30.01.2015 Aufrufe

WACHSTUMSFIEBER Gesundheit als Treiber der ... - Roland Berger

WACHSTUMSFIEBER Gesundheit als Treiber der ... - Roland Berger

WACHSTUMSFIEBER Gesundheit als Treiber der ... - Roland Berger

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

CHARISMA: Der Übermanager ist ein Mythos Seite 12<br />

Jahrgang 3 Ausgabe 1<br />

März 2006<br />

Das Executive-Magazin von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

DENKER<br />

Peter Senge<br />

erklärt, wie Gesellschaften<br />

lernen<br />

MANAGER<br />

Novartis-Chef<br />

Vasella setzt<br />

auf neue Märkte<br />

HÄUPTLING<br />

Ein Cree-Dorf<br />

wi<strong>der</strong>spricht<br />

allen Klischees<br />

HISTORIKER<br />

Niall Ferguson<br />

fürchtet den globalen<br />

Finanzcrash<br />

Dossier ab Seite 27:<br />

<strong>WACHSTUMSFIEBER</strong><br />

<strong>Gesundheit</strong> <strong>als</strong> <strong>Treiber</strong><br />

<strong>der</strong> Weltwirtschaft


BÜRO DETROIT, ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS LLC,<br />

2401 WEST BIG BEAVER ROAD, SUITE 500, TROY, MI 48084, USA, Telefon: +1 248 729-5000,<br />

Fax: +1 248 649-1794, E-Mail: office_detroit@rolandberger.com


think: act das executive-magazin von roland berger strategy consultants jahrgang 3 märz 2006 first views f<br />

Wachstum braucht Innovation. Das gilt beson<strong>der</strong>s<br />

für die Pharma- und <strong>Gesundheit</strong>sbranche. Um die boomende<br />

Nachfrage nach <strong>Gesundheit</strong> und Wellness zu nutzen, müssen<br />

die Unternehmen hier nicht nur selbst Kreativität entwickeln,<br />

son<strong>der</strong>n auch offen sein für Partnerschaften und Kooperationen<br />

mit <strong>der</strong> Wissenschaft und mit dem Wettbewerb. Trends, Analysen<br />

und Fallbeispiele dazu finden Sie in unserem Dossier.<br />

Gerade die Fähigkeit zur Zusammenarbeit über nationale und<br />

Unternehmensgrenzen hinweg kann ein Wettbewerbsvorteil<br />

europäischer Unternehmen sein. Das zeigen die Positivbeispiele<br />

unserer Initiative „Best of European Business“. Nach den Preisverleihungen<br />

in den sieben stärksten Ökonomien <strong>der</strong> EU im<br />

Oktober 2005 haben wir nun analysiert, welche Unternehmen<br />

am erfolgreichsten Geschäfte in Europa machen, und zwar unabhängig<br />

von ihrer Nationalität. Das Ergebnis: Alle Gewinner<br />

haben europäische Wurzeln, die Spitzenunternehmen nutzen<br />

Europa <strong>als</strong> einen exzellenten Heimatmarkt.<br />

Unsere „Best of European Business“ weisen weitere wichtige<br />

Gemeinsamkeiten auf: Sie verfolgen eine klare Strategie mit<br />

gleichzeitigen Kostensenkungen und Investitionen in neues<br />

Wachstum. Sie nutzen die Vielfalt Europas <strong>als</strong> einen Wettbewerbsvorteil,<br />

sie kombinieren harte und weiche Faktoren,<br />

um Wachstum zu erzielen. Und sie richten sich ganz klar auf<br />

Kreativität und Persönlichkeit aus. O<strong>der</strong> – wie wir bei <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> sagen – auf „Characters creating impact“.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei <strong>der</strong> Lektüre<br />

Dr. Burkhard Schwenker<br />

CEO <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

3


p inhalt<br />

Rasante Verän<strong>der</strong>ungen prägen das Geschäft des globalen<br />

Einzelhandels. Der E-Commerce setzt sich zunehmend durch;<br />

Handelsmarken eröffnen neue Profitchancen. Seite 6<br />

Auch Gesellschaften müssen lernen, for<strong>der</strong>t Peter Senge, Vordenker<br />

des lernenden Unternehmens. Aber: Es reicht nicht, Lernen einfach zu verordnen.<br />

Gefragt sind Visionen – und ein langer Atem. Seite 8<br />

Mehr Marketing soll er betreiben, riet Kassenchef Norbert Klusen<br />

(rechts) Charité-CEO Detlev Ganten. Was dieser erwi<strong>der</strong>te und wie beide<br />

eine exzellente Versorgung sichern wollen, lesen Sie ab Seite 34.<br />

Mit alten Klischees hat das Leben <strong>der</strong> Cree-Indianer in Wemindji<br />

nicht mehr viel zu tun. Das kanadische Dorf ist ein Musterbeispiel für<br />

erfolgreiches Management und sensible Führung. Seite 24<br />

4


inhalt f<br />

food for thought<br />

6 Handelskampf<br />

Die größten Einzelhändler sitzen<br />

in den USA und in Europa.<br />

Handelsmarken sind im Kommen.<br />

8 Gesellschaft auf <strong>der</strong> Schulbank<br />

Peter Senge erklärt, warum echtes<br />

Lernen mehr ist <strong>als</strong> die Teilnahme<br />

an Seminaren.<br />

12 Mythos Charisma<br />

Ausstrahlung ist nicht angeboren.<br />

Und was gestern überzeugte, kann<br />

heute Wi<strong>der</strong>stand hervorrufen.<br />

20 Globalisierung am Ende<br />

Historiker Niall Ferguson sieht die<br />

USA in <strong>der</strong> Krise. Sein Kollege Herfried<br />

Münkler ist optimistischer.<br />

24 Boom im Reservat<br />

Wie ein Indianerhäuptling sein<br />

kanadisches Dorf zum Vorzeigeunternehmen<br />

macht.<br />

<br />

dossier<br />

27 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

Verstärkte Zusammenarbeit und<br />

<strong>der</strong> Fokus auf Innovation führen<br />

zum Erfolg.<br />

33 Heilsame Geldquellen<br />

Die Investoren entdecken den<br />

<strong>Gesundheit</strong>smarkt.<br />

34 Streitgespräch<br />

Wie viel Marketing muss ein<br />

Krankenhaus betreiben<br />

38 Ideen, die zu Märkten werden<br />

Roboter operieren, Kissen<br />

kuscheln.<br />

40 <strong>Gesundheit</strong>sstadt<br />

Mit einem riesigen Medizinzentrum<br />

will Dubai seine<br />

Abhängigkeit vom Öl reduzieren.<br />

42 Zauberwort Kooperation<br />

Pharmaunternehmen setzen auf<br />

Zusammenarbeit <strong>als</strong> Erfolgsrezept.<br />

45 Think-Tank<br />

Ein Forschungszentrum sammelt<br />

alles über MS, die Industrie freut’s.<br />

industry-report<br />

46 Europas Beste<br />

Die Spitzenfirmen des alten<br />

Kontinents sehen dessen Zukunft<br />

optimistisch.<br />

business-culture<br />

52 Ausgekuschelt<br />

Das Personalmanagement<br />

entdeckt die Vorzüge <strong>der</strong> straffen<br />

Führung wie<strong>der</strong>.<br />

56 Von wegen rational<br />

Manager lassen sich in ihren<br />

Entscheidungen von nationalen<br />

Stereotypen beeinflussen.<br />

58 Ostwind<br />

Wie Business-Schools zwischen<br />

Wilnius und Moskau die Kunst <strong>als</strong><br />

Wettbewerbsvorteil entdecken.<br />

60 Ten Years after<br />

Amitai Etzioni glaubt an die<br />

Macht des Gesellschaftlichen.<br />

regulars<br />

3 First Views<br />

50 Zukunftsmärkte im Check<br />

62 Service | Impressum<br />

Dossier<br />

Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong>: Wie<br />

Unternehmen vom Boom profitieren.<br />

Ab Seite 27<br />

5


p food for thought<br />

unternehmensgründung<br />

Handelsmacht<br />

Der harte Wettbewerb im Einzelhandel setzt die Unternehmen<br />

weiter unter Wachstumsdruck. In <strong>der</strong> Vergangenheit haben viele<br />

Konzerne auf Übernahmen gesetzt. Künftig scheint es vor allem<br />

um organisches Wachstum auch im Onlinebereich zu gehen – und<br />

um den Auf- und Ausbau starker Handelsmarken.<br />

Konzentration vorerst abgeschlossen<br />

Im Jahr 1991 teilten die fünf größten Handelsunternehmen noch knapp 16 Prozent des europäischen<br />

Lebensmittelmarktes unter sich auf. 2000 waren es schon 25 Prozent. Dabei dürfte es<br />

vorerst auch bleiben, prognostizieren die Forscher von Planet Retail. Ein sprunghaftes<br />

Ansteigen <strong>der</strong> Konzentration durch weitere Übernahmen sei vorerst kaum mehr möglich.<br />

Quelle: Planet Retail<br />

7,4 %<br />

Carrefour/<br />

Promodès (F)<br />

68 Mrd. Euro<br />

7,0 %<br />

Carrefour/<br />

Promodès (F)<br />

97 Mrd. Euro<br />

5,4 %<br />

Metro (D)<br />

32 Mrd. Euro<br />

5,4 %<br />

Metro (D)<br />

39 Mrd. Euro<br />

5,5 %<br />

Metro (D)<br />

51 Mrd. Euro<br />

5,7 %<br />

Metro (D)<br />

80 Mrd. Euro<br />

3,0 %<br />

2,5 %<br />

2,5 %<br />

2,5 %<br />

Rewe (D)<br />

18 Mrd. Euro<br />

Promodès (F)<br />

16 Mrd. Euro<br />

Intermarché (F)<br />

15 Mrd. Euro<br />

Leclerc (F)<br />

15 Mrd. Euro<br />

3,1 %<br />

3,0 %<br />

2,9 %<br />

2,8 %<br />

Rewe (D)<br />

22 Mrd. Euro<br />

Promodès (F)<br />

21 Mrd. Euro<br />

Aldi (D)<br />

21 Mrd. Euro<br />

Edeka (D)<br />

19 Mrd. Euro<br />

4,1 %<br />

4,1 %<br />

3,9 %<br />

Intermarché (F)<br />

38 Mrd. Euro<br />

Rewe (D)<br />

38 Mrd. Euro<br />

Tesco (GB)<br />

36 Mrd. Euro<br />

4,8 %<br />

3,9 %<br />

3,5 %<br />

Tesco (GB)<br />

67 Mrd. Euro<br />

Schwarz-Gruppe (D)<br />

54 Mrd. Euro<br />

Rewe (D)<br />

49 Mrd. Euro<br />

1991<br />

15,9 %<br />

des europäischen Marktes<br />

1994<br />

17,2 %<br />

des europäischen Marktes<br />

2000<br />

25,0 %<br />

des europäischen Marktes<br />

2010<br />

24,9 %<br />

des europäischen Marktes<br />

Verdrängungskampf<br />

Zunehmend erfolgreich kämpfen Onlineanbieter um die Gunst <strong>der</strong><br />

Konsumenten. Je nach Produktkategorie ist durchaus eine Verdrängung des<br />

stationären Einzelhandels durch das Onlineshopping zu erwarten. Der<br />

Verkauf übers Internet sichert sich in vielen Bereichen einen signifikanten<br />

Anteil am Gesamtumsatz.<br />

E-Commerce wächst deutlich<br />

Die Europäer werden künftig vor allem Medien<br />

Anteil am Gesamtumsatz<br />

<strong>der</strong><br />

vermehrt online erwerben und Reisen buchen.<br />

2005 2007 2009 Produktkategorie 2009<br />

Medien 9 526 Euro 14 026 Euro 19157 Euro 24 %<br />

Event-Tickets 4 950 Euro 8 226 Euro 11349 Euro 27 %<br />

Blumen 652 Euro 1083 Euro 1594 Euro 14 %<br />

Bekleidung 8 893 Euro 17 792 Euro 29 427 Euro 8 %<br />

Freizeit, Sportzubehör 3 212 Euro 4 321 Euro 5 653 Euro 15 %<br />

Elektronik 5 905 Euro 9 891 Euro 14 584 Euro 16 %<br />

Lebensmittel, Kosmetik 7 373 Euro 14 557 Euro 26 394 Euro 3 %<br />

Haushaltsprodukte, Möbel 3 560 Euro 7 538 Euro 14 008 Euro 5 %<br />

Urlaubsreisen 13 935 Euro 27602 Euro 46 896 Euro 21 %<br />

Quelle: Forrester Research, Zahlen in Mio. Euro<br />

6


handel setzt auf handelsmarken<br />

food for thought f<br />

300<br />

280<br />

260<br />

11,3<br />

%<br />

Werden die Kleinen abgehängt<br />

Der US-Handelsriese Wal-Mart liegt umsatzmäßig uneinholbar vor jedem<br />

Konkurrenten – er erzielte 2004 einen höheren Umsatz <strong>als</strong> die drei größten<br />

Wettbewerber zusammen. Grund ist nicht zuletzt <strong>der</strong> riesige Heimatmarkt.<br />

Auffällig: Die 14 umsatzstärksten Firmen 2004 kommen allesamt aus Europa<br />

und den USA.<br />

300<br />

280<br />

260<br />

240<br />

240<br />

220<br />

220<br />

200<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

Wal-Mart (USA)<br />

Carrefour (F)<br />

Metro (D)<br />

Ahold (NL)<br />

Tesco (GB)<br />

Kroger (USA)<br />

20<br />

0<br />

256,3<br />

285,2<br />

79,8<br />

90,3<br />

60,6<br />

70,1<br />

Wachstum<br />

<strong>der</strong> Großen<br />

von 2003 auf 2004<br />

63,4<br />

64,6<br />

54,8<br />

62,2<br />

53,8<br />

56,4<br />

44,3<br />

50,7<br />

Rewe (D)<br />

Costco (USA)<br />

∅ <strong>der</strong> 8 Großen<br />

∅<br />

10,9<br />

%<br />

<br />

<br />

13,2<br />

% 15,7<br />

% 1,9<br />

% 13,5<br />

% 4,8 14,4<br />

% % 10,8<br />

%<br />

42,5<br />

47,1<br />

Target (USA)<br />

Auchan (F)*<br />

Intermarché (F)*<br />

Schwarz-Gruppe (D)*<br />

81,9<br />

90,8<br />

48,2<br />

46,9<br />

32,5<br />

44,7<br />

Wachstum<br />

<strong>der</strong> Mittleren<br />

von 2003 auf 2004<br />

-2,7<br />

% 37,5<br />

% 1,1<br />

% 14,8<br />

% 10 % 12,7<br />

% 28,5<br />

% 15,7<br />

%<br />

43,5<br />

44,0<br />

Aldi (D)*<br />

Albertson‘s (USA)<br />

Aeon (JP)<br />

Walgreens (USA)<br />

∅ <strong>der</strong> 8 Mittleren<br />

37,1<br />

42,6<br />

38,1<br />

41,9<br />

35,4<br />

39,9<br />

30,2<br />

38,8<br />

∅<br />

13,2<br />

%<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

32,5<br />

37,6<br />

<br />

Safeway (USA)<br />

Ito-Yokado (JP)<br />

E. Leclerc (F)<br />

Edeka (D)<br />

CVS (USA)<br />

Tengelmann (D)<br />

37,2<br />

42,1<br />

0,8<br />

%<br />

9,8<br />

%<br />

6,5<br />

%<br />

-10<br />

35,5<br />

35,8<br />

30,5<br />

33,5<br />

Wachstum<br />

<strong>der</strong> Kleineren<br />

von 2003 auf 2004<br />

30,8<br />

32,8<br />

15 -1 % %<br />

10,8 % %<br />

35,3<br />

31,8<br />

26,6<br />

30,6<br />

30,1<br />

29,8<br />

26,0<br />

28,8<br />

Casino (F)<br />

Sainsbury (GB)<br />

∅ <strong>der</strong> 8 Kleinen<br />

∅<br />

2,6<br />

%<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

-5,4<br />

%<br />

29,8<br />

28,2<br />

<br />

<br />

30,6<br />

31,4<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Nettoumsatz Mrd. US-$ 2003 Nettoumsatz Mrd. US-$ 2004 Ranking basierend auf den Nettoumsätzen 2004 * Schätzungen Quelle: Handel aktuell 2005/2006<br />

Handelsmarken<br />

sind im Kommen<br />

Die Einzelhandelsketten erzielen immer mehr Umsatz mit<br />

Handelsmarken. Weltweit hat <strong>der</strong>en Umsatz allein zwischen<br />

2004 und 2005 um fünf Prozent zugenommen.<br />

Neben dem Preis ist ihre zunehmende Bedeutung auf die steigende<br />

Marketingexpertise <strong>der</strong> großen Einzelhändler zurückzuführen.<br />

25<br />

20<br />

15<br />

Handelsmarken in Europa am stärksten<br />

Fast ein Viertel aller Umsätze des europäischen Einzelhandels entfällt in Europa mittlerweile auf<br />

Handelsmarken. Doch auch in den USA spielen die Marken <strong>der</strong> Einzelhandelsfirmen eine bedeutende Rolle.<br />

Ein Randphänomen sind sie hingegen noch in Lateinamerika und Ostasien.<br />

23 %<br />

17 %<br />

16 %<br />

25<br />

20<br />

15<br />

Eigenmarken großer Ketten<br />

Der weltgrößte Handelskonzern Wal-Mart ist auch auf dem Gebiet<br />

<strong>der</strong> Handelsmarken stark.<br />

Unternehmen<br />

geschätzter<br />

Eigenmarkenanteil<br />

Wal-Mart 40 %<br />

Carrefour 30 %<br />

Ito-Yokado 26%<br />

Ahold 22%<br />

Metro 12 %<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Global<br />

Quelle: ACNielsen<br />

Europa<br />

46%<br />

beträgt die Preisdifferenz zwischen<br />

Handels- und Herstellermarken bei<br />

Quelle: Planet Retail<br />

Produkten aus dem Bereich „Personal Care“. In keiner an<strong>der</strong>en<br />

Produktkategorie ist <strong>der</strong> Preisunterschied prozentual so hoch.<br />

6%<br />

4%<br />

Nordamerika<br />

Schwellenlän<strong>der</strong><br />

asiatischpazifischer<br />

Raum<br />

2%<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Lateinamerika


p food for thought<br />

interview<br />

PETER SENGE ist <strong>der</strong> Vordenker des organisationalen<br />

Lernens. Sein Buch „The Fifth Discipline: the Art<br />

and Practice of the Learning Organization“ wurde zum<br />

Klassiker <strong>der</strong> Managementliteratur; Senges Beitrag<br />

„The Lea<strong>der</strong>'s New Work: Building Learning Organizations“<br />

ist <strong>der</strong> zweitpopulärste Artikel <strong>der</strong> Sloan<br />

Management Review überhaupt. Senge lehrt am Massachusetts<br />

Institute of Technology, wo er auch die<br />

interdisziplinäre „Society for Organizational Learning“<br />

(SoL) ins Leben gerufen hat. In seinem jüngsten Buch<br />

„Presence. Human Purpose and the Field of the Future“<br />

wendet sich Senge gemeinsam mit Koautoren dem<br />

breiteren Feld gesellschaftlicher Verän<strong>der</strong>ung zu.<br />

8


institutionen müssen aus ihrer isolation befreit werden!<br />

food for thought f<br />

Weg mit etablierten Wahrheiten!<br />

Managementdenker Peter Senge will, dass wir lernen. Erst nahm er sich Unternehmen und Schulen<br />

vor, jetzt sind ganze Gesellschaften dran. Ein Interview darüber, wie Singapur ein lernendes Land<br />

wird, was die Welt von Europa lernen kann – und warum wir engagierte Intellektuelle brauchen.<br />

Herr Senge, Unternehmen tun sich oft<br />

schwer mit dem organisationalen Lernen.<br />

Wie können dann ganze Gesellschaften<br />

„lernende Gesellschaften“ werden<br />

Erfolgreich ist, wer den Aufbau von Lernfähigkeiten<br />

<strong>als</strong> kontinuierliche Entwicklung<br />

betrachtet, die für die Überlebens- und Wachstumsfähigkeit<br />

von Gesellschaften grundlegend<br />

ist. Diese Einsicht setzt sich zunehmend<br />

durch. Die Schlüsselfrage ist, wie Gesellschaften<br />

ihr Lernvermögen verbessern können.<br />

Wie denn<br />

Nehmen Sie Singapur: Vor zehn Jahren hat<br />

sich das Land zur ersten lernenden Gesellschaft<br />

erklärt. Die Bedingungen waren hervorragend:<br />

ein kleines, gut organisiertes Land,<br />

fast wie ein Unternehmen geführt. Dort wurden<br />

sowohl im Schulsystem <strong>als</strong> auch in wichtigen<br />

Regierungsorganisationen organisationale<br />

Lernwerkzeuge und -grundsätze etabliert.<br />

Man wollte die Lernfähigkeit dieser Institutionen<br />

verbessern und sie zum Motor für die<br />

lernende Gesellschaft machen.<br />

Hat das funktioniert<br />

Man hat Fortschritte in einigen Schlüsselinstitutionen<br />

erzielt. Aber das war nur ein Anfang.<br />

Die Art, wie die Schulen einbezogen wurden,<br />

war problematisch: Man hat einfach allen<br />

Aufsichtsbeamten ein einjähriges Lernprogramm<br />

verordnet, das die Grundlagen organisationalen<br />

Lernens vermittelt. Zwang aber<br />

funktioniert nicht: Lernende lernen, was sie<br />

lernen wollen. Der Aufbau von neuem Leistungspotenzial<br />

muss <strong>als</strong> relevant für die praktische<br />

Arbeit angesehen werden. Letztlich<br />

haben nur wenige Schulsysteme ihre Prozesse<br />

wirklich geän<strong>der</strong>t.<br />

Ist Singapur gescheitert<br />

So weit würde ich nicht gehen. Aber Verän<strong>der</strong>ungen<br />

können nicht einfach durch pauschale<br />

Change-Programme implementiert werden.<br />

Die Bemühungen haben für vieles eine Grundlage<br />

geschaffen, doch es braucht Zeit, damit<br />

sich ein Umfeld entwickeln kann, in dem die<br />

Menschen den Nutzen des Lernansatzes<br />

erkennen. Bei <strong>der</strong> Polizei in Singapur gab es<br />

beispielsweise eine viel versprechende Initiative.<br />

Der Polizeichef schickte Leute in Schlüsselpositionen<br />

zu westlichen Organisationen, die<br />

bei <strong>der</strong> Einführung neuer Lernmethoden Fortschritte<br />

gemacht hatten. Das weckte in den Polizeimitarbeitern<br />

ein Verlangen danach, beim<br />

Lernen voranzukommen. Erfolgreiche Lerninitiativen<br />

beginnen mit diesem Bedürfnis.<br />

Auch China bezeichnet sich <strong>als</strong> „lernende<br />

Gesellschaft“.<br />

China wollte es Singapur gleichtun, doch viele<br />

Bemühungen konzentrieren sich zu sehr auf<br />

kurzfristige Strategien und offizielle Programme<br />

in Verwaltung und Wirtschaft. Aber einige<br />

chinesische Unternehmen arbeiten seit vielen<br />

Jahren mit Lernwerkzeugen. Sie sind ein gutes<br />

Beispiel dafür, was möglich ist. Doch hierfür<br />

braucht es mehr <strong>als</strong> Motivationsreden. Eine<br />

lernende Gesellschaft baut man nicht ohne<br />

tief greifende Verän<strong>der</strong>ungen in Schulen o<strong>der</strong><br />

