjahr hatte sich das städtische Regime mit den Landständen<br />

in Verbindung gesetzt, um “Beschwerden“ der ländlichen Untertanen entgegenzunehmen. Die Petitionäre<br />

hatten Erfolg: Am 21. April 1653 wurden Abgeordnete auf Schloss Andelfingen empfangen, <strong>und</strong> man stellte<br />

ihnen unter anderem verschiedene Kostenmilderungen im Gerichtsbetrieb <strong>und</strong> im Betreibungs- <strong>und</strong> Gantwesen<br />

in Aussicht. 54<br />

Unterschriften unter der Beschwerdeschrift der <strong>Gemeinde</strong>n <strong>und</strong> Gerichte Ossingen, Flaach, <strong>Volken</strong>, Dörflingen,<br />

Guntalingen <strong>und</strong> Waltalingen an den Landvogt zu Andelfingen vom 28. März 1653.<br />

51 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 513<br />

52 do, Seite 285<br />

53 do, Seite 287<br />

54 do, Seite 317<br />

41


Georg, Sohn des Jörg, war auch Tischmacher-Meister, Ehgaumer <strong>und</strong> Kirchenpfleger. Nach dem Tod des Vaters<br />

nahm er seine Mutter zu sich. Er heiratete Anna Gisler (1646 – 22. Januar 1685), mit welcher er 4 Kinder<br />

hatte. Nach ihrem Tod heiratete er am 9. Februar 1686 Barbara Peyer (25.2.1644 – April 1698). Ihre Ehe blieb<br />

kinderlos. Wie vorhin festgestellt, fiel sein Erwachsenen-Leben in eine zunehmende wirtschaftliche Krisenzeit.<br />

Er scheint eine wichtige Stellung in <strong>Volken</strong> gehabt zu haben, denn 1707 war er, zusammen mit Furier<br />

Heinrich Gyssler geschworener Dorfmeier. Im selben Jahr lebte auch ein „Bub“, Ulrich Gantz aus Embrach, in<br />

seinem Haushalt.<br />

Kleine <strong>Gemeinde</strong>n hatten häufig zwei Dorfmeier als <strong>Gemeinde</strong>vorsteher, <strong>die</strong> zwei Jahre lang im Amt waren.<br />

Abwechselnd leitete einer <strong>von</strong> ihnen ein Jahr lang <strong>die</strong> <strong>Gemeinde</strong>versammlung <strong>und</strong> war im anderen Jahr als<br />

Seckelmeister tätig. Die <strong>Gemeinde</strong>vorgesetzten vertraten <strong>die</strong> <strong>Gemeinde</strong> nach aussen, etwa bei Güterkäufen<br />

oder in Prozessen der <strong>Gemeinde</strong> gegen einzelne Dorfgenossen oder gegen <strong>die</strong> Nachbargemeinde. Sie wurden<br />

grösstenteils <strong>von</strong> den Bürgern ihrer <strong>Gemeinde</strong> gewählt. 55<br />

Die beiden geschworenen Dorfmeier <strong>Volken</strong>s mussten schon damals ein Problem lösen, das offenbar durch<br />

alle Jahrh<strong>und</strong>erte fast weltweit <strong>die</strong> Leiter <strong>von</strong> Kommunen heimsuchte: leere Kassen. Wie kam es dazu<br />

Bäuerliches<br />

Arbeits-<br />

Gerät 56<br />

Haken<br />

Pflug 56<br />

55 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 49<br />

56 Katalog der Ausstellung „Der Bauernkrieg in Thüringen“, Mühlhäuser Museen<br />

42


Das Weinland, <strong>und</strong> mit ihm <strong>Volken</strong>, erfreute sich vom 16. <strong>bis</strong> zu Beginn des 17. Jahrh<strong>und</strong>ert einer wirtschaftlichen<br />

Blüte speziell im Zusammenhang mit dem Weinbau. Die Bevölkerung <strong>Volken</strong>s stieg deswegen im 17.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert massiv an. 1634 zählte man 194 Einwohner, 1671 296 Einwohner, da<strong>von</strong> 202 Kinder, 1685 322<br />

Einwohner, 1690 306 Einwohner („darunter <strong>die</strong> 3 Personen in der Frömbde, <strong>von</strong> denen man nicht weiss ob<br />

sie lebendig – oder tod“) wie es so schön im Bevölkerungsverzeichnis <strong>die</strong>ses Jahres geschrieben steht. Ab<br />

1670 gab es Missjahre <strong>und</strong> zunehmenden Konkurrenzdruck, insbesondere in Flaach, aber auch in <strong>Volken</strong>.<br />

Typisch dafür ist, dass 1572 in <strong>Volken</strong> niemand armengenössig war, 1681 aber bereits 15 Haushalte, in<br />

Flaach gar 50. 57 Das Bevölkerungsverzeichnis <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> des Jahres 1671 weist 61 Haushaltungen auf, dasjenige<br />

<strong>von</strong> 1685 bezeugt 64 Haushaltungen. Das heisst im Klartext, dass knapp ein Viertel aller Haushaltungen<br />

unterstützt werden musste, was zwangsläufig zu einer nachhaltigen Finanzknappheit führte. Denn auch <strong>die</strong><br />

nicht unterstützungsbedürftigen Einwohner litten unter den Missernten. Generell herrschte auf dem Land Ende<br />

des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts Arbeitslosigkeit. 58 Diese Not kommt in folgender Bemerkung des Pfarrers im Pfarrbuch<br />

zum Ausdruck: „Viele sind in <strong>die</strong> Pfalz gezogen.“<br />

Als verantwortliche Leiter der <strong>Gemeinde</strong> mussten <strong>die</strong> beiden geschworenen Meier handeln, als <strong>die</strong> Finanzen<br />

der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong> offenbar erschöpft waren. Sie wollten Neuzuzüge nur zulassen, wenn <strong>die</strong>se sich in <strong>die</strong><br />

<strong>Gemeinde</strong> einkauften, so wie es das benachbarte Flaach schon lange tat. Flaach bot seinen Bürgern einen<br />

attraktiven „Bürgernutzen“ (Anteil am Wald- <strong>und</strong> Allmend-Ertrag). Um <strong>die</strong>sen gegen Verringerung durch<br />

Zuzug <strong>von</strong> Fremden zu schützen, erhielt Flaach schon 1545 einen Einzugsbrief, d.h. <strong>die</strong> Ermächtigung, <strong>von</strong><br />

Fremden Geld für den Zuzug zu verlangen (sog. „Einzugsgeld). Entsprechend dem immer grösseren Zudrang<br />

wurde das Einzugsgeld immer wieder erhöht, <strong>und</strong> zwar in 130 Jahren um das 17fache für Zürcher Bürger <strong>und</strong><br />

um das 12fache für Eidgenossen. Nach 1677 zahlten <strong>die</strong> Zürcher 50 Gulden, <strong>die</strong> Eidgenossen 60 Gulden. 59<br />

Nun wollten <strong>die</strong> Verantwortlichen <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> ein Ähnliches für ihre <strong>Gemeinde</strong>. Georg <strong>Keller</strong>, Tischmachermeister,<br />

<strong>und</strong> Heinrich Gisler, Furier, wandten sich an den zuständigen Landvogt in Andelfingen, Rudolf Hess,<br />

mit der Bitte, er möchte für sie ein Bittschreiben an <strong>die</strong> Gnädigen Herren <strong>von</strong> Zürich aufsetzen, sie zu ermächtigen,<br />

<strong>von</strong> auswärtigen Jungfrauen <strong>und</strong> Witwen, welche nach <strong>Volken</strong> einheiraten wollten, „ein Stückli Geld“<br />

als Einkauf zu verlangen. Am 19. Mai 1707 ging <strong>die</strong>ses Schreiben in Zürich ein <strong>und</strong> wurde an der Sitzung vom<br />

23. Mai 1707 abschlägig entschieden. Die Volkemer wurden auf <strong>die</strong> <strong>bis</strong>herige Praxis verwiesen, dass sie gemäss<br />

alter Gewohnheit <strong>und</strong> Satzung keine Weibsperson in <strong>die</strong> <strong>Gemeinde</strong> einziehen lassen sollten, welche nicht<br />

200 Gulden Vermögen mit sich bringen könne. Nur auf <strong>die</strong>se traditionelle Art dürfe verhindert werden, dass<br />

Auswärtige ohne Eigenleistung der Armenkasse zu Lasten fallen.<br />

Diese beiden Originaldokumente <strong>von</strong> 1707 (Eingabe <strong>und</strong> Protokollausschnitt) sind auf den folgenden Seiten<br />

originalgetreu wiedergegeben, samt einer Transkription in unsere heutige Schrift.<br />

Allerdings waren nach der französischen Revolution <strong>und</strong> deren Auswirkungen auch auf das Flaachtal <strong>die</strong> <strong>Gemeinde</strong>güter<br />

wieder einmal erschöpft <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kassen leer. Zum Wiederauffüllen des Kirchen- <strong>und</strong> Armenguts<br />

wurde nach 1810 für auswärtige Bräute doch noch eine Gebühr erhoben. So wurde das Einzugsgeld für Bräute<br />

aus anderen <strong>Gemeinde</strong>n zuerst auf 8 Franken, später auf 24 Franken festsetzt. Für landesfremde Bräute<br />

mussten <strong>die</strong> heiratswilligen Bauernsöhne zuerst 16 Franken, hierauf 40 Franken bezahlen. 60<br />

Das Geld, das meistens den <strong>Gemeinde</strong>n fehlt<br />

57 Martin Brugger: Geschichte der kleinen Zürcher <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, Seite 156<br />

58 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 166<br />

59 Paul Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>, Seiten 142/143<br />

60 Martin Brugger: Geschichte der kleinen Zürcher <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, Seiten 35 <strong>und</strong> 45<br />

43


Eingabe der <strong>Gemeinde</strong>behörden <strong>Volken</strong>s an <strong>die</strong> Zürcher Regierung<br />

44


Gnädiger Herr Burgermeister<br />

Hochgeachtete, woledelgebohrne <strong>und</strong> gestrenge, fromme, ehren – nothveste,<br />

fürnämme. fürsichtige <strong>und</strong> wolwysse Gnädige Herren <strong>und</strong> Oberen.<br />

Vor mir sind erschinnen forier Heinrich Gyssler <strong>und</strong> mr[Meister] Geörg <strong>Keller</strong> der tischmacher,<br />

beid geschwornne dorffmeyer <strong>und</strong> abgeordnete einer ehrsammen gemeind Volcken, myne<br />

ambtsangehörigen, <strong>und</strong> habend mir der lenge nach mit mehrerem zu vernämmen<br />

gegeben, wass maassen <strong>die</strong> zyth <strong>und</strong> jahr haro, bei jhnen inn jhrer gemeind freche<br />

junge ledige – <strong>und</strong> theils blutarme gsellen, <strong>und</strong>erstanden sich mit ledigen<br />

töchteren so theils ussert jhrer gmeind Volcken, auch gahr ussert eüwer mynne<br />

Gnäd. Herren grichten <strong>und</strong> gebiethen gesässen, zu ver heürathen, <strong>und</strong> in <strong>die</strong><br />

gmeind kei ynzenämmen, wordurch dann sie hefftig beschwerth werdind, jnn ansehung<br />

sie bei ihnen kein gmeind guth habind: <strong>und</strong> wann etwann der eint ald andere<br />

zu armuth gerathen, sie solche uss ihnen selbsten erhalten müssend, dero<br />

wegen dann sie <strong>die</strong> geschwornnen <strong>und</strong> abgeordneten jnnammen ernanter jhrer<br />

gmeind Volcken, bedacht <strong>und</strong> willens, für eüwer gnaden <strong>und</strong> wyssheit zekehren,<br />

<strong>und</strong> alda inn aller <strong>und</strong>erthänigkeit anzehalten <strong>und</strong> zebitten, dass man jhnen<br />

:glych wie es in anderen benachbahrten gmeinden auch geüebt werde: <strong>die</strong><br />

gnädige bewilligung ertheilen möchte, dass wann einer in ihrer gmeind, er<br />

möchte syn wer er wolle, rych oder arm, sich mit einer ledigen tochter oder<br />

witib, <strong>die</strong> ussert jhrer gmeind sässhaft, ver heürathen thätte, ernanter gmeind<br />

auch ein stückli gelt zu einem gebührenden ynzug, vor – <strong>und</strong> ehe er sich copulieren<br />

lassen, erlegen solte, damit sie daruss ihre armmen desto lychter erhalten <strong>und</strong><br />

der gmeine mann <strong>und</strong> ganze burgerschafft, umb so <strong>die</strong> minder beschwerth werdind,<br />

mit deemüethigem bitten, jch wolte sie mit gegenwirtigem dahin begleitten etc.<br />

Wann dann nun ich uff geschähene nachfrag, anders nichts vernommen, dann dass<br />

jhr der abgeordneten fürgäben, inn wahrheit also bewandt, dass sie <strong>die</strong> gmeind<br />

45


zweite Seite der Eingabe<br />

46


durch jhre burger mit ynhin nämmung frömbden wyberen, hefftig beschwerth, <strong>und</strong><br />

dass sie <strong>bis</strong>s dahin kein eigen gmeindguth einmahlen gehabt: sonderen jhre Armen,<br />

mit höchster beschwerd selbsten erhalten habind; es werdend aber vor wyssere<br />

diss <strong>die</strong> abgeordneten, jhre angelegenheit mit mehrem selbst mündtlich erzehlen;<br />

als habe solche inn jhrem anligen eüwer gnaden <strong>und</strong> wyssheit. bester maassen<br />

recomman<strong>die</strong>ren, mich aber auch selbe nebend erlassung dess machtschirm<br />

gewaltigen Gottes zu beharlichen gnaaden <strong>und</strong> gunsten zu befehlen, nit <strong>und</strong>er<br />

lassen sollen.<br />

Andelfingen, den 19. May 1707<br />

Eüwer gnäd. <strong>und</strong> wyssheit<br />

unterthäniger burger <strong>und</strong> vogt<br />

jhrer herschaft Andelfingen<br />

Rudolf Hess<br />

47


Deckblatt der Eingabe<br />

2. der gmeind <strong>Volken</strong> verlangendes einzug-gellt <strong>von</strong> denen, weliche mit<br />

frömbden weiberen sich verhürathen. 1707<br />

denen hochgeacht. woledelgebohrnen <strong>und</strong><br />

gestrengen, frommen, vesten, ehren- <strong>und</strong> nothvesten,<br />

fürnäm-fürsichtig-<strong>und</strong> wyssen herren / herren<br />

Burgermeistern <strong>und</strong> Rath, hochloblicher Stadt Zürich,<br />

mynen Gnädigen Herren <strong>und</strong> Oberen.<br />

Hess<br />

48


Die Antwort der „Gnädigen Herren“ <strong>von</strong> Zürich auf <strong>die</strong> Eingabe <strong>Volken</strong>s<br />

Auszug aus dem Ratsmanual (Manuale Natale des Unterschreibers)<br />

Protokoll der Beschlüsse der Sitzung vom Montag, 23. Mai 1707 61<br />

Dem Ausschuss der Gemeind Volkhen ist sein<br />

Begehren, dass jhro <strong>von</strong> frömden<br />

ausser jhrer Gemeind gebohrenen<br />

<strong>und</strong> in jhre selbige heyrathenden<br />

Weibspersohnen einiches Einzugsemolumentum<br />

zubeziehen gnädig bewilliget<br />

werden möchte, in consideration<br />

besorglicher Consequenz<br />

abgeschlagen <strong>und</strong> erkennet dass<br />

es bey alter Gewohnheit <strong>und</strong><br />

der Satzung sein Verbleiben haben,<br />

einfolglich keine Weibspersohn in<br />

<strong>die</strong> Gemeind gelassen werden solle<br />

welche nicht 200 Gulden Mitel mit sich<br />

bringen kan.<br />

61 StAZH B II 697 S.238<br />

49


Die Familie <strong>von</strong> Hans war schon sehr gebildet, merkte der Pfarrer doch im nebenstehend abgebildeten Bevölkerungsverzeichnis<br />

