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1 Dr. Franz Segbers / Universität Marburg Gegen Rente ab 67. Den ...

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<strong>Dr</strong>. <strong>Franz</strong> <strong>Segbers</strong> / Universität <strong>Marburg</strong><br />

<strong>Gegen</strong> <strong>Rente</strong> <strong>ab</strong> <strong>67.</strong><br />

<strong>Den</strong> sicheren Weg in die Altersarmut!<br />

Kundgebung von IG Metall und ver.di in Tübingen 10. September 2013<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

Überall wird geklagt: Der Wahlkampf sei langweilig. Doch die Langeweile des Wahlkampfes<br />

ist nur die Kulisse. Hinter der Kulisse brodelt es gewaltig. Die Politik hat<br />

nämlich Angst, die wirklich heißen Themen anzufassen.<br />

Der Armutsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2008 konnte noch feststellen,<br />

dass Altersarmut kein akutes Problem mehr darstellen würde. Doch diese sozialpolitische<br />

Erfolgsmeldung stand wohl das letzte Mal in einem Armutsbericht. Statt die<br />

tatsächlichen Sorgen und Probleme der Menschen im sechsten Jahr der Finanzkrise<br />

aufzugreifen, sind mehr oder weniger sinnlose Sprüche auf den Wahlplakaten zu finden.<br />

D<strong>ab</strong>ei machen sich sechs von zehn Menschen in diesem Land Sorgen um ihre gesicherte<br />

<strong>Rente</strong>. Eine überwältigende Mehrheit von 80 Prozent sagen, dass für die <strong>Rente</strong>npolitik<br />

in die falsche Richtung geht. Sie fordern einen grundlegenden Kurswechsel.<br />

Doch darüber reden die Politiker nicht. Sie tun es nicht, weil das Ergebnis ihrer falschen<br />

<strong>Rente</strong>npolitik der letzten Jahre nun zu besichtigen ist und sie dafür nicht Verantwortung<br />

tragen wollen.<br />

Und deshalb stehen wir heute hier.<br />

Alle klagen darüber, dass die Solidarität im Lande dahin schmilzt wie der Schnee in<br />

der Sonne. Doch die Solidarität schmilzt nicht von selber dahin. Es war die Politik, die<br />

die Solidarität zwischen den Bürgern beschädigt und deformiert hat. Das zeigt sich<br />

exemplarisch an der <strong>Rente</strong>npolitik. Die gesetzliche umlagefinanzierte <strong>Rente</strong> ist ein<br />

Ausdruck der Solidarität in der Gesellschaft. <strong>Den</strong>n die, die arbeiten, erarbeiten die<br />

<strong>Rente</strong> von denen, die nicht mehr arbeiten. Das ist eine Solidarität zwischen den Generationen.<br />

Und genau diese Solidarität der Generationen hat die Politik mutwillig<br />

und ohne Not zerstört.<br />

Wenn das <strong>Rente</strong>nniveau – wie gesetzlich vorgesehen – künftig bis auf 43 Prozent<br />

sinkt, wird Altersarmut zum Massenphänomen.<br />

Wer heute 2.500 Euro verdient, bekommt nach 35 Beitragsjahren eine <strong>Rente</strong> in der<br />

Höhe von 688 Euro. Man kann es auch anders sagen: Dann bekommt das halbe<br />

Volk Grundsicherung im Alter.<br />

1


Das ist kein Zufall. Diese Zerstörung der <strong>Rente</strong> auf der Grundlage der Solidarität der<br />

Generationen ist ökonomisch gewollt und politisch gemacht. Die von der Politik beschlossenen<br />

Kürzungen, <strong>Rente</strong>n<strong>ab</strong>senkungen, Dämpfungsfaktoren, Riesterfaktoren<br />

und Riestertreppen verrichten ihre Arbeit. Sie koppen die <strong>Rente</strong>n immer mehr von<br />

den Löhnen <strong>ab</strong>.<br />

Die Ursachen sind weithin bekannt und auch unumstritten:<br />

Die <strong>Rente</strong>npolitik der letzten Jahre und die Arbeitsmarktentwicklung.<br />

Seit zehn Jahren hat die Politik einen grundlegenden Wechsel in der <strong>Rente</strong>npolitik<br />

eingeleitet. Man hat sich von der Lebensstandardsicherung ver<strong>ab</strong>schiedet und das<br />