Universitäten auf.<br />

Vor allem brauchen die Menschen praktische<br />

Beispiele und konkrete Belege für Verbesserungen,<br />

damit eine Eigendynamik entsteht.<br />

China scheint heute vor allem im Bereich<br />

Wirtschaft dazuzulernen. Reicht das<br />

China hat hoch gesteckte wirtschaftliche<br />

Ziele. Doch dieser Fokus ist zu eng – die Lernarbeit<br />

muss sich auch auf gesellschaftliche<br />

und ökologische Innovationen konzentrieren.<br />

Aber je weiter die Perspektive, desto mehr<br />

Menschen müssen eingebunden werden.<br />

Um wirklich dauerhafte Lerninitiativen zu<br />

schaffen, muss man so unterschiedliche Menschen<br />

wie möglich aus allen wichtigen Bereichen<br />

einbinden. Diese müssen zusammen eine<br />

Vision von dem entwerfen, was die Verän<strong>der</strong>ung<br />

für sie bedeuten würde. Dann brauchen<br />

sie eine Strategie, wie die institutionellen<br />

Kapazitäten geschaffen werden können.<br />

Sie glauben noch an Institutionen<br />

Die traditionellen Institutionen haben strukturelle<br />

Fehler, aber für lernende Gesellschaften<br />

brauchen wir sie. Wir müssen sie allerdings<br />

aus ihrer Isolation befreien und eine<br />

stärkere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen<br />

Sektoren för<strong>der</strong>n.<br />

Ein Beispiel, wo dies funktioniert hat<br />

Die EU hat in Umweltfragen Erfolge erzielt.<br />

Nehmen Sie die Richtlinie zur Rücknahme<br />

von Altautos. Diese wurde zusammen mit<br />

europäischen Autoherstellern entwickelt. Daraus<br />

ergab sich ein Prozess gegenseitigen Lernens.<br />

Die Autoindustrie hat sich radikal verän<strong>der</strong>t,<br />

weil EU und die Hersteller zusammen<br />

einen Ansatz erarbeitet haben, kaputte Autos<br />

zurückzunehmen. Dies wirkt sich inzwischen<br />

auch auf an<strong>der</strong>e Gebrauchsgüter aus.<br />

9


p food for thought<br />

informelle netzwerke ermöglichen ein kreativeres lernen<br />

„ Jede Lerninitiative braucht engagierte,<br />

sachkundige und glaubwürdige Führungsfiguren.“<br />

Peter Senge<br />

Die EU <strong>als</strong> Motor einer lernenden Gesellschaft<br />

Das ist neu ...<br />

Die EU hat einen Lernprozess angestoßen, indem<br />

sie auf die öffentliche Meinung reagierte,<br />

dass Autos nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer<br />

zurückgenommen werden sollten. An dieser<br />

Zusammenarbeit lässt sich ablesen, dass es starker<br />

Akteure auf beiden Seiten bedarf, damit<br />

eine Zusammenarbeit funktioniert. BMW übernahm<br />

in den Verhandlungen eine Führungsrolle<br />

und sah, dass die Richtlinie sogar für einen<br />

Wettbewerbsvorteil <strong>der</strong> europäischen Unternehmen<br />

sorgen kann, was man den an<strong>der</strong>en<br />

Herstellern auch vermitteln konnte. So haben<br />

diese sich aktiv beteiligt, über die Lobbyarbeit<br />

alten Stils hinaus.<br />

Ein Beispiel dafür, wie Politik von Unternehmen<br />

lernen kann. Müssen Gesellschaft und<br />

Politik mehr von <strong>der</strong> Wirtschaft lernen<br />

Definitiv ja. In <strong>der</strong> globalisierten Welt hat die<br />

Wirtschaft in einigen Bereichen naturgemäß<br />

eine Führungsrolle, da Unternehmen globaler<br />

agieren <strong>als</strong> Regierungen. Und wenn wir über<br />

Lernen und gesellschaftliche Innovation reden,<br />

so wissen Unternehmen sehr gut mit Innovation<br />

umzugehen. Es ist sinnvoll, dass sie dieses Wissen<br />

mit <strong>der</strong> Gesellschaft teilen.<br />

Sofern an<strong>der</strong>e Institutionen von ihnen lernen<br />

wollen. Aus Ihrer Projekterfahrung: Welche<br />

Institution ist am wenigsten bereit zur<br />

Zusammenarbeit<br />

Wir arbeiten gerade an einem Lernprojekt zu<br />

alternativen globalen Nahrungssystemen.<br />

Hauptinitiatoren waren eine Nichtregierungsorganisation<br />

(NGO) – Oxfam – und ein Unternehmen<br />

– Unilever. Beide glauben, tatsächlich<br />

voneinan<strong>der</strong> lernen zu können. Für eine NGO<br />

ist dies außergewöhnlich. Die meisten NGOs<br />

sind permanent auf Angriff eingestellt. Doch<br />

dies än<strong>der</strong>t sich langsam. Auch bei Regierungen<br />

findet sich ein starker Wi<strong>der</strong>stand gegen die<br />

Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Bereichen. An<br />

unserem Projekt beteiligen sich die nie<strong>der</strong>ländische<br />

und die brasilianische Regierung, doch das<br />

US-Landwirtschaftsministerium zeigte kein<br />

Interesse. Die denken noch immer regulativ.<br />

Sie for<strong>der</strong>n einen „Dance of Change“, einen<br />

Tanz <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung. Findet Wandel<br />

immer nur dann statt, wenn die Menschen<br />

Spaß daran haben<br />

Ja. Der Trick ist, die Menschen das Bild einer<br />

Realität entwickeln zu lassen, die ihnen ernsthaft<br />

lieber wäre.<br />

Welche Rolle spielen dabei Netzwerke<br />

Netzwerke ermöglichen ein kreativeres und produktiveres<br />

Lernen. Viele Unternehmen beginnen,<br />

dies zu verstehen. Eine zentrale Abteilung<br />

bei Hewlett-Packard beispielsweise ließ ihre<br />

Ingenieure Pläne von ihren persönlichen Netzwerken<br />

erstellen, <strong>als</strong>o von den Menschen, an die<br />

sich je<strong>der</strong> Einzelne mit technischen Problemen<br />

wendet. Diese „Zusammenarbeits-“ o<strong>der</strong> „Wissensnetzwerke“<br />

gibt es in allen Organisationen,<br />

doch häufig schätzt man sie nicht. Unternehmen<br />

und Gesellschaften sollen die informellen<br />

Netzwerke ihrer Mitglie<strong>der</strong> nutzen und stärken.<br />

Klingt einfach. Dennoch ist Europa Verän<strong>der</strong>ungen<br />

gegenüber nicht gerade aufgeschlossen.<br />

Was läuft schief<br />

Jene, die die Verän<strong>der</strong>ungen vorantreiben, versuchen<br />

bei Wi<strong>der</strong>stand, diesen zu brechen.<br />

Dieser Ansatz führt zu einer Aufsplittung in<br />

„Gläubige“ und „Ungläubige“. Ein Grund für die<br />

mangelnde Aufgeschlossenheit gegenüber Verän<strong>der</strong>ungen<br />

ist Angst. Ängstliche Menschen<br />

wollen keine Verän<strong>der</strong>ungen, Angst führt zu<br />

einer Ausrichtung auf Überleben und Schutz<br />

und behin<strong>der</strong>t das Lernen. Im heutigen Europa<br />

herrscht viel Angst – auch weil Europäer viel<br />

stärker mit Armut konfrontiert werden <strong>als</strong> die<br />

USA. Europa ist eine Nische des Wohlstands<br />

in einem Umfeld, in dem Menschen wesentlich<br />

weniger haben – im Osten und im Süden.<br />

Was können Politiker tun<br />

Europa muss ein positives Bild seiner selbst<br />

während und nach dem Verän<strong>der</strong>ungsprozess<br />

entwickeln. Die Europäer sollten von den biologischen<br />

Prinzipien des Bewahrens lernen: In <strong>der</strong><br />

Natur verän<strong>der</strong>t sich alles – doch vieles wird<br />

auch bewahrt. Darin liegt ein wichtiges Führungsprinzip:<br />

Wenn man Verän<strong>der</strong>ungen möchte,<br />

muss man deutlich machen, was man beibehalten<br />

will.<br />

Sie sehen Gesellschaften <strong>als</strong> selbstorganisierte<br />

Systeme. Kann man den Verän<strong>der</strong>ungsprozess<br />

dann überhaupt lenken<br />

Ja. Man kann ein lebendiges System beeinflussen,<br />

indem man Beispiele anführt. Genau das<br />

muss China leisten, um eine lernende Gesellschaft<br />

zu werden – in großem Umfang gute Beispiele<br />

vermitteln und Neuerern dabei helfen,<br />

voneinan<strong>der</strong> zu lernen.<br />

Welche Rolle spielen Individuen in lernenden<br />

Gesellschaften<br />

Nehmen Sie den ehemaligen Einkaufsleiter von<br />

BMW. Er spielte eine wichtige Rolle <strong>als</strong> Repräsentant<br />

<strong>der</strong> Autohersteller bei den Altauto-<br />

Richtlinien. Jede Lerninitiative braucht engagierte,<br />

sachkundige und glaubwürdige Führungsfiguren.<br />

Aber wer übernimmt diese Rolle in <strong>der</strong><br />

Gesellschaft Der klassische Intellektuelle<br />

sicherlich nicht ...<br />

Viele Intellektuelle sind so weit von praktischen<br />

Verän<strong>der</strong>ungsprozessen entfernt, dass es ihnen<br />

an Relevanz und Glaubwürdigkeit fehlt. In<br />

China gibt es eine an<strong>der</strong>e Tradition: die des<br />

engagierten Intellektuellen. Dieser schreibt<br />

Bücher, ist aber gleichzeitig eng in Wirtschaft,<br />

Politik o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Institutionen eingebunden.<br />

Dieses Verständnis davon, was ein Intellektueller<br />

ist, haben wir auch im SoL-Netzwerk: Wir<br />

betrachten kluge Manager <strong>als</strong> Intellektuelle,<br />

wie wir auch Forscher ermutigen, sich direkt an<br />

Verän<strong>der</strong>ungsprojekten zu beteiligen, o<strong>der</strong><br />

Berater, ihre Einsichten zu teilen. Viele Führungspersönlichkeiten<br />

sind gewillt, über<br />

Themen nachzudenken, die nicht auf ihrer<br />

Tagesordnung stehen.<br />

10


Helfen Sie den Überlebenden im Kaschmir!<br />

Das Erdbeben am 8. Oktober 2005 machte<br />

fast drei Millionen Menschen im Kaschmir<br />

obdachlos, die Hälfte davon sind Kin<strong>der</strong>.<br />

Trotz Eiseskälte und Schnee entschieden<br />

sich zahlreiche Überlebende, den Winter<br />

in den Bergen zu verbringen. Sie wollten<br />

in ihren zerstörten Dörfern bleiben, um ihr<br />

Land und Vieh nicht zu verlieren.<br />

Bislang konnte Oxfam wetterfeste Notunterkünfte<br />

für mehr <strong>als</strong> 180.000 Menschen<br />

bereitstellen. Gleichfalls wurden Wasserversorgungs-<br />

und Sanitäranlagen für 300.000<br />

Menschen eingerichtet. Dies ist Teil eines<br />

groß angelegten Hilfsprogramms von Oxfam<br />

in Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen.<br />

Insgesamt sollen über 520.000<br />

Erdbebenopfer in Pakistan und Indien mit<br />

winterfesten Zelten, Decken, Haushalts-Notausrüstungen<br />

sowie Bausätzen für traditionelle<br />

„Bandi“-Unterkünfte versorgt werden.<br />

Beson<strong>der</strong>s durch den strengen Winter im<br />

Himalaja sind die Lebensbedingungen <strong>der</strong><br />

Erdbeben-Überlebenden weiterhin kritisch.<br />

Oxfam ruft dringend zu Spenden auf.<br />

Für unsere Hilfe sind wir<br />

dringend auf Spenden<br />

angewiesen. Helfen Sie<br />

mit und unterstützen<br />

Sie unsere Arbeit. Danke!<br />

Oxfam Deutschland e.V.<br />

Bank für Sozialwirtschaft Köln<br />

BLZ 37020500<br />

Kontonummer 131313<br />

Kennwort "Erdbeben Kaschmir"<br />

Oxfam – für eine gerechte Welt!<br />

Oxfam Deutschland ist eine Nothilfe-, Entwicklungs- und Kampagnenorganisation.<br />

Im Verbund mit Oxfam-Organisationen in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />

arbeiten wir mit Menschen auf <strong>der</strong> ganzen Welt zusammen, um Armut<br />

und Leid dauerhaft zu überwinden.<br />

www.oxfam.de<br />

www.oxfam.org


sind topmanager übermenschen<br />

food for thought f<br />

Vergesst die Heldenmythen<br />

In den Medien ist die Verehrung <strong>der</strong> Besten an <strong>der</strong> Tagesordnung, erfolgreiche Manager werden<br />

zu Wesen mit übermenschlichen Fähigkeiten stilisiert. Das sind sie aber nicht. Charisma kann man<br />

lernen. Doch die Gefahr besteht, die Show zu weit zu treiben.<br />

abgelenkt sind, in <strong>der</strong> eine Botschaft präsentiert<br />

wird. Flynn folgert: Es kann nützlich<br />

sein, wenn Topmanager persönliches Charisma<br />

aufbauen. Möglich ist das, Charisma<br />

kann man sich zulegen. Denn Charisma hat<br />

viel mit dem Verkaufen unternehmerischer<br />

Pläne zu tun. „Visionen entwerfen und diese<br />

in einer verständlichen Sprache mitteilen,<br />

das kann theoretisch je<strong>der</strong>.“<br />

Theoretisch. Dennoch „muss ein CEO hart<br />

arbeiten, um <strong>der</strong>artige positive Eindrücke<br />

bei Beobachtern inner- und außerhalb des<br />

Unternehmens zu erreichen“. Charismatisches<br />

Auftreten kann man – wie an<strong>der</strong>e<br />

Managementtechniken auch – üben.<br />

Zum Image <strong>als</strong> Charismatiker gehört immer<br />

auch eine gute Geschichte. Viele Unternehmer,<br />

Topmanager und Politiker stilisieren<br />

sich zum „einsamen Wolf“, <strong>der</strong> kühn die<br />

richtigen Entscheidungen trifft. Sie streuen<br />

gezielt Deutungen ihres Charakters, ihrer<br />

Herkunft o<strong>der</strong> ihres Wegs nach oben.<br />

Die Geschichten denken sie sich im besten<br />

Fall nicht einfach aus, son<strong>der</strong>n greifen die<br />

um sie entstandenen Legenden auf, um sich<br />

zu positionieren. Jürgen Schrempp etwa,<br />

inzwischen ausgeschiedener Chef von<br />

DaimlerChrysler, betonte nach <strong>der</strong> Fusion<br />

von Daimler-Benz und Chrysler nicht nur<br />

bei je<strong>der</strong> Gelegenheit die Internationalität<br />

des Unternehmens. Auch sein eigener Auftritt<br />

geriet ihm, parallel zur neuen öffentlichen<br />

Wahrnehmung <strong>als</strong> Fusionsschmied,<br />

zunehmend global-staatsmännisch. Intermen,<br />

<strong>der</strong>en Chefs Mitarbeiter und Medien<br />

Charisma nachsagen, liegen regelmäßig<br />

über den Zahlen an<strong>der</strong>er Unternehmen.<br />

CHARISMA KÖNNEN ENTSCHEIDER SICH<br />

ZULEGEN. DAS IST GUT, DENN IN KRISEN<br />

SEHNEN WIR UNS NACH FÜHRUNG.<br />

Der zu Grunde liegende Mechanismus ist<br />

simpel: Menschen sehnen sich nach Halt –<br />

speziell in unsicheren Situationen. Deshalb<br />

neigen sie dazu, den realen Einfluss von<br />

Topentschei<strong>der</strong>n auf die Unternehmensergebnisse<br />

<strong>als</strong> immens hoch einzuschätzen,<br />

hat Flynn in einer Studie ermittelt. Angestellte<br />

Manager werden zum Gesicht ihres<br />

Unternehmens, für Erfolg und Misserfolg<br />

<strong>der</strong> gesamten Organisation verantwortlich.<br />

Vor allem in Krisen steigt dieser Einfluss <strong>der</strong><br />

Führungspersönlichkeit, weil Mitarbeiter<br />

und Geldgeber dann beson<strong>der</strong>s auf Orientierung<br />

angewiesen sind. Ein charismatischer<br />

Führer schafft Vertrauen bei Mitarbeitern,<br />

Kunden und Investoren, erweckt<br />

Zuneigung, Hingabe und Motivation.<br />

Die beson<strong>der</strong>en Qualitäten eines charismatischen<br />

Entschei<strong>der</strong>s sind für Flynn in erster<br />

Linie Selbstsicherheit und die Fähigkeit,<br />

Schwierigkeiten dadurch zu überwinden,<br />

dass er sie positiv umdeutet: Der charismatische<br />

Führer macht aus jedem Risiko eine<br />

neue Chance, und er zweifelt niem<strong>als</strong><br />

öffentlich am eingeschlagenen Weg. Psychologen<br />

wissen, dass Menschen sich leichter<br />

überzeugen lassen, wenn sie durch die Art<br />

:<br />

Er hatte seine politische Karriere eigentlich<br />

schon hinter sich. In den dreißiger<br />

Jahren führte <strong>der</strong> britische Politiker<br />

Winston Churchill ein beschauliches Schriftstellerdasein<br />

auf seinem Landsitz in Kent.<br />

Er galt <strong>als</strong> Intellektueller. Kurz nach Ausbruch<br />

des Zweiten Weltkriegs jedoch holte<br />

Premier Chamberlain Churchill zurück in<br />

die Regierung, im Mai 1940 wurde <strong>der</strong> Mann<br />

mit <strong>der</strong> Zigarre Premierminister. Er führte<br />

sein Land zum Sieg gegen Nazi-Deutschland<br />

– und gilt seither <strong>als</strong> charismatischer<br />

Führer par excellence.<br />

Menschen machen Erfolge von Parteien,<br />

Unternehmen o<strong>der</strong> Sportvereinen gerne an<br />

den persönlichen Fähigkeiten <strong>der</strong> Spitzenleute<br />

fest, sagt <strong>der</strong> Wirtschaftspsychologe<br />

Francis Flynn, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Columbia University<br />

von New York die Wirkung <strong>der</strong> Heroenbildung<br />

in Unternehmen erforscht. „Das<br />

passierte mit einigen CEOs zur Zeit des<br />

New-Economy-Booms.“ Obwohl manche<br />

Firmen quasi von allein wuchsen, „wurden<br />

ihre Vorstände <strong>als</strong> Helden mit schier übermenschlichen<br />

Fähigkeiten gefeiert“. Das<br />

waren sie in Wahrheit natürlich nie. Doch<br />

sie ließen sich die Verehrung gerne gefallen.<br />

Dabei war mehr im Spiel <strong>als</strong> bloße Eitelkeit.<br />

Das medial vermittelte Image eines Topentschei<strong>der</strong>s<br />

hat nämlich durchaus reale Konsequenzen.<br />

Ein <strong>als</strong> charismatisch gelten<strong>der</strong><br />

Führer steigert den Firmenwert, hat Flynn<br />

herausgefunden. Aktienkurse, Umsatzwachstum<br />

und <strong>der</strong> Absatz von Unterneh-<br />

13


p food for thought<br />

<strong>der</strong> manager <strong>als</strong> bindeglied zwischen selbstorganisierenden teams und <strong>der</strong> aussenwelt<br />

views gab er nur noch internationalen Leitmedien<br />

wie dem „Wall Street Journal“.<br />

Dabei verdankte er seine Karriere vor allem<br />

<strong>der</strong> Tatsache, dass er tief im heimatlichen<br />

Konzern verwurzelt war: 1967 begann <strong>der</strong><br />

Freiburger seine Karriere <strong>als</strong> Techniker bei<br />

Mercedes-Benz in Stuttgart.<br />

Wie Schrempp, so arbeiten viele Chefs heute<br />

aktiv am eigenen Charisma. Neben einer<br />

guten Storyline, einer schlüssigen Vision<br />

und mitreißen<strong>der</strong> Sprache hilft es, „sich<br />

selbst eine Rolle <strong>als</strong> Retter zuzuschreiben“,<br />

glaubt Joseph A. Raelin, Leiter des Center<br />

for the Study of Practice-Oriented Education<br />

an <strong>der</strong> Northeastern University in Boston.<br />

Wer es schafft, sich selbst <strong>als</strong> einzige Überlebenschance<br />

einer Gruppe von Menschen zu<br />

stilisieren, dem schreiben diese fast automatisch<br />

Charisma zu.<br />

CHARISMA HEISST HEUTE, MENSCHEN ZU<br />

MOTIVIEREN UND IHNEN IN SCHWIERIGEN<br />

SITUATIONEN VERTRAUEN EINZUFLÖSSEN<br />

Kollidiert hier aber nicht die Betonung von<br />

Charisma mit <strong>der</strong> Realität in mo<strong>der</strong>nen<br />

Unternehmen Diese agieren heute in<br />

einem hochkomplexen Marktumfeld, das<br />

sich immer schneller än<strong>der</strong>t und damit auch<br />

von <strong>der</strong> obersten Führungsebene ständig<br />

neue Kernqualitäten verlangt. Zumal Unternehmen<br />

heute immer seltener streng hierarchisch,<br />

son<strong>der</strong>n zunehmend matrixartig aufgebaut<br />

sind und die Arbeit von „selbstorganisierenden<br />

Teams“ verrichtet wird.<br />

Das aber macht den charismatischen Topmanager<br />

nicht obsolet, im Gegenteil: Charisma<br />

kann auch hier helfen. Der Chef ist dann<br />

<strong>der</strong> Motivator, <strong>der</strong> dem Team Selbstvertrauen<br />

gibt, und das Aushängeschild, das die<br />

Leistungen des Teams gegenüber an<strong>der</strong>en<br />

Teams und <strong>der</strong> Außenwelt darstellt. So argumentieren<br />

die Professorinnen Vanessa Urch<br />

Druskat und Jane V. Wheeler. Die Organisationstheoretikerinnen,<br />

die das Management<br />

selbstorganisieren<strong>der</strong> Teams erforschen,<br />

glauben, dass <strong>der</strong> Topmanager vor allem die<br />

„Grenzen zwischen den Teams und <strong>der</strong><br />

restlichen Organisation“ managen muss.<br />

Management wird damit zunehmend zu<br />

einer diplomatischen Funktion. Immer<br />

mehr müssen sich auch Topentschei<strong>der</strong><br />

damit befassen, Unterstützer zu gewinnen<br />

und Mehrheiten zu organisieren. Das<br />

gelingt besser, wenn Topmanager durch<br />

ihre Persönlichkeit den Mitarbeitern Vertrauen<br />

einflößen.<br />

Die größte Gefahr scheint heute in einer zu<br />

einseitigen Inszenierung zu liegen.<br />

Beson<strong>der</strong>s bei Kultfiguren wie Film- o<strong>der</strong><br />

Musikstars zeigt sich dies. Ohne seinen<br />

Manager „Colonel“ Tom Parker wäre Musikikone<br />

Elvis Presley kaum weit gekommen.<br />

Gnadenlos kommerzialisierte Parker den<br />

„King“, vertrieb <strong>als</strong> Erster Elvis-Kleidung<br />

und an<strong>der</strong>e Merchandisingprodukte und<br />

wurde zum Vorbild einer ganzen Generation<br />

von Musikmanagern. Doch auch bei<br />

Elvis brachten die gleichen Fähigkeiten, die<br />

anfangs zum Erfolg führten, am Ende das<br />

Fiasko. Parker zwang den King, sich auf<br />

seichte Kinofilme zu konzentrieren, die zum<br />

Schmuseimage passten und dam<strong>als</strong> mehr<br />

Geld abwarfen <strong>als</strong> die Musik selbst. Als die<br />

Streifen dann aber nicht mehr ankamen, war<br />

eine Neupositionierung von Elvis nicht mehr<br />

möglich – und an<strong>der</strong>e Musiker verdrängten<br />

den King von <strong>der</strong> Bühne.<br />

Ein Beispiel, das zeigt: Ob jemand <strong>als</strong> charismatisch<br />

gilt o<strong>der</strong> nur <strong>als</strong> Egomane, liegt<br />

immer auch am sozialen Kontext. Das musste<br />

auch Winston Churchill erfahren. Als <strong>der</strong><br />

Krieg zu Ende war und die Briten sich wie<strong>der</strong><br />

sicher fühlten, war seine Zeit vorbei – er<br />

wurde abgewählt.<br />

„Charismatiker behaupten,<br />

eine einzigartige Vision zu haben,<br />

pflegen eine mitreißende<br />

Sprache – und schreiben sich<br />

die Rolle des Retters zu.“<br />

Joseph A. Raelin,<br />

Northeastern University, Boston<br />

14


mythos charisma<br />

food for thought f<br />

[Schauspieler]<br />

43<br />

JOHN F. KENNEDY<br />

Jahre alt und somit <strong>der</strong> bislang jüngste Präsident Amerikas war<br />

John Fitzgerald Kennedy bei seinem Einzug ins Weiße Haus.<br />

Mit dem Star-Entertainer Frank Sinatra und <strong>der</strong> Stilikone Jackie<br />

an seiner Seite brachte Kennedy ein wenig Hollywood-Glamour<br />

nach Washington. Doch diese strahlende Karriere war eigentlich<br />

nicht ihm vorbestimmt. Erst <strong>als</strong> sein erfolgreicher und<br />

kerngesun<strong>der</strong> älterer Bru<strong>der</strong> Joe Kennedy 1944 bei einem Flugzeugabsturz<br />

ums Leben kam, wurde <strong>der</strong> ständig kränkelnde<br />

John zum Hoffnungsträger <strong>der</strong> Familie. Schnell baute er das<br />

Bild des souveränen, charmanten Weltmannes auf – trotz einer<br />

gefährlichen Nierenkrankheit, die er mit starken Schmerzmitteln<br />

bekämpfte. Nach außen war davon nichts zu sehen. Der<br />

Sympathieträger hatte eine selbstsichere und überzeugende<br />

Aura. Frauen erlagen seinem Charme, Männer bewun<strong>der</strong>ten die<br />

Mischung aus Distanz, Ironie und Witz, die ihm einen entscheidenden<br />

Vorteil gegenüber an<strong>der</strong>en Politikern verschaffte.


p food for thought<br />

mythos charisma<br />

[Chamäleon]<br />

136<br />

FRANK WILLIAM ABAGNALE JR.<br />

Punkte misst <strong>der</strong> Intelligenzquotient von Verwandlungskünstler<br />

Frank William Abagnale jr. Diese Hochbegabung<br />

und die Fähigkeit, spontan in verschiedenste Rollen zu<br />

schlüpfen, setzte <strong>der</strong> Charmeur erfolgreich bei kreativen<br />

Betrügereien ein. Mit 16 stand er <strong>als</strong> jüngster Verbrecher<br />

auf <strong>der</strong> „Most Wanted“-Liste des FBI. Innerhalb von fünf<br />

Jahren gab sich <strong>der</strong> smarte Bluffer ohne Ausbildung erfolgreich<br />

<strong>als</strong> Pilot, Arzt und Anwalt aus. Währenddessen<br />

löste <strong>der</strong> vertrauenswürdig scheinende Mann gefälschte<br />

Schecks in Höhe von 2,5 Millionen Dollar ein. Als er 1969<br />

geschnappt wurde, bot ihm die US-Regierung eine vorzeitige<br />

Freilassung an – wenn er mit ihr kooperierte. Das<br />

tat er. Heute ist Abagnale <strong>als</strong> Sachverständiger für Urkundenfälschung<br />

erfolgreich. Unter dem Titel „Catch me if<br />

you can“ wurde sein Leben von Steven Spielberg mit Leonardo<br />

DiCaprio in <strong>der</strong> Hauptrolle verfilmt.


mythos charisma<br />

food for thought f<br />

[Himmelsstürmer]<br />

38<br />

HOWARD HUGHES<br />

Millionen Dollar kostete Howard Hughes’ 1930 uraufgeführtes<br />

Fliegerepos „Hell’s Angels“ – dam<strong>als</strong> <strong>der</strong> teuerste jem<strong>als</strong> gedrehte<br />

Film. Der Multimillionär, Ingenieur, Pilot und blendend<br />

aussehende Casanova untermauerte damit seinen Ruf <strong>als</strong><br />

schillerndste Persönlichkeit Hollywoods. Dazu avancierte er<br />

<strong>als</strong> Verführer <strong>der</strong> größten Filmdiven, aber auch <strong>als</strong> Flugpionier<br />

und Produzent weiterer gigantischer Filmprojekte. Mit Charme<br />

und Überzeugungskraft schaffte Hughes es immer wie<strong>der</strong>, Mitstreiter<br />

und vor allem Sponsoren für seine Projekte zu finden,<br />

zu <strong>der</strong>en Umsetzung selbst ihm das Geld fehlte. So überredete<br />

er den Industriellen Henry Kaiser zu einer Geldspritze von<br />

18 Millionen Dollar, um das bis heute größte Flugzeug aller Zeiten,<br />

die „Spruce Goose“, konstruieren und bauen zu können.<br />

Hughes lebte und verkörperte die Maßlosigkeit des Fortschritts:<br />

In Hollywood erzählt man noch heute, wie er mit einem Auto in<br />

den Lift eines Bürogebäudes fuhr, um nicht laufen zu müssen.


p food for thought<br />

mythos charisma<br />

[Bühnendiva]<br />

MARIA CALLAS<br />

nahm Maria Callas im Anfangsstadium ihrer Karriere ab,<br />

trotz aller Befürchtungen um ihr Stimmvolumen. Sie verwandelte<br />

sich durch ihr neues Aussehen von einer fülligen Opernsängerin<br />

zur elegant-mondänen Femme fatale. Der Beginn<br />

einer brillanten Selbstinszenierung <strong>als</strong> Sangesgöttin – und<br />

das, obwohl viele Experten Probleme mit ihrer Stimme hatten,<br />

die in einem Moment silberhell, im an<strong>der</strong>en nahezu metallisch<br />

klang. Äußerlich war die Callas auch nach ihrer 40Kilo<br />

Powerdiät<br />

im klassischen Sinne niem<strong>als</strong> schön. Doch ihre fesselnde<br />

Aura machte sie zur Vorzeigediva des Musikgeschäfts.<br />

Dabei war nicht alles gespielt: Ihre unglückliche Liebe zu<br />

Aristoteles Onassis führte zu echten Emotionswallungen.<br />

Diese, ihre Extravaganz und die unberechenbaren Starallüren<br />

schufen das Bild einer unnahbaren Göttin. Als solche lebt<br />

sie bis heute weiter. Über zehn Millionen Callas-Platten wurden<br />

verkauft – die meisten nach ihrem Tod.


mythos charisma<br />

food for thought f<br />

74<br />

LECH WALESA<br />

Prozent <strong>der</strong> Stimmen erhielt Lech Walesa bei <strong>der</strong> polnischen Präsidentschaftswahl<br />

im Jahr 1990 – die Krönung einer Entwicklung<br />

vom einfachen Werftarbeiter zum international geachteten<br />

Politiker. Durch seine überzeugende Verkörperung eines Kämpfers<br />

gegen die Obrigkeit hatte Walesa 1980 die Unabhängigkeit<br />

seiner Gewerkschaft Solidarnosc im sozialistischen Polen durchgeboxt.<br />

1982 kürte ihn das US-Magazin „Time“ zum Mann des<br />

Jahres. Dabei war Walesa von Haus aus ein einfacher Mann. Doch<br />

[Kämpfer]<br />

mit Leidenschaft und Hartnäckigkeit wurde er zum Symbol für<br />

den Freiheitsdrang <strong>der</strong> Polen. Das Geheimnis seines Erfolgs verriet<br />