<strong>von</strong> 1727 an, dass in der Familie eine Bibel <strong>und</strong> ein Betbuch vorhanden seien. Die pfarrherrliche<br />

Eintragung lässt auf eine ungewöhnlich gute Ausbildung der ganzen Familie schliessen. Hans war<br />

Ehgaumer in <strong>Volken</strong> <strong>und</strong> ab 1725 sogar Richter im Bezirk Andelfingen (siehe nebenstehende Kopie des Bevölkerungsverzeichnisses<br />

<strong>und</strong> 62 ). Der Pfarrer notierte dort ebenfalls, Hans sei nun auch Kirchenpfleger. Er war<br />

sicherlich eine Respektsperson in <strong>Volken</strong>. Es schien ihm gut zu gehen, denn es lebte auch ein „Bub (Knecht)<br />

Ulrich Benz <strong>von</strong> Embrach“ in seinem Haushalt. - Der Sohn Hans, geboren 1707, „<strong>die</strong>net in Bern“, <strong>und</strong> war<br />

Schreiner <strong>von</strong> Beruf. – Die ersten drei Kinder <strong>von</strong> Hans <strong>und</strong> Küngold, Georg (früh gestorben), Hans Conrad<br />

<strong>und</strong> Hans, hatten bemerkenswerterweise <strong>die</strong> gleichen Paten: als Götti Conrad <strong>Keller</strong>, als Gotte Barbara<br />

Flaachmüller. Kleophea, Hans Heinrich <strong>und</strong> Hans Jacob (früh gestorben) hatten ebenfalls <strong>die</strong>selben Paten:<br />

Götti war Hans G(e)isler, Gotte Kleophea Mülleri. Schliesslich bekamen Anna <strong>und</strong> Barbara mit Götti Hans<br />

<strong>Keller</strong>, Gotte A. Barbara Frey ihre identischen Taufpaten.<br />

Die „kleine Eiszeit“ erreichte 1688, 16 Jahre nach der Geburt <strong>von</strong> Hans, einen ersten Höhepunkt, dann 1701<br />

einen zweiten, letzten. Generell herrschte grosse Armut <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit. So machten z.B. in Thalheim an<br />

der Thur zwischen 1649 <strong>und</strong> 1726 alle Höfe Konkurs! 1692 war ein absolutes Hungerjahr im Zürichbiet. 63<br />

Um <strong>die</strong> wirtschaftliche Lage zu verbessern, begann man im Bezirk Andelfingen mit dem Anbau <strong>von</strong> Hanf <strong>und</strong><br />

betrieb <strong>die</strong> Hanfverarbeitung als Nebenerwerb. Siehe nebenstehendes Bild unten. Ab 1694 wurden Söldner<strong>die</strong>nste<br />

in auswärtigen Armeen wieder gestattet. 1702 taten 2000 Soldaten aus Zürich Sold<strong>die</strong>nste in fremden<br />

Diensten.<br />

62 Emil Stauber: Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen, Band 2, Seiten 1097 ff<br />

63 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seiten 87, 239 163, 361<br />

50


Eintrag im Bevölkerungsverzeichnis Flaach-<strong>Volken</strong> <strong>von</strong> 1727:<br />

Haushaltungen Taufe Bücher Ver<strong>die</strong>nst<br />

Hans <strong>Keller</strong> 1672 208 Bibel:hat Betbuch Ehgaumer Richter<br />

Küngold Steffen 1680 209<br />

<strong>von</strong> Dorf<br />

Kinder<br />

Hans Conrad 21 höherer Kate- 210<br />

Hans 19 chismus 211 lehret das Tischmacher-<br />

Kleophea 17 „ 212 Handwerk zu Rafz<br />

Hans Heinrich 15 „<br />

Annali 10 Schule: kleiner<br />

Barbeli 6 Katechismus<br />

(=Religions-Unterricht)<br />

Das Bild rechts zeigt zwei Sorten Flachs: einen hochstengligen Sommerflachs <strong>und</strong> eine überwinternde, verzweigte<br />

Form. Das Bild links zeigt Hanf. Dieser lieferte zwar eine weniger feine Leinenqualität als Flachs,<br />

dafür war das Gewebe langlebiger <strong>und</strong> strapazierfähiger.<br />

64<br />

64 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 115<br />

51


Hans Heinrich wurde in eine Zeit geboren, in der <strong>die</strong> Not der vergangenen Jahrzehnte noch in Erinnerung<br />

war. 1716 gab es einen kalten Winter mit Seegfrörni, ebenfalls 1740 <strong>und</strong> 1763. – 1731 <strong>und</strong> 1732 wütete <strong>die</strong><br />

Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche. 1756, 1776 <strong>und</strong> 1792 vernichteten schreckliche Hagelwetter <strong>die</strong> Ernten. – 1770-<br />

1772 brachten Missernten eine allgemeine Teuerung. Zur Bekämpfung der Hungerkrise <strong>von</strong> 1771/1772 wurde<br />

eine obrigkeitliche „Ehrencommission“ eingesetzt, <strong>die</strong> ca. 15-20 Prozent des gesamten offenen <strong>Gemeinde</strong>lands<br />

an arme Bürger zur Nutzung überwies. 65 Zur Verhütung künftiger Hungersnöte wurde neu <strong>die</strong> Kartoffel<br />

eingeführt <strong>und</strong> erstmals 1709 in der Schweiz angebaut.<br />

Es ging aber dennoch langsam aufwärts.<br />

Hans Heinrich war Bauer <strong>von</strong> Beruf <strong>und</strong> wurde Kirchenpfleger in der Kirchgemeinde Flaach-<strong>Volken</strong>. Die<br />

Tochter Küngold war offenbar intelligent <strong>und</strong> relativ gut ausgebildet, denn im Familienrodel der Kirchgemeinde<br />

Flaach/<strong>Volken</strong> schrieb der Pfarrer „<strong>die</strong>net in Zürich, dort gestorben. Bibel <strong>und</strong> gute Bücher“. Das<br />

heisst, dass Küngold lesen konnte, eine Bibel <strong>und</strong> andere „gute Bücher“ besass, was keineswegs üblich war<br />

damals <strong>und</strong> einer Erwähnung durch den Pfarrer würdig schien.<br />

Der Sohn Heinrich, geboren 20. April 1746, „befindet sich seit 1774 mutmasslich in Ostin<strong>die</strong>n“, wurde in<br />

einem Haushaltrodel <strong>von</strong> Flaach-<strong>Volken</strong> vermerkt. Offenbar hörte man nichts mehr <strong>von</strong> ihm. Sicherlich hatte<br />

er genug <strong>von</strong> den hiesigen Krisen <strong>und</strong> suchte Besseres.<br />

In der zahlreicheren Familie seines Sohnes Hans Konrad wird dessen Tochter Kleophea als Besitzerin einer<br />

Bibel aufgeführt. Offenbar waren <strong>die</strong> Töchter wissensdurstiger als ihre Brüder. Barbara aber wanderte aus <strong>und</strong><br />

wurde wie folgt kommentiert: „<strong>die</strong>net in Zürich“, Katarina „<strong>die</strong>net in Andelfingen“, Anna „<strong>die</strong>net in Chapf bei<br />

Neftenbach“ <strong>und</strong> Elisabeth, genannt Lisebeth „zog dahin ano 1813 mit Heinrich Baumann“.<br />

65 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 54<br />

52


Amtsrecht der Herrschaft Andelfingen<br />

Das Amtsrecht der Herrschaft Andelfingen, zu der <strong>Volken</strong> gehörte. Unter dem Reichsadler sind <strong>die</strong> Wappen<br />

der Stadt Zürich sowie der Herrschaft Andelfingen abgebildet.<br />

Die Herrschaft Andelfingen erhielt 1534 eigene Amtsrechte. Zwölf <strong>von</strong> der ganzen Amtsgemeinde Verordnete<br />

gaben im Beisein des Stadtschreibers sowie des alten <strong>und</strong> des neuen Landvogts „ihr Amtsrecht, ihre alten<br />

Bräuche <strong>und</strong> Gewohnheiten, wie sie vermeinen, <strong>die</strong>se <strong>bis</strong>her gebraucht zu haben“ an, worauf sie der Stadtschreiber<br />

aufzeichnete. 66<br />

<strong>Volken</strong>s eigenes Erb- <strong>und</strong> eheliches Güterrecht<br />

Die Dörfer Flaach <strong>und</strong> <strong>Volken</strong> verfügten <strong>bis</strong> 1856 über ein eigenes Erb- <strong>und</strong> eheliches Güterrecht! Unter Ehegatten<br />

herrschte Gütergemeinschaft. Wenn <strong>die</strong> Ehe kinderlos blieb, erbte <strong>die</strong> Witwe das ganze Vermögen ihres<br />

Mannes, <strong>und</strong> bei Erbfällen durften auch <strong>die</strong> Mädchen Gr<strong>und</strong>stücke erben (was im übrigen Kanton Zürich nicht<br />

der Fall war).<br />

Selbständige Bauern<br />

Zu Zeiten der Gerichtsherrschaft zogen Flaach <strong>und</strong> <strong>Volken</strong> auf eigene Kosten in den Krieg, besassen somit<br />

ihre eigene Militärhoheit! 67 Ursprünglich übte sie der Gerichtsherr <strong>von</strong> Flaach-<strong>Volken</strong> im Namen des Klosters<br />

Rheinau aus. Nach dem obigen Andelfinger Amtsrecht <strong>von</strong> 1534 musste Flaach-<strong>Volken</strong> jeden vierten<br />

Mann bei Auszügen stellen, trug aber seine Kosten immer selber <strong>und</strong> musste an Herrschaft <strong>und</strong> Herrschaftsfähnlein<br />

nichts beisteuern, <strong>bis</strong> 1621 <strong>die</strong>ses Vorrecht teilweise verschwand.<br />

66 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 54<br />

67 Kläui: Gerichtsherrschaft Flaach-<strong>Volken</strong>, Seite 108; M. Brugger: Geschichte der kleinen <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, S. 27, 30<br />

53


Auch bei Hans Jakob notierte der Pfarrer, dass er „Bibel <strong>und</strong> gute Bücher“ besass. Offenbar war hier auch der<br />

väterliche Einfluss zu spüren, dass Bildung wünschenswert sei.<br />

Von seiner Ehefrau, Katharina Kündig: ist gemäss Eintrag im Totenverzeichnis STAZ EIII 42 4 nur folgendes<br />

bekannt: „Sie starb am 31.10.1808 im Alter <strong>von</strong> 59 J, 8 Mt, 16 Tage als ehelich geborene Hausfrau des Hans<br />

Jakob <strong>Keller</strong> v. <strong>Volken</strong>“.<br />

1777 zählte <strong>Volken</strong> 58 Haushalte. “In <strong>die</strong>sem Jahr waren abwesend 20 Mannspersonen <strong>und</strong> 25 Weibspersonen,<br />

viele in fremden Diensten“ steht im entsprechenden Bevölkerungsverzeichnis.<br />

1792 <strong>und</strong> 1793 scheinen Jahre mit schlechtem Wetter gewesen zu sein. Jedenfalls steht im Bericht „Specification<br />

des Nachlasses des Schlosses Andelfingen Zinsleuthen welche ano 1792 <strong>und</strong> 1793 vom Wetter beschädigt<br />

worden“, dass den Leuten <strong>von</strong> Flaach <strong>und</strong> <strong>Volken</strong> „1. wegen Hochgewitter in ano 1792 ¼ vom Zins“ <strong>und</strong> 2.<br />

„wegen der Gfrörne in ano 1793 1/3 vom Zins“ nachgelassen wurde. Als Begründung wurde angeführt: „wegen<br />

<strong>die</strong>ser Gemeind grossem Schaden ward ihnen nach dem Beispiel des lobl. Amtes Embrach <strong>die</strong> Helfte<br />

nachgelassen, <strong>und</strong> zwar den Gemeindsvorgesetzten zu Flaach als Haupttragern <strong>von</strong> 22 Untertragern… <strong>und</strong><br />

den 12 Tragereyen zu <strong>Volken</strong>“. Trager waren Gruppenvertreter, welche namens einer Mehrzahl <strong>von</strong> Betroffenen<br />

handelten. Nachgelassen wurden „besag meinen Gnädigen Herren Erkanntnussen“ <strong>die</strong> Ablieferung <strong>von</strong><br />

Kernen, Haber, Roggen <strong>und</strong> Geld 68<br />

68 StAZH CIII 3 Nr. 256<br />

54


Essen <strong>und</strong> Trinken<br />

Wein war, nebst Wasser <strong>und</strong> Most, das einzige Getränk, das sich über längere Zeit halten konnte. Der Wein<br />

hatte einen niedrigeren Alkoholgehalt als heute <strong>und</strong> scheint sehr sauer gewesen zu sein. Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

erhielt ein Taglöhner nebst Kost <strong>und</strong> Logis täglich 3 ½ Liter Wein. 69 Andere Quellen sprechen <strong>von</strong> 1½ Litern<br />

pro Tag für Gesellen <strong>und</strong> Bauernknechte. 70 Nun darf <strong>die</strong> Qualität des damaligen Weins nicht mit der heutigen<br />

verglichen werden. Geerntet wurde, was immer ein Rebstock hergab. Nach einer ersten Kelterung wurde der<br />

populäre „aagsetzte Wy“ produziert, ein Armeleutetrank. Man übergoss den frischen Traubentrester mit Wasser<br />

<strong>und</strong> liess ihn mit viel Zucker im Fass gären. 71 Der „bessere“ Wein wurde grösstenteils verkauft, der zweite<br />

Durchgang selbst getrunken oder an Taglöhner <strong>und</strong> Knechte verteilt. Dies war aber, ungewollt <strong>und</strong> unbeabsichtigt,<br />

offenbar der Ges<strong>und</strong>heit zuträglich, denn „das Beste… ist nicht der Saft, sondern was übrig bleibt.<br />

Statt den Saft zu trinken, sollte man also besser den Trester essen – meinen zumindest Ernährungsphysiologen<br />

– denn <strong>die</strong>ser enthält mehr ges<strong>und</strong>heitsfördernde Stoffe. Dazu gehören beispielsweise Polyphenole, deren<br />

Wirkung zwar noch nicht systematisch erforscht ist, <strong>die</strong> aber unter anderem Krebs vorbeugen sollen“ 72 . – Bier<br />

galt <strong>bis</strong> zum frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ert mit dem Niedergang des Weinbaus als Luxusgetränk. - Zu allen Zeiten<br />

trank man als Heiltrunk Kräutertee, oft mit Wein vermischt. Kaffee hielt erst ab Mitte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

Einzug <strong>und</strong> musste sich gegen allerlei Verbote durchsetzen (wie der Tabak).<br />

Das Alltagsessen bestand vor der Kartoffel vorwiegend aus Brot, Hafer- <strong>und</strong> Hirsebrei, ergänzt durch Rüben,<br />

Obst, Beeren, Gemüse aus dem Garten, Pilzen <strong>und</strong> Nüssen. Fleisch, vor allem Schweinefleisch, gab es nur an<br />

Sonn- <strong>und</strong> Festtagen. Zum Süssen der Speisen verwendete man Honig <strong>und</strong> eingedickten Birnensaft. Das teure<br />

Salz wurde vorwiegend für <strong>die</strong> Haltbarmachung der Lebensmittel verwendet. 73<br />

Es soll besser werden<br />

Die Zürcher Obrigkeit beschloss, dass <strong>die</strong> Ernteerträge durch Auflösung der traditionellen, rechtlich geregelten<br />

(<strong>und</strong> mit Strafandrohungen durchgesetzten) Dreizelgenwirtschaft gesteigert werden sollten. Bessere Düngung<br />