<strong>Rente</strong>nniveau <strong>ab</strong>gesenkt, das entspricht einer <strong>Rente</strong>nkürzung um rund zwanzig Prozent<br />

bis zum Jahr 2030. Das ist die entscheidende Ursache für Armut im Alter.<br />

Gleichzeitig wurde mit der Agenda 2010 und Hartz IV der Arbeitsmarkt dereguliert.<br />

Seitdem gibt es immer mehr Leiharbeiter, in Billigjobber oder befristet Beschäftigte.<br />

Seit Jahren sinkt die <strong>Rente</strong> für Neurentner. Wer im Jahr 2000 in <strong>Rente</strong> ging, bekam<br />

1021 Euro. Wer letztes Jahr in <strong>Rente</strong> ging bekam bei gleichen <strong>Rente</strong>nbeiträgen nur<br />

noch 953 Euro. Seit Bismarck galt in der <strong>Rente</strong>npolitik: Das Höhe der <strong>Rente</strong> richtet<br />

sich nach der Beitragshöhe. Doch jetzt ist nicht mehr <strong>Rente</strong>nhöhe entscheidend,<br />

sondern die Beitragshöhe. Jetzt heißt es, dass die Beitragshöhe 22 Prozent nicht<br />

übersteigen darf. Das war ein Geschenk an die Arbeitgeber. Doch das sagte man<br />

nicht so. Lieber sagt man: Man will die Versicherten nicht über Gebühr belasten.<br />

Doch die Entlarvung folgt auf dem Fuß: Man gibt vor die Arbeitnehmer zu entlasten,<br />

mutet ihnen <strong>ab</strong>er zu, jetzt 4 Prozent für die private Vorsorge zu leisten. 11 Prozent<br />

<strong>Rente</strong>nbeitrag für Arbeitnehmer plus 4 Prozent private Vorsorge macht 15 Prozent.<br />

Also sind die Kosten gestiegen – nicht <strong>ab</strong>er für die Arbeitgeber, doch für die Arbeitnehmer.<br />

Das Schlimmste d<strong>ab</strong>ei ist, dass mit dieser Belastung von insgesamt 15 Prozent<br />

nicht einmal das frühere <strong>Rente</strong>nniveau erreicht wird.<br />

Die <strong>Rente</strong>nreformen der Regierungen seit Rot-Grün, Rot-Schwarz und Schwarz –<br />

Gelb h<strong>ab</strong>en eines gemeinsam: Man hat sich von der <strong>Rente</strong>nreform aus dem Jahr<br />

1957 ver<strong>ab</strong>schiedet. Damals hieß es: <strong>Rente</strong> ist eine Lohnersatzleistung und zweitens<br />

ein Lohn für Lebensleistung. Auch die Rentnerinnen und Rentner sollten an der<br />

Wohlstandsentwicklung im Lande teilh<strong>ab</strong>en. Das war eine <strong>Rente</strong>, die auf der Solidarität<br />

der Generationen beruht. Die, die arbeiten, finanzieren die <strong>Rente</strong> von denen, die<br />

nicht mehr arbeiten. Von dieser grundlegenden Solidarität hat man sich in der <strong>Rente</strong>nreform<br />

ver<strong>ab</strong>schiedet. Das ist der Grundfehler.<br />

Die Folgen kann man besichtigen:<br />

Die <strong>Rente</strong> gerät für immer mehr Menschen in die Nähe der Sozialhilfe. Wenn eine<br />

Alterssicherung, die mit Beiträgen finanziert wurde, nicht viel höher als die Fürsorge<br />

ist, die man vom Staat ohne Beitragszahlungen erhält – warum soll man dann der<br />

beitragsfinanzierten <strong>Rente</strong> noch vertrauen<br />

Unerträglich ist der politische <strong>Rente</strong>npoker, den sich die Parteien seit über einem<br />

Jahr leisten. Die SPD hat sich zwar nach langem Ringen auf eine sogenannte Solidarrente<br />

verständigen können. Geringverdiener, die langjährig versichert sind, sollen<br />

ihre <strong>Rente</strong> aufstocken können. Doch kann man es eine Solidarrente nennen, wenn<br />

jemand auch nach jahrzehntelanger Versicherung gerade einmal 850 Euro erhält<br />