<strong>der</strong> Mann mit dem Schnauzbart in den naiv klingenden und<br />

genau dadurch so bestechenden Worten: „Ich weiß nicht, ob ich<br />

ein Führer bin, aber wenn die Menge schweigt, dann glaube ich<br />

zu wissen, was sie sagen will, und sage es.“ Dieses Gespür verlor<br />

Walesa später offenbar – bei <strong>der</strong> Präsidentenwahl im Jahr 2000<br />

erzielte er nur noch ein Prozent <strong>der</strong> Stimmen.


p food for thought<br />

essay<br />

Den Untergang vor Augen<br />

Das US-Defizit galoppiert, <strong>der</strong> Irakkrieg bindet Ressourcen – Grund für den Historiker Niall Ferguson,<br />

eine weltweite Finanzkrise zu prognostizieren. Der Politologe Herfried Münkler hält dagegen:<br />

Alarmismus sei unnötig, Analogien zur Situation vor dem Ersten Weltkrieg seien nicht angebracht.<br />

PRO<br />

NIALL FERGUSON ist Professor für<br />

Geschichte an <strong>der</strong> Harvard University,<br />

Senior Fellow an <strong>der</strong> Hoover Institution<br />

<strong>der</strong> Stanford University und Senior<br />

Research Fellow des Jesus College <strong>der</strong><br />

University of Oxford<br />

KONTRA<br />

HERFRIED MÜNKLER ist Professor<br />

für Theorie <strong>der</strong> Politik an <strong>der</strong> Humboldt-<br />

Universität zu Berlin. Er veröffentlichte zuletzt<br />

das Buch „Imperien. Die Logik <strong>der</strong><br />

Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den<br />

Vereinigten Staaten“.<br />

:<br />

Im Jahr 1915 versenkte das deutsche<br />

U-Boot U-20 den Passagierdampfer Lusitania<br />

<strong>der</strong> Cunard-Line vor <strong>der</strong> Südküste<br />

Irlands. Fast 1200 Menschen kamen dabei<br />

ums Leben.<br />

Der Untergang <strong>der</strong> Lusitania symbolisierte<br />

das Ende des ersten Zeitalters <strong>der</strong> Globalisierung.<br />

Von ungefähr 1870 bis zum Ersten<br />

Weltkrieg hatte die Weltwirtschaft einen<br />

Boom erlebt, <strong>der</strong> in vielerlei Hinsicht dem<br />

heutigen ähnelt. Ein grauenvoller Krieg<br />

bereitete dem globalen Aufschwung zwischen<br />

1914 und 1918 jedoch ein Ende, mit <strong>der</strong><br />

Globalisierung war es danach erst einmal<br />

vorbei. Fast 13 Millionen Tonnen Schiffsfracht<br />

wurden allein durch deutsche U-Boot-<br />

Angriffe zerstört. Der internationale Handel<br />

brach zusammen.<br />

Die Sorge, ein solches Horrorszenario könnte<br />

sich wie<strong>der</strong>holen, mag übertrieben pessimistisch<br />

erscheinen. Doch es lohnt, sich<br />

:<br />

Ferguson hat Recht, wenn er gegen Seine<br />

naives Zukunftsvertrauen angeht. Und<br />

ebenso hat er Recht, wenn er die politischen<br />

Rahmenbedingungen herausstellt, auf die<br />

wirtschaftliches Handeln angewiesen ist.<br />

Dass eine wirtschaftlich planbare Zukunft<br />

erst durch einen politischen Rahmen hergestellt<br />

wird, ist zuletzt weithin in Vergessenheit<br />

geraten.<br />

Aber das ist auch alles, was an Fergusons<br />

Bedrohungsszenario richtig ist. Die Analogie<br />

zum Kriegsausbruch von 1914 ist Ende <strong>der</strong><br />

siebziger Jahre unter dem Eindruck <strong>der</strong><br />

sowjetischen Raketenrüstung und <strong>der</strong> Reaktion<br />

des Westens schon einmal bemüht worden.<br />

Dam<strong>als</strong> ging es um das Risiko eines<br />

kleinen politischen Fehlers mit verheerenden<br />

Folgen. Ferguson dagegen analogisiert<br />

die internationale Wirtschaftsverflechtung,<br />

<strong>der</strong>en Niveau von 1914 erst in den frühen<br />

siebziger Jahren wie<strong>der</strong> erreicht wurde.<br />

daran zu erinnern, dass ungeachtet <strong>der</strong><br />

warnenden Stimmen zu Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

vor den katastrophalen Folgen<br />

eines Konflikts viele Menschen – nicht<br />

zuletzt die Investoren – vom Ausbruch des<br />

Ersten Weltkriegs völlig überrascht wurden.<br />

Daher meine These: Heute ist die<br />

Möglichkeit, dass die Globalisierung, ebenso<br />

wie die Lusitania, torpediert und versenkt<br />

werden könnte, mindestens so real<br />

wie im Jahr 1915.<br />

KEINES DER HEUTIGEN PROBLEME<br />

WÄRE FATAL OHNE DIE BEDROHUNG<br />

DURCH TERRORISTISCHE GRUPPEN<br />

Zwischen <strong>der</strong> ersten Ära <strong>der</strong> Globalisierung<br />

und <strong>der</strong> gegenwärtigen bestehen auffällige<br />

wirtschaftliche Parallelen. Beispielsweise<br />

war die Globalisierung vor 1914 erstaunlich<br />

anfällig für die internationale Weitergabe<br />

von Krisen – das, was Volkswirte „An-<br />

Warnung: Auch heute sei <strong>der</strong> Grad<br />

an Globalisierung nicht selbstverständlich.<br />

Die Warnung ist richtig, die Analogie<br />

dagegen f<strong>als</strong>ch. Zu Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

waren die Staaten selbständig<br />

kriegführungsfähig, weil sie ihre Wirtschaft<br />

auf Autarkie umstellen konnten. Das fiel<br />

den Mittelmächten (Deutschland und<br />

Österreich-Ungarn) zwar schwer, aber für<br />

vier Jahre erbitterter Kriegführung hat<br />

es gereicht. Vergleichbares ist heute ausgeschlossen.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete Europa<br />

die wirtschaftliche Verflechtung des Kohle-<br />

Stahl-Bereichs ein. Diese war <strong>der</strong> Anfang<br />

vom Ende einer selbständigen Kriegführungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> europäischen Staaten.<br />

Sie war Ausdruck eines politischen Lernprozesses.<br />

Dieser drehte sich um die Beobachtung,<br />

dass Kriege mehr kosten <strong>als</strong> einbringen<br />

– selbst für den Sieger.<br />

20


essay<br />

food for throught f<br />

steckung“ nennen. Mit <strong>der</strong> heutigen Globalisierung<br />

verhält es sich nicht an<strong>der</strong>s. Andrew<br />

Large, Deputy Governor for Financial<br />

Stability an <strong>der</strong> Bank of England, hat zum<br />

Beispiel kürzlich darauf hingewiesen, dass<br />

in einem Umfeld niedriger Zinssätze die<br />

„Jagd auf die Rendite“ Investoren, Banken<br />

und Hedge-Fonds dazu ermutigt hat, im<br />

Handel ähnliche Strategien einzusetzen wie<br />

dam<strong>als</strong>. Dies erhöhe, so Large, „die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass sich einseitige Märkte<br />

entwickeln und die Marktliquidität in Reaktion<br />

auf einen Schock verdampft.“<br />

Es gibt Anzeichen, dass auch die heutige<br />

Globalisierung umkehrbar ist. Die Risiken<br />

angesichts <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen politischen Lage<br />

sind groß. Diese weist nämlich dieselben<br />

fünf Fehler auf wie einst die Weltordnung<br />

vor 1914: übermäßig ausgedehnte Kolonialreiche,<br />

Rivalität zwischen den Großmächten,<br />

ein instabiles Bündnissystem, terrorunterstützende<br />

„Schurkenstaaten“ und <strong>der</strong><br />

Aufstieg einer revolutionären terroristischen<br />

Vereinigung, die dem Kapitalismus<br />

feindlich gegenübersteht.<br />

DAS DEFIZIT DER US-LEISTUNGSBILANZ<br />

STEIGT, DAS EMPIRE LEIDET AN<br />

ZUNEHMENDEM PERSONALMANGEL<br />

Es steht fest: Die Vereinigten Staaten – vom<br />

Namen abgesehen in je<strong>der</strong> Hinsicht ein<br />

Empire – haben sich zu weit ausgedehnt.<br />

Das Leistungsbilanzdefizit wird ständig größer,<br />

ebenso das Haushaltsdefizit.<br />

Das US-Empire leidet zudem an einem gravierenden<br />

Personalmangel: Washington<br />

kann höchstens 500 000 Soldaten auf einmal<br />

im Ausland einsetzen, und diese Zahl reicht<br />

bei weitem nicht aus, um all die vielen kleinen<br />

Kriege zu gewinnen, die die USA <strong>der</strong>zeit<br />

führen müssen o<strong>der</strong> die sie eventuell<br />

noch führen werden.<br />

Als Nächstes wäre da das Problem <strong>der</strong> rivalisierenden<br />

Großmächte. Im Fall einer Wirtschaftskrise<br />

könnte China versucht sein, die<br />

nationalistische Karte auszuspielen, und die<br />

Übernahme seiner abtrünnigen Provinz<br />

androhen. Wären die USA willens, einen<br />

Krieg gegen China um Taiwan zu führen,<br />

wie sie es in <strong>der</strong> Vergangenheit angekündigt<br />

haben Und was würde geschehen, wenn<br />

die chinesischen Machthaber ihre neuen<br />

finanziellen Muskeln spielen ließen und<br />

amerikanische Obligationen in großem<br />

Umfang auf den Weltmarkt werfen sollten<br />

Was Europa anbelangt, wird die Kombination<br />

aus wirtschaftlicher Sklerose und<br />

gesellschaftlicher Überalterung zur Folge<br />

haben, dass <strong>der</strong> Kontinent stagnieren, wenn<br />

nicht gar an Bedeutung verlieren wird.<br />

Gleichzeitig wird sein Charakter ganz wesentlich<br />

durch die Einwan<strong>der</strong>ung von Muslimen<br />

und die eventuell bevorstehende<br />

<br />

Aber ist diese Einsicht auch in den an<strong>der</strong>en<br />

Weltregionen angekommen Ferguson<br />

bezweifelt dies, wenn er darauf hinweist,<br />

China könne eine Schwächephase <strong>der</strong> USA<br />

dazu nutzen, Taiwan anzugreifen. Das<br />

würde jedoch dem wirtschaftlichen Aufstieg<br />

Chinas einen irreparablen Schaden zufügen:<br />

zunächst durch die physischen Zerstörungen,<br />

die auch ein auf sich allein gestelltes<br />

Taiwan dem chinesischen Festland zufügen<br />

könnte. Sodann durch die internationalen<br />

Wirtschaftssanktionen, die China in Anbetracht<br />

seiner Abhängigkeit vom Energieimport<br />

schwer treffen würden. Schließlich<br />

durch den politischen Reputationsverlust,<br />

<strong>der</strong> zur Bildung einer gegen China gerichteten<br />

Koalition <strong>der</strong> Nachbarstaaten führen<br />

würde. Vor allem aber bedürfte die chinesische<br />

Führung für einen solchen Krieg ideologischer<br />

Ressourcen, um die abverlangten<br />

Opfer zu legitimieren. Und die hat sie nicht.<br />

Fergusons Analyse verfehlt die tatsächlichen<br />

Risiken <strong>der</strong> Region: die innere Destabilisierung<br />

Chinas in Folge wirtschaftlicher<br />

Ungleichgewichte und ein nukleares<br />

Wettrennen kleinerer Mächte bei Einziehung<br />

des amerikanischen Atomschirms.<br />

Wer nur auf den Wirtschaftsboom an <strong>der</strong><br />

chinesischen Ostküste schaut, übersieht die<br />

gewaltigen Probleme im agrarisch geprägten<br />

Landesinnern, wo mindestens 100 Millionen<br />

Bauern arbeitslos sind.<br />

DER US-NUKLEARSCHUTZ SOLL KEINE REALEN<br />

KRIEGSDROHUNGEN ABWEHREN, SONDERN<br />

REGIONALES WETTRÜSTEN VERHINDERN<br />

Nicht weniger riskant für die Region wäre<br />

das Einklappen des Nuklearschirms <strong>der</strong><br />

USA über Japan, Südkorea und Taiwan –<br />

nicht weil dann mit einem Angriff zu rechnen<br />

wäre, wie Ferguson annimmt, son<strong>der</strong>n<br />

weil die nuklear entblößten Staaten sich um<br />

eigene Nuklearschirme bemühen würden,<br />

was ihnen auf Grund ihrer wirtschaftlichen<br />

Fähigkeiten und ihres wissenschaftlichtechnologischen<br />

Know-hows innerhalb kurzer<br />

Zeit möglich wäre. Das zeigt die eigentliche<br />

Bedeutung <strong>der</strong> US-amerikanischen<br />

Sicherheitsgarantien: Sie sind wesentlich<br />

nicht gegen Bedrohungen von außen gerichtet,<br />

son<strong>der</strong>n sollen regionale Aufrüstungsspiralen<br />

blockieren.<br />

Unter diesen Vorgaben ist auch die von Ferguson<br />

aufgeworfene Frage zu prüfen, ob<br />

und inwieweit die USA während <strong>der</strong> letzten<br />

Zeit in die Falle <strong>der</strong> imperialen Überdehnung<br />

gegangen sind. Ferguson misst die<br />

Leistungen des amerikanischen Empire<br />

am britischen Weltreich. Imperiale Ordnungen<br />

werden nicht nur politisch, son<strong>der</strong>n<br />

auch wirtschaftlich stabilisiert, und ein<br />

Mittel dazu ist eine internationale Leitwährung.<br />

In <strong>der</strong> Abfolge <strong>der</strong> westlichen Groß-<br />

<br />

21


p food for thought<br />

essay<br />

Aufnahme <strong>der</strong> Türkei in die EU verän<strong>der</strong>t.<br />

Und die Uneinigkeit zwischen Amerikanern<br />

und Europäern über die Probleme im<br />

Nahen Osten wird nur noch ausgeprägter<br />

werden.<br />

NEUE TERRORANGRIFFE DROHEN AUF<br />

JEDEN FALL. DIE FRAGE IST NICHT, OB,<br />

SONDERN WANN SIE KOMMEN<br />

Diese Rivalitäten sind ein Grund, warum die<br />

Welt auch heute wie<strong>der</strong> ein instabiles Bündnissystem<br />

besitzt (Problem Nummer drei).<br />

Die Aufgabe <strong>der</strong> NATO ist nicht mehr eindeutig.<br />

Ist sie nur noch ein unbedeuten<strong>der</strong><br />

Klub für die Gewinner des Kalten Krieges, in<br />

den ehemalige sowjetische Satellitenstaaten<br />

aus symbolischen Gründen aufgenommen<br />

werden Ist sie durch die Meinungsverschiedenheiten<br />

über den Irak obsolet geworden<br />

Keines dieser Probleme wäre fatal, wenn da<br />

nicht die vierte und fünfte Parallele wären:<br />

einen Überschuss verwandelt worden war.<br />

Bleibt das Problem <strong>der</strong> islamischen Welt,<br />

das seine Brisanz aus den dort lagernden<br />

Weltenergiereserven bezieht. Die von den<br />

USA garantierte Ordnung sorgt dafür, dass<br />

alle strategischen Güter, unter ihnen auch<br />

Öl und Gas, auf dem Weltmarkt zu maßvollen<br />

Preisen zu kaufen sind. So kann sie keine<br />

politische Macht <strong>als</strong> Waffe einsetzen o<strong>der</strong><br />

muss Waffen gebrauchen, um sie für sich<br />

verfügbar zu machen. Auf dieser Ordnung<br />

beruht <strong>der</strong> globale Frieden. Ein Zusammenbruch<br />

dieser Ordnung würde zu einer Reihe<br />

verheeren<strong>der</strong> Kriege um den Zugang zu<br />

diesen Ressourcen führen.<br />

Von den Mächten hinter den USA, den Europäern,<br />

Japan, China, auch Russland und<br />

Indien, hat keine an einer solchen Entwicklung<br />

Interesse. Sie würden dabei mit Sicherheit<br />

mehr verlieren <strong>als</strong> gewinnen. Das<br />

schließt nicht aus, dass politische Fehlentnale<br />

System mit gigantischen Schockwellen<br />

erschüttern würde. Wir wissen, dass<br />

ein revolutionärer Regimewechsel in<br />

Saudi-Arabien die Welt stärker erschüttern<br />

würde, <strong>als</strong> es <strong>der</strong> bolschewistische<br />

Coup 1917 in Russland getan hat. Doch<br />

was lässt sich gegen solche Eventualitäten<br />

unternehmen, von denen man nicht<br />

einmal ungefähr vorhersagen kann,<br />

wann sie eintreten könnten<br />

WIR SIND NICHT BESSER AUF<br />

DEN GAU VORBEREITET ALS DIE<br />

WELT VOR 90 JAHREN<br />

Wie es scheint, sind wir heute nicht besser<br />

auf den Super-GAU vorbereitet <strong>als</strong> die<br />

Nutznießer <strong>der</strong> letzten großen Globalisierung<br />

vor 90 Jahren. Genau wie die Passagiere,<br />

die an Bord <strong>der</strong> Lusitania gingen,<br />

wissen wir alle, dass wir untergehen können.<br />

Noch aber fahren wir.<br />

den Terror unterstützende Schurkenregime<br />

– ganz oben auf <strong>der</strong> Liste Iran und Syrien –<br />

und revolutionäre terroristische Vereinigungen.<br />

Es ist ein großer Fehler, Al-Qaida <strong>als</strong><br />

„islamofaschistisch“ zu begreifen, wie dies<br />

<strong>der</strong> Journalist Christopher Hitchens und<br />

viele an<strong>der</strong>e nach den Angriffen des 11. September<br />

2001 getan haben. Die Al-Qaida-Mitglie<strong>der</strong><br />

ähneln viel eher „Islamo-Bolschewiken“,<br />

die eine Revolution und eine antikapitalistische<br />

Neuordnung <strong>der</strong> Welt anstreben.<br />

Fazit: Neue Angriffe drohen – die Frage ist<br />

nur, wann sie geschehen. Ein Negativszenario<br />

erscheint daher durchaus plausibel. Aber<br />

ist es auch wahrscheinlich Das Schwierige,<br />

ja fast Unmögliche daran ist es, den Zeitpunkt<br />

<strong>der</strong> Katastrophe vorherzusagen. Ein<br />

weiterer, noch schrecklicherer 11. September<br />

ist Bin Ladens ausdrückliches Ziel. Wir<br />

wissen alle – o<strong>der</strong> sollten es zumindest wissen<br />

–, dass eine Taiwan-Krise das internatioreichsbildungen<br />

haben erstm<strong>als</strong> die Briten<br />

darüber verfügt.<br />

Die USA sind dem britischen Vorbild gefolgt<br />

und haben nach dem Ersten Weltkrieg diese<br />

Aufgabe übernommen. Die ökonomischen<br />

Effekte dessen kamen freilich erst nach dem<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs zum Tragen.<br />

Wenn sie in dieser Position durch irgendjemanden<br />

in Frage gestellt werden, dann<br />

we<strong>der</strong> durch die Chinesen noch islamistische<br />

Terroristen, son<strong>der</strong>n durch die Europäer<br />

und den Euro.<br />

Aber welche Rolle <strong>der</strong> Euro in <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

spielt, hängt nicht nur von den Europäern<br />

ab, son<strong>der</strong>n auch von den Län<strong>der</strong>n<br />

mit großen Devisenreserven und <strong>der</strong>en Entscheidung,<br />

diese in Dollar o<strong>der</strong> Euro zu halten.<br />

Die Bedeutung des US-Haushaltsdefizits<br />

sollte man nicht übertreiben: Auch am Ende<br />

<strong>der</strong> Reagan-Ära klaffte ein riesiges Haushaltsloch,<br />

das am Ende <strong>der</strong> Clinton-Ära in<br />

scheidungen Entwicklungen in Gang setzen,<br />

die keiner gewollt hat. Was uns<br />

heute jedoch von <strong>der</strong> Situation von 1914<br />

trennt, ist das klare Bewusstsein, dass ein<br />

solcher Krieg für keinen Vorteile bringen<br />

kann. Das gab es 1914 nicht, weil alle<br />

glaubten, sie könnten, so sie denn siegten,<br />

hinterher besser dastehen <strong>als</strong> zuvor.<br />

ES KOMMT HEUTE DARAUF AN,<br />

DASS DIE USA IHREN FÜHRUNGSANSPRUCH<br />

NICHT ÜBERZIEHEN<br />

Zurzeit profitieren alle potenziellen<br />

Gegenakteure von <strong>der</strong> weltpolitischen<br />

Rolle, welche die USA spielen. Es kommt<br />

<strong>als</strong>o darauf an, dass die USA mit ihrer<br />

Position klug und umsichtig umgehen<br />

und ihren Führungsanspruch nicht überziehen.<br />

Der aktuelle Verlauf des Irakkrieges<br />

dürfte ihnen dabei helfen. Für aufgeregten<br />

Alarmismus gibt es keinen Grund.<br />

22


p food for thought<br />

reportage<br />

Money statt Manitu<br />

Sie betreiben ihr eigenes Kraftwerk und jagen Bären per Helikopter: Die Cree-Indianer im Osten<br />

Kanadas haben eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte ersten Ranges geschrieben. Vater des Booms:<br />

ein Häuptling, <strong>der</strong> alte Indianerweisheiten in die mo<strong>der</strong>ne Zeit transferiert.<br />

:„Sind wir wirklich bei den Indianern<br />

gelandet“ Unternehmer Aurel Dan aus<br />

Lausanne wirkt fast enttäuscht, <strong>als</strong> sein<br />

Neunsitzer auf <strong>der</strong> Piste des Miniflughafens<br />

von Wemindji ausrollt. Dan nimmt an einer<br />

Flugrallye durch den Osten Kanadas teil. Als<br />

<strong>der</strong>en wild-malerischer Höhepunkt war dieser<br />

Abstecher an die James Bay im Norden<br />

Quebecs gedacht; hier hat <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

elektronischen Handelsplattform TeleInvest<br />

das erwartet, was er aus Wildwestfilmen<br />

kennt: weiße Zelte, aus denen Rauch aufsteigt,<br />

tanzende Indianer und Lagerfeuer.<br />

Doch zu sehen bekam er etwas an<strong>der</strong>es.<br />

Wemindji ist eine schmucke kleine Provinzsiedlung:<br />

ordentlich aufgereihte Häuser,<br />

geteerte Straßen, Pick-up-Trucks vor jedem<br />

Grundstück. Im Zentrum eine Mall, eine<br />

Tankstelle und eine große Sporthalle. Tipis<br />

stehen hier nur vereinzelt in manchen<br />

Gärten und auch nur, weil die älteren Cree<br />

noch gerne im Freien kochen.<br />

Senioren sind im Übrigen deutlich in <strong>der</strong><br />

Min<strong>der</strong>heit. Nachwuchssorgen hat Wemindji<br />

nicht; 70 Prozent <strong>der</strong> Cree hier sind jünger<br />

<strong>als</strong> 35 Jahre.<br />

WEMINDJI IST EINE ERFOLGSGESCHICHTE<br />

IN DER KANADISCHEN TUNDRA. DEM AUF-<br />

SCHWUNG FOLGTE DER BABYBOOM.<br />

Dem Dorf geht es gut, und <strong>der</strong> Aufschwung<br />

hat einen Babyboom ausgelöst. Alle Häuser<br />

hier haben fließend Wasser, 90 Prozent <strong>der</strong><br />

24


ein indianerdorf <strong>als</strong> erfolgsstory – inklusive beteiligung an einer airline<br />

food for thought f<br />

Familien besitzen Autos. Elche und Bären<br />

jagen die Cree von Wemindji mit Helikoptern.<br />

Und sie kommunizieren über Satellitentelefone.<br />

Wemindji ist eine unbekannte<br />

Erfolgsgeschichte, abgeschirmt von <strong>der</strong> endlosen<br />

Tundra Kanadas. Das Dorf liegt zu abgeschieden,<br />

um medial wahrgenommen zu<br />

werden. Erst seit diesem Jahrzehnt bindet<br />

eine Schotterstraße das Dorf an den James<br />

Bay Highway und das 14 Autostunden entfernte<br />

Montreal an. Hierher – an die Mündung<br />

des Maquatua-Flusses in die James<br />

Bay – verirren sich nur erfahrene Jäger o<strong>der</strong><br />

Ingenieure des Stromkonzerns Hydro Quebec,<br />

<strong>der</strong> in dem wasserreichen Gebiet gerade<br />

zahlreiche Kraftwerke baut. Und eben<br />

Hobbyflieger auf Air-Rallyes.<br />

Die begrüßt <strong>der</strong> Häuptling von Wemindji,<br />

Reggie Mark (oben rechts), am Flughafen<br />

persönlich. Im Polohemd, mit Khaki-Käppchen<br />

und eleganter Freizeithose wirkt er, <strong>als</strong><br />

käme er gerade vom Golfplatz. Kommt er<br />

aber nicht. Für viel Freizeitbeschäftigung<br />

hat <strong>der</strong> Mann keine Zeit; er managt nämlich<br />

ein aufstrebendes Dorf und zahlreiche Firmen<br />

in Kommunalbesitz (das profitable<br />

Transportunternehmen KEPA, die lokale<br />

Müllabfuhr, eine dieselgetriebene Müllverbrennungsanlage,<br />

ein kleines Busunternehmen<br />

und das lokale Wasserkraftwerk). Zum<br />

dörflichen Imperium gehören auch Beteiligungen<br />

an einem Asphaltunternehmen sowie<br />

an <strong>der</strong> regionalen Airline <strong>der</strong> Indianer<br />

an <strong>der</strong> James Bay, <strong>der</strong> Air Creebec.<br />

Reggie Mark ist <strong>der</strong> Vater des Booms von<br />

Wemindji. Der 55-jährige Chief, Vater von<br />

sieben Kin<strong>der</strong>n und Großvater von 15 Enkelkin<strong>der</strong>n,<br />

holte 200 Experten ins Dorf, um <strong>der</strong>en<br />

Know-how zu erwerben, „erfahrene Führungskräfte<br />

mit Disziplin“. Marks Managementkonzept:<br />

„gute Führungskräfte, eine<br />

Vision, Konsens, Prioritäten und finanzielle<br />

Solidität“. Serviceorientierung schreibt <strong>der</strong><br />

Häuptling groß: „Wir müssen unseren Leuten<br />

dienen.“ Marks Philosophie verbindet<br />

einen klaren Fokus aufs Kerngeschäft – Bewahrung<br />

<strong>der</strong> Tradition des Dorfes – mit permanenter<br />

Innovation: Daher gründet, för<strong>der</strong>t<br />

o<strong>der</strong> kauft er ständig neue Firmen, die<br />

Wachstum versprechen, Nachhaltigkeit gewährleisten<br />

und Arbeitsplätze sichern.<br />

Die Regierung von Quebec hat mit den neun<br />

Cree-Dörfern an <strong>der</strong> James Bay 2002 einen<br />

Vertrag unterzeichnet, <strong>der</strong> den Indianern<br />

auf 50 Jahre verteilt 3,5 Milliarden Dollar<br />

zusichert. Viel Geld, das aber schnell verpufft,<br />

wenn es nicht sinnvoll angelegt wird.<br />

25


p food for thought<br />

die ältesten wissen, dass verän<strong>der</strong>ung nötig ist<br />

Wemindji, die schmucke Provinzsiedlung im<br />

Osten Kanadas. Unbeachtet von <strong>der</strong> Welt, hat<br />

sich das Dorf zu einem ökonomischen Erfolgsmodell<br />

entwickelt.<br />

Das mussten an<strong>der</strong>e Cree-Dörfer erfahren.<br />

Keines von ihnen hat eine solche Erfolgsgeschichte<br />

geschrieben wie Wemindji.<br />

DER CHIEF SUCHT DEN KONSENS MIT DEN<br />

ÄLTESTEN. SO WIRD SENIORITÄT ZUM<br />

INSTRUMENT DER INNOVATION.<br />

Mark hat seinem Dorf mit einem ehrgeizigen<br />

Fünfjahresplan eine Perspektive gegeben.<br />

Er löste Begeisterung aus und riss die<br />

Siedlung mit. Ganz nach Indianerart hat er<br />

den Konsens mit den Ältesten im Dorf<br />

gesucht und gefunden. Ihre Autorität – ihre<br />

Seniorität – hat <strong>der</strong> Chief <strong>als</strong> innovationsför<strong>der</strong>ndes<br />