= mehr Vieh = mehr Grünfutter, Stickstoffanreicherung mit Kunstgrasarten (Klee, Esparsette). Im Klartext:<br />

das seit Jahrh<strong>und</strong>erten starre Festhalten an den traditionellen Produktionsformen wurde massiv umgestellt.<br />

Aber immer noch verlangten <strong>die</strong> Ackerarbeiten eine enorme Marschleistung, <strong>bis</strong> um 1840 „neuartige“<br />

Pflüge <strong>die</strong> Arbeit erleichterten. 74 Für den meist sehr traditionsbewussten Bauer bedeutete <strong>die</strong>se Abkehr <strong>von</strong><br />

einem jahrh<strong>und</strong>ertealten Arbeitsablauf eine grosse innere <strong>und</strong> äussere Überwindung.<br />

Luzerne Esparsette Rotklee<br />

69 Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, Seite 40<br />

70 „Weinlese“ der Zürcher Kantonalbank, Seiten 82 <strong>und</strong> 89<br />

71 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 54<br />

72 NZZ vom 12.12.2007 Nr, 289 Seite B 1 „neue Zutaten für Lebensmittel aus Resten der Ernährungsindustrie“<br />

73 Martin Brugger: Geschichte einer kleinen Zürcher <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>, Seiten 37 <strong>und</strong> 38<br />

74 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seiten 25-29<br />

55


Ab 1798 bildete <strong>Volken</strong> mit Flaach eine Munizipalgemeinde. Unter der Mediationsverfassung vom 14. März<br />

1803 (<strong>bis</strong> 1815) erhielt es wieder seine volle Selbständigkeit. Hans Konrad <strong>Keller</strong> wurde zum ersten <strong>Gemeinde</strong>-Ammann<br />

<strong>Volken</strong>s gewählt <strong>und</strong> führte am 21. April 1805 <strong>die</strong> erste Wahl eines <strong>Gemeinde</strong>rates durch, der<br />

erste Schritt zur formellen Selbständigkeit. Er war <strong>von</strong> Gesetzes wegen ebenfalls Mitglied <strong>die</strong>ser Behörde.<br />

Seine Amtszeit dauerte <strong>bis</strong> 1814 oder 1815 75 . Der <strong>Gemeinde</strong>ammann war zu <strong>die</strong>ser Zeit der wichtigste Mann<br />

in einer <strong>Gemeinde</strong>. Dem ersten Verzeichnis der Patentgesuche für <strong>die</strong> Führung einer Weinschenke im Kanton<br />

Zürich seit der Revolution <strong>von</strong> 1798 kann entnommen werden, dass er bereits um 1798, also im Alter <strong>von</strong> 19<br />

oder 20 Jahren, eine Weinschenke führte, mangels zuständiger Ämter ohne Bewilligung. Angemerkt wurde in<br />

<strong>die</strong>sem Verzeichnis, dass es seitens der Bevölkerung keine Klagen gab. 1808 verstarben seine beiden Eltern.<br />

Sie konnten noch erleben, dass er eine wichtige Funktion in der nun neu selbständigen <strong>Gemeinde</strong> wahrnahm.<br />

Fünf Jahre nach ihrem Tod heiratete er Susanna Gisler.<br />

Sein Bruder Heinrich wurde zum ersten Friedensrichter ernannt. Somit bekleideten <strong>die</strong> beiden Brüder zu Beginn<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>die</strong> wichtigsten Posten in der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>.<br />

In den Büchern <strong>und</strong> Verzeichnissen wird er als „Oberbeck“ aufgeführt, im Unterschied zum gleichnamigen<br />

„Unterbeck“ (Hans) Konrad <strong>Keller</strong>. Daneben war er natürlich Bauer.<br />

Er wurde nur 42 Jahre alt <strong>und</strong> starb 5 Tage nach der Geburt seines dritten Kindes Susanna. Der Pfarrer schrieb<br />

im Totenbuch der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Volken</strong>: „er starb an einem Steckfluss“, also Bronchitis oder tuberkulöse Lungenentzündung.<br />

Das bedeutet, dass seinem Tod eine längere Krankheitszeit vorangegangen sein musste.<br />

Wie damals üblich, wurden für <strong>die</strong> Witwe ein Beistand <strong>und</strong> für <strong>die</strong> unmündigen Kinder ein „Vogt“, ein Vorm<strong>und</strong>,<br />

eingesetzt. Beistand war ihr Bruder aus Flaach, Vorm<strong>und</strong> der Kinder der Bruder des Verstorbenen,<br />

Friedensrichter Heinrich <strong>Keller</strong>. Es spricht für <strong>die</strong> Familie ganz allgemein <strong>und</strong> für Mutter Susanne im Speziellen,<br />

dass <strong>die</strong> Kinder nicht, wie damals durchaus üblich, als Verdingkinder fremdplatziert wurden. Die Familiensolidarität<br />

spielte, aber auch <strong>die</strong> Vertrauenswürdigkeit, <strong>die</strong> Belastbarkeit <strong>und</strong> der unbedingte Wille der Mutter,<br />

<strong>die</strong> Familie weiterzuführen, waren ausschlaggebend. Sie akzeptierte das schwere Amt uneingeschränkt,<br />

war bereit, Vater <strong>und</strong> Mutter gleichzeitig zu sein. Ihr, wie allen anderen Witwen in ähnlicher Lage, gebührt<br />

heute noch unsere volle Anerkennung <strong>und</strong> Hochachtung.<br />

75 Regierungs- <strong>und</strong> Adress-Calender des Cantons Zürich StAZH Aaf 1 100 LS ff. Siehe auch „<strong>Volken</strong> im 19 Jahrh<strong>und</strong>ert“<br />

56


Die Vorm<strong>und</strong>schaftsakten berichten über eine klaglose Führung der Familie. Die alle zwei Jahre durchgeführten<br />

Vermögensprüfungen zeigen, dass <strong>die</strong> Familie mit einem durchschnittlichen Vermögen <strong>von</strong> r<strong>und</strong> 10'000<br />

Franken zu den eher Begüterten zählte. In <strong>die</strong>ser Zahl inbegriffen war der elterliche Bauernbetrieb samt<br />

Wohnhaus mit Weinschenke, dem heutigen Restaurant Post.<br />

Bedenkt man, dass zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>die</strong> Frauen keine politischen <strong>und</strong> kaum wirtschaftliche<br />

Rechte hatten <strong>und</strong> sie ihre Stellung ausschliesslich über ihren Mann definierten, so kann ohne weiteres verstanden<br />

werden, dass Susanna <strong>Keller</strong> einer grossen inneren Kraft bedurfte, um <strong>die</strong>se fast automatische Herabsetzung<br />

im Ansehen ihrer Umgebung zu akzeptieren <strong>und</strong> nicht daran zu verzweifeln. Sie war jetzt Allein-<br />

Bäuerin, Allein-Bäckerin, Allein-Wirtin, Allein-Erzieherin.<br />

Ihre Mutter, welche ebenfalls mit einem frühen Schicksalsschlag fertig werden musste - nach einer frühen<br />

Heirat verstarb ihr erster Mann nach wenigen Monaten an Schwindsucht -, sie schenkte ihrer Tochter ein Gebetbuch,<br />

das gottseidank heute noch erhalten ist. Es sollte ihr Mut, Glauben <strong>und</strong> Zuversicht geben <strong>und</strong> ihr<br />

Durchhaltevermögen stärken.<br />

Susanna <strong>Keller</strong> schrieb folgenden Text vorne in ihr Gebetbuch <strong>und</strong> lässt uns damit auch einen Blick in ihr<br />

Inneres tun: Der gewählte Text spricht für sich.<br />

Dieses Gebet Buch<br />

gehört jezo<br />

mir Witwe <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong><br />

meine liebe Mutter slg. Anna geb. Fritschi<br />

hat es mir als ihrem Kind<br />

verehrt. Dass ich darin solle<br />

fleissig lesen <strong>und</strong> bätten<br />

Nun so<br />

Habe deine Lust an deinem Jesus<br />

lass in sein dein höchstes Gutt<br />

Er ist nah <strong>und</strong> nicht so fehrn<br />

ein zu sprechen Trost <strong>und</strong> Muht<br />

Seine Gnad <strong>und</strong> starke Hand<br />

gehet durch das ganze Land<br />

Amen<br />

Im Anhang (Seiten 76ff.) werden <strong>die</strong> Vorm<strong>und</strong>schaftsrechnungen für <strong>die</strong> Familie <strong>von</strong> Susanna <strong>Keller</strong>-Gisler<br />

für <strong>die</strong> Jahre 1821 <strong>bis</strong> 1842 wiedergegeben.<br />

57


Ach <strong>die</strong>se Steuern <strong>und</strong> Abgaben<br />

Bis am Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts galten Zehnten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>zinsen als unablösbare Belastung des Bodens.<br />

1/8 <strong>bis</strong> 1/12 der Ernte musste als Zehnten abgeliefert werden. Die Gr<strong>und</strong>zinsen waren eine zusätzliche feste<br />

Abgabe an <strong>die</strong> ursprünglichen Eigentümer des Bodens (der Staat, Spitäler, Schulen, Armenanstalten, <strong>die</strong> Kirche).<br />

Die Gesamtbelastung lag im Zürcher Unterland zwischen 16 <strong>und</strong> 20 Prozent des Ernte-Ertrags. 76 Ein<br />

Gesetz vom November 1798 sah <strong>die</strong> Ablösung <strong>die</strong>ser Abgaben vor, doch dauerte es <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> 1830er Jahre, <strong>bis</strong><br />

<strong>die</strong>s auch durchgesetzt <strong>und</strong> der Zehnten nach <strong>und</strong> nach <strong>von</strong> den <strong>Gemeinde</strong>n ausgekauft werden konnte .<br />

Neue Anbaumethoden<br />

Von 1760 an begann man im <strong>bis</strong>herigen Dreizelgengebiet auf den Brachflächen neue Kulturpflanzen, wie<br />

Kunstfutterarten <strong>und</strong> Kartoffeln, anzupflanzen. Der öffentliche Weidgang wurde eingeschränkt. Der nördliche<br />

Kantonsteil war eher zurückhaltend, was <strong>die</strong> Aufteilung der Allmenden zur privaten Nutzung betraf. Die über<br />

Generationen hinweg überlieferte Zelgordnung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Betroffenen in ein Netz <strong>von</strong> Rechten <strong>und</strong> Pflichten<br />

einband, stand einer Strukturveränderung im Weg.<br />

Die Produktivitätssteigerung beruhte wesentlich auf neuen Kulturpflanzen. Ins Zentrum ist als wichtigstes<br />

Nahrungsmittel <strong>die</strong> Kartoffel gerückt. Links <strong>die</strong> gelbe Rübe, rechts der kaum verbreitete Mais. Dazwischen<br />

Korn, Weizen, Roggen <strong>und</strong> Hafer. Oben Flachs <strong>und</strong> Hanf; in der Mitte <strong>die</strong> weisse Rübe als wichtige Futterpflanze.<br />

77<br />

Politik<br />

Das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert war ein Jahrh<strong>und</strong>ert des Umbruchs. Die <strong>bis</strong>her regierenden Familien in der Stadt kämpften<br />

um ihre <strong>bis</strong>herige Vormachtstellung, denn <strong>die</strong> französische Revolution veränderte auch <strong>die</strong> Schweiz <strong>und</strong><br />

damit das Leben der Bauern. Die Leibeigenschaft war bereits abgeschafft. Der alte Zürcher Stadtstaat ging<br />

unter, der darauf folgende Umbruch erfasste <strong>die</strong> Verfassung, <strong>die</strong> Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft. Das<br />

Bürgertum war <strong>die</strong> neue Führungsschicht. Volkssouveränität <strong>und</strong> Gleichberechtigung der (vorerst nur männlichen)<br />

Bürger <strong>von</strong> Stadt <strong>und</strong> Land waren revolutionär neue Vorstellungen. 78<br />

76 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 30<br />

77 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seiten 25 - 29<br />

78 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 14<br />

58


Der Wandel der Umwelt<br />

Im Buch „Geschichte des Kantons Zürich“ 79 wird der Wandel der bäuerlichen Arbeitswelt wie folgt beschrieben:<br />

„Um 1800 versorgten sich <strong>die</strong> Bauernhaushalte noch weitgehend selbst, <strong>und</strong> nur mit harter körperlicher<br />

Arbeit liessen sich Äcker <strong>und</strong> Reben bestellen… Die landwirtschaftliche Arbeit beanspruchte <strong>die</strong> ganze Familie<br />

<strong>von</strong> frühmorgens <strong>bis</strong> oft spät in <strong>die</strong> Nacht. Der Getreideschnitt erfolgte mit der Sichel; in der Erntezeit<br />

wurde täglich <strong>bis</strong> zu 18 St<strong>und</strong>en gearbeitet. …. Als Folge der industriellen Entwicklung <strong>und</strong> weil <strong>die</strong> Arbeitskräfte<br />

teurer wurden, kamen beim Getreideanbau ab 1850 der Sensenschnitt <strong>und</strong> <strong>die</strong> erste Göpeldreschmaschine<br />

auf; im Futterbau wurden um 1880 <strong>die</strong> ersten Mähmaschinen eingesetzt.“<br />

Nach der Hungerkrise <strong>von</strong> 1816/1817 liess <strong>die</strong> Regierung zu, dass Allmendflächen privatisiert wurden.<br />

Dadurch sollten weitere ähnliche Krisen verhütet werden. Der Weidgang auf der Brache <strong>und</strong> im Wald hörte<br />

auf. Alle Ackerarbeiten, wie Pflügen, Eggen, Ansäen <strong>und</strong> allenfalls noch Walzen, verlangten eine enorme Marschleistung.<br />

Für eine Hektare (10'000 m 2 ) mussten je nach Arbeitsgängen 50 <strong>bis</strong> 70 Kilometer zurückgelegt<br />

werden. 80 Trotz <strong>die</strong>ser behördlichen Massnahmen kam es l846/47 zu einer schweren Teuerungskrise.<br />

1840 <strong>bis</strong> 1842 waren Jahre des Konjunkturaufschwungs. 1845 im September wütete <strong>die</strong> Kartoffelkrankheit. Im<br />

Sonderb<strong>und</strong>skrieg <strong>von</strong> 1847 trugen Zürcher Truppen wesentlich zum Erfolg im kurzen Feldzug gegen <strong>die</strong> Sonderb<strong>und</strong>skantone<br />

bei. 81 Die Schweiz erhielt 1848 ihre erste B<strong>und</strong>esverfassung, welche 1874 erneuert wurde.<br />

1855 wurde <strong>die</strong> erste Eisenbahnlinie <strong>von</strong> Zürich über Winterthur nach St. Gallen <strong>und</strong> Romanshorn gebaut,<br />

gefolgt 1857 <strong>von</strong> der Strecke Winterthur-Schaffhausen, der sog. Rheinfallbahn. Die Städte Winterthur, Schaffhausen<br />

<strong>und</strong> Zürich, <strong>bis</strong>her Tagreisen entfernt, rückten immer näher.<br />

82<br />

79 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 29<br />

80 dito, Seiten 25 <strong>und</strong> 27<br />

81 dito Seite 142<br />

82 dito Seite 113 <strong>und</strong> „<strong>Volken</strong> im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert“<br />

59


Lebensdaten <strong>von</strong> Johann Conrad <strong>Keller</strong><br />

Geboren 28. Januar 1817<br />

Vater verstarb 25. Juni 1821, Onkel Heinrich <strong>Keller</strong>, Friedensrichter, wurde Vorm<strong>und</strong><br />

Heirat 23. März 1847 in Uster<br />

<strong>Gemeinde</strong>politik<br />

1839 Wahl zum <strong>Gemeinde</strong>rats-Schreiber (immer noch unter Vorm<strong>und</strong>schaft)<br />

1841 – 1844 Wahl zum <strong>Gemeinde</strong>rat, Seckelmeister (Verantwortlich für <strong>die</strong> Finanzen )<br />

1847 – 1850 <strong>Gemeinde</strong>rats-Präsident <strong>und</strong> Seckelmeister<br />