2


Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen wollte sich als soziales Gewissen ihrer<br />

Partei profilieren. Der Berg kreiste und geboren wurde ein Mäuslein von 850 Euro<br />

Minirente. Nur der soll eine Aufstockung der Minirente bekommen, der auch eine kapitalgedeckte<br />

Altersrente <strong>ab</strong>schließt. Ursula von der Leyen macht die Lebensleistungsrente<br />

zu einem Geschäftsmodell für die Versicherungswirtschaft. Es ist ein<br />

Hohn, dies eine Lebensleistungsrente zu nennen. Es ist geradezu unerklärlich, ja<br />

verantwortungslos, wenn jetzt den Geringverdienern eine kapitalgedeckte Lebensleistungsrente<br />

zu präsentieren, wo alle sehen, dass die Finanzmärkte ihre Versprechungen<br />

nicht mehr halten können.<br />

Beim <strong>Rente</strong>nvorschlag der Grünen wird eine <strong>Rente</strong> garantiert in der Höhe von 850<br />

Euro nach 30 Versicherungsjahren.<br />

Man mag ja in Görlitz oder auf der Schwäbischen Alb mit 850 Euro im Monat über die<br />

Runden kommen, <strong>ab</strong>er nicht in Stuttgart. Was hier <strong>Rente</strong> genannt wird, das trennt<br />

nur ein paar Euro von der Grundsicherung im Alter. Das ist keine <strong>Rente</strong> für ein Alter<br />

in Würde.<br />

Die LINKE ist die einzige Partei, die eine Mindestrente von 1050 Euro fordert. Sie hat<br />

einen Abstand zur Grundsicherung im Alter und liegt oberhalb der Armutsgrenze.<br />

Die Politiker h<strong>ab</strong>en das Problem erkannt:<br />

Viele <strong>Rente</strong>n reichen nicht mehr zum Leben. Doch sie gehen das Grundproblem<br />

nicht an. Das Grundproblem wird verschwiegen. <strong>Den</strong>n dieses Grundproblem ist politisch<br />

gemacht: Das <strong>Rente</strong>nniveau sinkt seit Jahren beständig.<br />

Wenn Sie sich ihren <strong>Rente</strong>nbescheid anschauen, dann sehen Sie schwarz auf weiß:<br />

Der <strong>Rente</strong>nbetrag schmilzt von Jahr zu Jahr, obwohl Sie Jahr für Jahr mehr Beiträge<br />

einzahlen. Hier zeigt sich: Die <strong>Rente</strong> richtet sich nicht mehr nach den eingezahlten<br />

<strong>Rente</strong>nbeiträgen. Die <strong>Rente</strong> sinkt, weil mit der Riester-<strong>Rente</strong> das <strong>Rente</strong>nniveau <strong>ab</strong>gesenkt<br />

wurde. Riester-Treppe heißt das im Fachjargon, und die geht nach unten.<br />

Die Politiker h<strong>ab</strong>en zur Überbrückung zwischen der sinkenden <strong>Rente</strong> und der Sicherung<br />

des Lebensstandards die Riester-<strong>Rente</strong> eingeführt. Sie soll das sinkende <strong>Rente</strong>nniveau<br />

aufzustocken.<br />

Doch nach zehn Jahren zeigt sich: Die Riester-<strong>Rente</strong> ist ein Flopp. Die Rent<strong>ab</strong>ilität<br />

der Riester-<strong>Rente</strong> ist ernüchternd. Die private Vorsorge hält nicht, was Lobbyisten<br />

und Politiker versprochen h<strong>ab</strong>en. Seit der Einführung der Riester-<strong>Rente</strong> h<strong>ab</strong>en sich<br />

die Rahmenbedingungen massiv geändert: Wer 2001 bei Abschluss einer Riester-<br />

<strong>Rente</strong> eine Monatsrente inklusive Überschüssen von 424 Euro erwarten konnte, hat<br />

jetzt nur noch 287 Euro in Aussicht. Das ist ein <strong>Dr</strong>ittel weniger. Die Riester-<strong>Rente</strong><br />

gaukelt eine Sicherheit vor, wo keine ist. Niemand weiß, wie sich der Kapitalmarkt in<br />