Instrument genutzt: „Die Alten hatten<br />

ein schwieriges Leben, ernährten sich<br />

von Acker und Jagd. Ihr Einkommen war<br />

unregelmäßig. Sie verstehen, dass wir Wandel<br />

und stete Einkommen brauchen.“<br />

Entscheidend für das Managementkonzept<br />

des Häuptlings: Er kennt seine Grenzen.<br />

Nicht vorhandene Kompetenzen lassen sich<br />

nicht herbeizaubern; sie müssen vielmehr<br />

erworben werden – intern o<strong>der</strong> durch Zukauf.<br />

Weil Wemindji viel baut, aber kein<br />

Know-how dafür hat, stieg Mark mit 30 Prozent<br />

in eine regionale Asphaltfirma ein. Das<br />

Ziel: langfristig die Firma zu übernehmen.<br />

Mit dem eigenen kleinen Hydrokraftwerk<br />

am Fluss Maquatua produziert Wemindji<br />

phasenweise mehr Strom, <strong>als</strong> es verbraucht.<br />

Der Überschuss wird an Hydro Quebec verkauft.<br />

Die Müllverbrennungsanlage hilft<br />

nicht nur, die Umweltauflagen <strong>der</strong> Regierung<br />

zu erfüllen. Sie sichert auch hohe För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong><br />

– und zehn Arbeitsplätze.<br />

Die neue Multisporthalle für sechs Millionen<br />

Dollar – mit Schwimmbad, Sauna und<br />

Basketballfeld – schafft weitere zwölf Jobs.<br />

Und sie sichert die soziale Stabilität in dem<br />

Dorf. Unter den Jugendlichen in den an<strong>der</strong>en<br />

Cree-Siedlungen grassieren Alkoholund<br />

Drogensucht, Gewalt und Geschlechtskrankheiten.<br />

In Wemindji kaum. „Wir brauchen<br />

aktive Kin<strong>der</strong>, dann schlittern sie nicht<br />

ins Abseits“, sagt Mark.<br />

Damit die Jugendlichen ihre eigene Kultur<br />

nicht vergessen, werden sie in den ersten<br />

drei Jahren Grundschule in Cree unterrichtet.<br />

Jedes Frühjahr ruhen für ein paar Tage<br />

alle „mo<strong>der</strong>nen“ Aktivitäten im Dorf, damit<br />

die Indianer ihre alten Bräuche praktizieren:<br />

Jagen, Fischen, Tänze und Handwerk.<br />

Was aber ist schwieriger, eine Firma zu führen<br />

o<strong>der</strong> ein Indianerdorf, Chief Mark<br />

„Der Job <strong>als</strong> Häuptling ist politischer, daher<br />

ist es leichter, eine Firma zu führen.“ Im täglichen<br />

Kampf um Akzeptanz im Dorf überzeugt<br />

nur, wer Ruhe und Souveränität ausstrahlt.<br />

Das tut Mark. „Man muss sich nicht<br />

nur gute Leute suchen“, erklärt er, „son<strong>der</strong>n<br />

den Managern Raum geben, damit sie die<br />

Ziele erfüllen.“<br />

Die Piloten <strong>der</strong> Rallye beeindruckt <strong>der</strong><br />

managementaffine Häuptling ebenso wie<br />

<strong>der</strong> Boom <strong>der</strong> Indianer. „Die haben es weit<br />

gebracht“, so Immobilienanwalt Norman<br />

Schwartz aus Kalifornien: „Wir schlafen in<br />

den Tipis, die Indianer in ihren Häusern.“<br />

Hightech nicht nur<br />

am Flughafen. Die Indianer<br />

in Wemindji sind in<br />

<strong>der</strong> Industriemo<strong>der</strong>ne<br />

angekommen.<br />

26


DIE NÄCHSTEN FÜNF JAHRZEHNTE<br />

STEHEN IM ZEICHEN DER GESUNDHEIT.<br />

Leo Nefiodow


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

nBRISTOL-MYERS SQUIBB<br />

Der Konzern hat 2005 2,5 Milliarden<br />

Dollar für F&E ausgegeben. Gerade<br />

mittelgroße Konzerne sind auf Forschungskooperationen<br />

angewiesen.<br />

110 eigene Forschungsprogramme<br />

und 50 Entwicklungsprogramme<br />

finanziert<br />

das Unternehmen.<br />

»Mehr denn je sind<br />

wir offen für alle Arten<br />

von Kooperationen.«<br />

PETER R. DOLAN, CEO<br />

DIE WELTGRÖSSTEN<br />

PHARMAUNTERNEHMEN<br />

Weltmarkt:<br />

Pfizer (USA)<br />

Sanofi-Aventis (Europa)<br />

GlaxoSmithKline (Europa)<br />

Merck (USA)<br />

AstraZeneca (Europa)<br />

21,4<br />

Roche (Europa)<br />

Bristol-Myers Squibb (USA)<br />

15,5<br />

Wyeth (USA)<br />

14,0<br />

550,0 Milliarden Dollar<br />

Johnson & Johnson (USA)<br />

22,1<br />

Novartis (Europa)<br />

18,5<br />

17,3<br />

21,5<br />

31,8<br />

31,4<br />

46,1<br />

Die Umsatzangaben (in Milliarden Dollar)<br />

beziehen sich auf 2004. 2005 und<br />

2006 dürften auslaufende Patente für<br />

mäßige Wachstumsraten sorgen.<br />

Quelle: Pharmaceutical Executive<br />

Gesundes Wachstum<br />

WELTWEIT WÄCHST DIE NACHFRAGE NACH NEUEN PRODUKTEN AUS DER GESUNDHEITSWIRTSCHAFT.<br />

SIE IST BEREITS JETZT EINER DER WACHSTUMSMOTOREN – UND IHR POTENZIAL IST LÄNGST NOCH NICHT<br />

AUSGESCHÖPFT. ABER NUR MIT INNOVATIVEN NETZWERKEN WERDEN UNTERNEHMEN ZU GEWINNERN.<br />

s<br />

INNERHALB VON 30 MINUTEN wird <strong>der</strong> Körper<br />

eines Patienten exakt abgebildet. Alle wesentlichen<br />

Organe vom Gehirn bis zur Leber erscheinen dreidimensional<br />

auf einem PC-Bildschirm. „Wir prüfen, ob<br />

solch ein Blick in den ganzen Körper bei hartnäckigen<br />

Beschwerden wie Abnahme <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit,<br />

Gewichtsverlust o<strong>der</strong> Schwindel helfen kann“, erläutert<br />

Bernd Hamm, Direktor des Instituts für Radiologie<br />

<strong>der</strong> Charité in Berlin und wissenschaftlicher Leiter<br />

des Imaging Science Institute (ISI). Das ISI nutzt neue<br />

Bildgebungstechnologien, um verborgene Entzündungsherde,<br />

Organvergrößerungen o<strong>der</strong> Schäden an<br />

Blutgefäßen zu finden.<br />

Spitzenmedizin dieser Art ist oft das Resultat<br />

innovativer Kooperationen – auch in diesem Fall. Das<br />

ISI managt die Charité gemeinsam mit <strong>der</strong> Medizintechniktochter<br />

des Elektrokonzerns Siemens. Nur<br />

dank <strong>der</strong> Zuschüsse des Unternehmens kann das ISI<br />

neue Methoden schon im Frühstadium ausprobieren.<br />

Das Institut repräsentiert einen von zahlreichen<br />

neuen Wegen, den öffentliche und private Unternehmen<br />

auf <strong>der</strong> Suche nach Partnerschaften in <strong>der</strong><br />

<strong>Gesundheit</strong>swirtschaft gehen. In dem dynamischen<br />

Markt, den Experten <strong>als</strong> globalen Wachstumsmotor<br />

des angebrochenen Jahrtausends sehen, sind flexible<br />

Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit gefragt, um dem<br />

Innovations- und Investitionsdruck standzuhalten.<br />

Je<strong>der</strong> kooperiert mit jedem: Firmen miteinan<strong>der</strong>, die<br />

Industrie mit <strong>der</strong> Wissenschaft, private Forschungsinstitute<br />

mit staatlichen Stellen. Die große Kooperitis<br />

ist ausgebrochen – und das hat auch Sinn.<br />

DEN FEHLER DER NEW ECONOMY, die noch vor<br />

Jahren <strong>als</strong> Wachstumsgarant galt, wollen speziell die<br />

Unternehmen auf dem Healthcare-Markt nicht wie<strong>der</strong>holen.<br />

Technologiegiganten wie AOL/Time Warner o<strong>der</strong><br />

WorldCom, die allein durch Fusionen und Übernahmen<br />

Umsätze und Marktanteile explodieren ließen, produzierten<br />

dam<strong>als</strong> mehr Kosten <strong>als</strong> Synergien und stürzten<br />

ab. Das hatte katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft.<br />

Um diese Gefahr zu umgehen, sind die<br />

Pillenriesen in ihrer Aquisitionspolitik vorsichtig geworden.<br />

Übernahmen finden zwar weiter statt, aber<br />

selektiv und vor allem, um neue Geschäftsfel<strong>der</strong> zu<br />

erschließen. Daneben bauen die Pharmakonzerne,<br />

aber auch große Krankenhausbetreiber aus den USA<br />

und Großbritannien aktiv an neuen Netzwerken, um<br />

das Marktpotenzial innovativer Dienstleistungen und<br />

Produkte auszuschöpfen.<br />

Das nämlich ist beträchtlich. Schon ein Blick<br />

auf die Titelseiten <strong>der</strong> Nachrichtenmagazine weltweit<br />

zeigt: <strong>Gesundheit</strong> ist das Überthema dieses Jahrzehnts.<br />

Nach Einschätzung des russischen Zukunftsforschers<br />

Leo Nefiodow hat <strong>der</strong> <strong>Gesundheit</strong>smarkt die<br />

Informationstechnik <strong>als</strong> langfristige Wachstumslokomotive<br />

abgelöst. „Die nächsten fünf Jahrzehnte werden<br />

im Zeichen <strong>der</strong> <strong>Gesundheit</strong> stehen“, erwartet<br />

<strong>der</strong> Ökonom. Allein 2003 betrug das globale Volumen<br />

des <strong>Gesundheit</strong>smarktes laut Bloomberg/Apoasset<br />

rund 2,6 Billionen Euro. 40 Prozent davon fließen den<br />

zumeist öffentlichen Krankenhäusern zu, weitere<br />

34 Prozent werden in medizinisch-technische Geräte<br />

investiert. Die Ausgaben für Arzneimittel, obwohl<br />

im Mittelpunkt vieler Spardebatten, betragen hingegen<br />

nur rund elf Prozent.<br />

Ein zentraler Wachstumstreiber ist die private<br />

<strong>Gesundheit</strong>svorsorge. In Europa steht diese zwar<br />

noch ziemlich am Anfang – <strong>der</strong> öffentliche Anteil an<br />

den <strong>Gesundheit</strong>sausgaben liegt auf dem Kontinent<br />

meist zwischen 70 und 80 Prozent. In den Vereinigten<br />

Staaten hingegen beträgt er nur noch rund 44 Prozent.<br />

US-Konsumenten sind bereit, aus eigener Tasche<br />

Geld auszugeben. Und zwar nicht nur für traditionelle<br />

Medikamente, son<strong>der</strong>n auch für so genannte Lifestyle-Drugs,<br />

zum Beispiel für Potenzmittel, Diätpillen<br />

o<strong>der</strong> Anti-Falten-Präparate.<br />

28


Kosten drücken allein reicht nicht DOSSIER #05<br />

Überhaupt geben Bürger in den USA mehr für<br />

Medikamente aus <strong>als</strong> an<strong>der</strong>swo. Ein Grund liegt darin,<br />

„dass viele Präparate dort früher auf den Markt kommen<br />

<strong>als</strong> in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n und dann in <strong>der</strong> Regel zu<br />

einem höheren Preis verkauft werden“, so eine aktuelle<br />

Studie von Deutsche Bank Research. Davon profitiert<br />

die heimische Volkswirtschaft. Die starke Nachfrage<br />

aus dem Heimatmarkt führt nämlich zugleich<br />

zu massiven Forschungsaktivitäten und stärkt die<br />

Position heimischer Pharmakonzerne. Nicht von ungefähr<br />

haben die US-Unternehmen in den neunziger<br />

Jahren bei <strong>der</strong> Neuentwicklung von Medikamenten<br />

die Spitze übernommen. Für den Rest <strong>der</strong> Welt<br />

heißt dies: Ein <strong>Gesundheit</strong>ssektor, <strong>der</strong> sich nur<br />

aufs Kostendrücken beschränkt, schadet <strong>der</strong> einheimischen<br />

Wirtschaft.<br />

WELTWEIT ERWARTEN die Forscher <strong>der</strong> Deutschen<br />

Bank für die nächsten 15 Jahre weiter sattes<br />

Wachstum. Dafür sorgen dürfte nicht zuletzt die<br />

Tatsache, dass die Definition dessen, was <strong>als</strong> geldwerte<br />

<strong>Gesundheit</strong>sleistung gilt, ständig weiter gefasst<br />

wird. Noch vor Jahren undenkbar, stoßen Medikamente<br />

gegen Zivilisationskrankheiten wie Allergien<br />

heute zumindest bei US-Konsumenten auf hohe Akzeptanz.<br />

Mittelfristig dürften sich diese neuartigen<br />

Arzneien weltweit verbreiten. Auch <strong>der</strong> gesellschaftliche<br />

Alterungsprozess führt zu ganz neuen Produktkategorien.<br />

So verdienen viele Konzerne mittlerweile<br />

gutes Geld mit Medikamenten gegen natürliche<br />

Alterserscheinungen.<br />

Global steigen die Ausgaben für die <strong>Gesundheit</strong><br />

seit Jahrzehnten. Nicht nur in den USA, son<strong>der</strong>n auch<br />

in Japan o<strong>der</strong> Großbritannien wachsen sie stärker <strong>als</strong><br />

die Gesamtwirtschaft. Das Wachstum hat sich in den<br />

vergangenen Jahren in einigen Län<strong>der</strong>n zwar verlangsamt.<br />

Trotz Sparbemühungen werden die Ausgaben<br />

aber weiter zunehmen. Vor allem dürfte das<br />

US-Modell Schule machen. Immer mehr Verbraucher<br />

sehen <strong>Gesundheit</strong>saufwendungen <strong>als</strong> Investition in<br />

den eigenen Körper an. Sie sind daher bereit, mehr für<br />

ihr Wohlergehen auszugeben. Auch Leo Nefiodow prognostiziert<br />

einen neuen globalen <strong>Gesundheit</strong>ssektor.<br />

Dieser weite sich aus durch Präventionsmaßnahmen,<br />

kostengünstigere Alternativmedizin wie Naturheilverfahren<br />

und Psychodisziplinen. Dagegen müsse <strong>der</strong><br />

konventionelle <strong>Gesundheit</strong>ssektor umstrukturiert<br />

werden, da er bisher die Krankheit för<strong>der</strong>e. „Die behutsame<br />

Transformation vom Krankheits- zu einem<br />

<strong>Gesundheit</strong>ssystem ist überfällig.“<br />

Zentrales Element in einem solchen System ist<br />

die enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Diese<br />

erleichtere die gesundheitsrelevante Forschung und<br />

Entwicklung, so Joachim Kartte, Partner bei <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> Strategy Consultants. „Integrierte Innovationsnetzwerke“<br />

bilden sich laut Kartte rund um einen<br />

klassischen Cluster <strong>der</strong> integrierten Versorgung, in<br />

dem Leistungserbringer verschiedener Sektoren, aber<br />

auch Kostenträger durch abgestimmte Behandlungspfade<br />

sowie neue Formen von Management, Controlling<br />

und Abrechnung miteinan<strong>der</strong> verbunden sind.<br />

Diese Netzwerke gehen nun strategische Partnerschaften<br />

mit <strong>der</strong> Industrie ein – etwa mit Pharma-,<br />

Biotech-, Medizintechnik- o<strong>der</strong> auch IT-Unternehmen.<br />

Die Firmen fungieren dann nicht mehr nur <strong>als</strong> Lieferanten<br />

<strong>der</strong> Leistungserbringer, son<strong>der</strong>n entwickeln<br />

gemeinsam mit <strong>der</strong> Spitzenmedizin völlig neue Verfahren,<br />

Behandlungsmethoden und IT-Lösungen.<br />

Florian Holsboer, Direktor am Max-Planck-Institut<br />

für Psychiatrie, erläutert dies anhand <strong>der</strong> klinischen<br />

Pharmakologie: „Vor etwa vier Jahren wurde<br />

deutlich, dass in <strong>der</strong> klinischen Pharmakologie genetische<br />

Untersuchungen nur dann wesentliche neue<br />

Erkenntnisse hervorbringen, wenn die Versuchsanordnung<br />

nicht streng hypothesengeleitet ist. Solch<br />

ein Ansatz erfor<strong>der</strong>t Technologien, die nur in <strong>der</strong> pharmazeutischen<br />

Industrie etabliert sind, und den Zugang<br />

zu Datenbanken, über die Industriefirmen seit<br />

langem verfügen und die selbst aufzubauen viel<br />

zu viel Zeit und Geld verschlingen würde.“ Also gründete<br />

Holsboer mit dem britischen Pharmakonzern<br />

GlaxoSmithKline das kommerzielle Genetic Research<br />

Centre. GlaxoSmithKline kommt für Investitionen, Personal<br />

und Miete auf, das Max-Planck-Institut und<br />

an<strong>der</strong>e potenzielle Kooperationspartner übernehmen<br />

die laufenden Chemikalienkosten. Das Zentrum arbeitet<br />

weit gehend eigenständig; lediglich wenn es mit<br />

einem Konkurrenten <strong>der</strong> Briten forschen will, hat <strong>der</strong><br />

Konzern ein Vetorecht.<br />

Partnerschaften wie diese sorgen dafür, dass<br />

neue Produkte und Dienstleistungen schneller marktreif<br />

werden. Leistungserbringer und Kostenträger pro-<br />

29


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

nHCA<br />

Die Hospital Corporation of America ist<br />

<strong>der</strong> größte private Krankenhausbetreiber<br />

<strong>der</strong> USA. HCA entwickelt sich<br />

immer mehr zu einem internationalen<br />

Healthcare-Konzern.<br />

25 Milliarden Dollar<br />

Umsatz erzielt<br />

HCA – ein Zwischenschritt<br />

auf dem Weg<br />

zum Global Player.<br />

»Wir planen, mit<br />

stark integrierten<br />

Netzwerken Weltmarktführer<br />

im<br />

Bereich Healthcare<br />

zu werden.«<br />

RICHARD M. BRACKEN,<br />

PRÄSIDENT UND COO, HCA<br />

GROSSE BÖRSENNOTIERTE<br />

US-KLINIKBETREIBER<br />

Umsatz<br />

Marktin<br />

$ kapitalisierung in $<br />

HCA 24,5 Mrd. 23,3 Mrd.<br />

Tenet 9,7 Mrd. 3,6 Mrd.<br />

Triad 4,8 Mrd. 3,7 Mrd.<br />

Universal 4,2 Mrd. 2,5 Mrd.<br />

Community Health 3,7 Mrd. 3,4 Mrd.<br />

Health Mgt. Assoc. 3,6 Mrd. 5,4 Mrd.<br />

Magellan 1,8 Mrd. 1,2 Mrd.<br />

Lifepoint 1,6 Mrd. 1,8 Mrd.<br />

Die größten privaten Krankenhausbetreiber<br />

sitzen in den USA. Auch <strong>der</strong> britische<br />

Markt ist stark zentralisiert. Die<br />

Privatisierung in Kontinentaleuropa<br />

dürfte aber Anbietern wie <strong>der</strong> französischen<br />

Général de la Santé nützen.<br />

Quelle: Yahoo Finance<br />

filieren sich durch innovative Methoden im Wettbewerb<br />

um Kunden. Die Kostenträger können potenzielle<br />

Kosteneffekte neuer Methoden messen. Und: Beispiele<br />

wie das Genetic Research Centre o<strong>der</strong> das ISI<br />

zeigen, dass diese Formen öffentlich-privater Entwicklungsnetzwerke<br />

profitabel sein können. Nach<br />

Ansicht von Siemens-Vorstandsmitglied Erich R. Reinhardt<br />

führt die Gemeinschaftsarbeit „zu Innovationen,<br />

die die Qualität <strong>der</strong> <strong>Gesundheit</strong>sversorgung erhöhen<br />

und die Kosten im <strong>Gesundheit</strong>swesen senken“.<br />

Vorausgesetzt, das Humankapital stimmt. Vor<br />

allem integrierte Forschungs- und <strong>Gesundheit</strong>szentren<br />

sind auf erstklassige Forscher angewiesen.<br />

Momentan entbrennt ein regelrechter Wettbewerb um<br />

die besten Köpfe aus Pharmaforschung und Wissenschaft.<br />

Zumal nicht nur US-amerikanische und europäische<br />

Zentren um die Topforscher buhlen, son<strong>der</strong>n<br />

zunehmend auch Konkurrenten aus Ostasien o<strong>der</strong><br />

dem Nahen Osten. Das Emirat Dubai errichtet momentan<br />

eine Forschungs- und <strong>Gesundheit</strong>sstadt riesigen<br />

Ausmaßes (siehe Reportage auf Seite 40). Und bereits<br />

im Jahr 2003 eröffnete <strong>der</strong> Stadtstaat Singapur die<br />

Biopolis, einen Think-Tank, in dem sich Genforscher,<br />

Molekularbiologen, Bioinformatiker und F&E-Abteilungen<br />

großer Pharmakonzerne zusammenfinden.<br />

Biopolis soll dem Land einen Spitzenplatz in <strong>der</strong> biomedizinischen<br />

Forschung verschaffen. Damit dies<br />

funktioniert, ist Initiator Philip Yeo ein ganzes Jahr<br />

lang um den Globus gejettet, um die besten Forscher<br />

anzulocken. Den renommierten britischen Krebsforscher<br />

David Lane konnte er verpflichten, ebenso zwei<br />

führende Genomforscher aus den USA. Nur die besten<br />

Köpfe wolle er holen, so Yeo. „Der Rest kommt von<br />

allein.“ Und zwar aus aller Welt.<br />

Während integrierte <strong>Gesundheit</strong>s- und Forschungszentren<br />

global um Spitzenkräfte buhlen, ist<br />

<strong>der</strong> Wettbewerb im klassischen Krankenhaussektor<br />

noch vorrangig Län<strong>der</strong>sache. Doch <strong>der</strong> Wind <strong>der</strong> Globalisierung<br />

weht auch hier. Vorreiter sind die USA und<br />

Großbritannien. Der Klinikbetrieb ist dort bereits weit<br />

gehend privatisiert und wird von wenigen großen<br />

Betreibern beherrscht. In Großbritannien dominiert<br />

BMI Healthcare. Die Gruppe betreibt 44 Kliniken mit<br />

2100 Betten. Als Ziel für die Zukunft nennt BMI die<br />

„Erweiterung des Portfolios durch Expansion in allen<br />

Marktsegmenten“. Das dürfte auch heißen: weltweit.<br />

Marktführer in den USA ist HCA (Hospital Corporation<br />

of America). Das Unternehmen betreibt Akutund<br />

psychiatrische Kliniken und ist auch in <strong>der</strong><br />

Schweiz und Großbritannien aktiv. In Zukunft plant<br />

Richard M. Bracken, Präsident und Chief Operating<br />

Officer, das Wachstum „durch den Ausbau <strong>der</strong> medizinischen<br />

Spezialgebiete und Notfallversorgung sowie<br />

selektive Übernahmen von Kliniken mit Fokus auf<br />

städtische Gebiete“. Auch Bracken sieht die Möglichkeit<br />

zu weiterem Wachstum vor allem in integrierten<br />

Netzwerken. Durch diese will HCA seine Stellung <strong>als</strong><br />

weltweit größter Krankenhausbetreiber festigen. Für<br />

die Betreiber von Privatkliniken gilt <strong>als</strong>o, was sich wie<br />

ein roter Faden durch die gesamte <strong>Gesundheit</strong>sindustrie<br />

zieht: Nur wer konsequent auf Partnerschaften<br />

setzt und auch intern die Fähigkeiten zur Zusammenarbeit<br />

mit sehr unterschiedlichen Partnern entwickelt,<br />

wird in Zukunft gewinnen.<br />

Auch in <strong>der</strong> Pharmabranche. Um die immensen<br />

Forschungs- und Entwicklungskosten zu reduzieren,<br />

knüpfen die Konzerne branchenintern engmaschige<br />

Netze an Kooperationen. Konzerne wie Pfizer o<strong>der</strong><br />

Novartis koordinieren mehr <strong>als</strong> 100 Partnerschaften<br />

gleichzeitig. Speziell um Partner in <strong>der</strong> Biotechnologie<br />

findet stellenweise ein regelrechter Kampf statt.<br />

Nicht ohne Grund: Im Jahr 2004 machten Biotechmedikamente<br />

bereits zehn Prozent des globalen<br />

Pharmamarkts aus. Fast folgerichtig bieten sich Topmanager<br />

wie Peter R. Dolan, CEO des neuntgrößten<br />

Konzerns Bristol-Myers Squibb, offen <strong>als</strong> Partner an.<br />

Dolan: „Mehr denn je sind wir offen für alle Arten von<br />

Kooperationen, unabhängig davon, auf welchem<br />

Gebiet und in welchem Stadium sich die Entwicklungen<br />

befinden.“ Gerade hat sein Konzern eine Kooperation<br />

mit dem Genomic-Unternehmen Exelixis besiegelt.<br />

Exelixis entwickelt neue Präparate zur Behandlung<br />

von Herzkrankheiten, die sich gegen den<br />

Leber-X-Rezeptor richten. Im Gegenzug erhält das<br />

Unternehmen für maximal zwei Präparate Zahlungen<br />

von jeweils bis zu 140 Millionen Dollar sowie eine Vorabzahlung<br />

von 17,5 Millionen Dollar und für zwei<br />

Jahre eine Forschungsunterstützung von weiteren<br />

zehn Millionen Dollar.<br />

Beson<strong>der</strong>s erfolgversprechend sind Kooperationen,<br />

in denen die Ergebnisse vergangener Forschungen<br />

gepoolt werden können. Bristol-Myers<br />

30


Deregulierung führt zu mehr Innovation DOSSIER #05<br />

Wachstumstreiber statt Kostenfaktor<br />

EINE STUDIE MACHT DEUTLICH, WIE DER GESUNDHEITSSEKTOR ZUM WACHSTUMSMOTOR WERDEN KANN. GERADE DEUTSCHLAND ALS<br />

GESUNDHEITSSTANDORT IM UMBRUCH ZEIGT: INNOVATIONEN MÜSSEN WEITER GEFÖRDERT WERDEN; VERALTETE BEHANDLUNGSMETHODEN<br />

GEHÖREN ABGESCHAFFT. UND DIE PATIENTEN MÜSSEN SICH DARAN GEWÖHNEN, FÜR ERSTKLASSIGE BEHANDLUNG PRIVAT ZU ZAHLEN.<br />

SEIT MITTE DER NEUNZIGER JAHRE ist <strong>der</strong><br />

<strong>Gesundheit</strong>ssektor jährlich um etwa einen<br />

Prozentpunkt schneller gewachsen <strong>als</strong> die<br />

gesamte deutsche Wirtschaft; über vier Millionen<br />

Menschen, <strong>als</strong>o je<strong>der</strong> zehnte Erwerbstätige,<br />

sind in <strong>der</strong> Branche beschäftigt. Bis<br />

zum Jahr 2020 wird <strong>der</strong> <strong>Gesundheit</strong>smarkt<br />

von heute 260 Milliarden Euro auf über<br />

450 Milliarden Euro wachsen. Zu diesem<br />

Ergebnis kommt die Studie „Innovation und<br />

Wachstum im <strong>Gesundheit</strong>swesen“ von <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> Strategy Consultants.<br />