1853 – 1855/56 <strong>Gemeinde</strong>ammann<br />

1863/64 - 1864/65 <strong>Gemeinde</strong>ammann<br />

Wirtschaftliches<br />

1. August 1867 – 7. März <strong>1888</strong> Postverwalter (formal <strong>bis</strong> zu seinem Tod)<br />

1845 – 1856 Patentinhaber für den Betrieb einer Weinschenke (nach seiner Mutter)<br />

7.6.1865–1882 dito<br />

1884 – 1887 Verkauf seiner Güter<br />

1849 <strong>bis</strong> 1853 Kommandant der Feuerwehr<br />

60


Mit 4 ½ Jahren verlor Johann Conrad seinen Vater, <strong>und</strong> seine Mutter musste mit Unterstützung durch ihren<br />

Bruder als Beistand <strong>und</strong> den Bruder ihres verstorbenen Mannes als „Vogt“, d.h. Vorm<strong>und</strong> <strong>die</strong> Familie mit<br />

ihren beiden überlebenden Kinder durchbringen. Wie <strong>die</strong> im Anhang aufgeführten Vorm<strong>und</strong>schaftsrechnungen<br />

zeigen, war <strong>die</strong> Familie relativ wohlhabend, <strong>und</strong> seiner Mutter wurde attestiert, dass sie ihre Kinder gut erziehe<br />

<strong>und</strong> das Vermögen mit Umsicht verwalte. Was indirekt aus den vorliegenden Dokumenten hervorgeht, ist <strong>die</strong><br />

Tatsache, dass sie den Bauernbetrieb, <strong>die</strong> Weinschenke <strong>und</strong> das Backen weiterführte. Das war zweifelsohne<br />

eine riesige Belastung für eine Witwe, <strong>die</strong> ja auch zwei Kleinkinder zu erziehen hatte. Sie scheint das mit Unterstützung<br />

durch Bruder <strong>und</strong> Schwager klaglos bewerkstelligt zu haben.<br />

Es kann da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass <strong>die</strong> beiden Kinder sehr rasch im Haushalt, auf dem Feld <strong>und</strong> im<br />

Restaurant mit anpacken mussten. Trotzdem durften <strong>die</strong> Kinder <strong>die</strong> Schule besuchen, was damals alles andere<br />

als üblich war in Bauernfamilien. So war Johann Conrad gut ausgebildet, als er mit 22 Jahren zum <strong>Gemeinde</strong>rats-Schreiber<br />

<strong>und</strong> kurz danach in den <strong>Gemeinde</strong>rat gewählt wurde <strong>und</strong> dort das Amt des Seckelmeisters übernahm.<br />

Bemerkenswert ist, dass damals das Mündigkeitsalter 25 war, Johann Conrad also noch als „Vogtknab“,<br />

d.h. bevorm<strong>und</strong>et, galt, als er schon Funktionen in der Verwaltung der <strong>Gemeinde</strong> übernommen hatte.<br />

Mit 28 Jahren, 1845, übertrug ihm seine Mutter <strong>die</strong> formelle Verantwortung für <strong>die</strong> „Weinschenke“, das heutige<br />

Restaurant Post. Bereits 1841 wurde <strong>die</strong>ses umgebaut, was in <strong>die</strong>sem Jahr zu einer Erhöhung der Brandassekuranz-Prämie<br />

<strong>und</strong> 1845 zu einer Neueinschätzung führte. Um all das zu bewältigen, trat er 1844 aus dem<br />

<strong>Gemeinde</strong>rat aus, wurde aber 3 Jahre später, 1847, zum <strong>Gemeinde</strong>präsidenten gewählt, ein Amt, das er <strong>bis</strong><br />

1850 innehatte. Daneben bekleidete er in <strong>die</strong>sen Jahren <strong>die</strong> Funktion des Feuerwehr-Kommandanten.<br />

In den Jahren 1847 – 1856 wurden ihnen 6 Kinder geschenkt, zuerst 3 Mädchen (wo<strong>von</strong> eines leider mit knapp<br />

einjährig starb), hierauf 3 Buben, <strong>die</strong> allesamt eine gute Schulbildung erhielten. Eine Frage mag erlaubt sein:<br />

warum heiratete er in Uster, das doch sowohl <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> wie auch <strong>von</strong> Eschlikon, Pfarrei Dinhart, woher<br />

seine Frau stammte, recht weit entfernt ist War es wohl <strong>die</strong> Besorgnis um seinen guten Ruf, da <strong>die</strong> erste<br />

Tochter schon 4 Monate nach der Hochzeit zur Welt kam Solche „Frühgeburten“ waren damals allerdings<br />

nicht unüblich, wenn auch vielleicht doch mit einem gewissen Stigma versehen.<br />

Über seine Zeit als <strong>Gemeinde</strong>rat <strong>und</strong> - Präsident kann im „<strong>Volken</strong> im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert“ sehr viel nachgelesen<br />

werden. Hier nur einige Highlights:<br />

In seiner Sitzung vom 5. Februar 1850 entschied der <strong>Gemeinde</strong>rat, dass der Sitzungsort weiterhin bei seinem<br />

Präsidenten Johann Conrad <strong>Keller</strong> sein sollte. Und da es gerade Winter <strong>und</strong> kalt war, wurde <strong>die</strong>sem Entschluss<br />

beigefügt, falls <strong>die</strong> Sitzung nicht in der unteren Stube (in der jetzigen Gaststube des Restaurants Post) stattfinden<br />

könne, also in <strong>die</strong> Stube im ersten Stock ausgewichen werden müsse <strong>und</strong> <strong>die</strong>se nicht geheizt sei, dann<br />

dürfe Präsident <strong>Keller</strong> das zum Feuern des Ofens benötigte Holz gratis <strong>von</strong> der <strong>Gemeinde</strong> beziehen. So war<br />

allen ge<strong>die</strong>nt: J.C. <strong>Keller</strong> konnte kostenlos <strong>die</strong> obere Kammer beheizen <strong>und</strong> seinen Ratskollegen vielleicht<br />

schon während, sicher aber nach der Sitzung, bei der Bekämpfung des Durstes helfen, <strong>und</strong> den andern <strong>Gemeinde</strong>räten<br />

wurde der Gang in <strong>die</strong> winterlichen Gefilde zur nächsten Beiz erspart.<br />

Als er 1853 als Kandidat für das Friedensrichteramt vorgeschlagen wurde, gleichzeitig aber auch <strong>Gemeinde</strong>ammann<br />

war, da pfiff ihn das Statthalteramt Andelfingen zurück. Diese Ämterkumulation war nicht mehr<br />

möglich. Er entschied sich für das Amt des <strong>Gemeinde</strong>ammanns. Allerdings verabschiedete <strong>die</strong> Kantonsregierung<br />

am 20. Juni 1855 ein Gesetz, das folgendes bestimmte: „Die <strong>Gemeinde</strong>ammänner, <strong>die</strong> Präsidenten <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Schreiber der <strong>Gemeinde</strong>räthe dürfen weder selbst eine Wirtschaft betreiben noch in einem Haus wohnen,<br />

in welchem eine solche betrieben wird“. Eine harte Massnahme. Johann Conrad <strong>Keller</strong> überlegte, rechnete <strong>und</strong><br />

entschied sich schliesslich für seine Weinschenke. Er trat als <strong>Gemeinde</strong>ammann zurück.<br />

J.C. <strong>Keller</strong> <strong>die</strong>nte auch in der lokalen Feuerwehr als Kommandant.<br />

61


Klima <strong>und</strong> Katastrophen<br />

Die Jahre 1850 sowie 1851/1852 <strong>und</strong> 1854/1855 brachten kalte Frühjahre <strong>und</strong> nasse Hochsommer <strong>und</strong> damit<br />

eine Rezession, <strong>und</strong> <strong>von</strong> 1865 <strong>bis</strong> 1867 gab es nochmals schlechte Ernten mit sinkenden Roherträgen 83 . 1867<br />

suchte eine Cholera-Epidemie Zürich <strong>und</strong> Umgebung heim.<br />

Es kamen auch Naturkatastrophen. So zog am Abend des 21. Juli 1881 ein ungemein heftiges Gewitter über<br />

das Gebiet zwischen Aaretal <strong>und</strong> Kaiserstuhl. In Flaach teilte es sich, der südliche Arm zog über <strong>Volken</strong>, Dorf,<br />

Humlikon gegen Adlikon. Es richtete schreckliche Verheerungen an. Obst- <strong>und</strong> Waldbäume wurden in grosser<br />

Zahl vom Sturme umgeworfen. Was stehen blieb, wurde vom Hagel nahezu vollständig entlaubt, das Getreide<br />

lag entkörnt <strong>und</strong> zerhackt, <strong>die</strong> Reben wurden furchtbar mitgenommen <strong>und</strong> mussten zu einem grossen Teil neu<br />

angepflanzt werden. In <strong>Volken</strong> erlitten 59 Einwohner oder r<strong>und</strong> 1/5 der Volkemer Schäden im Ausmass <strong>von</strong><br />

49’000 Franken. Zehn Jahre später wurden Dorf <strong>und</strong> <strong>Volken</strong> neben anderen <strong>Gemeinde</strong>n wiederum <strong>von</strong> einem<br />

schrecklichen Hagelwetter heimgesucht. In <strong>Volken</strong> erlitten 51 Landbesitzer einen Schaden <strong>von</strong> 45’000 Franken,<br />

der durch Spenden aus dem Kanton in Höhe <strong>von</strong> 9’900 Franken etwas gemildert wurde. Um einen Kaufkraft-Vergleich<br />

zu haben: in seinem letzten Jahr als Posthalter, <strong>1888</strong>, ver<strong>die</strong>nte J.C. <strong>Keller</strong> 280 Franken jährlich.<br />

Der Franzosenkrieg <strong>von</strong> 1870/71 erforderte eine Grenzbesetzung. Die Zeit nach <strong>die</strong>sem Krieg führte 1876 –<br />

<strong>1888</strong> zur „grossen Depression des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts“. 84 Nach 1878 begannen <strong>die</strong> Agrarpreise, <strong>die</strong> seit 1840<br />

kontinuierlich angestiegen waren, langsam zu sinken. Als Folge mehrerer schlechter Wetterlagen <strong>und</strong> der<br />

Verluste durch Schäden (falscher Mehltau, ab 1886 Reblaus) gingen <strong>die</strong> Ernten auf einen Viertel jener Mengen<br />

zurück, <strong>die</strong> in den goldenen Weinjahren <strong>von</strong> 1874 <strong>bis</strong> 1876 erzielt worden waren. Die Liegenschaftenpreise,<br />

welche um <strong>die</strong> Mitte der siebziger Jahre ihren Höhepunkt erreicht hatten, fielen <strong>bis</strong> Mitte der Achtzigerjahre<br />

um einen Drittel <strong>bis</strong> um <strong>die</strong> Hälfte. Viele Bauern konnten ihre Hypothekarschulden, <strong>die</strong> sie vor 1875 in Anbetracht<br />

der guten Ertragslage eingegangen waren, nicht mehr verzinsen.<br />

Auf der Landschaft nahmen <strong>die</strong> Zwangsversteigerungen stark zu: <strong>von</strong> 1879 <strong>bis</strong> 1891 gingen 6 - 8% aller Betriebe<br />

in Konkurs. In den ländlich-bäuerlichen <strong>Gemeinde</strong>n herrschten Zukunftsangst <strong>und</strong> Unzufriedenheit;<br />

angesichts des Aufschwungs der nach 1883 wieder prosperierenden Industrie fühlten sich <strong>die</strong> Bauern benachteiligt.<br />

85 Die landwirtschaftlich geprägten Bezirke Andelfingen etc. erlebten zwischen 1880 <strong>und</strong> <strong>1888</strong> eine Bevölkerungsabnahme,<br />

<strong>die</strong> sich in vielen <strong>Gemeinde</strong>n <strong>bis</strong> ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert fortsetzte. Die Auswanderung nach<br />

Übersee erreichte einen neuen Höhepunkt.<br />

Die politische Entwicklung<br />

Die neue Kantonsverfassung vom 18. April 1869 sah <strong>die</strong> Unentgeltlichkeit des Volksschul-Unterrichts, der<br />

militärischen Ausrüstung (<strong>die</strong> früher selbst gekauft werden musste), eine Progressiv- <strong>und</strong> Erbschaftssteuer <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Gründung der Kantonalbank vor. Die neue Demokratie förderte <strong>die</strong> Integration des gewerblichen Mittelstandes,<br />

der Bauern <strong>und</strong> z.T. auch der Arbeiter in den bürgerlichen Staat. 86 Die Höchstarbeitszeit für Kinder<br />

wurde erstmals festgelegt, <strong>und</strong> zwar 13 St<strong>und</strong>en täglich. Für Erwachsene gab es keine Höchstgrenze. 87<br />

83 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 147<br />

84 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 158<br />

85 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seiten 207 - 209<br />

86 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 149<br />

87 dito, Seite144<br />

62


Landwirtschaft<br />

Ab ca. 1840 ist <strong>die</strong> Kartoffel das wichtigste Volksnahrungsmittel, doch schon wenige Jahre später wütete <strong>die</strong><br />

Kartoffelkrankheit, weshalb <strong>die</strong> Preise für Getreide haussierten. Die Obst- <strong>und</strong> Getreideernten fielen ihrerseits<br />

mittelmässig aus, was <strong>die</strong> Mortalität (Sterblichkeit) im Kanton Zürich ansteigen liess. – Die Getreideproduktion<br />

wurde kontinuierlich durch Futter, Wein- <strong>und</strong> Obstbau ersetzt. Seit Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zogen <strong>die</strong><br />

Bauern auch des nordzürcherischen Weinlandes „aus den Reben ihren meisten <strong>und</strong> beträchtlichsten Nutzen“.<br />

Daraus musste „der gemeine Mann seine Geldzinsen abtragen“. Die Bauern begannen ihre Rebflächen weiter<br />

auszudehnen. Speziell nach 1850 erhöhte <strong>die</strong> Industrialisierung <strong>und</strong> ein steigendes Volkseinkommen <strong>die</strong> Nachfrage<br />

nach Wein. Im Zürcher Weinland <strong>und</strong> Unterland dominierten Acker- <strong>und</strong> Rebbau in Verbindung mit der<br />

Viehmast. 88<br />

Veredelung <strong>und</strong> Verjüngung der Reben, wie sie schon 1661 in einem Pflanzbuch erklärt wurde. 89<br />

Die Auswanderung<br />

Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert setzte eine zunehmende Landflucht ein, bedingt durch Ernteausfälle, Teuerung, politische<br />

<strong>und</strong> religiöse Umbrüche sowie <strong>die</strong> beginnende Industrialisierung. Überseeische „Para<strong>die</strong>se“ wie Nord- <strong>und</strong><br />

Südamerika, aber auch Russland, warben um Einwanderer. Die Auswanderung aus der Schweiz erreichte in<br />

den Jahren 1882/83 Rekorde, so dass der B<strong>und</strong>esrat am 22. März <strong>1888</strong> das „B<strong>und</strong>esgesetz betreffend den<br />

Geschäftsbetrieb <strong>von</strong> Auswanderungsagenturen“ erliess, um <strong>die</strong> Auswanderung in den Griff zu bekommen.<br />

Ärmere <strong>Gemeinde</strong>n, so auch <strong>Volken</strong>, waren froh, wenn sie potentiell armengenössige Mitbewohner zur Auswanderung<br />

bewegen konnten. Ihnen wurden oft <strong>die</strong> Kosten einer Auswanderung bezahlt.<br />

Beflügelt durch <strong>die</strong> Industrialisierung wurden <strong>die</strong> Städte, insbesondere <strong>die</strong> Stadt Zürich, eine attraktive Wirtschaftsregion,<br />

in <strong>die</strong> Arbeitsuchende aus der übrigen Schweiz <strong>und</strong> dem Ausland strömten. 90 Der in der 2. Hälfte<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts auch in <strong>Volken</strong> <strong>und</strong> Umgebung einsetzende Bevölkerungsverlust wurde erst im letzten<br />