30 Jahren entwickelt und welche Renditen er sichert!<br />

Doch eines ist sicher: Die Riester-<strong>Rente</strong> wurde zu einem Megageschäft der Finanzbranche.<br />

Die Versicherungswirtschaft sitzt, wie Carsten Maschmeyer auf der Hauptversammlung<br />

seines Versicherungskonzerns gesagt hatte, auf einer sprudelnden<br />

Ölquelle. Recht hat er. Die Riester-<strong>Rente</strong> brachte der Versicherungsbranche 35 Mrd.<br />

Euro ein.<br />

Doch es gibt noch einen weiteren Profiteur: Die Arbeitgeber. Wenn nämlich die <strong>Rente</strong>nbeiträge<br />

sinken, dann sinken auch die Arbeitgeberbeiträge. Die Absenkung des<br />

3


<strong>Rente</strong>nniveaus ist eine heimliche Lohnkürzung. Die Arbeitgeber konnten sich aus der<br />

paritätisch finanzierten Altersvorsorge davon schleichen.<br />

Nach fünf Jahren Finanzkrise wissen wir: Massenweise h<strong>ab</strong>en Pensionsfonds ihr<br />

Leben ausgehaucht. Die privaten Pensionsfonds h<strong>ab</strong>en weltweit fast ein Viertel des<br />

Investitionswertes in der Finanzkrise verbrannt. Der größte amerikanische Versicherungskonzern<br />

AIG konnte nach einem Rekordverlust von über 100 Milliarden Dollar<br />

nur mit staatlicher Hilfe gerettet werden. Auch stöhnen die Lebensversicherungen,<br />

denn sie können den Garantiezins nicht mehr zahlen.<br />

Aber die Krise zeigt: Die einzige Alterssicherungsform, die von den Turbulenzen des<br />

Weltfinanzmarktes nicht berührt wird, ist das umlagefinanzierte, von der Arbeit gespeiste,<br />

gute, alte und so viel gescholtene <strong>Rente</strong>nversicherungssystem. Dass Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer halbe / halbe eingezahlt h<strong>ab</strong>en, ist nicht nur eine Finanzierungsfrage.<br />

In der Parität drückt sich aus, dass auch Arbeitnehmer und nicht nur die<br />

Arbeitgeber Teil h<strong>ab</strong>en an der wirtschaftlichen Entwicklung.<br />

Zur Wahrheit gehört, dass unsere Gesellschaft immer älter wird. Genauer: Der Anteil<br />

der Älteren nimmt zu und der Anteil der Jüngeren, die die <strong>Rente</strong> erwirtschaften,<br />

nimmt <strong>ab</strong>.<br />

Klar ist auch, wenn jemand länger lebt, dann bezieht er auch länger <strong>Rente</strong>. Es ist<br />

eine Milchmädchenrechnung, wenn gesagt wird. Früher h<strong>ab</strong>en 4 Arbeitnehmer die<br />

<strong>Rente</strong> für einen Rentner erarbeitet. Bald ist das Verhältnis 1:1.<br />

Die Wahrheit ist: Mit immer weniger Menschen werden wir immer mehr Güter erwirtschaften<br />

können. Deshalb geht es um die Produktivität der Arbeit. Diese Produktivität<br />

muss solidarisch verteilt werden. Dann schlägt auch die Produktivität die Demografie.<br />

Diese demografische Entwicklung wurde als Alibi für den Umbau der Altersvorsorge<br />

genutzt.<br />

Die meisten jungen Leute und auch Ältere glauben, dass wir wegen des demographischen<br />

Wandels das Kapitaldeckungsverfahren brauchen. Es ist ein Irrglaube,<br />

dass die Privatvorsorge und das Kapitaldeckungsverfahren den demografischen<br />

Wandel auffangen könnten. Ökonomisch ist unbestritten: Immer muss die arbeitende<br />

Generation für die Alten und Jungen sorgen. Jede Gesellschaft hat zu jedem Zeitpunkt<br />

mit der Arbeit der Arbeitsfähigen die Kinder und die Alten zu versorgen. Immer<br />

muss von den jetzt Arbeitenden zu den jetzt nicht mehr Arbeitenden verteilt werden,<br />

ob man nun die Börse dazwischen schaltet oder direkt umverteilt.<br />

Statt die Solidarität zu stärken und auszubauen, hat die Politik die solidarischen Sicherungssysteme<br />

fahrlässig demontiert. Diese Demontage der sozialen Sicherungssysteme<br />

hat die gesellschaftliche Solidarität deformiert und Altersarmut verursacht.<br />