Das <strong>Gesundheit</strong>swesen – und nicht die<br />

Autoindustrie – ist bereits jetzt die größte<br />

Branche <strong>der</strong> deutschen Volkswirtschaft. Und<br />

sie verfügt über viel Wachstumspotenzial,<br />

denn sie verbindet Dienstleistung mit Hightech;<br />

und die demografische Entwicklung<br />

arbeitet ihr zu. An Stelle <strong>der</strong> permanenten<br />

Kostendebatten sollten daher die Wachstumschancen<br />

im <strong>Gesundheit</strong>ssektor ergriffen und<br />

Innovationen forciert werden.<br />

Nicht nur die <strong>Gesundheit</strong>sbranche<br />

wächst, son<strong>der</strong>n auch die Ansprüche <strong>der</strong><br />

Patienten. Sie werden mündiger und verlangen<br />

Transparenz, damit sie selbst entscheiden<br />

können, welche Leistungen sie in Anspruch<br />

nehmen. Dafür sind die Menschen auch bereit,<br />

<strong>Gesundheit</strong>sleistungen privat zu finanzieren.<br />

So gaben die Deutschen 2003 etwa 50 Milliarden<br />

Euro für ihre <strong>Gesundheit</strong> aus und bezahlten<br />

damit knapp 20 Prozent aller <strong>Gesundheit</strong>sleistungen<br />

aus eigener Tasche.<br />

Damit <strong>der</strong> <strong>Gesundheit</strong>smarkt und die<br />

Anzahl <strong>der</strong> Beschäftigten weiter wachsen,<br />

müssen Innovationen bei Forschung und Leistungen<br />

öffentlich geför<strong>der</strong>t werden. Durch<br />

Deregulierung kann <strong>der</strong> Wettbewerb <strong>der</strong> Systeme<br />

und Anbieter forciert werden, was zu mehr<br />

Innovationen führt. So sollten Zusammenschlüsse<br />

zwischen den unterschiedlichen<br />

Arten von Krankenversicherern zugelassen<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rahmen für Direktverträge zwischen<br />

Kassen und Leistungserbringern erweitert<br />

werden. Zertifizierungssysteme würden es den<br />

Bürgern ermöglichen, die Qualität <strong>der</strong> Leistungen<br />

selbst zu beurteilen.<br />

DIE PRIVATE FINANZIERUNG sollte stärker<br />

für Innovationen genutzt werden, for<strong>der</strong>n die<br />

Autoren. Wer Geld in seine eigene <strong>Gesundheit</strong><br />

investiert, profitiert so auch von den<br />

neuesten therapeutischen Errungenschaften.<br />

Dies wi<strong>der</strong>spräche nicht dem Solidargedanken.<br />

Schließlich, so die Argumentation <strong>der</strong> Autoren,<br />

wurden auch <strong>der</strong> Airbag und das ABS, die<br />

zweifelsohne dem Erhalt von Leben und<br />

<strong>Gesundheit</strong> dienen, zunächst von wenigen<br />

Käufern teurer Autos finanziert.<br />

Um weitere Mittel für Innovationen freizusetzen,<br />

empfehlen die Berater zudem, das<br />

solidarisch finanzierte System konsequent<br />

auf Ineffizienzen wie Doppelbehandlungen zu<br />

durchforsten. Mittels systematischer Therapievergleichsforschung<br />

könnten veraltete Behandlungsmethoden<br />

abgeschafft werden.<br />

Squibb beispielsweise will mit dem Biotechunternehmen<br />

Gilead Sciences künftig ein HIV-Medikament produzieren.<br />

Dieses kombiniert die Wirkstoffe <strong>der</strong> bestehenden<br />

Pillen Truvada (aus dem Hause Gilead) und<br />

Sustiva (Bristol-Myers Squibb).<br />

NETZWERKE ZWISCHEN Pharmariesen und kleineren<br />

Biotechfirmen sind in <strong>der</strong> Branche mittlerweile<br />

üblich. Die Innovationskraft <strong>der</strong> Biotechnologen würde<br />

bei einer vollständigen Integration in die Konzernstruktur<br />

ausgebremst. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite können<br />

die Partnerunternehmen bei den aufwendigen Genehmigungsverfahren<br />

für Neuentwicklungen und internationale<br />

Patente auf die Erfahrung und Marktmacht<br />

eines Global Player zurückgreifen, ohne den ihre Entwicklungen<br />

nie zur Marktreife gelängen.<br />

Zur Kooperation gibt es für die Unternehmen<br />

auch keine Alternative. Der Druck auf die Pipelines<br />

wächst. Allein das Forschungszentrum von Bristol-<br />

Myers Squibb musste für Forschung und Entwicklung<br />

im letzten Jahr rund 2,5 Milliarden Dollar ausgeben.<br />

Obwohl aktuell etwa 110 eigene Forschungsprogramme<br />

finanziert werden, kooperiert das Unternehmen<br />

sogar mit direkten Konkurrenten – was nicht nur die<br />

Aufgabe von Exklusivwissen bedeuten kann, son<strong>der</strong>n<br />

auch mit operativen Risiken verbunden ist.<br />

IMMER MEHR UNTERNEHMEN suchen Partner<br />

darüber hinaus bereits heute in China und Indien.<br />

Nicht zuletzt Indien gewinnt nach Ansicht von Deutsche<br />

Bank Research „in Zukunft in <strong>der</strong> primären<br />

Pharmaforschung sowie in <strong>der</strong> Medizintechnik an<br />

Bedeutung“. Die Vielzahl von qualifizierten Wissenschaftlern,<br />

niedrige Löhne sowie geringe F&E-Kosten<br />

für neue Medikamente sind hierfür die Basis; die Forschungskosten<br />

sind beson<strong>der</strong>s auch wegen <strong>der</strong> großen<br />

Verfügbarkeit von Probanden gering. Künftig<br />

könnte Indien ein wichtiger Standort für klinische Forschungen<br />

und bestimmte medizinische Operationen<br />

werden; nicht nur wegen <strong>der</strong> niedrigeren Kosten, son-<br />

31


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

nGENETIC RESEARCH CENTRE<br />

Um in <strong>der</strong> klinischen Pharmakologie<br />

zu kooperieren, gründeten das Max-<br />

Planck-Institut für Psychiatrie und<br />

GlaxoSmithKline das Genetic Research<br />

Centre. Das Unternehmen finanziert<br />

Investitionen, Personal und Miete, das<br />

Institut und an<strong>der</strong>e potenzielle Partner<br />

übernehmen die Chemikalienkosten.<br />

»Ohne unseren Forschungsansatz<br />

wären<br />

wir für Glaxo-<br />

SmithKline sicherlich<br />

nicht attraktiv genug<br />

gewesen, um den<br />

Konzern zum Forschen<br />

nach München<br />

zu locken.«<br />

FLORIAN HOLSBOER, LEITER DES<br />

MAX-PLANCK-INSTITUTS FÜR PSYCHIATRIE<br />

DIE GRÖSSTEN BLOCKBUSTER<br />

Umsätze 2004 in Milliarden Dollar<br />

Lipitor<br />

Zocor<br />

Plavix<br />

Nexium<br />

Zyprexa<br />

Norvasc<br />

Erypo<br />

Ogastro<br />

Effexor<br />

4,0<br />

3,8<br />

3,7<br />

5,0<br />

4,8<br />

4,8<br />

4,8<br />

Seretide/Advair 4,7<br />

5,9<br />

12,0<br />

alle Markenmedikamente zusammen: 53,5<br />

Kooperationen zwischen Wissenschaft<br />

und Industrie zielen oft auf konkrete<br />

Produkte. Ein Blockbuster, und eine<br />

Kooperation hätte sich gelohnt.<br />

Quelle: IMS MIDAS<br />

<strong>der</strong>n auch, weil Ärzte einen guten Ausbildungsstand<br />

haben und die – wenn auch wenigen – Topkrankenhäuser<br />

mit mo<strong>der</strong>nster Technologie ausgerüstet sind.<br />

Die Regierung will ferner den Biotechnologiesektor mit<br />

<strong>der</strong> Einrichtung spezieller Technologieparks för<strong>der</strong>n.<br />

Doch wer in Indien investiert, hat nicht nur den<br />

Export nach Nordamerika, Japan o<strong>der</strong> Europa im<br />

Visier: „Wegen <strong>der</strong> wachsenden Bevölkerungszahl und<br />

dank <strong>der</strong> steigenden <strong>Gesundheit</strong>sausgaben wird<br />

Indien – wie auch China – in den nächsten Jahren zu<br />

einem bedeutenden Absatzmarkt für Arzneimittel“, so<br />

die Deutsche Bank Research. Außerdem könnten die<br />

westlichen Konzerne damit einen wachsenden Konkurrenten<br />

auf dessen Heimatmarkt angreifen. Der<br />

Subkontinent hat sich nämlich in den letzten Jahren<br />

zu einem <strong>der</strong> weltweit wichtigsten Lieferanten von<br />

Generika entwickelt. Deren Anteil an indischen Pharmaexporten<br />

liegt bei über 80 Prozent. Und auch wenn<br />

Pfizer in einem Patentprozess gegen den indischen<br />

Generikahersteller Ranbaxy kürzlich die Oberhand<br />

behielt: Abnehmen dürfte <strong>der</strong> Druck durch günstige<br />

Nischenanbieter künftig nicht.<br />

Nicht zuletzt die Bedrohung durch Generika<br />

hat die Stimmung in <strong>der</strong> Pharmabranche jüngst verschlechtert.<br />

Die bisher vorherrschende Blockbuster-<br />

Strategie erscheint vielen Beobachtern mittlerweile<br />

riskant. Zwar ist <strong>der</strong> Pharmamarkt (550 Milliarden<br />

Dollar) auch 2004 wie<strong>der</strong> gewachsen. Die Zunahme<br />

um sieben Prozent war aber die geringste Wachstumsrate<br />

seit sechs Jahren. Die Industrie kämpft<br />

gegen langwierige Zulassungsverfahren und erhebliche<br />

Bürokratisierung. Prominentes Beispiel: Allein<br />

wegen anhängiger Gerichtsentscheide im Zusammenhang<br />

mit einer Diätpille musste das US-Unternehmen<br />

Wyeth Rückstellungen von 16 Milliarden Dollar<br />

bilden. Der Aktienkurs leidet bis heute; weitere<br />

Beteiligungen wurden wegen <strong>der</strong> Zeit raubenden Gerichtsverfahren<br />

über sieben Jahre erschwert. Ein Beispiel,<br />

das die Risiken <strong>der</strong> Konzentration auf wenige<br />

Blockbuster verdeutlicht.<br />

BRANCHENWEIT IST DER OUTPUT an neuen Medikamenten<br />

auf den niedrigsten Stand <strong>der</strong> letzten<br />

30 Jahre gesunken. Gegenüber den späten achtziger<br />

Jahren hat er sich halbiert. Gleichzeitig haben die<br />

Investitionen drastisch zugenommen – auf über<br />

50 Milliarden Dollar gegenüber knapp 22 Milliarden im<br />

Jahr 1990. Der Druck auf die Pharmaunternehmen<br />

nimmt auch durch zahlreiche ablaufende Patente zu.<br />

Allein in den USA sind davon in diesem Jahr Medikamente<br />

mit einem Gesamtvolumen von 500 Millionen<br />

Dollar bedroht. Der US-Pharmaindustrie drohen laut<br />

einer Prognose <strong>der</strong> APO-Bank dabei Umsatzeinbrüche<br />

in Höhe von 80 Prozent.<br />

Nach Schätzungen von Morgan Stanley und <strong>der</strong><br />

dänischen Investmentbank Jyske Bank betreffen<br />

auslaufende Patente bei Merck 25 Prozent des Umsatzes<br />

und bei Bristol-Myers Squibb 21 Prozent. Probleme<br />

dürften auslaufende Patente auch dem Branchenprimus<br />

Pfizer bereiten. Der US-Riese vertreibt allein<br />

zehn Blockbuster. In diesem und dem nächsten Jahr<br />

verzeichnet Pfizer bedeutende Patentabläufe.<br />

Das Unternehmen versucht daher, seine Abhängigkeit<br />

von wenigen Blockbustern zu reduzieren.<br />

227 Entwicklungsprojekte laufen momentan gleichzeitig.<br />

Im vergangenen Jahr musste das Unternehmen<br />

jedoch einen Gewinneinbruch hinnehmen.<br />

In einer besseren Position befinden sich einige<br />

europäische Konzerne, etwa Novartis. Die relativ<br />

junge Arzneimittelpalette <strong>der</strong> Schweizer sorgt dafür,<br />

dass die Patente in den nächsten Jahren gesichert<br />

sind. Firmenchef Daniel Vasella erwartet denn auch<br />

für das laufende Jahr „Rekordzahlen bei Umsatz und<br />

Gewinn“. Ein Grund für <strong>der</strong>lei Optimismus: Novartis<br />

hat, wie auch Sanofi-Aventis, offenbar einen Ausweg<br />

aus <strong>der</strong> Bedrohung durch Generika gefunden: eine<br />

eigene Generikasparte. Novartis kaufte den Hersteller<br />

Hexal, Sanofi-Aventis bündelt seine Generika-Aktivitäten<br />

unter <strong>der</strong> Marke Winthrop.<br />

DARÜBER HINAUS HILFT gegen schwindende<br />

Marktvorteile nur eines: neue Produkte auf Wachstumsmärkten.<br />

Ein solcher ist die Grippeimpfung. Die<br />

Nachfrage nach Impfmitteln hat sich seit 1994 verdoppelt.<br />

Gut aufgestellt sind auch hier europäische<br />

Anbieter, etwa Roche. Zusammen kontrollieren die<br />

Europäer 65 Prozent des Marktes für Impfmittel.<br />

Novartis haben die guten Marktaussichten veranlasst,<br />

den Hersteller Chiron, an dem das Unternehmen<br />

schon länger einen Anteil hatte, vollständig zu übernehmen.<br />

CEO Vasella will im Impfbereich ein neues<br />

Geschäftsfeld aufbauen – „eines mit Zukunft“.<br />

32


Private Geldgeber suchen nach Investitionschancen DOSSIER #05<br />

Heilsame Geldquellen<br />

DER BOOMENDE GESUNDHEITSSEKTOR ELEKTRISIERT PRIVATE-EQUITY-INVESTOREN. BIOTECH UND PHARMA REIZEN, PRIVATISIERTE<br />

KRANKENHAUSKETTEN EBENFALLS. GERADE IM KLINIKBEREICH HERRSCHT GOLDGRÄBERSTIMMUNG: DIE DESOLATE SITUATION DER<br />

STAATSKASSEN ZWINGT DIE ÖFFENTLICHEN HAUSHALTE, GROSSE TEILE IHRES GESUNDHEITSWESENS ZU PRIVATISIEREN.<br />

DER KAPITALDRUCK WÄCHST. Um die notwendigen<br />

Investitionen für Wachstum und Innovationen<br />

finanzieren zu können und um langfristig<br />

wettbewerbsfähig zu bleiben, greifen<br />

viele Unternehmen im <strong>Gesundheit</strong>sbereich<br />

zunehmend auf Private-Equity-Financiers zurück.<br />

In den USA, in Großbritannien und Frankreich<br />

haben private Investoren diesen Markt<br />

längst <strong>als</strong> sprudelnde Renditequelle entdeckt.<br />

Jetzt rücken die europäischen Nachbarlän<strong>der</strong><br />

ins Visier institutioneller Anleger.<br />

Ein Grund: Die Privatisierungswelle rollt –<br />

nicht zuletzt in Europa. Öffentliche Betreiber<br />

können <strong>Gesundheit</strong>seinrichtungen aus eigener<br />

Kraft oftm<strong>als</strong> nicht mehr finanzieren. Das eröffnet<br />

Chancen für Anleger.<br />

Außerdem können kleine und mittlere<br />

Unternehmen die steigende Nachfrage nutzen.<br />

Durch den daraus resultierenden steigenden<br />

Wettbewerb werden mittelfristig Umsatz und<br />

Ertrag in <strong>der</strong> <strong>Gesundheit</strong>sbranche weiter wachsen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e Krankenhäuser, Alten- und<br />

Pflegeheime sowie die Pharmaindustrie und<br />

Medizintechnik bieten attraktive Renditechancen,<br />

da diese Branchen hohe Wertsteigerungsund<br />

Konsolidierungspotenziale besitzen. Sie<br />

stehen deshalb ganz oben auf den Einkaufslisten<br />

vieler internationaler Investoren.<br />

EINE STUDIE zum Thema „Investoren im<br />

<strong>Gesundheit</strong>smarkt“ kommt zu dem Ergebnis,<br />

dass wichtige Finanzinvestoren ein zunehmendes<br />

Interesse am internationalen Krankenhausmarkt<br />

bekunden. Klinikgruppen sind dabei<br />

für den Markteintritt besser geeignet <strong>als</strong> einzelne<br />

Krankenhäuser. Ein Beispiel: die britische<br />

General Healthcare Group, die durch BC Partners<br />

finanziert wird. BC Partners ist einer <strong>der</strong> führenden<br />

Investoren in Europa mit 50 Übernahmen<br />

im Gesamtwert von 23 Milliarden Euro und<br />

Büros in London, Mailand, Paris und Hamburg.<br />

Weitere Beteiligungen im <strong>Gesundheit</strong>ssektor<br />

sind die Hirslanden Gruppe, die Klinikkette<br />

Schweiz, die General Healthcare Group und die<br />

Klinikkette GB.<br />

Ein an<strong>der</strong>er Investmentriese ist Advent<br />

International. Bereits frühzeitig investierte das<br />

Unternehmen mit über 500 Beteiligungen in 14<br />

Län<strong>der</strong>n auch in den <strong>Gesundheit</strong>ssektor. Dazu<br />

zählen die Finanzspritzen für Associates Inc.,<br />

CurativeHealth Services und Clinical Partners.<br />

DER KRANKENHAUSBEREICH IST <strong>der</strong>zeit<br />

<strong>der</strong> größte Markt für Investitionen im <strong>Gesundheit</strong>swesen.<br />

Zahlreiche Kliniken wurden übernommen<br />

o<strong>der</strong> privatisiert. Ein Beispiel sind die<br />

Marseille-Kliniken, die gerade erneut ein Saleand-lease-back-Geschäft<br />

mit einem Finanzinvestor<br />

abgeschlossen haben. Das Unternehmen<br />

erhofft sich von dem neuen Deal vor allem<br />

die finanziellen Spielräume für weitere Expansion.<br />

Marseille-Kliniken will die Bettenzahl von<br />

aktuell knapp 8000 bis zum Jahr 2008 auf<br />

12 000 erhöhen.<br />

Das Interesse <strong>der</strong> Investoren beschränkt<br />

sich aber nicht auf Krankenhäuser. Auch <strong>der</strong><br />

Boom <strong>der</strong> Biotechnologie elektrisiert viele Investoren.<br />

Firmen wie Genentech o<strong>der</strong> Genzyme verzeichneten<br />

an den Börsen im vergangenen Jahr<br />

beachtliche Erfolge. Doch auch kleinere Biotechanbieter<br />

haben die Investoren im Auge. Citigroup-Analyst<br />

Yaron Werber glaubt, dass gerade<br />

diese gut aufgestellt sind, um von Fortschritten<br />

in ihrer Produktpipeline zu profitieren.<br />

Auf <strong>der</strong> Agenda haben die Investoren<br />

neben den Biotechfirmen selbst auch <strong>der</strong>en<br />

Zulieferer – die Life-Science-Tool-Anbieter wie<br />

Affymetrix. Das US-Unternehmen produziert<br />

Silikonchips mit genetischen Daten für Forschungslabors.<br />

Ein Ansatz, <strong>der</strong> Fondsmanager<br />

wie Brandi Allen vom Live Oak Health Sciences<br />

Fund überzeugt. Sie hat Affymetrix zum größten<br />

Einzelposten in ihrem Fonds gemacht.<br />

Auch auf dem Pharmamarkt erwarten<br />

Experten langsam wie<strong>der</strong> eine steigende Zahl<br />

von Investitionen. Börsengänge von Pharmaund<br />

Biotechnologieunternehmen finden, historisch<br />

betrachtet, immer in einem Zyklus von<br />

vier Jahren statt. Einem Hoch folgen demnach<br />

drei Jahre des Abschwungs – eine Phase, die<br />

zuletzt 2004 vorüber war. So hat sich im vergangenen<br />

Jahr ein Trend zu mehr, wenn auch<br />

kleineren Übernahmen o<strong>der</strong> Fusionen abgezeichnet.<br />

Auch Private-Equity-Investoren sind<br />

seit 2002 in die Branche eingestiegen – ein<br />

Trend, <strong>der</strong> sich nach Überzeugung vieler Marktbeobachter<br />

fortsetzen wird. Dam<strong>als</strong> wurden<br />

sogar zwei <strong>der</strong> Top-Ten-De<strong>als</strong> von Beteiligungsgesellschaften<br />

realisiert.<br />

Zunehmend attraktiv ist für Investoren<br />

schließlich <strong>der</strong> Handelssektor. So übernahm<br />

HgCapital, <strong>der</strong> führende, branchenfokussierte<br />

Private-Equity-Investor in Europa, eine 46-Prozent-Beteiligung<br />

an DocMorris, <strong>der</strong> holländischen<br />

Versandhausapotheke. Lindsay Dibden,<br />

Leiterin des Medizinbereichs von HgCapital,<br />

begründete die Investition damit, dass DocMorris<br />

eine Spitzenposition auf dem Markt und ausgezeichnete<br />

Wachstumschancen besäße. Das<br />

Unternehmen werde von einem herausragenden<br />

Managementteam geführt und sei gut positioniert,<br />

„um einen erheblichen Anteil am schnell<br />

wachsenden Versandhandel mit pharmazeutischen<br />

Produkten zu sichern“.<br />

33


Streitgespräch DOSSIER #05<br />

Wir verkaufen schließlich keine Schuhe<br />

KRANKENHÄUSER MÜSSEN MEHR FÜR SICH WERBEN, FORDERT DER CHEF DER TECHNIKER KRANKENKASSE, NORBERT KLUSEN. QUALITÄT<br />

IST UNSER WICHTIGSTES VERKAUFSARGUMENT, ENTGEGNET CHARITÉ-CHEF DETLEV GANTEN. EIN GESPRÄCH ÜBER INNOVATIONSNETZWERKE,<br />

INTERNEN WETTBEWERB UND DAS 68ER-DENKEN IN DER MEDIZIN.<br />

THINK:ACT Professor Klusen, viele technologische<br />

Innovationen wie das Antiblockiersystem<br />

ABS wurden privat finanziert. Was spricht dagegen,<br />

dass Patienten innovative Behandlungsmethoden<br />

privat bezahlen<br />

Norbert Klusen Diese Argumentation ist bigott:<br />

Die Reichen zahlen zuerst, und die an<strong>der</strong>en kommen<br />

dann vielleicht irgendwann einmal in den<br />

Genuss erstklassiger Medizin. Ich plädiere dafür,<br />

den Zugang zu <strong>Gesundheit</strong>sleistungen auch in<br />

Zukunft unabhängig von Alter, Einkommen o<strong>der</strong><br />

persönlichem Risiko sicherzustellen.<br />

Professor Ganten, müssten nicht gerade Sie <strong>als</strong><br />

Qualitätsanbieter ein Interesse daran haben,<br />

dass sich die Menschen <strong>Gesundheit</strong> auch privat<br />

etwas kosten lassen<br />

Detlev Ganten In die <strong>Gesundheit</strong> zu investieren<br />

ist die beste Geldanlage. Wir sehen uns nicht <strong>als</strong><br />

Unternehmen, das zum Ziel hat, die Zahl <strong>der</strong><br />

Patienten zu maximieren. Wir haben ein Interesse<br />

an einer gesunden Bevölkerung, die möglichst<br />

wenig in Krankenhäuser <strong>der</strong> Maximalversorgung<br />

überwiesen werden muss. Hochleistungsmedizin<br />

wie die Mehrfachtransplantationen von<br />

Organen werden immer die seltenen Krankheiten<br />

bleiben. Darum müssen Universitätskliniken<br />

auch in <strong>der</strong> Prävention aktiver werden.<br />

Aber wenn ein Medizintechnikanbieter ein Gerät<br />

entwickelt, hilft es zu wissen, dass Menschen<br />

die Behandlung damit privat bezahlen würden.<br />

Klusen Warum Wir <strong>als</strong> Kassen haben den<br />

Anspruch, alle sinnvollen Behandlungsmethoden<br />

zu bezahlen. Wir wollen sie bezahlen.<br />

Sie stehen aber unter dem politischen Druck,<br />

Beiträge zu senken.<br />

Klusen Ja, aber es fallen auch veraltete Behandlungsmethoden<br />

weg. Hier müssen wir noch<br />

konsequenter steuern. Insgesamt sehen wir<br />

momentan in Deutschland die Wachstums- und<br />

Innovationschancen erstklassiger Versorgung<br />

für die Wirtschaft zu wenig.<br />

Mehr Innovation versprechen sich viele Beobachter<br />

durch integrierte Netzwerke von Kliniken,<br />

Versicherern und <strong>der</strong> Industrie. Sie auch<br />

Ganten Die Charité ist in einer Reihe solcher Projekte<br />

aktiv; den wichtigsten Anteil an <strong>der</strong> Innovation<br />

hat die Forschung. Wir akquirieren jährlich<br />

über 100 Millionen Euro an Drittmitteln. Eine<br />

wirklich humane Wissensgesellschaft kann nur<br />

über ein integriertes System entstehen, an dem<br />

sich alle involvierten Akteure beteiligen: die<br />

Krankenversorger, die Grundlagenforschung,<br />

die Pharma- und IT-Industrie, die Kassen. Speziell<br />

Letztere sind längst noch nicht immer im<br />

gewünschten Ausmaß zur Kooperation bereit,<br />

auch deshalb, weil sie innovative Projekte<br />

bezahlen müssten.<br />

Klusen Die Teilnahme <strong>der</strong> Kassen an solchen<br />

integrierten Projekten steckt noch in den Anfängen.<br />

Es gibt aber erste Modellvorhaben, wir<br />

haben mit <strong>der</strong> Charité ein Projekt zur Behandlung<br />

von Herzpatienten mit beschichteten<br />

Stents, die sehr teuer sind. 30 Krankenhäuser<br />

sind daran beteiligt. Die Bereitschaft <strong>der</strong> Kassen<br />

zur Kooperation nimmt zu. Aber man muss den<br />

Patienten auch offen sagen, dass diese Art von<br />

Innovationsför<strong>der</strong>ung Geld kostet. Höhere Beitragssätze<br />

werden heute <strong>als</strong> nationale Katastrophe<br />

angesehen.<br />

Besteht bei solchen sehr engen Kooperationen<br />

zwischen Privatwirtschaft und öffentlichen Kliniken<br />

die Gefahr, dass die Forschung ihre Unabhängigkeit<br />

verliert<br />

Ganten Gar nicht. Es sollte zur Normalität gehören,<br />

dass eine öffentlich-rechtliche Institution<br />

mit Marktunternehmen kooperiert, denn wir<br />

leben in <strong>der</strong> Marktwirtschaft. Dieses Denken ist<br />

bei uns aber noch nicht ausreichend etabliert.<br />

Die Wissenschaft wird immer wie<strong>der</strong> verdächtigt,<br />

sie würde ihre Seele verkaufen. Diese verhängnisvolle<br />

Geisteshaltung kommt aus <strong>der</strong><br />

68er-Zeit. Übrigens kooperierten Unikliniken<br />

auch dam<strong>als</strong> mit <strong>der</strong> Wirtschaft, nur machten<br />

sie dies häufig nicht ausreichend öffentlich.<br />

Kooperationen können auch zur höheren Transparenz<br />

für die Patienten führen. Sind etwa gemeinsame<br />

Studien zum Vergleich verschiedener<br />

Therapieformen denkbar<br />

Klusen Das ist sinnvoll, wenn es gut gemacht<br />

wird. Die Charité etwa evaluiert für uns gerade<br />

Akupunkturtherapien. Im Ergebnis könnte die<br />

Akupunktur bald in den Leistungskatalogen <strong>der</strong><br />

Kassen auftauchen. Das hoffe ich sehr.<br />

Ganten Solche Studien sind auch ein Weg zu<br />

mehr Innovation in <strong>der</strong> Therapie. Die klinische<br />

Therapieforschung ist in Europa in keinem<br />

beson<strong>der</strong>s guten Zustand. In Deutschland etwa<br />

finanziert die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) keine großen Therapiestudien, und<br />

das <strong>Gesundheit</strong>sministerium bezuschusst sie<br />

auch nur mit etwa zehn Millionen Euro pro Jahr –<br />

viel zu wenig. Also forscht im Wesentlichen die<br />

Pharmaindustrie. Die hat ihre ganz eigenen<br />

Interessen, etwa alte Medikamente so lange wie<br />

möglich auf dem Markt zu halten und wirtschaftlich<br />

zu nutzen.<br />

Klusen Mir wäre es lieb, wenn wir uns stärker<br />

<strong>als</strong> bisher an Forschungsprojekten beteiligen<br />

35


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

PROF. DR. MED. DETLEV<br />

GANTEN ist seit 2004 Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Charité-Universitätsmedizin<br />