Drittel des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts mit der Ansiedlung <strong>von</strong> Zuzügern aus den Agglomerationen Winterthur <strong>und</strong> Zürich<br />

aufgefangen.<br />

88 dito, Seite 36<br />

89 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 2, Seite 101<br />

90 dito, Seiten 18 <strong>und</strong> 19<br />

63


Johann Conrad <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Post<br />

Am 1. August 1867 übernahm Johann Conrad <strong>Keller</strong> das Amt eines Posthalters <strong>und</strong> Briefträgers <strong>und</strong> war nun<br />

noch mehr Mittelpunkt in <strong>Volken</strong>, denn damals war <strong>die</strong> Dorfbeiz, noch mehr als heute, Zentrum für Informationen<br />

<strong>und</strong> Meinungsbildung. Schon bevor <strong>die</strong> Generaldirektion PTT verlangte, dass ein Posthalter seinen K<strong>und</strong>en<br />

einen Raum zur Verfügung halten müssen, richtete Johann Conrad in seiner Weinschenke das Postbüro<br />

ein, den Raum rechts vom Eingang, heute noch sichtbar. Mit Postablage, Sitzungszimmer des <strong>Gemeinde</strong>rats<br />

<strong>und</strong> Weinschenke in einem kann seine Bedeutung ermessen werden. Mit dem Aufkommen der Reisepost wurde<br />

<strong>die</strong>ses Amt immer wichtiger, sodass auch seine Entschädigung für <strong>die</strong>ses Amt grösser wurde: Sein erster<br />

Jahreslohn betrug stolze 80 Franken, <strong>und</strong> als er <strong>1888</strong> im Amt starb, ver<strong>die</strong>nte er immerhin 280 Franken im<br />

Jahr.<br />

Das Stammhaus der Familie <strong>Keller</strong>, das Johann Conrad <strong>Keller</strong> <strong>bis</strong> zu seinem Tode bewohnte.<br />

Postkarte <strong>von</strong> ca. 1939. Man beachte <strong>die</strong> noch ungeteerte, landwirtschaftlich genutzte Strasse.<br />

Entwicklung der Post im Flaachtal<br />

1610 wurde in Zürich <strong>die</strong> erste kantonale Poststation durch einen wohlhabenden Stadtbürger, Caspar Hess,<br />

errichtet. 1662 wurde das Postregal dem Kaufmännischen Direktorium übertragen. Die Post wurde durch <strong>die</strong><br />

B<strong>und</strong>esverfassung <strong>von</strong> 1874 eine selbständige Verwaltung des B<strong>und</strong>es, nachdem sie seit 1848 auf Rechnung<br />

der Kantone durch den B<strong>und</strong> betrieben worden war. – Im Flaachtal bestanden zuerst regelmässige Botenverbindungen,<br />

bevor <strong>die</strong> ersten Poststellen der kantonalen Post errichtet wurden. Ein privater Bote begab sich<br />

fünfmal <strong>die</strong> Woche in <strong>die</strong> <strong>Gemeinde</strong>n des Flaachtales, vorerst zu Fuss, mit einer Chrätze auf dem Rücken, ab<br />

etwa 1830 mit Pferd <strong>und</strong> Wagen. Der Botenweg führte über Flaach <strong>und</strong> <strong>die</strong> Strasse um den Irchel herum nach<br />

Zürich. – Durch den Eisenbahnbau wurde auch <strong>die</strong> Postverteilung beschleunigt. 1830 errichtete <strong>die</strong> kantonale<br />

Post in Andelfingen ein Postbüro, wahrscheinlich 1842 folgte eine Ablage in <strong>Volken</strong>. 1873 wurde <strong>die</strong> Reisepost<br />

durchs Flaachtal eingerichtet <strong>und</strong> zuerst mit Pferden, dann motorisiert betrieben. Damit wurde auch im<br />

verkehrstechnisch abgelegenen <strong>Volken</strong> der Einfluss der städtischen Kultur <strong>und</strong> der Industrialisierung immer<br />

stärker. Die Postkurse beförderten nicht nur Passagiere, sondern in erster Linie Briefe, Pakete, Zeitungen <strong>und</strong><br />

Geldsendungen. Als Verteiler im Kommunikationssystem nahmen sie deshalb eine zentrale Stellung ein. 91<br />

91 „<strong>Volken</strong> im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert“, Seiten 34 – 37<br />

64


Johann Conrads letzte Jahre<br />

Es muss Johann Conrad <strong>Keller</strong> sehr getroffen haben, dass zwischen 1865 <strong>und</strong> 1875 alle Kinder <strong>Volken</strong> verliessen.<br />

Sein Lebenswerk war in Frage gestellt, <strong>die</strong> Wurzeln seiner Familie in <strong>Volken</strong>, <strong>die</strong> <strong>bis</strong> ins 14. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

reichten, waren gerissen. Aber noch in der 3. Generation nach ihm wird berichtet, er sei autoritär <strong>und</strong> hart<br />

gewesen. Das sei der Gr<strong>und</strong>, warum alle Nachkommen <strong>Volken</strong> verliessen, motiviert natürlich auch durch <strong>die</strong><br />

Verlockungen der Städte <strong>und</strong> der überseeischen „Para<strong>die</strong>se“. Es zogen weg:<br />

Anna 23.5.1870 nach Schaffhausen, Heirat am 9.5.1875 in Zollikon, Scheidung 22.9.1877,<br />

Rückkehr nach <strong>Volken</strong>, Heirat am 29.8.1878 in Dorf Witwer Conrad Gisler aus <strong>Volken</strong><br />

Susanna Luise am 26. 6. 1865 nach Winterthur<br />

Johann Conrad am 17. 1. 1870 nach Schaffhausen<br />

Johann Hermann am 3. 4. 1870 „ausserhalb des Kantons“<br />

Gustav am 30. 6. 1875, kehrt zurück, verliess <strong>Volken</strong> definitiv am 17.8.1879<br />

Dass <strong>von</strong> seinen Nachkommen seine beiden Töchter wegzogen <strong>und</strong> heirateten, das war zu erwarten gewesen.<br />

Dass aber <strong>die</strong> beiden älteren Söhne fast gleichzeitlich im Jahr 1870 wegzogen, gefolgt vom Jüngsten, Gustav,<br />

5 Jahre später (erst 19-jährig), das war kaum zu ertragen. Seine Mutter soll noch verzweifelt versucht haben,<br />

ihn in <strong>Volken</strong> zurückzuhalten, wie <strong>von</strong> seinen Nachkommen berichtet wurde, doch es half nichts. Die Söhne<br />

machten Karriere, Johann Conrad wurde erfolgreicher Metzger in Schaffhausen, Johann Hermann hatte eine<br />

gute Stelle in Winterthur, zog später nach Neuenburg. Gustav ging auf <strong>die</strong> Walz als Bäckergeselle <strong>und</strong> verheiratete<br />

sich in Winterthur. Somit bestand keinerlei Hoffnung auf einen Fortbestand des Familienbetriebes. Eine<br />

Familientradition, welche über 500 Jahre gedauert hatte, ging zu Ende.<br />

Angesichts seines Alters, seiner abnehmenden Kraft <strong>und</strong> der sinkenden Landpreise entschloss sich Johann<br />

Conrad <strong>Keller</strong>, den landwirtschaftlichen Erwerb aufzugeben <strong>und</strong> vorerst nur noch <strong>die</strong> Weinschenke <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Postablage weiterzubetreiben. Deshalb wurden der grösste Teil seiner Ländereien <strong>und</strong> <strong>die</strong> zur Landwirtschaft<br />

gehörenden Geräte verkauft. Am Freitag 15. Februar 1884 fand <strong>die</strong> Versteigerung der Äcker, Wiesen, Reben<br />

<strong>und</strong> des Hanflandes statt, gefolgt <strong>von</strong> einer in der Andelfinger Zeitung annoncierten Gant <strong>von</strong> Fahrhabe <strong>und</strong><br />

Hausrat am Dienstag, 19. Februar 1884.<br />

Am 9. Mai 1887 verkaufte er sein Haus samt Umschwung <strong>und</strong> Inhalt. Der Verkaufsvertrag ist im Anhang wiedergegeben.<br />

Weiter berichtet <strong>die</strong> Andelfinger Zeitung in ihrer Ausgabe vom 21. Februar <strong>1888</strong>, für <strong>die</strong> Poststelle<br />

<strong>Volken</strong> werde ein neuer Stellen-Inhaber (Postablagehalter <strong>und</strong> Briefträger) <strong>von</strong> der Kreispostdirektion Zürich<br />

gesucht. Dann folgt ein weiteres Inserat in den Ausgaben vom 2. <strong>und</strong> 7. März <strong>1888</strong> (seinem Todestag):<br />

„Zum Verkauf wegen baldigem Wegzug eine eiserne Weinschenks-Taverne neu <strong>und</strong> stark, sehr billig, <strong>und</strong> zwei<br />

eiserne Weinzuber bei <strong>Keller</strong> zur Post in <strong>Volken</strong>“.<br />

65


Anna <strong>Keller</strong> geborene Wiesendanger, 28.4.1826 – 25.4.1906<br />

Anna <strong>Keller</strong> - Wiesendanger musste als Bäuerin <strong>und</strong> Wirtin ihrem Mann bei allen seinen Arbeiten zur Hand<br />

gehen. Dazu kam <strong>die</strong> Erziehung ihrer fünf Kinder, welche offenbar, glaubt man den noch in dritter Generation<br />

zirkulierenden Gerüchten, sich immer mehr gegen <strong>die</strong> autoritäre <strong>und</strong> fordernde Art ihres Vaters auflehnten.<br />

Doch auf Familiensolidarität war Verlass, <strong>und</strong> das untenstehende Urteil zeigt, dass Frau Anna auch Zähne<br />

zeigen konnte:<br />

Anna <strong>Keller</strong>-Wiesendanger<br />

Urtheil des Kreisgerichts Flaach:<br />

In Sachen des Johs Schuler, Viehandler, <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>, Kläger, gegen<br />

Anna <strong>Keller</strong>, Ehfrau des Herrn <strong>Gemeinde</strong>ammann <strong>Keller</strong> <strong>von</strong> <strong>Volken</strong>, 39 Jahr alt<br />

Mutter <strong>von</strong> 5 Kindern betreffend Beschimpfung, mit Einmuth gef<strong>und</strong>en<br />

Frau Anna <strong>Keller</strong> sei der Beschimpfung schuldig, hierauf erkannt<br />

1. seien <strong>die</strong> beschimpfenden Äusserungen der Beklagten folgenlos erklärt <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Ehre der klagerschen Partei unbeschadet<br />

2. sei Frau <strong>Keller</strong> in eine Buss v. 10 fr verfällt<br />

3. trage sie <strong>die</strong> erlaufenen Prozesskosten<br />

4. habe sie den Kläger mit 3 fr zu entschädigen<br />

5. Mitteilung <strong>die</strong>ses Urteils den Partheien<br />

mündlich, dem Statthalteramt schriftlich<br />

Aktum d. 1. Juli 1865<br />

das Kreisgericht Flaach<br />

Peier Schreiber<br />

66


1865 muss ein ereignisreiches Jahr gewesen sein. Die Übernahme der Poststelle zeichnete sich ab, ein Um<strong>und</strong><br />

Ausbau der Liegenschaft wurde in Angriff genommen <strong>und</strong> zog eine Erhöhung des Gebäudeversicherungswertes<br />

nach sich 92 . Johann Conrad löste wieder sein Wirtepatent <strong>und</strong> wurde als <strong>Gemeinde</strong>ammann gewählt.<br />

Das schien bösen, <strong>bis</strong>sigen <strong>und</strong> neidischen Kommentaren zu rufen. Wie das nebenstehende Urteil zeigt, setzte<br />

sich Frau Anna aber gegen solche Provokationen „aktenk<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> erfolgreich“ zur Wehr. Dem Zwischenfall<br />

vorangegangen war eine Beleidigung durch <strong>die</strong> Ehefrau des Klägers, Johannes Schuler. Anlässlich der Heimkehr<br />

der Familie <strong>von</strong> Johann Conrad <strong>Keller</strong> über einen Feldweg rief <strong>die</strong>se: „Das ist kein Weg, <strong>und</strong> wenn<br />

schon, nur für rechte Leute <strong>und</strong> nicht für schlechte“. Nach weiteren Wortwechseln schloss Frau Schuler den<br />

Streit: „du <strong>bis</strong>t der schlechteste Mensch, wo auf Erden lebt, geh nur du schlechte Person, sonst schlage ich dir<br />

<strong>die</strong> Beine ab“, wobei sie <strong>die</strong>se Drohung mit zwei Steinen in der Hand unterstrich. Die <strong>Keller</strong> klagten, Johann<br />

Conrad nahm einen Anwalt <strong>und</strong> beharrte auf einer Verurteilung. – Die Retourkutsche folgte auf dem Fuss.<br />

Anna <strong>Keller</strong>-Wiesendanger beschimpfte Johannes Schuler mit ähnlichen Worten. 93 . Die Gegenklage folgte<br />

<strong>und</strong> zeitigte das nebenstehende Urteil.<br />

Dann begann der Auszug des Nachwuchses. Die zweitälteste Tochter zog im gleichen Jahr 1865 nach Winterthur.<br />

Als fünf Jahre später auch ihre beiden älteren Söhne den väterlichen Hof verlassen hatten, wollte sie<br />

wenigstens ihren Jüngsten, Gustav, unbedingt zurückhalten. Um ihn zum Bleiben zu überreden, soll sie ihm<br />

Wein in grossen Mengen zu seiner Feldarbeit gebracht haben, aber ohne Erfolg (es war ja üblich, z.B. Tagelöhnern<br />

täglich 3½ Liter Wein zu geben). So kam es, dass mit Gustav auch das letzte ihrer Kinder <strong>Volken</strong> verliess.<br />

Die älteste Tochter Anna kehrte nach ihrer Scheidung zurück <strong>und</strong> heiratete den Witwer Conrad Gisler, der<br />

zwei Tage älter war als ihre Mutter. Conrad Gisler brachte einen Sohn in <strong>die</strong> Ehe, der zum Stammvater der<br />

Familien Blapp wurde, <strong>die</strong> heute in <strong>Volken</strong> leben oder noch nicht lange aus <strong>Volken</strong> weggezogen sind. Erstaunlich<br />

ist, dass auch zu Beginn des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts immer noch in hohen Tönen <strong>von</strong> ihrer Warmherzigkeit<br />

<strong>und</strong> Gastfre<strong>und</strong>schaft gesprochen wird. Sie hat ohne Zweifel das F<strong>und</strong>ament gelegt, dass heute noch Blapps<br />

mit den <strong>Keller</strong>-Familien fre<strong>und</strong>schaftlich verkehren.<br />

Leider kann nicht festgestellt werden, wohin sie nach dem Tod ihres Mannes zog. Der Hof war ja schon verkauft.<br />

Sie musste aber noch ihre restlichen Sachen liqui<strong>die</strong>ren, wie <strong>die</strong> Inserate aufzeigen, <strong>die</strong> auf den vergangenen<br />

Seiten aufgeführt sind. Es ist am ehesten anzunehmen, dass ihre Tochter Anna Gisler-<strong>Keller</strong> sie zu sich<br />

nahm.<br />

Am 18. September 1904 schlug der Tod nochmals zu. Ihre Tochter Anna verstarb <strong>und</strong> kurz darauf auch deren<br />

Mann Conrad Gisler. Anna <strong>Keller</strong>-Wiesendanger musste somit zwei ihrer drei Töchter zu ihren Lebzeiten<br />

hergeben. In <strong>Volken</strong> war sie nun allein. Kein direktes Familienmitglied lebte mehr dort. Ihr lediger Sohn Johann<br />