Die Politik hat die Zukunftsfähigkeit einer solidarischen und umlagefinanzierten der<br />

Gesetzlichen <strong>Rente</strong> in Zweifel gezogen und die Leistungshöhe <strong>ab</strong>gesenkt wurde.<br />

Es gibt keinen Generationenkonflikt zwischen Jung und Alt, sondern einen Verteilungskonflikt<br />

innerhalb derselben Generation. Dass Gerede von Generationengerechtigkeit<br />

verdeckt den tatsächlichen Konflikt in unserer Gesellschaft. Es gibt arme<br />

Alte und reiche Alte wie es arme Junge und reiche Junge gibt. Unser Problem ist die<br />

Verteilungsungerechtigkeit innerhalb der jetzt lebenden Generationen, nicht ein Konflikt<br />

zwischen den Generationen. Die Generationengerechtigkeit wird innerhalb ein<br />

4


und derselben Generation verletzt – zwischen den jetzt Wohlh<strong>ab</strong>enden und den jetzt<br />

Armen.<br />

Zur Wahrheit gehört, dass es immer mehr alte Menschen gibt, die <strong>Rente</strong>n beziehen.<br />

Zur Wahrheit gehört <strong>ab</strong>er auch, dass der Kuchen noch nie so groß war. Wenn der<br />

Kuchen wächst und immer größer wird, wenn gleichzeitig die Menschen in Deutschland<br />

immer weniger werden, was bleibt dann für jeden einzelnen übrig Ein größeres<br />

Stück Kuchen. Wenn jemand nicht vorher ein Stück vom Kuchen klaut.<br />

Nach Ang<strong>ab</strong>en der Deutschen Bundesbank beträgt das private Geldvermögen in<br />

Deutschland fast 5 Billionen Euro. Doch dieser Reichtum ist ungleich verteilt sind. Die<br />

zehn Prozent Reichsten verfügen über Zweidrittel des Gesamtvermögens in diesem<br />

Land. Und die untere Hälfte der deutschen Haushalte muss sich gerade einmal ein<br />

Prozent des Reichtums in diesem Land teilen. Das ist tatsächliche Spaltung unserer<br />

Gesellschaft. Und sie verläuft nicht zwischen den Generationen sondern arm und<br />

reich. Dieses Land so reich wie nie zuvor und dann man wagt uns zu sagen, dass wir<br />

die Kosten für eine anständige <strong>Rente</strong> nicht mehr schultern könnten. Dieses Land ist<br />

reich genug, um anständige Löhne und würdige <strong>Rente</strong>n zahlen zu können.<br />

Die Agenda 2010 und Hartz IV h<strong>ab</strong>en eine Vielzahl von sozialversicherungsfreien<br />

Beschäftigungsverhältnissen geschaffen. Es muss wieder gelten: Jede Arbeit muss<br />

versicherungspflichtig werden. Würden alle Minijobs- und Midijobs versicherungspflichtig,<br />

dann flössen 1,5 Milliarden in die <strong>Rente</strong>nkasse. Die Einführung eines gesetzlichen<br />

Mindestlohnes würde der <strong>Rente</strong>nversicherung ein Plus von 2,8 Milliarden<br />

bescheren.<br />

Altersarmut ist dort zu bekämpfen, wo sie entsteht. Altersarmut entsteht durch Löhne,<br />

die nicht zum Leben reichen, durch sozialversicherungsfreie Erwerbsformen und<br />

durch Arbeitslosigkeit. Wer die Reformdebatte allein über das <strong>Rente</strong>nsystem und<br />

nicht über das Lohnsystem führt, der blendet die Ursachen der Altersarmut aus!<br />

Der Generalfehler war und ist die Absenkung des <strong>Rente</strong>nniveaus und die Riester-<br />

<strong>Rente</strong>. Eine Privatversicherung kann die Sozialversicherung ergänzen, <strong>ab</strong>er nicht<br />

ersetzen. Die Riester-<strong>Rente</strong> ist keine Antwort für Erwerbsunfähige, Arbeitslose und<br />