Berlin, dem mit 15 000 Mitarbeitern,<br />

3500 Betten und einem Jahresumsatz<br />

von einer Milliarde Euro größten Universitätsklinikum<br />

in Europa. Ganten hat damit<br />

einen <strong>der</strong> wichtigsten, aber auch schwierigsten<br />

Posten <strong>der</strong> deutschen Hochschulmedizin:<br />

Es gilt, zwei Berliner Großkliniken<br />

(die Charité und das Westberliner Uniklinikum<br />

Benjamin Franklin) zu verschmelzen<br />

und gleichzeitig bis zum Jahr 2010<br />

dauerhaft 98 Millionen Euro einzusparen.<br />

Zuvor hatte er <strong>als</strong> Gründungsdirektor das<br />

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare<br />

Medizin (MDC) in Berlin-Buch aufgebaut.<br />

Ganten studierte in Würzburg, Montpellier<br />

und Tübingen Medizin und forschte<br />

anschließend mehrere Jahre in Montreal<br />

(Kanada).<br />

dürften. Wir sparen aber lieber auf deutsch-kleingeistige<br />

Art unser <strong>Gesundheit</strong>ssystem kaputt. Natürlich<br />

gibt es Fehler, Verschwendungen und auch noch viel<br />

Intransparenz. Aber das bekommt man nicht durch<br />

ständige <strong>Gesundheit</strong>sreförmchen in den Griff.<br />

Intransparenz herrscht auch in Bezug auf die Leistungen<br />

von Krankenhäusern.<br />

Klusen Das stimmt. Zwar bringen die Krankenhäuser<br />

regelmäßig Qualitätsberichte heraus, aber diese<br />

liest und versteht <strong>der</strong> Patient nicht. Wir haben daher<br />

die Berichte aller Krankenhäuser in einer Suchmaschine<br />

im Internet gesammelt. So machen wir Qualität<br />

für die Patienten transparent. Die Ärzte und<br />

Krankenhäuser selbst haben hier geschlafen – o<strong>der</strong><br />

bewusst keine Transparenz geschaffen, weil sie<br />

nichts über sich offenbaren wollen.<br />

Ganten Der Qualitätsbericht in seiner bisherigen<br />

Form schafft keine ausreichende Transparenz. Viele<br />

Institutionen gehen wie die Charité aber heute auch<br />

schon von sich aus weit darüber hinaus.<br />

Was halten Sie davon, Krankenhäuser zu zertifizieren<br />

und so ihre Leistungen transparent zu machen<br />

Ganten Das wird in Einzelfällen schon gemacht. Das<br />

Brustzentrum und an<strong>der</strong>e Institute <strong>der</strong> Charité sind<br />

zertifiziert. Aber es ist noch längst kein Standard.<br />

Das Problem ist, dass man nicht standardisierbare,<br />

individuelle medizinische Verfahren nur schwer einbeziehen<br />

kann. Ein Patient ist kein Auto.<br />

O<strong>der</strong> scheuen Krankenhäuser nur den Wettbewerb<br />

Ganten Langfristig ist das nicht möglich, aber<br />

in Einzelfällen mag das auch ein Grund für die<br />

Skepsis sein.<br />

Klusen Zertifizierungen sind sinnvoll, wenn sie<br />

Vergleichbares vergleichbar machen. Problematisch<br />

werden sie, wenn sie zur Bürokratie verkommen.<br />

Außerdem kann mit Zertifizierungen auch viel<br />

Schindlu<strong>der</strong> getrieben werden.<br />

Herr Ganten, warum zertifizieren Sie dann überhaupt<br />

Ganten Der Grundsatz <strong>der</strong> Zertifizierung ist ja sinnvoll.<br />

Vor allem ist das ein Mittel zum Management<br />

eines großen Klinikkomplexes wie <strong>der</strong> Charité. Wir<br />

nutzen das auch, um die Motivation <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

zu erhöhen und den internen Wettbewerb voranzutreiben.<br />

Meist stehen gerade die besten Kliniken <strong>der</strong><br />

Zertifizierung sehr aufgeschlossen gegenüber.<br />

Klusen In <strong>der</strong> Tat – <strong>der</strong> Gedanke des Benchmarkings<br />

wird so geför<strong>der</strong>t. Ich würde mir mehr Offenheit auch<br />

unter den Krankenkassen wünschen, aber so weit<br />

ist dieses System lei<strong>der</strong> noch nicht.<br />

Mit dem Fallpauschalensystem haben viele Krankenhäuser<br />

das Marketing entdeckt. Sie auch<br />

Ganten Wir stellen uns dem Wettbewerb und halten<br />

daher das Fallpauschalensystem grundsätzlich für<br />

richtig, wenn auch noch nicht für hinreichend entwickelt.<br />

Aber: Vorsicht mit dem Begriff Marketing.<br />

Patienten sind nicht Kunden wie Käufer in einem<br />

Kaufhaus. Unser wichtigstes Marketinginstrument<br />

ist unsere Qualität: Wie schnell verlassen die Patienten<br />

das Krankenhaus, wie niedrig sind die Rückfallquoten,<br />

wie gering die Komplikationsraten Daran<br />

müssen wir arbeiten, nicht an Werbeauftritten.<br />

Klusen Das sehe ich an<strong>der</strong>s. Warum sollen Sie nicht<br />

für Ihre Leistungen werben Ihre Marktsituation ist<br />

doch einzigartig in Europa, die Charité ist eine starke<br />

Marke, ein echter Brand im Kliniksektor.<br />

Ganten Ja, die Charité ist eine Marke, wie die Harvard<br />

Medical School in den USA, aber dies genau deshalb,<br />

weil unsere Qualität Spitze ist.<br />

Klusen Das müssen Sie den Leuten aber auch sagen.<br />

Ganten Aber <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> Charité hängt nicht an<br />

Werbemaßnahmen, son<strong>der</strong>n an den Persönlichkeiten,<br />

die Sie hier sehen (weist auf Büsten hinter sich):<br />

Robert Koch, Paul Ehrlich, Rudolf Virchow, die wichtigen<br />

Forscher, die die Charité zu je<strong>der</strong> Zeit hatte, auch<br />

heute. Eine große Berliner Krankenhauseinrichtung<br />

wirbt gerade im Berliner Nahverkehr – <strong>als</strong> wenn es<br />

um den Verkauf von Schuhen ginge. Das machen wir,<br />

solange ich die Verantwortung trage, nicht.<br />

Klusen Müssen Sie auch nicht, ich warne aber vor<br />

grundsätzlicher Skepsis gegenüber Marketing. Man<br />

kann auch subtiler vorgehen. Das Problem ist momentan,<br />

dass Sie noch kaum werben dürfen. Übrigens<br />

ist Marketing weit mehr <strong>als</strong> Werbung.<br />

Sie for<strong>der</strong>n eine Liberalisierung <strong>der</strong> Werberegelungen<br />

für Kliniken<br />

Klusen Ich hielte das jedenfalls nicht für unethisch.<br />

36


Wie viel Marketing braucht die Charité DOSSIER #05<br />

Ganten Ich auch nicht, aber ich halte das auch nicht<br />

für wünschenswert, je<strong>der</strong> hat seinen Stil, die Charité<br />

ist kein Supermarkt.<br />

Wenn Sie nicht selbst für sich werben wollen, könnten<br />

das doch die Krankenkassen tun – im Zuge integrierter<br />

Versorgungsverträge, die diese bewerben.<br />

Die TKK würde dann spezielle Behandlungskonzepte<br />

anbieten, „powered by Charité“.<br />

Klusen Das ist eine gute Idee und absolut denkbar.<br />

Wir müssen unsere Leistungen ja auch bekannt<br />

machen, da brauchen wir Partner wie die Charité.<br />

Ganten Dazu sind wir gerne und je<strong>der</strong>zeit bereit. Wir<br />

tun dies ja im Rahmen <strong>der</strong> integrierten Versorgung<br />

bereits in ausgewählten Bereichen.<br />

„Powered by Charité“ könnte funktionieren, weil Sie<br />

Qualitätsanbieter sind. Aber Sie gelten auch <strong>als</strong> teuer.<br />

Ganten Powered by Excellence und Effizienz, ja.<br />

Das Gerücht, wir seien teuer, wird gerne gestreut, da<br />

möchte ich wi<strong>der</strong>sprechen, es stimmt nicht. Zu uns<br />

kommen vorwiegend schwer kranke Menschen mit<br />

Komplikationen. Die sind in den Standardsätzen <strong>der</strong><br />

Kassen nicht abgebildet. Darum haben zurzeit die<br />

Universitätskliniken Probleme. Ich behaupte sogar,<br />

dass wir letztlich preiswerter sind <strong>als</strong> an<strong>der</strong>e Kliniken,<br />

weil unsere Mitarbeiter, obwohl zu schlecht bezahlt,<br />

länger arbeiten. Mitarbeiter an Universitäten<br />

machen keinen Dienst nach Vorschrift.<br />

Klusen Sicher haben die Unikliniken höhere<br />

Preise – aber nicht immer zu Unrecht. Sie erbringen<br />

nun einmal herausragende Leistungen. Allerdings<br />

sind einige Kliniken noch schlecht organisiert. Aber<br />

daran wird gearbeitet – nicht zuletzt auch in <strong>der</strong><br />

Charité.<br />

Ganten Wir haben ja auch schon viel gemacht. Wenn<br />

Sie, wie bei uns geschehen, zwei große Betriebe<br />

zusammenführen, die langfristig gewachsen sind<br />

und lange subventioniert wurden, gibt es natürlich<br />

Wirtschaftlichkeitspotenzial. Wir haben es gehoben<br />

und werden es weiter heben und heben müssen.<br />

In Hessen werden gerade Unikliniken komplett privatisiert.<br />

Wirtschaften diese künftig effizienter <strong>als</strong> Sie<br />

Ganten Ich glaube nicht, dass die Privatisierung ein<br />

Königsweg zu mehr Effizienz und Excellence ist. Ich<br />

bin hier für den Wettbewerb <strong>der</strong> Systeme. Wenn die<br />

Forschungsqualität <strong>der</strong> Kliniken in Marburg und<br />

Gießen steigt, ist das gut. Aber ob sie das tut, bleibt<br />

abzuwarten.<br />

Klusen Wichtiger <strong>als</strong> die Privatisierung ist die Frage,<br />

wie innovativ die Anbieter sind. Entscheidend wird<br />

sein, wie die öffentlich-rechtlichen Unikliniken auf<br />

den Wettbewerb reagieren. Das Argument, die Privatisierung<br />

behin<strong>der</strong>e die Forschung, zieht jedenfalls<br />

nicht: Die besten amerikanischen Universitäten sind<br />

schließlich privat. Ich gehe davon aus, dass die<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Kliniken und auch weitere Unikliniken<br />

künftig privat sein werden.<br />

Ganten Das glaube ich zumindest kurzfristig nicht,<br />

aus meiner Sicht setzen die Kliniken momentan vor<br />

allem auf die interne Umstrukturierung.<br />

Welche Umstrukturierungen stehen bei Ihnen an<br />

Ganten Wir stellen gerade unsere Managementstrukturen<br />

komplett um. Bisher werden unsere 128<br />

Institute und Kliniken von einem Vorstand geleitet.<br />

Künftig unterglie<strong>der</strong>n wir sie in 17 Charité-Centren;<br />

Kriterien sind Patientenversorgung, Standort sowie<br />

Synergien in Forschung und Lehre. Jedes Charité-<br />

Centrum erhält große unternehmerische Freiheiten,<br />

wie ein Profitcenter mit Zielvorgaben.<br />

In Sachen Effizienz gibt es auch bei den Krankenkassen<br />

noch Nachholbedarf. Mediziner kritisieren, <strong>der</strong><br />

Verwaltungsapparat <strong>der</strong> Kassen sei aufgebläht.<br />

Klusen Mich erstaunt, wie wenig Mediziner häufig<br />

über unsere Strukturen wissen. Wir haben 4,6 Prozent<br />

Verwaltungsausgaben. Der bundesweite Durchschnitt<br />

aller Kassen liegt bei mehr <strong>als</strong> fünf Prozent.<br />

Das US-<strong>Gesundheit</strong>ssystem hat weit höhere Verwaltungskosten.<br />

Deren System ist zwar stärker vom<br />

Wettbewerb geprägt, aber im Bereich <strong>der</strong> Verwaltung<br />

teurer. Trotzdem arbeiten wir kontinuierlich weiter an<br />

uns. Wir haben bisher schon 2500 Arbeitsplätze eingespart<br />

und wollen weiter an Effizienz gewinnen.<br />

Wie denn<br />

Klusen Vor allem stellen wir uns darauf ein, dass wir<br />

irgendwann mit an<strong>der</strong>en Kassen freier <strong>als</strong> bisher<br />

fusionieren können. Denn auch im Kassenbereich<br />

erwarten wir demnächst Zusammenschlüsse.<br />

PROF. DR. NORBERT KLUSEN<br />

(Jahrgang 1947) steht seit 1996 dem<br />

Vorstand <strong>der</strong> Techniker Krankenkasse<br />

vor. Von 1993 bis 1995 war er Mitglied <strong>der</strong><br />

Geschäftsführung einer <strong>der</strong> größten<br />

deutschen Krankenkassen. Vor seinem<br />

Wechsel zur TK war er Vorstandsmitglied<br />

und Arbeitsdirektor einer Aktiengesellschaft<br />

des Maschinen- und Fahrzeugbaus.<br />

Er ist verantwortlich für die Unternehmensbereiche<br />

Finanzen, Personal,<br />

Marketing, Controlling, Service sowie für<br />

die Stabsbereiche.<br />

37


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

Operationen per Roboter<br />

AUCH ÄRZTEN ZITTERN GELEGENTLICH DIE HÄNDE. DER NEUE ROBOTER DA VINCI ERMÖGLICHT KÜNFTIG PRÄZISERES OPERIEREN.<br />

DER CHIRURG BETÄTIGT NUR NOCH DIE MASCHINE. DAS KANN DIE CHANCEN ETWA VON LUNGENPATIENTEN DEUTLICH ERHÖHEN.<br />

DIE ENTFERNUNG einer Speiseröhre ist eine <strong>der</strong> risikoreichsten Operationen<br />

überhaupt. Ein kalifornisches Unternehmen hat jetzt eine Möglichkeit<br />

entwickelt, die Risiken zu reduzieren: den Operationsroboter<br />

Da Vinci. Bei einer Operation per Hand musste <strong>der</strong> Chirurg neben dem<br />

Bauchraum auch den Brustkorb öffnen. Dadurch kam es zu Belastungen<br />

<strong>der</strong> Lunge, da ein Lungenflügel während des Eingriffs nicht<br />

belüftet werden kann. Die Folge: Bis zu acht Prozent aller Patienten<br />

sterben an den Komplikationen des belastenden Eingriffs. Da Vinci<br />

minimiert dieses Risiko. Statt selbst große Schnitte zu machen, führt<br />

<strong>der</strong> Chirurg nun dessen Arme samt einer Kamera über ein endoskopisches,<br />

höchstens zehn Millimeter großes Loch in den Bauchraum<br />

ein. Er selbst steht nicht mehr am OP-Tisch, son<strong>der</strong>n sitzt an einer<br />

Steuerkonsole, wo ihm ein Sichtvisier einen dreidimensionalen Blick<br />

auf das Operationsfeld ermöglicht. Über Steuerinstrumente überträgt<br />

er seine Bewegungen auf die mit Instrumenten bestückten Maschinenarme.<br />

„Während bei <strong>der</strong> konventionellen endoskopischen Technik<br />

die Bewegungsfreiheit des Operateurs durch die starren Instrumente<br />

eingeschränkt ist, ermöglichen die Greifhände des Roboters eine<br />

völlig ungewohnte Beweglichkeit“, berichtet Carsten Gutt, Oberarzt<br />

an <strong>der</strong> Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg.<br />

DIE HÄNDE DES CHIRURGEN handhaben die Instrumente nicht nur mit<br />

<strong>der</strong> gleichen Flexibilität wie bei <strong>der</strong> offenen Chirurgie; die Übertragung<br />

<strong>der</strong> Bewegungen von <strong>der</strong> Konsole auf die Instrumente ist außerdem<br />

„zitterfrei“ und individuell einstellbar. Dreht etwa <strong>der</strong> Chirurg seine<br />

Hand um zehn Zentimeter, bewegen sich die Instrumente nur um<br />

einen Zentimeter. Dies ermöglicht ein präziseres Arbeiten.<br />

38


Neuartige Implantate geben über Wochen Medikamente ab DOSSIER #05<br />

Roboterkissen<br />

UMARMUNGEN ÜBER DAS TELEFON VERTEILT DIESE JAPANISCHE INNOVATION. ANDERS ALS<br />

DER TAMAGOTCHI GILT „THE HUG“ SOGAR ALS SOZIAL WERTVOLL.<br />

HÜBSCH IST ER NICHT. Dennoch könnte<br />

sich „The Hug“, zu deutsch: die Umarmung,<br />

bei seinen Nutzern bald großer<br />

Beliebtheit erfreuen – <strong>der</strong> kleine Roboter<br />

verteilt nämlich Streicheleinheiten. Will<br />

etwa ein Enkel seinen weit entfernt lebenden<br />

Großvater liebkosen, spricht er dessen<br />

Namen in das Kissen. Die gespeicherte<br />

Telefonnummer wählt Opas Robokissen<br />

an, es beginnt zu leuchten. Nimmt <strong>der</strong><br />

Großvater ab, können er und sein Enkel<br />

miteinan<strong>der</strong> telefonieren, während beide gleichzeitig<br />

den knuddeligen Stellvertreter des jeweils<br />

an<strong>der</strong>en herzen. Elektromotoren übersetzen die<br />

Gesten in Vibration, gleichzeitig erwärmen sich<br />

die mit Velours bezogenen Kuschler. Hintergrund<br />

<strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Carnegie Mellon University<br />

in Pittsburgh ist die zunehmende Vereinsamung<br />

älterer Menschen. „Unsere Forschungen haben<br />

ergeben, dass gerade ältere Menschen nichts<br />

nötiger haben <strong>als</strong> emotionale Unterstützung“,<br />

erläutert Jodi Forlizzi, Professorin für Design<br />

und Mensch-Computer-Interaktion an <strong>der</strong><br />

Carnegie Mellon University. Größte Streitfrage<br />

unter den Wissenschaftlern: Soll<br />

<strong>der</strong> kleine Roboter eine eigene Persönlichkeit<br />

haben<br />

Gefäßstütze mit Zusatzfunktion<br />

CYPHER-STENTS WERDEN IMPLANTIERT UND GEBEN ÜBER WOCHEN HINWEG<br />

MEDIKAMENTE AB. DAS VERHINDERT DIE GEFÄSSVERENGUNG.<br />

BEI HERZOPERATIONEN spielt <strong>der</strong> Einsatz<br />

von Stents eine zentrale Rolle. Acht von<br />

zehn Patienten erhalten eine dieser winzigen,<br />

röhrenförmigen „Gefäßstützen“.<br />

Sie sollen verhin<strong>der</strong>n, dass sich die zuvor<br />

gedehnten Gefäße wie<strong>der</strong> verengen. Eine<br />

Innovation gelang dem Hersteller Cordis<br />

mit den so genannten Cypher Sirolimuseluting<br />

Stents. Diese geben einen „Medikamentencocktail“<br />

ab, <strong>der</strong> die Wie<strong>der</strong>verengung<br />

<strong>der</strong> Gefäße durch Zellwucherungen<br />

verhin<strong>der</strong>t. Durch den Einsatz eines<br />

herkömmlichen Stent kann es zu einer<br />

Beschädigung <strong>der</strong> Arterienwand und in-<br />

folgedessen zu Entzündungen und zu Gewebewucherungen<br />

kommen. Der Cypher<br />

Sirolimus-eluting Stent hingegen gibt über<br />

mehrere Wochen ein Medikament ab, das<br />

diese Wucherungen unterdrückt. Gleichzeitig<br />

bildet sich um den Stent eine glatte<br />

Schutzschicht aus den Zellen <strong>der</strong> Gefäßinnenwand.<br />

Auf diese Weise sinkt die<br />

Gefahr von Blutgerinnseln. Klinische Studien<br />

belegen die Wirksamkeit des Cypher<br />

Sirolimus-eluting Stent. Einer Untersuchung<br />

zufolge haben sich bei keinem<br />

<strong>der</strong> beobachteten Patienten nach sechs<br />

Monaten die Gefäße wie<strong>der</strong> verengt.<br />

Avastin gegen<br />

Wucherungen<br />

EIN NEUARTIGES MEDIKAMENT<br />

HILFT IM KAMPF GEGEN DEN<br />

DARMKREBS.<br />

EIN WICHTIGER SCHRITT in <strong>der</strong> Darmkrebstherapie<br />

gelang dem Pharmahersteller<br />

Genentech: Krebspatienten,<br />

die zusätzlich zur Standardtherapie<br />

das Mittel Avastin<br />

nehmen, leben einer Studie zufolge<br />

fast fünf Monate länger.<br />

Hintergrund <strong>der</strong> Therapie: Der Antikörper<br />

Avastin bindet den Wachstumsfaktor<br />

VEGF (Vascular Endothelial<br />

Growth Factor), so dass<br />

dieser nicht an seine Rezeptoren<br />

andocken und sie aktivieren kann.<br />

Normalerweise entstehen durch<br />

die Aktivierung neue Gefäße. Da<br />

Avastin diesen Weg blockiert,<br />

schneidet es Tumoren von <strong>der</strong><br />

Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr<br />

ab. Die jetzt erreichte Hemmung<br />

<strong>der</strong> Gefäßneubildung „hat eine<br />

neue Ära in <strong>der</strong> Darmkrebstherapie<br />

eingeläutet“, so <strong>der</strong> Onkologe<br />

Martin Gramatzi.<br />

39


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

Mekka <strong>der</strong> Medizin<br />

WEIL DUBAIS ÖLVORKOMMEN ENDLICH SIND, BRAUCHT DAS EMIRAT ANDERE EINNAHMEQUELLEN. DER NEUE EMIR SETZT DABEI<br />

NICHT ZULETZT AUF HOCHKLASSIGE MEDIZIN. MOMENTAN BAUT ER EINE GANZE STADT IM DIENST DER GESUNDHEIT.<br />

s<br />

INMITTEN EINER riesigen Sandfläche stehen<br />

drei einzelne Gebäudekomplexe. Die farbenfrohen<br />

Bürohäuser wirken verloren in <strong>der</strong> flirrend heißen<br />

Luft Dubais – noch. Die zweistöckigen Bauten<br />

sind <strong>der</strong> Auftakt zu einem Projekt, das die Zukunft<br />

des Emirats Dubai entscheidend prägen soll und<br />

nebenbei das globale <strong>Gesundheit</strong>sbusiness verän<strong>der</strong>n<br />

könnte. In dem Gebäude nämlich residiert<br />

die Verwaltung <strong>der</strong> Dubai Health Care City (DHCC),<br />

eines Riesenvorhabens, mit dem Dubais neuer<br />

Emir Mohammed bin Rashid Al Maktoum sein<br />

Land zu einem Premiumanbieter im globalen<br />

<strong>Gesundheit</strong>stourismus machen möchte. Eine<br />

komplette Stadt für die <strong>Gesundheit</strong> plant er in<br />

unmittelbarer Nähe zum Flughafen Dubai, ein<br />

Medizinzentrum mit Universitätskrankenhaus,<br />

Spezialkliniken, Wellness-Einrichtungen, Rehaund<br />

Präventionszentren, Forschungsinstituten<br />

und Ausbildungsstätten. Bis zu 35 000 Menschen<br />

sollen hier nach <strong>der</strong> Fertigstellung des Komplexes<br />

im Jahr 2008 arbeiten.<br />

30 000 Patienten pro Jahr sind die Zielmarke.<br />

Sie sollen nicht nur aus Dubai selbst kommen.<br />

Als Kunden haben die Initiatoren die wohlhabenden<br />

Bewohner <strong>der</strong> gesamten erweiterten<br />

Region im Auge, „von Kasachstan bis Indien“, wie<br />

die Regierung verkündet.<br />

Rund 74 Milliarden US-Dollar beträgt das<br />

Volumen des <strong>Gesundheit</strong>smarktes allein im<br />

Nahen Osten, schätzten die Organisatoren <strong>der</strong><br />

<strong>Gesundheit</strong>smesse Arab Health. Viel Geld, das<br />

AUF WACHSTUMSBRANCHEN<br />

setzt Dubais neuer Emir Mohammed Al Maktoum.<br />

Die Dubai Health Care City soll Patienten aus aller<br />

Welt ins Wüstenemirat locken.<br />

40


Health Care City will Geld von Auslandskonten <strong>der</strong> Golfaraber anziehen DOSSIER #05<br />