Hermann holte sie deshalb zu sich nach Neuenburg.<br />

Wie hat es eine Bauernfrau aus dem verkehrsmässig abgelegenen <strong>Volken</strong> wohl ertragen, nun in einer grösseren<br />

Stadt zu leben, wo darüber hinaus noch eine ganz andere Mentalität herrschte, eine fremde Sprache gesprochen<br />

<strong>und</strong> eine fast achtzigjährige Frau aus der Deutschschweiz wohl nicht mit grossem Enthusiasmus<br />

willkommen geheissen wurde Es darf wohl angenommen werden, dass sie sich recht entwurzelt fühlte, obwohl<br />

sie bei ihrem Sohn leben konnte. Das ganze soziale Netz aus <strong>Volken</strong>, wo sie immerhin r<strong>und</strong> 50 Jahre<br />

gelebt hatte, musste sie zurücklassen. Und Eschlikon, woher sie stammte <strong>und</strong> wo ihre Familie wohnte, war<br />

noch weiter weg. - Alles ausser ihr Sohn muss ihr sehr fremd gewesen sein.<br />

In Neuenburg verstarb sie am Abend des 25. April 1906 um 21.50 Uhr an Grippe <strong>und</strong> wurde im Cimetière de<br />

Beauregard begraben 94 . Johann Hermann setzte ein Legat aus, dass ihr Grab während der ganzen Liegedauer<br />

bepflanzt <strong>und</strong> unterhalten werde. In <strong>Volken</strong> wohnte ja niemand mehr, der ihr Grab hätte pflegen können, wie<br />

es Brauch war.<br />

Man kann <strong>die</strong>ser Frau, wie auch ihren Vorgängerinnen an der Seite unserer Ahnen, nur <strong>die</strong> grösste Hochachtung<br />

<strong>und</strong> Wertschätzung entgegenbringen. Mit ihr starb <strong>die</strong> letzte in <strong>Volken</strong> lebende Vertreterin des Familienstammes<br />

des Verfassers.<br />

92 Siehe Seiten 88 – 90 im Anhang<br />

93 StAZH Z 411.245 Seiten 337-340<br />

94 Brief des Office des Archives de l’Etat de Neuchâtel vom 13.2.2007 bei H.P.<strong>Keller</strong><br />

67


Die Arbeit einer Bäuerin<br />

Über <strong>die</strong> Rolle der Bäuerin wird im bereits früher zitierten Abschnitt über den Wandel der bäuerlichen Arbeitswelt<br />

folgendes geschrieben:<br />

„Im Rahmen der Selbstversorgung musste <strong>die</strong> ganze Familie als Arbeits- <strong>und</strong> Produktionsgemeinschaft vielfältige<br />

Arbeiten ausführen, <strong>die</strong> heute <strong>von</strong> der Nahrungsmittelindustrie besorgt werden. So war das Fleisch zu<br />

räuchern, man musste Hanfsamen <strong>und</strong> Baumnüsse für <strong>die</strong> Ölproduktion vorbereiten, Erbsen für Suppen <strong>und</strong><br />

Breie ausschoten, Äpfel zum Dörren „stückeln“ usw. Bei <strong>die</strong>sen Arbeiten leisteten <strong>die</strong> Bäuerinnen einen entscheidenden<br />

Beitrag zur Existenzsicherung, sie litten aber auch unter harter Belastung. Eine teilweise Freistellung<br />

der Frau aus dem Arbeitsprozess zur Pflege bürgerlicher Häuslichkeit war in Bauernfamilien unvorstellbar.“<br />

Soweit zur Lebensaufgabe auch <strong>von</strong> Anna <strong>Keller</strong>-Wiesendanger.<br />

Beispiele der veränderten Produktionsweise. Oben Pfluggespann mit drei Ochsen, um 1800<br />

Unten Grasmähmaschine mit Pferdezug, <strong>die</strong> seit 1870 <strong>die</strong> bäuerliche Arbeit erleichterte. 95<br />

95 Geschichte des Kantons Zürich, Werd-Verlag, Band 3, Seite 29<br />

68


A n h a n g<br />

Zusammenstellung der Verkäufe (Seiten 70 – 71) <strong>und</strong><br />

der Verkaufsvertrag des Stammhauses (Seiten 72 – 75)<br />

Der Besitz <strong>von</strong> Johann Conrad <strong>Keller</strong> kann auf insgesamt 8,5 Hektaren veranschlagt werden. Er war also kein<br />

Kleinbauer (Landbesitz <strong>bis</strong> 5 Hektaren), sondern höchstens ein mittelgrosser Bauer, bezogen auf den Gr<strong>und</strong>besitz.<br />

Sein Besitz teilte sich auf 54 Parzellen, was eine zweckmässige Betriebsführung äusserst erschwerte.<br />

Der Notar bestätigte im Verkaufsvertrag vom 9. Mai 1887, dass wegen des niedrigeren Verkaufspreises der<br />

Assekuranzwert „eine Reduktion erleiden werde“.<br />

Beistandschaft <strong>und</strong> Vorm<strong>und</strong>schaft <strong>von</strong> Susanne <strong>Keller</strong>-Gisler (Seiten 76 – 87)<br />

Am 24. Juni 1821 verstarb Hans Konrad <strong>Keller</strong>. Er hinterliess eine Frau <strong>und</strong> drei unmündige Kinder. Die kurz<br />

vorher geborene Tochter Susanna starb drei Tage nach ihrer Geburt, einen Tag vor dem Tod ihres Vaters.<br />

Witwen wurde immer ein Beistand zur Seite gestellt. Beistand für Frau Susanna war ihr Bruder Hans Jakob<br />

Gisler, <strong>Gemeinde</strong>amman in Flaach; Vorm<strong>und</strong> für ihre Kinder wurde deren Onkel Heinrich <strong>Keller</strong>, Bruder des<br />

Verstorbenen, Friedensrichter.<br />

Der Vorm<strong>und</strong> verzichtete jeweils auf sein Honorar, ebenso der Beistand der Mutter. Ein schönes Beispiel gelebter<br />

Familiensolidarität. Zu Lasten der Vorm<strong>und</strong>schaftsrechnungen mussten allerdings <strong>die</strong> Kosten für das<br />

Unterwaisenamt (Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde), den Weibel, den Schreiber <strong>und</strong> gegebenenfalls den Bezirksrat<br />

bezahlt werden.<br />

Ein Vergleich der Vermögensrechnungen mit denjenigen anderer Vorm<strong>und</strong>schaften in der Zeit <strong>von</strong> 1821 –<br />

1841 zeigt, dass <strong>die</strong> Familie mit Aktiven <strong>von</strong> r<strong>und</strong> 10‘000 Gulden relativ wohlhabend war. Auf <strong>die</strong> Liegenschaft<br />

entfielen 5‘115 Gulden, der Rest war liquides Vermögen. Die übrigen Mündelvermögen in den Volkemer<br />

Vorm<strong>und</strong>schaftsrechnungen schwankten zwischen Überschuldung <strong>und</strong> 3‘500 Gulden Vermögen.<br />

Am 30. März 1842 wurde <strong>die</strong> Schlussabrechnung angenommen. Die <strong>bis</strong>her bevorm<strong>und</strong>eten Kinder wurden<br />

nun definitiv aus der Vorm<strong>und</strong>schaft entlassen. Die Tochter Anna Barbara war bereits verheiratet mit Jakob<br />

Wipf <strong>von</strong> Trüllikon. Ihr Bruder Johann Conrad war bekanntlich schon einige Zeit <strong>Gemeinde</strong>schreiber <strong>und</strong><br />

<strong>Gemeinde</strong>rat.<br />

Liste der <strong>von</strong> der Kantonalen Gebäudeversicherung versicherten Gebäude <strong>von</strong> J.C. <strong>Keller</strong><br />

(Seiten 88 – 90)<br />

69


Liste der Verkäufe 1884 – <strong>1888</strong><br />

70


Verkaufsvertrag <strong>von</strong> 1887 der Liegenschaft des jetzigen Restaurants Post mit Scheune <strong>und</strong> Stallung,<br />

Waschhaus, Schweineställen, Weintrotte <strong>und</strong> Hofstatt<br />

Transkript des Original-Kaufvertrags in unsere Schrift<br />

Kaufbrief<br />

per 13 000 Frk.<br />

für<br />

Herrn <strong>Gemeinde</strong>rath KONRAD ERB,<br />

Abrahamen sel. Sohn,<br />

<strong>von</strong> <strong>und</strong> in <strong>Volken</strong><br />

--------------------<br />

Dat. 9. Mai 1887<br />

Protokoll Flaach-<strong>Volken</strong> Bd. 4 p. 70<br />

72


Kaufbrief per 13000 Frk.<br />

Hr. a. <strong>Gemeinde</strong>ammann J. Konrad <strong>Keller</strong>, Konraden<br />

sel. Sohn in <strong>Volken</strong> überträgt anmit dem Herrn <strong>Gemeinde</strong>rat<br />

Konrad Erb, Abrahamen sel. Sohn <strong>von</strong><br />

<strong>und</strong> in <strong>Volken</strong> Pfr. [=Pfarrei] Flaach ohne Nachwährschaft kaufsweise<br />

zu Eigenthum:<br />

Eine Behausung, Scheune <strong>und</strong> Stallung, Waschhaus, Schweineställe <strong>und</strong> eine Weintrotte<br />

sammt Hofstatt <strong>und</strong> ca. sieben Aren ( 1 Vrlg.) Kraut- <strong>und</strong> Baumgarten; grenzend:<br />

1. <strong>und</strong> 2. an Strassen, 3. an Käufers Hofstatt, 4. an Ulrich Hagmanns <strong>und</strong> Gebrüder<br />

Gislers Häuser <strong>und</strong> Gärten.<br />

Assekuranz:<br />

Diese Gebäulichkeiten sind wie folgt assekurirt:<br />

sub No 40 a.<br />

sub No 40b.<br />

1 Wohnhaus, Scheune <strong>und</strong> Stall, laut Tabelle<br />

vom Jahre 1865 für Fr. 10 000.-.<br />

1 Schopfanbau mit <strong>Keller</strong><br />

laut Tabelle vom Jahr 1871 „ „ 800.-.<br />

1 Waschhaus mit Schweine=<br />

ställen laut Tabelle vom<br />

Jahre 1865 „ „. 500.-.<br />

sub No. 41. 1 Trotthaus, laut gleicher Tabelle „ „ 200.-.<br />

1 Trottwerk, laut Tabelle<br />

vom nämlichen Jahre „ „ 600.-.<br />

--------------------<br />

(dreizehntausend <strong>und</strong> einh<strong>und</strong>ert Franken) S a . Fr. 13.100.-.<br />

welche Assekuranzanschläge zufolge niedrigen Kaufswerthes<br />

eine Reduktion erleiden werden.<br />

A. ca. zehn Aren (ca 1 ½ Vierlinge weniger 844 Fuss 2 ’) Wiesen<br />

in Hofwiesen oder Baumgarten; grenzend: 1. an<br />

<strong>die</strong> Strasse, 2. an Konrad <strong>Keller</strong>, Rafzers Wiesen,<br />

3. an Konrad <strong>Keller</strong>s Wiese, 4. ebenso <strong>und</strong> an Konrad<br />

Ritzmanns Garten.<br />

Ca. 1 Are 80 m 2 hie<strong>von</strong> Zinsen jährlich:<br />

2 Mässli Kernen ) dem Kloster Allerheilivier<br />

<strong>und</strong> einen halben Heller Geld ) gen in Schaffhausen.<br />

73


den Restzinse jährlich:<br />

2 Vierlinge Kernen dem Amte Embrach<br />

Servitut:<br />

Konrad Ritzmann, als Eigenthümer <strong>von</strong> ca 75,9<br />

Quadratmeter (844 Fuss 2 ) Krautgarten bei seinen<br />

mit No 56 bezeichneten Gebäulichkeiten ist verpflichtet,<br />

auf eigenem Lande obigen Gr<strong>und</strong>stücke des Käufers<br />

auch einen dürren Haag zu machen <strong>und</strong> jederzeit<br />

zu unterhalten; dagegen ist er berechtigt, <strong>bis</strong> auf<br />

einen Meter fünf Dezimeter (5 Fuss.) an <strong>die</strong> Marke<br />

zu bauen.<br />

Zum Kauf gehören ferner <strong>und</strong> sind in der Kaufsumme<br />

inbegriffen:<br />

das Sechtkessi mit Brenngeschirr im Waschhaus,<br />

zehn diverse Weinstanden in der Trotte <strong>und</strong> zwei<br />

Weinfässer im <strong>Keller</strong> ca 39 Hektoliter haltend.<br />

Der Käufer erklärt, <strong>die</strong>se Gegenstände bereits<br />

in Besitz genommen <strong>und</strong> sich da<strong>von</strong> überzeugt<br />

zu haben, dass <strong>die</strong>selben nicht verpfändet sind.<br />

Alles zusammen für Frk. 13 000.-. (Dreizehntausend Franken), wo<strong>von</strong>:<br />

A. Fr. 250.- (zweih<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> fünfzig Franken) an einen<br />

Fr. 6000.--. haltenden Schuldbrief dat. 18. September<br />

1880 der tit. Zürcher Kantonalbank<br />

in Zürich.<br />

Ablösungstermin: Martini 1889.<br />

Trager wird nun der Käufer.<br />

dem Käufer <strong>von</strong> Martini 1886 (sechs<strong>und</strong>achtzig)<br />

an, <strong>bis</strong> wohin laut vorgewiesenem<br />

Zinsheft gezinset ist, nach Briefsinhalt<br />

zu verzinsen <strong>und</strong> sr. Zt. zu bezahlen<br />

überb<strong>und</strong>en wurden,<br />

<strong>und</strong><br />

Fr. 3000.-. (dreitausend Franken) laut Erklärung<br />

der Kontrahenten bezalt sind, <strong>und</strong><br />

Fr. 3 250.-. Transport:<br />

74


Fr. 3 250.- Transport.<br />

Fr. 9 750.-. (Neuntausend, siebenh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> fünfzig<br />

Franken) als Rest mittelst eigentlichen<br />

Schuldbriefes auf <strong>die</strong> in Liegenschaften bestehenden<br />

Kaufobjekte zu versichern, <strong>von</strong><br />

Maitag 1887 (sieben <strong>und</strong> achtzig) an alljährlich<br />

auf Maitag zu vier Prozent zu<br />

verzinsen <strong>und</strong> wie folgt zu bezalen sind<br />

Fr. 250.-. (zweih<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> fünfzig Franken)<br />

mit Maitag <strong>1888</strong> (acht<strong>und</strong><br />

achtzig),<br />

„ 1500.-. (eintausend<strong>und</strong>fünfh<strong>und</strong>ert<br />

Franken) in sechs gleichen, aufeinanderfolgenden<br />

Jahreszalungen,<br />

daran erste mit Maitag<br />

1890 (neunzig) verfällt, <strong>und</strong><br />

„ 8000.-. (achttausend Franken) auf eine<br />

beiden Theilen <strong>von</strong> Maitag 1895<br />

(fünf <strong>und</strong> neunzig) an, <strong>bis</strong><br />

wohin <strong>die</strong>se Summe unaufkündbar<br />

stehen bleibt, je auf<br />

Maitag oder Martini freistehende,<br />

halbjährliche Kündigung<br />

hin.<br />

Sollte der Käufer mit der Bezalung des<br />

Zinses oder einer bedungenen Kapitalab-<br />

Zalung länger als einen Monat im Rückstand<br />

sein, so ist der Verkäufer berechtigt,<br />

den ganzen noch ausstehenden Kaufrest<br />

ohne weiteres täglich auf ein halbes<br />

Jahr zu künden.<br />

Fr. 13000.-. Summa.<br />

Der Kaufantritt hat stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Gefertigt, Andelfingen, den 9. Mai 1887<br />