Geringverdiener.<br />

Kaum konnten durch die gute Beschäftigungslage die Rücklagen für die <strong>Rente</strong> aufgestockt<br />

werden, geht die Bundesregierung daran, den <strong>Rente</strong>nbeitrag zu kürzen.<br />

Warum wird er nicht genutzt, um die <strong>Rente</strong> zu stärken Doch die Regierungsparteien<br />

h<strong>ab</strong>en nun beschlossen, den Beitragssatz zu senken. Die Parteien, allen voran die<br />

CDU/CSU, sollte sich nicht länger vom Irrglauben leiten lassen, sie könnten die Menschen<br />

in Deutschland mit einer Senkung der <strong>Rente</strong>nbeiträge um ein paar Euro ködern.<br />

Die Menschen in Deutschland wollen keine mikrige Beitragssenkung sondern<br />

sichere <strong>Rente</strong>n. Mit Beitragssenkungen in der <strong>Rente</strong>nversicherung muss es ein für<br />

alle Mal eine Ende h<strong>ab</strong>en. Man kann nicht über die demografischen Herausforderungen<br />

klagen und dann noch die Beiträge senken. Das widerspricht sich.<br />

Die Rücklagen sollten deshalb genutzt werden, um die <strong>Rente</strong> armuts- und zukunftsfest<br />

zu machen. Wer jetzt die Beiträge senkt, der verpulvert die notwendigen Spiel-<br />

5


äume zur St<strong>ab</strong>ilisierung der künftigen <strong>Rente</strong>n. Wer ohne Not den <strong>Rente</strong>nbeitrag <strong>ab</strong>senkt,<br />

der will die Gesetzliche <strong>Rente</strong> schwächen.<br />

Statt die Kasse der gesetzlichen <strong>Rente</strong>nversicherung auszuhungern, brauchen wir<br />

ihre Stärkung. Wir brauchen einen Politikwechsel hin zu einer vorsorgenden <strong>Rente</strong>npolitik.<br />

Es geht d<strong>ab</strong>ei um zwei zentrale Ziele.<br />

• Niemand darf im Alter in Armut unter die Armutsgrenze fallen.<br />

• Der Lebensstandard muss auch im Alter gesichert bleiben.<br />

Wir brauchen wieder anständige Löhne für anständige Arbeit. Nur das kann zu anständigen<br />

<strong>Rente</strong>n führen. Das beste <strong>Rente</strong>nsystem wird nicht ausreichen, wenn immer<br />

mehr Menschen zu Niedriglöhnen arbeiten. Die <strong>Rente</strong>nversicherung kann nicht<br />

die Ungerechtigkeit der Lohnpolitik ausbügeln. Acht Millionen Menschen arbeiten zu<br />

Löhnen unter 8 Euro. Mit einem solchen Lohn kann man keine ausreichende <strong>Rente</strong><br />

geben.<br />

Die <strong>Rente</strong>n aus geringen Erwerbseinkommen müssen aufgewertet werden, damit<br />

niemand im Alter unter die Armutsgrenze fällt. Wir brauchen einen armutsfesten Mindestlohn.<br />

Wie wir als unterste Grenze einen Mindestlohn brauchen, so auch eine Mindestrente,<br />

die vor Armut im Alter schützt.<br />

Die Subventionierung der Riesterverträge, genauer der Versicherungswirtschaft –<br />

sollte schleunigst beendet werden. Die Steuermittel sollten in die <strong>Rente</strong>nversicherung<br />

fließen.<br />

Dann muss vor allem eines gemacht werden: Das <strong>Rente</strong>nniveau muss wieder angehoben<br />

werden.<br />

Der falsche Weg in der <strong>Rente</strong>npolitik wird mit der <strong>Rente</strong> mit 67 noch verschärft. Die<br />

<strong>Rente</strong> mit 67 ist ein Irrweg. Sie bestraft jene, die es nicht schaffen, bis 67 zu arbeiten.<br />

Bis 67 vollzeitbeschäftigt zu sein, mag für einen Professor angehen, nicht <strong>ab</strong>er für<br />

den Fliesenleger, die Krankenschwester, den Bandarbeiter. Bis 67 zu arbeiten ist für<br />

viele Berufsgruppen schlicht undenkbar und gesundheitlich nicht zu leisten. Wer ein<br />