ANDERE GESUNDHEITSSTÄDTE<br />

Im chinesischen Nanhui nahe Schanghai<br />

entsteht momentan für 36 Millionen Dollar<br />

<strong>der</strong> Shanghai International Medical Park.<br />

Nach Angaben des für den Bau verantwortlichen<br />

Siemens-Konzerns soll <strong>der</strong> Gebäudekomplex<br />

bis Anfang 2007 fertig gestellt sein.<br />

Nahe <strong>der</strong> Stadt Dschedda plant Saudi-Arabien<br />

eine <strong>Gesundheit</strong>sstadt. Der Komplex orientiert<br />

sich stark am Vorbild von Dubai Health<br />

Care City.<br />

Eine Health Care City an<strong>der</strong>er Art ist die US-<br />

Metropole Boston. Ohne staatliche Planungsvorgaben<br />

hat sich <strong>der</strong> Großraum Boston zum<br />

führenden <strong>Gesundheit</strong>scluster <strong>der</strong> USA entwickelt,<br />

mit einer Dichte an Unikliniken, die<br />

achtmal so hoch ist wie im Rest des Landes.<br />

jedoch bisher nicht in <strong>der</strong> Region bleibt. Der<br />

<strong>Gesundheit</strong>stourismus aus dem Nahen Osten<br />

boomt. Neben einigen Staaten <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union waren bislang vor allem die USA Ziel <strong>der</strong><br />

spendablen <strong>Gesundheit</strong>ssucher. Doch Reisen in die<br />

Vereinigten Staaten sind für Menschen aus arabischen<br />

Län<strong>der</strong>n heute mit diversen Sicherheitschecks<br />

verbunden – und daher nicht mehr<br />

beson<strong>der</strong>s populär.<br />

Gut möglich <strong>als</strong>o, dass es einen Markt für<br />

eine einheimische Health Care City gibt. Um diesen<br />

auszuschöpfen, müsste es aber gelingen,<br />

Vertrauen bei den anspruchsvollen Zielkunden<br />

aufzubauen. „Patienten nehmen für gute Qualität<br />

Reisen auf sich“, glauben die Wirtschaftswissenschaftler<br />

Harry Telser und Patrick Eugster von <strong>der</strong><br />

Universität Zürich. Aber nur, wenn sie sicher sein<br />

können, von erstklassigen Fachleuten behandelt<br />

zu werden. Der Erfolg des Projekts hänge maßgeblich<br />

davon ab, „ob man ausländische Fachkräfte<br />

dazu bringt, auch längerfristig in <strong>der</strong> Region<br />

zu bleiben“. Denn nur dann stimme die Qualität.<br />

Und nur mit dauerhafter medizinischer<br />

Erstklassigkeit lässt sich ein Image <strong>als</strong> verlässlicher<br />

Qualitätsanbieter aufbauen. Auch daher<br />

setzt die <strong>Gesundheit</strong>sstadt auf renommierte<br />

ÄRZTE-RUN AUF DUBAI<br />

Die Health Care City wirbt massiv um Fachärzte<br />

aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. Einen Markt sehen die<br />

Verantwortlichen nicht zuletzt in Europa: Viele<br />

europäische Mediziner zieht es wegen niedriger<br />

Gehälter zu Hause ins Ausland. Die auf die<br />

Vermittlung von Ärzten in die Golfstaaten spezialisierte<br />

Firma Universitas kooperiert seit<br />

langem mit dem Emirat. Inhaber <strong>Roland</strong> Herbert<br />

macht gute Stimmung: „Wenig Bürokratie<br />

und ein hohes Niveau bei <strong>der</strong> medizinischen<br />

Versorgung“ charakterisierten das Land.<br />

Kooperationspartner. Mit dem Qualitätsmanagement<br />

etwa hat man Harvard Medical International<br />

beauftragt, einen Ableger <strong>der</strong> Harvard University.<br />

Die Amerikaner werden außerdem Forschungseinrichtungen<br />

leiten und die Aus- und Weiterbildung<br />

des medizinischen Nachwuchses in<br />

die Hand nehmen.<br />

Für sie ist vor allem <strong>der</strong> Wissensaspekt in<br />

Health Care City attraktiv. Diese werde ein Zentrum<br />

bilden, „das medizinische Forschung und Ausbildung<br />

mit hochwertiger <strong>Gesundheit</strong>sversorgung<br />

kombiniert und so eine Community erstklassiger<br />

Healthcare-Profession<strong>als</strong> entstehen lässt“, erklärt<br />

Robert L. Thurer, Chef des Harvard Medical School<br />

Dubai Center. Um diesen Kern herum gruppiere<br />

sich dann eine ganze Reihe von <strong>Gesundheit</strong>s- und<br />

Wellness-Dienstleistungen, so Thurer.<br />

Gerade solche eher konsumgetriebenen<br />

Wohlfühlangebote sind für das Mammutprojekt<br />

wichtig und werden daher vom DHCC-Vorstandschef<br />

Saeed Al Muntafiq <strong>als</strong> gleichberechtigter<br />

„Cluster“ neben Wissenschaft und medizinischer<br />

Behandlung bezeichnet. Denn die gigantische<br />

Investitionssumme von 1,8 Milliarden US-Dollar<br />

impliziert entsprechend hohe Umsatzziele, die mit<br />

Medizin allein nur schwer verdient werden können.<br />

FÜR DAS EMIRAT DUBAI stellt die Stadt einen<br />

weiteren Schritt auf dem Weg zu mehr Unabhängigkeit<br />

von den demnächst versiegenden<br />

Ölquellen dar. Bisher setzte Mohammed vor allem<br />

auf Hightechbranchen wie IT, Medien o<strong>der</strong> Internet.<br />

Um möglichst viele Unternehmen in sein<br />

ungemütlich heißes Land zu locken, errichtete er<br />

komplette Freihandelszonen, vor allem Dubai<br />

Internet City und Dubai Media City sowie die Freezone<br />

Dschebel Ali neben dem größten künstlichen<br />

Hafen <strong>der</strong> Welt. In <strong>der</strong> Internet City haben<br />

sich IBM und Microsoft angesiedelt, mit eigenen<br />

Nie<strong>der</strong>lassungen für die Golfregion. Fast 4000 Firmen<br />

haben in Dschebel Ali Handelsstützpunkte<br />

errichtet. Kein Wun<strong>der</strong>: In den Freezones genießen<br />

Unternehmen und <strong>der</strong>en Angestellte komplette<br />

Steuerfreiheit. Während einer Laufzeit von<br />

50 Jahren werden auf Kapitaltransfers, Profit und<br />

Löhne, die ins Ausland überwiesen werden, keinerlei<br />

Auflagen erhoben. Eine verlockende Perspektive<br />

offenbar auch für Hun<strong>der</strong>te internationaler<br />

und regionaler Investoren, die ihr Geld<br />

bereits in <strong>der</strong> Health Care City angelegt haben.<br />

Doch das Projekt will – und braucht – noch<br />

mehr. Entsprechend aktiv werben die Verantwortlichen<br />

um weitere Geldgeber. Die Rede ist von<br />

fünf Milliarden Dollar. Saeed Al-Muntafiq gibt sich<br />

optimistisch: „Unsere Untersuchungen haben ergeben,<br />

dass sich die privaten Investitionen im<br />

<strong>Gesundheit</strong>sbereich in <strong>der</strong> Golfregion in den nächsten<br />

zehn Jahren verdoppeln.“ Er dürfte nicht<br />

zuletzt die 300 Milliarden Dollar im Auge haben,<br />

die Golfaraber bisher in den USA geparkt hatten.<br />

DIE STEUERFREIHEIT mag Investoren anziehen,<br />

den direkten Nutzen für den Staat<br />

begrenzt sie jedoch. Auch nach Fertigstellung <strong>der</strong><br />

City dürfte sich <strong>der</strong> Emir keine üppigen Steuergeschenke<br />

genehmigen können, ohne die Geldgeber<br />

zu verschrecken – gerade im <strong>Gesundheit</strong>sbereich<br />

macht die städteplanerische Infrastruktur nur<br />

einen kleinen Teil <strong>der</strong> Gesamtinvestitionen aus.<br />

Und medizintechnische Anlagen müssen oft<br />

erneuert werden.<br />

Trotz ausfallen<strong>der</strong> Steuereinnahmen aber<br />

profitiert, wenn das Konzept aufgeht, indirekt<br />

auch <strong>der</strong> Staat von <strong>der</strong> Health Care City. Denn<br />

je mehr Emiratsbewohner sich im eigenen Land<br />

behandeln lassen, desto weniger staatliche<br />

<strong>Gesundheit</strong>szahlungen fließen ins Ausland. Eine<br />

Milliarde Dollar geht so bisher jährlich verloren.<br />

Bald vielleicht nicht mehr. Der Aufbau <strong>der</strong><br />

Health Care City schreitet zügig voran. Die Fertigstellung<br />

des Projekts ist für 2008 geplant. Einen<br />

Unsicherheitsfaktor auf dem Weg zur Eröffnung<br />

bildet jedoch die politische Lage in <strong>der</strong> Region. Ein<br />

Konflikt am Golf könnte Investoren schnell dazu<br />

bringen, ihr Geld aus <strong>der</strong> gesamten Gegend abzuziehen,<br />

und die Wissenschaftler und Ärzte vergraulen.<br />

Das Emirat Dubai selbst ist zwar politisch<br />

stabil, doch die Krisenherde in <strong>der</strong> Nachbarschaft<br />

lo<strong>der</strong>n. Niemand wüsste das besser <strong>als</strong> Emir<br />

Mohammed. Der konnte schon außenpolitische<br />

Erfahrung sammeln – <strong>als</strong> Verteidigungsminister<br />

<strong>der</strong> Vereinigten Arabischen Emirate.<br />

41


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

42


Pharmafirmen müssen zu vernetzten Organisationen werden DOSSIER #05<br />

Der große Partnertausch<br />

DER EINZELGÄNGER HAT AUSGEDIENT. GERADE IM PHARMASEKTOR MÜSSEN UNTERNEHMEN KOOPERIE-<br />

REN KÖNNEN, UM ERFOLG ZU HABEN, MEINEN STUART CRAINER UND DES DEARLOVE. SELBST ÜBERNAH-<br />

MEN BEGINNEN MIT DER KOOPERATION. WETTBEWERB WIRD ZUM TANZ MIT WECHSELNDEN PARTNERN.<br />

ZU BEOBACHTEN ist heute eine Flut von Joint<br />

Ventures zwischen Pharmagiganten wie Pfizer, Merck<br />

o<strong>der</strong> GlaxoSmithKline und einer neuen Generation<br />

kleiner Biotechfirmen. Die Pharmariesen werten ihre<br />

eigenen Pipelines auf, indem sie mit externen Spezias<br />

TON, STIL UND ART von Mergers and Acquisitions<br />

(M&As) haben sich geän<strong>der</strong>t – im Allgemeinen, doch<br />

beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Pharma- und <strong>Gesundheit</strong>sbranche.<br />

Denken Sie zehn Jahre zurück: M&As waren en vogue.<br />

Krieg lag in <strong>der</strong> Luft. Feindselige und nach medialer<br />

Aufmerksamkeit heischende Übernahmen waren in<br />

<strong>der</strong> Pharmaindustrie und darüber hinaus ganz normal.<br />

Zusammenschlüsse und Querschüsse. Fressen o<strong>der</strong><br />

gefressen werden.<br />

Inzwischen sind Unternehmen vorsichtiger,<br />

wenn es um vollständige Fusionen geht. Die M&As<br />

in den Bereichen Pharma und <strong>Gesundheit</strong> beliefen<br />

sich 2004 auf 112 Milliarden US-Dollar, ein Zuwachs<br />

um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr, aber weit<br />

weniger <strong>als</strong> im Rekordjahr 2000. Der Rausch ist vorbei.<br />

Die Vorstellung, eine Fusion sei immer <strong>der</strong> einfache<br />

Weg zu Kostenersparnissen o<strong>der</strong> neuen Märkten,<br />

ist in Verruf geraten.<br />

Ein Grund für die Skepsis: Trotz <strong>der</strong> vielen Übernahmen<br />

ging die Produktivität <strong>der</strong> Pharma-Pipelines<br />

zurück. Der Output ist heute niedriger <strong>als</strong> je zuvor in<br />

den letzten 30 Jahren, nur halb so hoch wie Ende <strong>der</strong><br />

achtziger Jahre. Gleichzeitig haben die Forschungsinvestitionen<br />

stark zugenommen (heute 50 Milliarden<br />

Dollar pro Jahr, 1990 22 Milliarden).<br />

Strategieguru Gary Hamel ist einer <strong>der</strong> unverblümtesten<br />

Kritiker groß angelegter M&As. „Meine<br />

Untersuchungen in über 20 Branchen legen nahe,<br />

dass es kaum einen Zusammenhang zwischen Größe<br />

und Ertragskraft gibt“, beobachtet er. „Selbst wenn<br />

ein Zusammenschluss die Aktionäre von den ansonsten<br />

glanzlosen Leistungen eines Unternehmens ablenken<br />

mag, wird das Unternehmen nicht dynamischer,<br />

innovativer o<strong>der</strong> kundenorientierter. Auf den<br />

Punkt gebracht: Wer Dinosaurier züchtet, <strong>der</strong> bekommt<br />

keine Gazelle.“<br />

Beson<strong>der</strong>s Pharmaunternehmen haben verstanden,<br />

dass Größe zwar zu Synergien führen mag,<br />

aber nicht mehr immer jenes Unternehmertum und<br />

jene Kreativität erzeugt, die medizinische Innovationen<br />

ermöglichen. Anstatt komplette Wertketten von<br />

Wettbewerbern und potenziellen Zulieferern zu übernehmen,<br />

sucht man nach Alternativen, um die eigenen<br />

Fähigkeiten mit externen Stakehol<strong>der</strong>n zu erweitern.<br />

In <strong>der</strong> Vergangenheit hatten Partnerschaften und<br />

Outsourcing sich oft auf wenige Elemente <strong>der</strong> Wertkette<br />

konzentriert (etwa Komarketing o<strong>der</strong> gemeinschaftliche<br />

Produktion). Heute haben Pharmaunternehmen<br />

gelernt, Partnerschaften auf die im Pharmabereich<br />

wichtigste Funktion auszudehnen: Forschung<br />

und Entwicklung. Das lohnt sich. Im Jahr 2010 werden<br />

die großen Pharmaunternehmen die Hälfte ihrer<br />

Umsätze mit Lizenzprodukten erwirtschaften.<br />

KOOPERATIONEN WERDEN für sie immer entscheiden<strong>der</strong>.<br />

Sie testen verschiedene Arten, nicht<br />

mehr alles allein zu machen. „Die <strong>der</strong>zeitige Jagd nach<br />

Innovationen in <strong>der</strong> Pharmaindustrie macht die Fähigkeit<br />

zur Vernetzung mit externen Partnern wie Biotechfirmen<br />

zu einem Schlüsselfaktor für den Markterfolg“,<br />

meint Stephan Danner, Pharmapartner bei<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>. „Da über 50 Prozent <strong>der</strong> neuen Blockbuster<br />

des letzten Jahres aus kleinen Biotechunternehmen<br />

stammen, müssen sich die Pharmariesen zu<br />

vernetzten Organisationen entwickeln.“ Für den Führungsstil<br />

bedeutet dies eine erhebliche Herausfor<strong>der</strong>ung:<br />

„Sie müssen zum Umgang mit mehreren (oft<br />

gegensätzlichen) Unternehmenskulturen fähig sein,<br />

eine gemeinsame Vertrauensbasis herstellen und das<br />

,Nicht-hier-erfunden-Syndrom‘ vermeiden.“<br />

43


DOSSIER #05 Wachstumsmarkt <strong>Gesundheit</strong><br />

Die Managementautoren<br />

STUART CRAINER und<br />

DES DEARLOVE sind<br />

Chefredakteure des Financial<br />

Times Handbook of Management<br />

und Grün<strong>der</strong> <strong>der</strong> London<br />

Business Press. Sie sind<br />

Autoren <strong>der</strong> Bücher „Gravy<br />

Training: Inside the Business<br />

of Business Schools“, „Generation<br />

Entrepreneur“ und<br />

zuletzt „The Business World<br />

Atlas“. Crainer ist außerdem<br />

Chefredakteur <strong>der</strong> Business<br />

Strategy Review <strong>der</strong> London<br />

Business School.<br />

listen zusammenarbeiten. Die meisten Unternehmen<br />

managen diese Kooperationen wie eine virtuelle<br />

Verlängerung ihrer eigenen Lernfähigkeit und teilen<br />

sich Risiken und potenzielle Vorteile. Novartis allein<br />

hat 49 Partnerschaften mit Biotechunternehmen und<br />

112 mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Auch Pfizer<br />

kooperiert mit einer Reihe von Biotechfirmen:<br />

Abgenix, Medarex, MorphoSys. Pharma und Biotech –<br />

ein Tanz mit wechselnden Partnern.<br />

1998, NACH ZEHN JAHREN ARBEIT eines Teams<br />

von über 1000 Wissenschaftlern, brachte Pfizer das<br />

Impotenzmedikament Viagra auf den Markt. Die an<strong>der</strong>en<br />

großen Hersteller kämpften daraufhin mühsam<br />

um ein Stück von dem Kuchen des Medikamentenmarktes<br />

im Bereich erektile Dysfunktion, <strong>der</strong> sich bis<br />

2007 auf bis zu sechs Milliarden US-Dollar belaufen<br />

wird. Da sie nicht zehn Jahre Zeit für innerbetriebliche<br />

Forschung und Entwicklung hatten, wurden eilig gemeinschaftliche<br />

Unternehmungen ins Leben gerufen.<br />

Das Ergebnis: zwei neue Herausfor<strong>der</strong>er auf dem<br />

Markt innerhalb von sechs Jahren.<br />

Cialis wird von Lilly ICOS produziert, einem Joint<br />

Venture, das zu gleichen Teilen <strong>der</strong> 1876 gegründeten<br />

Pharmafirma Eli Lilly und <strong>der</strong> jungen Biotechfirma<br />

ICOS gehört. Beide arbeiten bei <strong>der</strong> Entwicklung und<br />

Vermarktung ihres neuen Impotenzmittels zusammen.<br />

Auf die Krone von Viagra erhebt außerdem Levitra<br />

Anspruch, eine Partnerschaft von Bayer und GlaxoSmithKline.<br />

Zwei Beispiele, die zeigen: Oftm<strong>als</strong> ist<br />

die Kooperation ein sinnvoller Weg, um den größten<br />

Firmen einer Branche ihre Wettbewerbsvorteile streitig<br />

zu machen.<br />

DIE SPIELREGELN <strong>der</strong> Zusammenarbeit än<strong>der</strong>n<br />

sich dabei schnell – gerade im Bereich Pharma/Biotechnologie.<br />

Immer mehr Biotechfirmen verlangen<br />

beispielsweise heute das Recht zur Mitentwicklung<br />

und Mitvermarktung. Das können sie, denn ihre strategische<br />

Bedeutung für die etablierten Anbieter wird<br />

immer größer. Der Großteil <strong>der</strong> Biotechprodukte aus<br />

Pharmaunternehmen stammt bereits von Dritten.<br />

Durchaus erfin<strong>der</strong>isch zeigen sich die Unternehmen<br />

bei <strong>der</strong> Gestaltung ihrer Kooperationen. Der<br />

Schweizer Pharmakonzern Roche etwa nutzt ein innovatives<br />

Kooperationsmodell mit Genentech; das<br />

Unternehmen wurde inzwischen zu Roches Innovationszentrum.<br />

Es wurde 1990 teilweise von Roche<br />

übernommen, aber nicht in die Firmenstruktur integriert.<br />

Es blieb unabhängig. Heute ist Genentech für<br />

die meisten Roche-Blockbuster verantwortlich (auch<br />

das Krebsmedikament Avastin). Der Wert <strong>der</strong> Roche-<br />

Anteile an Genentech wuchs von 2,1 Milliarden Dollar<br />

im Jahr 1990 bis heute auf 30 Milliarden Dollar.<br />

DAS BEISPIEL ZEIGT, dass die Unternehmen sich<br />

nicht vollständig von dem Gedanken <strong>der</strong> Fusion verabschieden.<br />

Zusammenarbeit scheint vielmehr zunehmend<br />

<strong>als</strong> Modus Operandi hinter den Pharma-<br />

M&As benutzt zu werden. „M&A ist ein mehrstufiger<br />

Prozess und kein bloßer Vertrag“, sagt Sudi Sudarsanam,<br />

Autor von „Creating Value from Mergers and Acquisitions:<br />

The Challenges“ und Mitglied <strong>der</strong> britischen<br />

Wettbewerbskommission. „Das Risiko, bei <strong>der</strong> Wertschöpfung<br />

zu scheitern, steigt mit je<strong>der</strong> Stufe. Die<br />

strategische Logik einer solchen Vereinbarung ist<br />

wichtig, aber die Fähigkeit zum Risikomanagement<br />

beim Vertragsabschluss und bei <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung<br />

nach <strong>der</strong> Fusion ist es nicht min<strong>der</strong>.“ Eine gemeinsame<br />

Vergangenheit in Form verschiedener gemeinschaftlicher<br />

Projekte kann daher zum Schlüssel für<br />

das Verständnis <strong>der</strong> Firmenkultur des an<strong>der</strong>en werden.<br />

Und „die Fähigkeit, mit organisatorischer und kultureller<br />

Vielfalt umzugehen und einan<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprechende<br />

Erwartungen in Einklang zu bringen, ist für<br />

den Erfolg entscheidend“.<br />

M&As sind <strong>als</strong>o auch weiter oft ein unentbehrlicher<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Unternehmensstrategie – nicht<br />

zuletzt in <strong>der</strong> Pharmaindustrie. Der Punkt ist: Wenn<br />

M&As funktionieren sollen, egal in welcher Branche,<br />

sind eher Zusammenarbeit und Partnerschaft <strong>als</strong><br />

Kolonialisierung und Ausbeutung vonnöten. Lynda<br />

Gratton vom britischen Advanced Institute of Management<br />

Research und Professorin an <strong>der</strong> London Business<br />

School: „Wir haben Hun<strong>der</strong>te von Jahren mit <strong>der</strong><br />

Perfektionierung von Sprache, Praktiken und Verfahren<br />

des Wettbewerbs verbracht. Nun müssen wir<br />

Sprache, Praktiken und Verfahren <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

entwickeln. Und es stellt sich heraus, dass die<br />

Zusammenarbeit durchaus nicht einfacher ist <strong>als</strong> <strong>der</strong><br />

Wettbewerb. Im Gegenteil: Es ist ganz schön schwer,<br />

eine Kooperation richtig hinzukriegen.“<br />

44


Reportage DOSSIER #05<br />

Ein Think-Tank gegen MS<br />

DAS SYLVIA LAWRY CENTRE FOR MULTIPLE SCLEROSIS RESEARCH HAT VORBILDFUNKTION IM<br />

KAMPF GEGEN GLOBALE KRANKHEITEN. PHARMAFIRMEN UND WISSENSCHAFTLER AUS ALLER<br />

WELT ARBEITEN HIER ZUSAMMEN. SEINE STÄRKE: NICHT VON EINER FIRMA ABHÄNGIG ZU SEIN.<br />

s<br />

DAS SYLVIA LAWRY CENTRE for Multiple<br />

Sclerosis Research (SLCMSR) ist benannt<br />

nach <strong>der</strong> US-Amerikanerin Sylvia<br />

Lawry. Nachdem ihr Bru<strong>der</strong> an MS<br />

erkrankt war, gründete sie 1947 die<br />

erste nationale MS-Gesellschaft <strong>der</strong><br />

Welt, die NMSS (National MS Society,<br />

USA). Sie widmete ihr ganzes Leben<br />

<strong>der</strong> Erforschung und Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Therapieoptionen für MS-Kranke.<br />

Mit Unterstützung von allen großen<br />

MS-Gesellschaften <strong>der</strong> Welt wurde<br />

2001 das SLCMSR in München gegründet<br />

und mit einer Anschubfinanzierung<br />

von fünf Millionen Euro ausgestattet.<br />

Das Centre beschäftigt ein<br />

Team aus zwölf Wissenschaftlern,<br />

überwiegend Mathematiker, Informatiker,<br />

Physiker und Statistiker, die eng<br />

mit einem internationalen wissenschaftlichen<br />

Beirat, universitären<br />

Partnern und hochkarätigen Neurologen<br />

zusammenarbeiten.<br />

DIE MEDIZINSTARS SIND in <strong>der</strong> Economyclass<br />

nach München geflogen. Die Topneurologen<br />

<strong>der</strong> Welt diskutieren an diesem Winterwochenende<br />

in einem schmucklosen Bürogebäude neue<br />

Methoden zur Behandlung von Multipler Sklerose.<br />

Jerry Wolinski stammt aus Houston, Paul<br />

O’Connor aus Toronto, Ludwig Kappos aus Basel,<br />

Chris Polman ist per Konferenzschaltung aus<br />

Amsterdam dabei. Honorar haben die Spitzenmediziner<br />

nicht zu erwarten. Dennoch ließ sich<br />

keiner von ihnen zweimal bitten. Grund: Mit<br />

Schering legt extra für dieses Projekt ein Unternehmen<br />

detaillierte Studienergebnisse zu den<br />

Effekten von MS-Behandlungen mit lizenzierter<br />

Medizin offen – eine Seltenheit. Die Diskussion<br />

ist hitzig, die Daten elektrisieren die Wissenschaftler.<br />

„Daraus ergeben sich wichtige neue<br />

Forschungsfragen“, so Jerry Wolinski von <strong>der</strong><br />

Universität Texas.<br />

Zusammengebracht hat die Medizinelite<br />

das Sylvia Lawry Centre for Multiple Sclerosis<br />

Research (SLCMSR). Workshops wie dieser sind<br />

typisch für das Programm des Zentrums. Es bündelt<br />

global alle Informationen zur Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> MS und pflegt die größte MS-Datenbank <strong>der</strong><br />

Welt. Dies zieht Big Pharma an. Neben Schering<br />

engagieren sich beispielsweise Biogen, Teva, Serono,<br />

Novartis, Wyeth o<strong>der</strong> Roche. Keiner von<br />

ihnen finanziert das Zentrum o<strong>der</strong> einzelne Projekte<br />

komplett – wissenschaftliche Unabhängigkeit<br />

ist alles für das SLCMSR. Daher <strong>der</strong> bescheidene<br />

Rahmen des Meetings: Schering darf nur<br />

einen Teil bezahlen, das Zentrum muss sparen.<br />

Der Bedeutung des SLCMSR tut dies keinen<br />

Abbruch. Diese wächst mit jedem neuen<br />

Datensatz. Pharmafirmen wie Forschergruppen<br />

stellen ihre Fakten und Studienergebnisse zur<br />

Verfügung. 45 Datensätze mit den Krankheitsverläufen<br />

von über 20 000 Patienten mit insgesamt<br />

81000 „Patientenjahren“ wurden bereits<br />

anonymisiert in die Datenbank eingespeist.<br />

Zwölf Wissenschaftler analysieren im Zentrum<br />

Tag für Tag Krankheitsverläufe, ermitteln<br />

Korrelationen – und generieren so Daten für die<br />

Entwicklung neuer Therapien. Die Firmen sparen<br />

damit bei ihren klinischen Studien Geld. Doch<br />

die Informationen fließen auch in Richtlinien <strong>der</strong><br />

europäischen Zulassungsbehörde EMEA für neue<br />

klinische Studien ein. „Wir sind Patientenvertreter,<br />

um die Sicherheit und Effektivität neuer Medikamente<br />

zu gewährleisten“, sagt Martin Daumer,<br />

wissenschaftlicher Direktor am SLCMSR.<br />

Gegründet hat die Forschungseinrichtung<br />

die internationale Dachorganisation Multiple Sclerosis<br />

International Fe<strong>der</strong>ation mit Unterstützung<br />

nationaler MS-Gesellschaften. Die Zahl weltweit<br />

registrierter MS-Kranker (über 2,5 Millionen), <strong>der</strong><br />

schwer vorhersehbare Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung<br />

und Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Erforschung effektiver<br />