Notariatskanzlei Andelfingen:<br />

Jakob Siegfried, Landschreiber<br />

BESIEGELT<br />

Andelfingen, den 15. Juni 1887<br />

75


Vorm<strong>und</strong>schaftsrechnungen für <strong>die</strong> Erben <strong>von</strong> Hans Conrad <strong>Keller</strong>, 28.2.1779 – 25.6.1821<br />

Actum <strong>Volken</strong>, den 10. Jullj 1821<br />

Prtbhs [presentibus = anwesend] Gemeindammann Hatt <strong>und</strong> Seckelmeister Schuler, in<br />

Abwartung des <strong>Gemeinde</strong>raths-Waibel Wegmann<br />

verstorbenen Conrad <strong>Keller</strong>, Bek <strong>und</strong> alt<br />

Gemeindammann sel. Verlassenschaft<br />

Hierzu sind rechtmässige Erben:<br />

Beschreibung<br />

des<br />

Die Wittwe<br />

Kinder:<br />

Susanna Gyssler, alt. 32 Jahre<br />

in Zustand ihres Bruders Jakob Gyssler <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

Joh. Conrad <strong>Keller</strong>, alt 4 ½ Jahr<br />

Anna Barbara <strong>Keller</strong>, alt 3 Jahr<br />

<strong>die</strong> Kinder sind verbeystandet mit Heinrich <strong>Keller</strong><br />

alt Friedensrichter <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

da dann vorhanden<br />

an liegenden Gütern lt. Schatzung<br />

4805 fl. 0 s<br />

„ Fahrniss 1506 „ 14 „<br />

„ eingehenden Schulden 4727 „ ---<br />

_______ _____<br />

Summa aller Activa<br />

11038 fl. 14 s<br />

Hierauf haften Passiva 1903 „ 6 „<br />

_______ _____<br />

So verbleiben liquide Mittel 9135 fl. 8 s<br />

====== ======<br />

Beyliegdr. Beschluss des E. Unter-Waisenamts wegen Reparatur<br />

der <strong>Keller</strong>schen alt. Gmd.Ammann seel. Behausung<br />

vom Lob. Oberwaysenamt ratificiert<br />

[Anmerkung des Transkribenten: fl = Florin oder Gulden, s = Schilling; 50 Schilling = 1 fl; Batzen = 10<br />

Rappen]]<br />

76


Abschied<br />

Den 20. Jullj 1821 ward vorstehende Beschreibung<br />

vor dem Unterwaisenamt in Gegenwart der Wittwe Susanna<br />

Gyssler in Zustand des Hans Jacob Gyssler <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

dessgleichen der Kinder Beystand Heinrich <strong>Keller</strong> alt Friedensrichter<br />

<strong>von</strong> da <strong>und</strong> Hr. Gemeindammann Gyssler <strong>von</strong> Flaach verlesen<br />

<strong>und</strong> auf ihres Bezeugen, dass alles richtig angegeben<br />

worden sey, erstinstanzlich abgenohmen, anbey erkennt<br />

dass<br />

1. <strong>die</strong>se Verlassenschaft nach Inhalt der Inventur, der<br />

Wittwe Susanna Gyssler nach Erbrecht, ohne Schwinnung<br />

des Hauptguth, zur Nutzniessung überlassen, selbiges<br />

in gutem Stand bestens zu unterhalten, wobey sie <strong>die</strong><br />

Kinder nach ihrer mütterlichen Pflicht auferziehen <strong>und</strong><br />

zu besorgen hat.<br />

2. da <strong>die</strong> Kinder noch ganz minderjährig, findet das<br />

Unter Waysenamt für zweckmässig, dass <strong>die</strong> Kleider das<br />

des Erblassers verkauft werden sollen.<br />

3. solle <strong>die</strong> Wittwe ihrem Schwehervatter Jakob <strong>Keller</strong> <strong>die</strong><br />

Lejbding [Altersunterstützung, -Beitrag] alljährlich auf Martini beförig entrichten<br />

4. wird zu einem vögtlichen Aufseher bestimmt: Hs Jacob Gyssler <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

5. solle mit Martini 1822 Rechnung gegeben werden<br />

6. Gebührt dem Unterwaysenenamt an Sitzgeld 14 Franken 6 Batzen<br />

dem Schreiber 2 Frk, dem Weybel 4 Batzen – für Aufnahme<br />

der Beschreibung 5 Frk <strong>und</strong> für ins Reineschreiben der<br />

Inventur u. Prot. 3 Frk.<br />

Nom. des Unterwaisenamts der Präsident<br />

Hatt<br />

77


Haushaltungs Rechnung<br />

Alt Gemeindammann Konrad <strong>Keller</strong> selg. Wittwe <strong>und</strong><br />

Kinder zu <strong>Volken</strong>, unter vogtlicher Aufsicht Jakob<br />

Gisler daselbsten<br />

De July 1821 <strong>und</strong> Martini 1822<br />

Namen <strong>und</strong> Alter der Wittwe <strong>und</strong> Kinder<br />

Wittwe Susanna Gisler alt 34 Jahr<br />

Kinder 1. Hs. Conrad <strong>Keller</strong> “ 6 “<br />

2. Anna Barbara <strong>Keller</strong> “ 5 “<br />

-<br />

Gegenwärtige Activa<br />

5110 Gulden 31 Schilling an Liegenschaften<br />

1185 Gulden 27 Schilling an Fahrnissen<br />

5040 Gulden 33 Schilling an eingehenden Schulden.<br />

11337 Gulden 11 Schilling Summa aller Activa.<br />

1704 Gulden 26 Schilling Summa aller Passiva<br />

9632 Gulden 25 Schilling Liquides<br />

Mithin Vorschlag 497 Gulden 16 Schilling<br />

78


Abschied<br />

Den 19ten Merz 1823 ward vorstehende Rechnung<br />

vom Unterwaysenamt, in Anwesenheit des vogtlichen Aufsehers<br />

Und der Wittwe <strong>und</strong> Friedensrichter Heinrich <strong>Keller</strong> als der<br />

Kinder Beystand verlesen – nach aritmetischem richtig befinden<br />

zu Dank abgenohmen – anbey erkannt. –<br />

1. Ist der Wittwe <strong>die</strong>se Anwartschaft nach Inhalt der<br />

Inventur fehrner überlassen<br />

2. Ist der vögtliche Aufseher in seiner Stelle bestätiget, <strong>und</strong> soll<br />

mit Martini 1824 Haushaltungs-Rechnung ablegen.<br />

3. Solle <strong>die</strong> künftige Rechnung in Betreff der Fahrhabe besser<br />

formularisiert werden.<br />

4. Bezieht das Unterwaisenamt pr. Sitzgeld 12 Frk.<br />

der Schreiber 2 Frk. Waybel 4 Batzen.<br />

Vom lobl. Ob.W.amt ratificiert<br />

Nom. des Unterwaysenamts<br />

<strong>Gemeinde</strong>rathschreiber Kramer<br />

79


Haushaltungs Rechnung<br />

Alt Gemeindammann Conrad <strong>Keller</strong> sel. Wittwe <strong>und</strong> Kinder zu <strong>Volken</strong><br />

unter vogtlicher Aufsicht Hans Jacob Gislers <strong>von</strong> daselbsten<br />

De Mart. 1823 ad 1824.___________________________________________<br />

Namen <strong>und</strong> Alter der Wittwe <strong>und</strong> Kinder<br />

Wittwe: Susanna Gisler alt 36 Jahr<br />

Kinder: 1. Hs Conrad <strong>Keller</strong><br />

alt 8 Jahr<br />

2. Anna Barbara 7 Jahr<br />

_______________________________________________________________<br />

Gegenwärtige Aktiva<br />

Passiva<br />

Liquides<br />

11799 fl 34 s<br />

1679 fl 24 s<br />

10120 fl 10 s<br />

487 fl 25 s Vorschlag seit letzter Rechnung.<br />

Abschied<br />

Den 25ten Merz 1825 ward vorstehende Rechnung vor Unterwaisenamt<br />

in Anwesenheit des vögtlichen Aufseher <strong>und</strong> der Wittwe <strong>und</strong><br />

Hr Richter Heinrich <strong>Keller</strong> <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> als der Kinder Beystand<br />

verlesen nach richtig befinden dem vögtlichen Aufseher zu Dank<br />

abgenohmen anbey erkennt:<br />

1. Gebührt dem vogtlichen Aufseher als Vogtlohn 64 Frk 7 Bz allwo aber<br />

nach des vogtlichen Aufsehers Äusserung <strong>die</strong>ser ganze Betrag nicht verlangt wird.<br />

2. Ist der vogtliche Aufseher in seiner Stelle bestähtiget <strong>und</strong> der Wittwe <strong>die</strong>ses<br />

Wesen ferner überlassen, worauf sie <strong>die</strong> Kinder mit allem Nöthigen zu<br />

besorgen sich ferner verpflichtet.<br />

3. Solle auf Genehmigung des lobl. Oberwaisenamtes mit Mart(ini) 1828 Haus-<br />

Haltungs-Rechnung abgelegt werden.<br />

4. Bezieht das Unterwaisenamt pr. Sitzgeld 12 Frk, der Schreiber 2 Frk.<br />

<strong>und</strong> der Weibel 4 Bz.<br />

Vom lobl. Oberwaisenamt ratificiert.<br />

Nom. des U.W.Amtes<br />

Gemdammann Kramer<br />

80


Haushaltungs-Rechnung<br />

Conrad <strong>Keller</strong> alt Gemeindammann Conrad <strong>Keller</strong> sel.<br />

Wittwe <strong>und</strong> Kinder unter vögtlicher Aufsicht Hans Jakob Gislers <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

de Martini 1825 ad dito 1826___________________________________________<br />

für<br />

Namen <strong>und</strong> Alter der Wittwe <strong>und</strong> Kinder<br />

Wittwe: Susana Gisler alt 38 Jahr<br />

Kinder: 1. Hs Conrad <strong>Keller</strong> alt 10 Jahr<br />

2. Anna Barbara <strong>Keller</strong> 9 Jahr<br />

Gegenwärtige Aktiva<br />

An eingehenden Schulden<br />

an Liegenschaften<br />

an Fahrnissen<br />

Tottal<br />

An Passiva gegenwärtig<br />

Liquides<br />

Vorschlag 135 fl 36 s.<br />

5594 fl 12 s<br />

5115 fl 31 s<br />

1260 fl 27 s<br />

11970 fl 30 s<br />

1669 fl 24 s<br />

10301 fl 6 s<br />

Abschied<br />

Den 10ten Aprill 1827 ward vorstehende Rechnung vor U. W.<br />

Amt in Gegenwart des vögtlich Aufsehers <strong>und</strong> der Wittwe<br />

<strong>und</strong> Hr. Richter <strong>Keller</strong> <strong>von</strong> <strong>Volken</strong> als nächst Verwandter<br />

verlesen, nach arritmetischem richtig befinden zu Dank abgenohmen<br />

anbey erkennt. —<br />

1. ist der vogtliche Aufseher in seiner Stelle bestehtiget <strong>und</strong><br />

solle mit Martini 1828 Rechnung ablegen.<br />

2. Ist der Wittwe <strong>die</strong>ses Wesen zur Benutzung ferner überlassen<br />

alles lt. Inhalt <strong>die</strong>ser Rechnung<br />

3. Hätte <strong>die</strong>se Rechnung laut Erkanntnis des Lobl. Oberwaisenamtes<br />

vom 20ten Juny 1825 nach dem Formular Litr. A. gestellt werden<br />

sollen, sowie auch dass <strong>die</strong> kleineren Activ-Posten hätten eingezogen<br />

<strong>und</strong> unter annähmbarer Versicherung in grössere verwandelt<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> grossern Posten, welche nicht versichert, ebenfalls<br />

als wirklich versichert in <strong>die</strong>ser Rechnung hätten compartieren<br />

sollen.<br />

4. bezieht das U.W.Amt pro Sitzgeld 12 Frk, der Schreiber 2 Fr.<br />

der Wajbel 4 Bz.<br />

Nom. des U.W.Amtes Gmdamman Kramer<br />

Vorstehend Rechnung vom Lobl. Oberwaysenamt mit der Bemerkung<br />

ratificiert, dass <strong>die</strong>selbe nach früherer Vorschrift hätte gestellt <strong>und</strong> begründet werden sollen.<br />

81


Haushaltungs Rechnung<br />

Alt <strong>Gemeinde</strong>ammann Conrad <strong>Keller</strong> slg. Wittwe <strong>und</strong> Kinder zu <strong>Volken</strong> unter<br />

vögtlicher Aufsicht Jakob Gisslers <strong>von</strong> daselbsten<br />

de Martini 1827 u. dito 1828<br />

________________________________________<br />

Namen <strong>und</strong> Alter der Wittwe u. Kinder<br />

Wittwe Susanna Gisler alt 40 Jahr.<br />

Kinder 1. Joh. Konrad <strong>Keller</strong> alt 12 Jahr.<br />

2. Anna Barbara <strong>Keller</strong> alt 11 dito.<br />

________________________________________________<br />

Gegenwärtige Activa<br />

An eingehenden Schulden<br />

6240 fr 36 B<br />

an Liegenschaften<br />

5115 fr 31 B<br />

an Fahrnissen<br />

1089 fr 27 B<br />

Tottal 12446 fr 14 B<br />

An Passiva gegenwärtig<br />

1664 fr 32 B<br />

Liquides 10781 fr 22 B<br />

Vorschlag 480 Fr. 16 B<br />

Abschied<br />

Den 13tn Merz 1829 ward vorstehende Rechnung vor Unterwaisenamt in Anwesenheit des vögtlichen Aufsehers<br />

<strong>und</strong> der Wittwe, <strong>und</strong> Hr. Richter Heinrich <strong>Keller</strong> als nächst Verwandter verlesen, nach richtig befinden zu<br />

Dank abgenohmen – anbey erkannt.<br />

1. gebühret dem vögtlichen Aufseher als Vogtlohn 68 Fr. 9 Btz 6 Rap. (welcher Betrag zwar <strong>von</strong> dem<br />

vögtlichen Aufseher nicht vollständig verlangt wird).<br />

2. ist der vögtliche Aufseher in seiner Stelle bestätiget.<br />

3. Da das lobl. Ob.W.amt laut Erkanntnuss vom 20.ten Junj 1825 <strong>und</strong> 15.ten August 1827 <strong>die</strong>ssfälllige<br />

Rechnung nach dem Formular Litr. A zu stellen befahl, sowie auch dass <strong>die</strong> kleineren Activ-<br />

Posten eingezogen <strong>und</strong> gegen annehmbare Versicherung in grössre verwandelt werden, welche Erkanntniss<br />

das U.W.Amt bey Abnahm letzerer Rechnung pflichtgemäss nicht unbeachtet gelassen, so<br />

findet das U.W.amt bey gegenwärtigem Anlass für zweckmässig.<br />

a) dass, da auch in andern <strong>Gemeinde</strong>n unseres Oberamts nach gesetzlicher Anleitung Haushaltungs-<br />

Rechnungen geben werden – auch <strong>die</strong>ser Vermögensbesitzstand (welcher <strong>bis</strong> dahin unverkennbar<br />

haushälterisch besorgt worden) sich dahin qualificiere, dass hierüber Haushaltungs- Rechnungen<br />

nach dem Formular Litr. B. gegeben werden können.<br />

b) in betreff der lfd. grösseren <strong>und</strong> kleineren Activposten bey welchen<br />

für den Bevogteten Schaden oder Verlust zu besorgen wäre,<br />

wird dem vögtlichen Aufseher aufgetragen, <strong>die</strong>selben ungesäumt<br />

einzuziehen <strong>und</strong> wo immer möglich auf versichertem Fuss zinstragend<br />

zu machen.<br />

4. Soll mit Mart. 1830 Haushaltungs-Rechung abgelegt werden.<br />

5. bezieht das Unterwaisenammt 14 Frk. --- dem Schreiber 2 Frk. <strong>und</strong> dem Waibel 4 Batzen.<br />