Leben lang viel geleistet hat, hat sich seinen Ruhestand verdient und soll ihn gesund<br />

antreten können.<br />

Schauen Sie in die Betriebe und Verwaltungen: Kaum jemand ist dort in einem Alter<br />

von 64 Jahren noch beschäftigt. Das zeigt: Die <strong>Rente</strong> mit 67 ist nichts anderes als<br />

eine <strong>Rente</strong>nkürzung durch den Hinterausgang. Sie ist ein Irrweg. Wir brauchen flexible<br />

Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Arbeitsleben, auch vor dem 65. Lebensjahr.<br />

Die Folge der Rene mit 67 sind nicht mehr ältere Beschäftigte, sondern mehr ältere<br />

Arbeitslose und gekürzte <strong>Rente</strong>n!<br />

Übrigens: Durchschnittsverdienende müssten im Jahr 2030 monatlich lediglich 6,76<br />

Euro mehr <strong>Rente</strong>nbeitrag für das alte <strong>Rente</strong>neintrittsalter von 65 Jahren zahlen.<br />

Können wir uns das nicht leisten<br />

6


Die <strong>Rente</strong>npolitik der letzten Jahre hat die Gerechtigkeit zwischen den Generationen<br />

nicht gefördert. Sie hat die Gerechtigkeit zwischen den Generationen mutwillig und<br />

ohne Not beschädigt.<br />

<strong>Den</strong> Politikerinnen und Politikern müssen wir sagen: Man kann Fehlentscheidungen<br />

auch korrigieren. Die <strong>Rente</strong>n<strong>ab</strong>senkung und die <strong>Rente</strong> mit 67 sind solche grandiosen<br />

Fehlentscheidungen. Sie politisch, wirtschaftlich und auch menschlich verheerend.<br />

<strong>Rente</strong>nkürzungen, Riesterrente und „<strong>Rente</strong> <strong>ab</strong> 67“ – das sind traurige Höhepunkte<br />

einer falschen Politik.<br />

Es gibt Alternativen.<br />

Warum führen wir keine Erwerbstätigenversicherung ein Eine Versicherung, in die<br />

alle einzahlen: Arbeitnehmer, Selbstständige, Freiberufler, Beamte und Parlamentarier<br />

Warum erhöhen wir nicht die halbe/halbe durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanzierten<br />

Beitragssätze, anstatt die Lasten einseitig auf die Beschäftigen zu verschieben<br />

Beides würde Geld bringen.<br />

Doch auf eines kommt es vor allem an: Die Absenkung des <strong>Rente</strong>nniveaus muss<br />

zurückgenommen werden. Die gute alte, krisenfeste und solidarische Gesetzliche<br />

<strong>Rente</strong>nversicherung muss wieder gestärkt werden. Die Riester-<strong>Rente</strong> hat sich als<br />

Irrweg erwiesen. Sie trägt nichts bei zu einer ausreichenden, armutsfesten und lebensstandardsichernden<br />

Altersvorsorge.<br />

Ich appelliere besonders an die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Empört<br />

Euch! Euch mutet die Politik das <strong>ab</strong>gesenkte <strong>Rente</strong>nniveau zu und dann sollt ihr<br />

euch auch noch privat auf einem unsicherer Kapitalmarkt vorsorgen. Damit seht ihr<br />

am Ende alt aus!<br />

Nicht weniger sondern mehr Solidarität im <strong>Rente</strong>nsystem muss das Motto sein.<br />

Es wäre keine Schande, wenn die Politiker zugeben würden, dass die private kapital<strong>ab</strong>hängige<br />

Riester-<strong>Rente</strong> nicht hält, was man sich von ihr versprochen hat.<br />

Es wäre auch keine Schande einzusehen, dass die Senkung des <strong>Rente</strong>nniveaus ein<br />

Fehler war.<br />

Wenn dann auch noch die <strong>Rente</strong> <strong>ab</strong> 67 gestrichen und prekäre Beschäftigung wirksam<br />

bekämpft würde, wären wichtige, vorbeugende Schritte gegen die anschwellende<br />

Welle der Altersarmut gesetzt worden. Dazu gehört sicherlich Mut. Doch wer die<br />

Altersarmut verhindern will, der muss diesen Mut aufbringen. Und genau das erwarten<br />

wir von den Politikern und Politikerinnen.<br />

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