Nom. des Unterwaisenamts<br />

Gemeindrathschreiber H. Kündig<br />

Vom lobl. Ob.W.amt mit besondern Bemerkungen ratificirt.<br />

Vide Bemerkung laut Rechnung dem Ob.W.amtlichem Beschluss<br />

Welche aber nachher geändert wurden<br />

82


Haushaltungs-Rechnung<br />

Conrad <strong>Keller</strong> alt Gmdammans sgl. W. u. Kinder unter vogtlicher Aufsicht Jakob Gisler<br />

<strong>von</strong> <strong>Volken</strong> De M. 1829 <strong>bis</strong> M. 1833<br />

Namen u. Alter der W. u. Kinder<br />

Wittwe: Susanna née Gisler alt 45 Jahr<br />

Kinder: 1. Conrad <strong>Keller</strong> alt 17 Jahr<br />

2. Ana Barbara alt 16 Jahr<br />

Gegenwärtig Activa 10751 fl 18 s<br />

Dito Passiva 1571 fl 10 s<br />

Liquides 9180 fl 8 s<br />

Abscheid<br />

Den 9ten Junj 1834 ward vorstehend Rechnung <strong>von</strong> dem<br />

Gmdrath in Gegenwart des vögtlichen Aufseher der Wittwe <strong>und</strong><br />

Frd.richter <strong>Keller</strong> zu <strong>Volken</strong> verlesen, nach richtig befinden dem<br />

vögtlichen Aufseher mit Dank <strong>und</strong> Zufriedenheit abgenohmen,<br />

anbey anerkennt.<br />

1. hat der vögtliche Aufseher den Vogtlon nicht bezogen<br />

2. ist derselbe vögtliche Aufseher in seiner Vogtstelle bestetiget<br />

<strong>und</strong> solle mit Martini 1835 Rechnung ablegen.<br />

3. Seye dem Vogt aufgetragen <strong>die</strong> laufende Posten per 800 fl versicheren zu lasen.<br />

4. Gebührt Gmdrath für jede Rechnungabnahme per Sitzgeld 14 Fr.<br />

6 Bz 8 Rap., dem Schreiber 2 Fr. per Abschied <strong>und</strong> Protokol, dem Weibel 4 Bz<br />

Nom. des Gemeindraths<br />

Schuler Gmdrathschreiber<br />

Erkantnis des Bezirksrathes<br />

Vorstehende Rechnung wurde in hütiger Sitzung mit folgenden<br />

Bemerkungen <strong>von</strong> dem Bezirsrath ratifiziert:<br />

1. ist <strong>die</strong> Bilanz unregelmässig gezogen worden<br />

2. Da <strong>die</strong> Schuldbriefe auf Rudolf Peyer, Konrad Fehr, Ulrich Morgen <strong>und</strong> Johanes Kramer weder<br />

<strong>von</strong> dem Erblasser herstammen noch mit waisenamtlicher Bewilligung angelegt wurden, so werden<br />

solche nur unter der geleisteten Bürgschaft der Wittwe, des Herrn Untergerichts Präsident<br />

Gisler in Flaach <strong>und</strong> Frd.richter <strong>Keller</strong> in <strong>Volken</strong> anerkant <strong>und</strong> hat der Gmdrath<br />

den <strong>die</strong>ssfälligen, vom 14ten April 1834 datierten Bürgschaftschein<br />

in Archiv zu verwahren.<br />

3. Sollen in heutiger Rechnung auf pag. 2 <strong>die</strong> zu der Güterschatzung berechneten<br />

305 fl 34 s wegen einer neuer Stokmauer wider abgezogen <strong>und</strong> <strong>die</strong>se<br />

Baukosten <strong>von</strong> der Wittwe getragen werden zumahl es natürlich ist,<br />

dass sie als Nutzniesserin der ganzen Verlassenschaft ihres Ehemannes slg.<br />

auch das Haus in gehörigen Stand unterhalten <strong>und</strong> über<strong>die</strong>ss<br />

zur Erbauung jener Maur <strong>die</strong> Consenz der Waisenbehörden nicht<br />

eingeholt wurden.<br />

4. Soll künftighin zu jeder Geltanlegung <strong>die</strong> Bewilligung<br />

der Waisenbehörden eingeholt werden.<br />

5. Ist für <strong>die</strong> 800 fl haltende laufende Post mit Beforderung ein<br />

Versicherungspro inzu geben.<br />

Kanzleygebühr 2 Fr. Weibel 2 Bz<br />

Actum Donnerstags den 24. Julj 1834<br />

Vor dem Bezirksrath Andelfingen<br />

Der Actuar J.J. Hablützel<br />

83


Haushaltungs-Rechnung<br />

<strong>von</strong><br />

Jacob Gisler als vögtlicher Aufseher des Alt <strong>Gemeinde</strong>ammans Konrad <strong>Keller</strong><br />

Namen <strong>und</strong> Alter der Befogteten<br />

Wittwe <strong>und</strong> Kinder, allerseits <strong>von</strong> <strong>Volken</strong><br />

De Mart(ini) 1834 <strong>und</strong> 1835<br />

Wittwe Susanna Gisler alt 47 Jahre<br />

Kinder Hs Conrad <strong>Keller</strong> alt 19 Jahre<br />

Ana Barbara <strong>Keller</strong> alt 18 Jahre<br />

Gegenwärtige Activa<br />

An eingehend Schulden<br />

4565 fl<br />

Schatzung der Liegenschaften 5115 fl 31<br />

Fahrnissen 1069 fl 27<br />

10750 fl 18 s<br />

An Passiva 1570 10<br />

Abscheid<br />

9180 fl 8 s<br />

<strong>Volken</strong> d. 16ten April 1836 war vorstehende Rechnung vor dem<br />

Gem.Rath in Gegenwart des Vogt, der Wittwe <strong>und</strong> Friedensrichter<br />

<strong>Keller</strong> <strong>von</strong> da zu <strong>Volken</strong> verlesen nach richtig befinden dem<br />

Vogt mit Dank abgenohmen, anbey erkent.<br />

1. Gebührt dem Vogt per Vogtlohn 58 Frk 6 Bz.<br />

2. Ist derselbe in seiner Vogtstelle bestetiget <strong>und</strong> soll derselbe<br />

mit Martinj 1837 wiederum Haushaltungs Rechnung ablegen<br />

3. Da laut Erkantnis des lobl. Bz.rathes hette sollen<br />

305 fl 31 s an der Güterschatzung abgezogen werden,<br />

selbiges aber nicht geschähen ist, wil der Bau <strong>von</strong> Lobl.<br />

Oberwaisenamt bewilliget worden ist den 17. April <strong>und</strong> 11. May 1822.<br />

4. Gebührt dem Gmdrath per Sitzgeld 14 Frk 6 Bz 8 Rap,<br />

dem Schreiber 8 Frk Abschied u. Prot., dem Weibel 11 Bz Botenlon<br />

Bescheint im Nam. des Gmdraths<br />

Bz.rathlich ratificiert<br />

Präsident Schuler<br />

84


Alt Gemeindammanns selg. Wittwe u. Kinder zu<br />

<strong>Volken</strong> unter vögtlicher Aufsich Jakob Gisler <strong>von</strong> da<br />

Haushaltungs Rechnung<br />

für<br />

De: Marti 1836 ad dito 1837<br />

Nahmen <strong>und</strong> Alter der Wittwe <strong>und</strong> Kinder<br />

Wittwe Susana geb. Gisler geb. 1789<br />

Kinder 1. Conrad <strong>Keller</strong> geb. 1817<br />

Gegenwärtige Activa<br />

2. Barbara <strong>Keller</strong> geb. 1818<br />

a. an Capital 4565 fl ---<br />

b. Schatzung der Liegenschaft 5115 fl 31<br />

c. dito an Fahrnissen 1072 fl 27<br />

Total 10753 fl 18 S<br />

An Passiva 1579 fl 10<br />

Liquides 9180 fl 8 S<br />

Abscheid<br />

<strong>Volken</strong> den 31ten Merz 1838 ward vorstehende Rechnung vor dem<br />

Gmeindrath in Gegenwart des vögtlichen Aufseher <strong>die</strong><br />

Wittwe u. ihren Beystand Frd:richter <strong>Keller</strong> u. der Vogtknab<br />

Conrad <strong>Keller</strong> zu <strong>Volken</strong> verlesen nach richtig befinden.<br />

dem Vogt mit Dank u. Zufriedenheit abgenohmen<br />

anbey erkent.<br />

1. Gebührt dem vögtlichen Aufseher nach gesetzlich<br />

Anleitung per Vogtlon 58 fr. 6 bz.<br />

2. Ist der selbe in seiner Vogtstelle bestetiget.<br />

3. Da lut Bericht des vögtlichen Aufseher <strong>die</strong> Wittwe nebst ihren<br />

bereits erwachsene Sohn u. Tochter der Gutergewerb in einem<br />

sehr guten Zustand behalten hatt, so hat der Gmd.rath nebst<br />

dem Vogt auf <strong>die</strong>sen Bericht hin <strong>die</strong>ser Gutergewerb der Wittwe,<br />

dem Sohn <strong>und</strong> Tochter wieder überlassen mit bestem Zutrauen.<br />

4. Gebührt dem Gmdrath nach gesetzlicher Anleitung per Sitzgeld<br />

14 Frk 6 Bz. 8 Rap, dem Schreiber 2 Frk u. dem Weibel 4 Bz<br />

Im Namen des Gemeind.raths<br />

Präs. Schuler<br />

Bz.rathliche Ratifiziert ohne Bemerkung d 3. März 1838<br />

Kanzleygebür 2 Fr., Weibel 2 Bz.<br />

Bz.rathschreiber Hablützel<br />

85


Haushaltungs Rechnung<br />

für<br />

Alt Gemeindammanns Conrad <strong>Keller</strong> slg Wittwe <strong>und</strong><br />

Kinder zu <strong>Volken</strong> unter vögtlicher Aufsicht<br />

Hs Jakob Gisler daselbsten<br />

De Martini 1837 <strong>und</strong> Martini 1839<br />

Familien<br />

Witwe Susana Gisler geboren 1789<br />

Kinder Conrad <strong>Keller</strong> geboren 1817<br />

Barbara <strong>Keller</strong> geboren 1818<br />

Gegenwärtige Activa<br />

A an Capital 4565 fl -- s<br />

B Schatzung der Liegenschaft 5115 fl 31<br />

C dito der Fahrnissen 1078 fl 27<br />

Total 10759 fl 18 s<br />

An Passiva 1579 fl 10<br />

Liquides<br />

9180 fl 8 s<br />

Abschied<br />

Den 11 August 1840 ward vorstehende Rechnung vor dem Gmdrath<br />

in Gegenwart des vögtlichen Aufsehers <strong>und</strong> der Witwe nebst ihrem<br />

Beistand Hr. Richter <strong>Keller</strong> <strong>und</strong> der Sohn Gemeindrathschreiber Conrad<br />

<strong>Keller</strong> verlesen, nach richtig befinden zu Dank abgenohmen, anbei erkent:<br />

1. Gebühret dem vögtlichen Aufseher nach gesetzlicher Anleitung<br />

Vorschrift als Vogtlohn 58 Frk 6 Bz.<br />

2. Da <strong>die</strong> Witwe nebst ihrem Sohn (Gmdrthschrbr <strong>Keller</strong>) mit gegenwärtiger<br />

Rechnungsabnahme angelegentlich um <strong>die</strong> Entlassung<br />

<strong>von</strong> der Vorm<strong>und</strong>schaft angesucht hat der Gmdrath – in<br />

Berücksichtigung,<br />

a) dass zwar wohl das gesetzliche majorene Alter betreffend <strong>die</strong><br />

Vogtkinder noch nicht völlig eingetreten ist – dass aber –<br />

b) sowohl der Witwe als auch den Vogtkindern, ein, in jeder<br />

Hinsicht haushälterisches – Betragen nirgends abgeht, so dass<br />

für <strong>die</strong> Zukunft für <strong>die</strong>selben, weder in öconomisch- noch<br />

moralischer Hinsicht auf ihre Existenz auch ohne weitere<br />

Bevogtegung gar keine Besorgniss obwalte, <strong>und</strong> dass –<br />

c) der Sohn Conrad <strong>Keller</strong> seit mehr als einem Jahr eine öffentliche<br />

Stelle als Gemeindrthschreiber bekleidet <strong>und</strong> dass –<br />

d) der vögtliche Aufseher in Übereinstimmung mit den Bevogteten<br />

selbst um ihre <strong>die</strong>sfällige Entlassung angesucht – kein Bedenken<br />

gef<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> Betreffenden auf Rattification, des<br />

Lobl. Bz:rathes, anmit der Vorm<strong>und</strong>schaft zu entlassen <strong>und</strong><br />

zwar mit dem Zusatz, dass der vögtliche Aufseher <strong>bis</strong><br />

zu erfolgter Ratification <strong>die</strong>ses Antrages an seiner Stelle werd bleiben.<br />

3. bezieht der Gemmdrath pr. Sitzgeld 5 Frken, der Schreiber<br />

2 Frk 5 Btz., Weibel 4 Btz.<br />

Namens des Gmdrathes<br />

Präsident Kramer<br />

In gegenwärtig eintreffender Verhinderung – für den<br />

Gmdrathschreiber<br />

Gmdrath Conrad Erb<br />

86


Schluss-Haushaltungs-Rechnung<br />

Alt Gemeindammanns Conrad <strong>Keller</strong> slg. Wittwe<br />

<strong>und</strong> Kinder zu <strong>Volken</strong> unter vögtlicher Aufsicht<br />

des Hs Jakob Gissler <strong>von</strong> daselbsten<br />

Mart. 1840 u. 1841<br />

Nahmen u. Alter der Wittwe u. Kinder<br />

Wittwe Susana Gisler geb. 1789<br />

Kinder Hs. Conrad <strong>Keller</strong> geb. 1817<br />

Anna Barbara <strong>Keller</strong> geb. 1818<br />

Activa<br />

An Capital<br />

An Liegenschaften<br />

An Fahrnussen<br />

4565 fl<br />

5115 fl 31 s<br />

1090 fl 27 s<br />

Summa 10771 fl 18 s<br />

Passiva 1591 fl 10<br />

Liquides 9180 fl 8 s<br />

Den 30ten Merz 1842 wurde vorstehende<br />

Schlusssrechnung vor dem Gmdrth in Anwesenheit<br />

des Vogts, der Wittwe nebst ihren Beystand Frd.<br />

Richter <strong>Keller</strong> u. dem Sohn Hr Seckelmeister Conrad<br />

<strong>Keller</strong>, mit Zustimmung nahmens der Tochter, ihr<br />

Eheman Hr. Hs Jakob Wipf <strong>von</strong> Trüllikon verlesen<br />

u. nach richtig befinden mit Dank abgenohmen,<br />

anbey erkannt.<br />

1. Gebührt dem vögtlicher Aufseher, Vogtlohn 58 Frk<br />

2. Da <strong>die</strong> Bevogteten ihre Majorenitet erreicht<br />

u. um Entlassung der Vorm<strong>und</strong>schaft angesucht,<br />

so wird hierseits erstinstanzlich ihrem Gesuch<br />

entsprochen.<br />

3. Nach eingegangener Rativication des Löbl. Bez:Rathes<br />

sollen <strong>die</strong> gesetzlichen Empfangsbescheinigungen <strong>von</strong> den<br />

Vögtlingen ausgestellt werden.<br />

4. bezieht der Gmdrth pr Sitzgeld 5 Frk., der Schreiber<br />

2 Frk. 5 Bz. <strong>und</strong> der Weibel 4 Bz.<br />

Vom löbl Bez:Rath rativiciert<br />

den 30ten Merz 1842.<br />

Im Namen des Gmdrths<br />

Der Schreiber Hatt<br />

87


Kantonale Gebäudeversicherung<br />

Liste der versicherten Gebäude <strong>von</strong> J.C. <strong>Keller</strong><br />

88


Häuserliste der Kantonalen Gebäudeversicherung<br />

Weintrotte<br />

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