Therapien machten die zentrale Einrichtung<br />

notwendig. Die Patienten profitieren auch direkt<br />

von dem Zentrum – indem sie effizienter behandelt<br />

werden. Neurologen erhalten passwortgeschützt<br />

Zugriff auf einen speziellen Teil <strong>der</strong><br />

Datenbank. So können sie den wahrscheinlichen<br />

Krankheitsverlauf eines Patienten mit o<strong>der</strong> ohne<br />

Therapie besser vorhersagen.<br />

Je mehr Einrichtungen sich beteiligen,<br />

desto breiter die Datenbasis und desto besser<br />

<strong>der</strong> Wissensaustausch. Das weiß auch <strong>der</strong> Arbeitskreis<br />

an diesem Wintertag. Die Neurologen<br />

hätten gern noch mehr Firmeninput. „Wir hoffen,<br />

dass die Entscheidung von Schering auch an<strong>der</strong>e<br />

Firmen dazu bewegen wird, die Daten ihrer klinischen<br />

Studien offen zu legen“, so Ludwig Kappos,<br />

Professor an <strong>der</strong> Basler Universitätsklinik.<br />

MULTIPLE SKLEROSE ist eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems. Der Kampf gegen<br />

MS ist schwer, weil diese wenig Angriffspunkte bietet: MS ist nicht ansteckend, die erbliche Komponente<br />

ist schwach, <strong>der</strong> Verlauf folgt keinem festen Muster. Bisher gibt es keine Möglichkeit, den Ausbruch<br />

<strong>der</strong> Krankheit zu verhin<strong>der</strong>n, sie zu heilen o<strong>der</strong> auch nur ihr Fortschreiten wirksam aufzuhalten.<br />

45


humankapital ist europas stärke<br />

industry-report f<br />

Kopfsache<br />

„Wir müssen die Bürokratie reduzieren, die Verwaltungsprozesse<br />

beschleunigen und die Transparenz <strong>der</strong> EU-<br />

Verwaltung erhöhen.“<br />

Wulf Bernotat, CEO, E.ON<br />

Europas Zukunft hängt an Investitionen in das Humankapital. Nur mit Spitzenforschung und<br />

konsequenter Innovationsför<strong>der</strong>ung hat <strong>der</strong> Kontinent im globalen Wettbewerb eine Zukunft,<br />

so eine Umfrage unter Spitzenmanagern.<br />

:<br />

Es ist kein Zufall, dass mit Viviane<br />

1.<br />

Reding und Günter Verheugen zwei<br />

<strong>Treiber</strong> <strong>der</strong> Wissensgesellschaft<br />

EU-Kommissare das Abschlussevent des<br />

Für welche Unternehmensfunktionen wird Europa wichtig bleiben o<strong>der</strong> wichtiger werden (Angaben in %)<br />

<strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Wettbewerbs „Best of European<br />

Business“ in Brüssel eröffneten. Denn<br />

die europäischen Unternehmen entpuppen<br />

sich <strong>als</strong> starke Unterstützer <strong>der</strong> Europäischen<br />

Kommission und vor allem ihrer Liberalisierungspolitik.<br />

Training/Ausbildung (Managementlevel)<br />

Finanzierungs-/Kapitallieferant<br />

Produkt-/Serviceinnovation<br />

Prozessinnovation<br />

98 %<br />

95 %<br />

95 %<br />

93 %<br />

Das ist ein Ergebnis <strong>der</strong><br />

Outsourcing von Finanzfunktionen 93 %<br />

Umfrage „European Competitiveness“, die<br />

Strategisches Marketing (Branding) 90 %<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> aus Anlass des Wettbewerbs<br />

gemeinsam mit <strong>der</strong> Financial Times, dem<br />

Lisbon Council und dem Forschungsinstitut<br />

The Conference Board durchgeführt hat.<br />

Befragt wurden die Vorstandschefs von<br />

40 europäischen Spitzenunternehmen. Diese<br />

sehen die weitere Liberalisierung von<br />

Arbeits- und Produktmärkten <strong>als</strong> eine <strong>der</strong><br />

Prioritäten an, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Kontinents auszubauen. „Wichtig ist<br />

mir nicht zuletzt ein Abbau von Marktregulierungen“,<br />

sagt etwa Juan Maria Nin, Managing<br />

Director <strong>der</strong> spanischen BancSabadell.<br />

Vor allem die Liberalisierung <strong>der</strong> Arbeitsmärkte<br />

hält Jan Nygaard, größter BMW-<br />

Händler in Dänemark, für zentral: „Wir brauchen<br />

die vollkommen freie Arbeitsplatzwahl<br />

in ganz Europa.“ Bei weiterbestehenden<br />

Regulierungen wünschen sich die<br />

Unternehmen, dass diese wenigstens harmonisiert<br />

werden.<br />

Rekrutierung (Managementlevel)<br />

Outsourcing von HR-Funktionen<br />

Headquarter-Aktivitäten<br />

Operatives Marketing (Werbung)<br />

Quelle: Best-of-European-Business-Umfrage<br />

flussnahme künftig zurückhalten, auch<br />

wenn diese vor<strong>der</strong>gründig den Unternehmen<br />

zu helfen scheint. So wollen die<br />

meisten Chefs auch nicht, dass die EU eine<br />

bestimmte Branche für strategisch erklärt<br />

und mit diesem Argument grenzüberschreitende<br />

Übernahmen verhin<strong>der</strong>t.<br />

Die Kernverantwortung <strong>der</strong> EU betrifft<br />

offenbar eher den Wissensstandort Europa.<br />

Die EU müsse mehr in Forschung und Entwicklung<br />

sowie die Ausbildung von Spitzenkräften<br />

investieren. Damit, so glauben die<br />

Topmanager, können die Europäer sich eine<br />

88 %<br />

88 %<br />

87 %<br />

80 %<br />

schungseinrichtungen und die Unterstützung<br />

von F&E-Aktivitäten.<br />

Die größte Stärke Europas sehen die Führungskräfte<br />

in kreativem und gut ausgebildetem<br />

Humankapital. Daran muss aber weiterhin<br />

gearbeitet werden. 98 Prozent aller<br />

Befragten glauben, dass Europa im Bereich<br />

Training und Ausbildung von Managern<br />

künftig entwe<strong>der</strong> gleich wichtig bleibt o<strong>der</strong><br />

sogar wichtiger wird (siehe Chart 1). Schon<br />

heute, so die Topmanager, trage die Verfügbarkeit<br />

von Human Resources für Unternehmen<br />

mehr zum Erfolg bei <strong>als</strong> etwa das Geschäftsklima<br />

o<strong>der</strong> die Infrastruktur.<br />

durchaus komfortable Position im Wettbewerb<br />

<strong>der</strong> Regionen verschaffen. Hinter <strong>der</strong> Den Erfolg ihrer Unternehmen in <strong>der</strong> Ver-<br />

DIE EU SOLL KÜNFTIG WENIGER INTER-<br />

VENIEREN, FORDERN DIE SPITZENMANAGER –<br />

For<strong>der</strong>ung nach einer innovationsför<strong>der</strong>nden<br />

Politik verbirgt sich nicht zuletzt auf an<strong>der</strong>e Faktoren zurück. So glauben<br />

gangenheit führen die Entschei<strong>der</strong> auch<br />

AUCH WENN SIE FIRMEN NUR HELFEN WILL<br />

Mehr Zurückhaltung for<strong>der</strong>n die Spitzenmanager<br />

in <strong>der</strong> Interventionspolitik. 84 Prozent<br />

sagen, die EU sollte sich mit staatlicher Ein-<br />

die Erwartung, dass das EU-Budget künftig<br />

weniger Geld für die Subventionen <strong>der</strong><br />

Agrarwirtschaft vorsieht und mehr für For-<br />

98 Prozent, dass die herausragende Produktund<br />

Servicequalität sich <strong>als</strong> zentrale Stärke<br />

erwiesen hätte. 95 Prozent halten das Mar-<br />

47


p industry-report<br />

qualität ist mehr <strong>als</strong> gute produkte<br />

„Wir brauchen weniger Bürokratie!“<br />

Jarne Elleholm, CEO, Aresa<br />

„Ganz wichtig ist, dass die ökologischen, sozialen<br />

und sicherheitstechnischen Standards mit Russland und<br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n im Osten harmonisiert werden.“<br />

Ralf Bethke, CEO, K+S<br />

2.<br />

Innovation <strong>als</strong> Wettbewerbsvorteil<br />

Welches ist das wichtigste strategische<br />

Handlungsfeld, um Ihre globale Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu sichern<br />

Häufigste Antworten<br />

1. Innovation<br />

2. Expansion in neue Märkte<br />

3. Kostensenkung<br />

4. Produktqualität/Design<br />

5. Entwicklung des Humankapit<strong>als</strong><br />

6. Investitionen in IT, F&E, ...<br />

Quelle: Best-of-European-Business-Umfrage<br />

kenimage für wichtig. Immerhin 85 Prozent<br />

glauben indes, dass <strong>der</strong> Bereich Mitarbeitertraining,<br />

Aus- und Weiterbildung auch<br />

bisher schon ausschlaggebend für die guten<br />

Positionen <strong>der</strong> Firmen im Wettbewerb<br />

gewesen sei.<br />

Der Fokus auf die Produktqualität reicht in<br />

<strong>der</strong> globalisierten Wirtschaft aber künftig<br />

nicht mehr aus. Qualität wird heute vorausgesetzt,<br />

darüber hinaus aber sind neue<br />

Ideen gefragt. Innovation halten die Entschei<strong>der</strong><br />

für den wesentlichen Faktor, um<br />

die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen<br />

künftig zu steigern. Die Expansion auf<br />

neue Märkte ist das zweitwichtigste Element,<br />

gefolgt von Kostensenkungen und<br />

einer verbesserten Produktqualität (siehe<br />

Chart 2).<br />

In ihrer starken Betonung <strong>der</strong> Innovation<br />

unterscheiden sich die befragten Topunternehmen<br />

deutlich vom europäischen o<strong>der</strong><br />

globalen Firmendurchschnitt. Das zeigt ein<br />

Vergleich <strong>der</strong> <strong>Berger</strong>-Ergebnisse mit den<br />

Resultaten einer Conference-Board-Umfrage<br />

aus dem Jahr 2005, die nicht nur Topfirmen<br />

berücksichtigt, son<strong>der</strong>n einen Durchschnitt<br />

aller Firmen abbildet. An<strong>der</strong>s <strong>als</strong> die Topfirmen<br />

hatten die dort befragten europäischen<br />

Unternehmen etwa den Bereich Innovation<br />

nur <strong>als</strong> fünftwichtigstes Themenfeld angesehen.<br />

Im Weltdurchschnitt lag die Innovation<br />

lediglich auf Platz sechs <strong>der</strong> Topthemen. Am<br />

wichtigsten war den befragten Firmen <strong>der</strong><br />

Welt die Konzentration auf kontinuierliches<br />

und substanzielles Wachstum – egal, woher<br />

dieses kommt.<br />

Nicht zuletzt die Betonung von Forschung<br />

und Innovation zeigt: Die Zukunft ihres<br />

Heimatmarktes sehen die europäischen<br />

Spitzenfirmen in <strong>der</strong> Wissensgesellschaft.<br />

Gelingt Europa dieser Übergang, dann<br />

sehen die Entschei<strong>der</strong> die Erfolgschancen<br />

<strong>der</strong> europäischen Wirtschaft durchaus positiv.<br />

Als Investitionsstandort werde Europa<br />

für ihre Unternehmen im Bereich Forschung<br />

an Bedeutung gewinnen, glauben<br />

immerhin 34 Prozent <strong>der</strong> Befragten. Weitere<br />

59 Prozent sehen die Bedeutung des Forschungsstandorts<br />

für Unternehmen immerhin<br />

<strong>als</strong> stabil an. Insgesamt 95 Prozent glauben,<br />

Europa werde in Finanzierungsfragen<br />

gleich wichtig bleiben o<strong>der</strong> wichtiger werden;<br />

91 Prozent sind <strong>der</strong> Meinung, dass dies<br />

für die Managementbereiche Headquarters<br />

und Personal zutrifft. Bei Einkauf/Produktion<br />

halten hingegen immerhin 31 Prozent<br />

Europa für künftig weniger wichtig.<br />

EIN STATEMENT GEGEN DIE KATERSTIMMUNG:<br />

EUROPA MUSS AN SICH GLAUBEN,<br />

SO DER TENOR DER STUDIE<br />

Alles in allem aber zeigen sich die europäischen<br />

Topentschei<strong>der</strong> ihrem Heimatstandort<br />

gegenüber überraschend optimistisch.<br />

Sie setzen damit einen Kontrapunkt zur<br />

momentanen Katerstimmung in <strong>der</strong> europäischen<br />

Öffentlichkeit. Europa muss an sich<br />

glauben, so <strong>der</strong> Grundtenor <strong>der</strong> Chefstudie.<br />

Auf den Punkt bringt dies <strong>der</strong> Vorstandsvorsitzende<br />

des Stromriesen E.ON, Wulf Bernotat:<br />

„Wir müssen den europäischen Geist<br />

unter den Europäern för<strong>der</strong>n.“<br />

3.<br />

In den meisten Wertschöpfungsbereichen gewinnt Europa an Bedeutung<br />

In welchen Bereichen wollen sich die Unternehmer stärker in Europa engagieren<br />

0%<br />

31%<br />

69%<br />

49%<br />

Einkauf/<br />

Produktion<br />

20%<br />

1%<br />

16%<br />

Marketing/<br />

Sales<br />

83% 87%<br />

54%<br />

29%<br />

5%<br />

8%<br />

60%<br />

Outsourcing<br />

27%<br />

91%<br />

60%<br />

31%<br />

3% 7% Management<br />

0%<br />

93 % 95%<br />

62%<br />

59%<br />

34%<br />

33%<br />

6%<br />

5%<br />

0%<br />

Forschung<br />

Finanzierung<br />

nicht<br />

weniger<br />

bleibt gleich<br />

stärker<br />

... %<br />

Summe aus<br />

„bleibt gleich“<br />

und „stärker“<br />

Quelle: Best-of-European-<br />

Business-Umfrage<br />

48


ubs holt großen preis<br />

industry-report f<br />

Europas Beste<br />

Sie sind die erfolgreichsten Unternehmen Europas. Zehn Firmen zeichnete <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> im<br />

Rahmen des Abschlussevents zum „Best of European Business“-Wettbewerb in Brüssel aus.<br />

Den Großen Preis <strong>der</strong> Jury holte sich <strong>der</strong> Schweizer Finanzkonzern UBS. Für seine vorbildliche<br />

Corporate Governance prämierte die mit internationalen Spitzenmanagern besetzte Jury<br />

den britischen Chemieanbieter ICI.<br />

Die Gewinner<br />

Großer Preis <strong>der</strong> Jury:<br />

UBS<br />

Corporate-Governance-Preis:<br />

ICI<br />

Branchen-Awards:<br />

Audi<br />

Esprit<br />

UBS<br />

(Auto)<br />

(Konsumgüter/Einzelhandel)<br />

(Finanzdienstleistungen)<br />

Die BEB-Partner<br />

Wissenschaft<br />

HEC School of Management, Paris<br />

IESE Business School, University of Navarra<br />

London School of Economics<br />

SDA Bocconi, Mailand<br />

Universidade NOVA de Lisboa, Lissabon<br />

Universität St. Gallen<br />

Universität Warschau<br />

Europäische Medien<br />

Financial Times, Großbritannien<br />

Financial Times Deutschland<br />

Enjeux Les Echos, Frankreich<br />

Expansión, Spanien<br />

Harvard Business Review Polska, Polen<br />

Il Sole 24 Ore, Italien<br />

Jornal de Negócios, Portugal<br />

manager magazin, Deutschland<br />

Puls Biznesu, Polen<br />

Arcelor<br />

Statoil<br />

BASF<br />

Telefónica<br />

AP Møller-Maersk<br />

RWE<br />

(Industriegüter)<br />

(Öl/Gas)<br />

(Pharma/Chemie)<br />

(Telekommunikation/Media)<br />

(Transport/Tourismus/Logistik)<br />

(Versorger)<br />

Die Europa-Jury<br />

Lord Browne of Madingly: CEO, BP<br />

Charles Dunstone: CEO, Carphone Warehouse<br />

Hanna Gronkiewicz-Waltz: ehemalige<br />

Präsidentin, Polnische Nationalbank<br />

Klaus Kleinfeld: CEO, Siemens AG<br />

Anne Lauvergeon: CEO und Präsidentin, Areva<br />

Kai-Uwe Ricke: CEO, Deutsche Telekom AG<br />

Paolo Scaroni: CEO, ENI<br />

Marco Tronchetti Provera: Chairman, Telecom<br />

Italia, Pirelli & C.S.p.A., Olimpia S.p.A.<br />

Daniel Vasella: Chairman und CEO, Novartis AG<br />

Ben Verwaayen: CEO, BT Group<br />

49


p industry-report<br />

trends und branchen<br />

Zukunftsmärkte im Check<br />

Unternehmen haben bald den universalen IT-Werkzeugkasten, Computerbildschirme werden<br />

dehnbar, Betonfassaden dünner und Telefonfestnetze vielleicht demnächst überflüssig.<br />

business process platform<br />

Im globalen Wettbewerb sind agile Unternehmen im<br />

Vorteil; sie können Geschäftsprozesse schnell neuen<br />

Marktbedingungen anpassen. Eine flexible IT-Infrastruktur<br />

spielt dabei eine zentrale Rolle. Lei<strong>der</strong> sind gewachsene IT-<br />

Umgebungen meistens alles an<strong>der</strong>e <strong>als</strong> flexibel. Die führenden<br />

Anbieter von Unternehmenssoftware wollen nun<br />

die IT-Infrastrukturen wie<strong>der</strong> zur Triebfe<strong>der</strong> unternehmerischer<br />

Change-Prozesse machen. Unter dem Titel „Business<br />

Process Platform (BPP)“ arbeitet etwa SAP an einem IT-<br />

Werkzeugkasten für alle technologischen und betriebswirtschaftlichen<br />

Baustellen.<br />

Die BPP basiert auf zwei Säulen. Das „Netweaver“-<br />

Konzept lässt wie ein Universaldolmetscher Anwendungen<br />

jeglicher Provenienz miteinan<strong>der</strong> kommunizieren. Und die<br />

Enterprise-Service-Architektur begreift den gesamten<br />

Datenverkehr in Unternehmen <strong>als</strong> Summe spezifischer, an<br />

fachlichen Belangen ausgerichteter Services für die<br />

Manager. Die BPP soll diese Konzepte nun zusammenführen<br />

und ergänzen. Das Ziel: Beim Griff in den elektronischen<br />

Werkzeugkasten findet je<strong>der</strong> IT-Verantwortliche die rasche<br />

Lösung für sein Problem. Weiterer Vorteil von Ansätzen wie<br />

BPP: Module können einfach weiterentwickelt und im ganzen<br />

Unternehmen verbreitet werden.<br />

Die Konkurrenz arbeitet an ähnlichen Ideen. Bisher aber<br />

scheint SAP die Nase vorn zu haben – auch, weil Oracle und<br />

Microsoft noch einige Aquisitionen verdauen müssen.<br />

flexible displays<br />

Displays aus organischen Leuchtdioden (OLED) sind<br />

dünn, erfor<strong>der</strong>n keine Hintergrundbeleuchtung, verbrauchen<br />

wenig Strom und zeigen aus jedem Blickwinkel ein gutes<br />

Bild. Noch besser wären sie, wenn sie sich <strong>als</strong> Zeitung falten<br />

o<strong>der</strong> <strong>als</strong> Handyanzeige ausrollen ließen. Diese Vision soll<br />

bald Wirklichkeit werden. Experten erwarten, dass flexible<br />

Displays spätestens 2008 einen Milliardenmarkt bilden.<br />

Kernproblem für die Entwickler ist allerdings <strong>der</strong> Schutz<br />

des Bildschirminneren. Neben <strong>der</strong> Beschaffenheit <strong>der</strong> leuchtenden<br />

Kunststoffe entscheidet nämlich die Qualität, mit <strong>der</strong><br />

die Displays gekapselt werden, über ihre Lebensdauer.<br />

Bisher bestehende flexible Folien eignen sich nicht für<br />

OLED-Anwendungen, da sie zu durchlässig für Sauerstoff<br />

und Wasserdampf sind. Die Folien müssen daher noch erheblich<br />

dichter werden.<br />

Momentan wird intensiv geforscht – zunehmend mit<br />

Erfolg. Das Unternehmen Vitex Systems bereitet inzwischen<br />

den Massen-Roll-out <strong>der</strong> neuen Bildschirme vor. Anfang<br />

November kündigte die US-Firma an, ihre „Barix“-<br />

Technologie zusammen mit militärischen Forschungsstellen<br />

für die großvolumige Herstellung weiterzuentwickeln.<br />

Der Markt für Ultrabarrierefolien im Jahr 2008<br />

Volumen (in Mrd. Dollar)<br />

für OLEDs in Displays 3<br />

Organische Solarzellen 0,1<br />

OLED-Beleuchtung 5<br />

Menge (in Mio. Quadratmetern)<br />

für Handydisplays 0,5–1,0<br />

Organische Fotovoltaik 0,5<br />

OLED-Beleuchtung 1,5<br />

Quelle: Fraunhofer<br />

50


trends und branchen<br />

industry-report f<br />

textilbewehrter beton<br />

Stahlbeton hat <strong>als</strong> Baumaterial Architekturgeschichte<br />

geschrieben – ohne ihn wären die heutigen 500-Meter-<br />

Wolkenkratzer in Ostasien o<strong>der</strong> Dubai nicht möglich.<br />

Doch <strong>der</strong> Fassadengestaltung von Bauten aus Stahlbeton<br />

sind enge Grenzen gesetzt. Der Grund: Der Betonmantel<br />

muss relativ dick sein. Nur so kann <strong>der</strong> Beton verhin<strong>der</strong>n,<br />

dass <strong>der</strong> Stahl rostet.<br />

Schon bald könnten die Fassaden allerdings deutlich<br />

vielfältiger aussehen. Mittlerweile ist es nämlich möglich,<br />

Beton statt mit Stahl mit Textilfasern zu bewehren.<br />

Haardünne Fasern aus korrosionsfreiem Glas, Karbon<br />

o<strong>der</strong> Aramid werden zu flachen Textilien verwebt, die<br />

Stahl in ihrer Zugfestigkeit in nichts nachstehen, die<br />

Elemente aber wesentlich schlanker machen. In Feinbeton<br />

vergossen, ermöglichen sie die Konstruktion scharfkantiger<br />

Fassadenelemente o<strong>der</strong> Sonnenschutzlamellen.<br />

Beton wird damit zum Designmaterial, das auch farbliche<br />

Akzente setzen kann. So lässt sich <strong>der</strong> Baustoff<br />

durch Zusatz von Farbpigmenten zu roten, grauen o<strong>der</strong><br />

schwarzen Elementen verarbeiten, jeweils passend zur<br />

architektonischen Umgebung. Die individuellen<br />

Fassadenwünsche <strong>der</strong> Bauherren ließen sich bislang ausschließlich<br />

durch Kunststoff- o<strong>der</strong> Aluminiummodule<br />

erfüllen. Ihnen kann <strong>der</strong> Beton nun Paroli bieten – ohne<br />

Gefahr zu laufen, die schöne Optik durch hässliche<br />

Rostflecken zu zerstören.<br />

wimax<br />

Die drahtlose Datenkommunikation setzt zum Sprung<br />

in ein neues Zeitalter an. „Worldwide Interoperability for<br />

Microwave Access“, kurz WiMax, nennt sich die<br />

Breitbandtechnologie, die in <strong>der</strong> Praxis bis zu 20 Megabit<br />

pro Sekunde über 60 Kilometer übertragen soll. Ein<br />

Traum für Technikfreaks, ein Alptraum für Netzbetreiber.<br />

Die Anbieter, die bislang die Kupferleitungen <strong>der</strong><br />

„letzten Meile“ weit gehend im Monopol beherrschen,<br />

müssen befürchten, dass die Konkurrenz sie bald nicht<br />

mehr braucht. Mobilfunkanbieter hingegen werden<br />

gezwungen, ihre jüngsten Investitionen in teure<br />

Funktechnologien neu zu bewerten. Sollte WiMax es wie<br />

angekündigt schaffen, Daten auch dann in hoher Qualität<br />

zu übertragen, wenn Sen<strong>der</strong> und Empfänger sich schnell<br />

aneinan<strong>der</strong> vorbeibewegen, verlören Funktechnologien<br />

wie GPRS o<strong>der</strong> UMTS ihr Alleinstellungsmerkmal. Ganz<br />

zu schweigen davon, dass sie mit bis zu 100 Mal schmaleren<br />

Bandbreiten arbeiten.<br />

Die Marktforscher von Gartner prognostizieren, dass<br />

die Zahl <strong>der</strong> WiMax-Verbindungen bis zum Jahr 2010 auf<br />

weltweit 48 Millionen Anschlüsse wächst. Marktführer<br />

wie Nokia und Intel treiben die Entwicklung voran.<br />

Großstädte errichten erste WiMax-Netze, etwa San<br />

Francisco, Jerusalem o<strong>der</strong> Osaka.<br />

51


p business-culture<br />

personalführung<br />

52


dow chemical berechnet, ob ein mitarbeiter die investitionen in ihn wert ist<br />

business-culture f<br />

Ausgekuschelt<br />

Die Mitarbeiterführung entwickelt eine neue Ehrlichkeit. Die Leistung von Mitarbeitern wird klar<br />

kontrolliert, Balanced Scorecards werden auf alle heruntergebrochen. Und wer in Projektteams keine<br />

Leistung bringt, setzt sich <strong>der</strong> Kritik seiner Kollegen aus.<br />

:<br />

Gut gelaunte Motivationskünstler haben<br />

ihre große Zeit hinter sich. Die aufgeregten<br />

Redner, die dem Publikum weismachen<br />

wollen, dass je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beste sein kann, wenn<br />

er nur seine Persönlichkeit auslebt, werden<br />

heute kaum noch ernst genommen. Dabei<br />

war die Vision so schön: Wir sind alle nett<br />

zueinan<strong>der</strong> und erreichen so das Beste für<br />

die Firma. Unternehmen haben viel Geld<br />

investiert, nur um intern die Stimmung zu<br />

heben. O<strong>der</strong>, wie mittlerweile viele Experten<br />

meinen, verpulvert.<br />

Einer <strong>der</strong> radik<strong>als</strong>ten Skeptiker ist E. L. Kersten.<br />

Wenn man dem Managementautor<br />

glaubt, liegt den Versuchen, Unternehmen<br />

zu kollektiven Kuschelzonen zu machen, ein<br />

f<strong>als</strong>ches Mitarbeiterbild zu Grunde. Kersten<br />

beschreibt Arbeitnehmer in seiner Polemik<br />

„The Art of Demotivation“ <strong>als</strong> faul, aufsässig<br />

und <strong>als</strong> permanente Fehlerquelle. Dass man<br />

ihnen bei Motivationsmaßnahmen ständig<br />

erzählt, wie wichtig sie für die Firma sind,<br />

sei das f<strong>als</strong>che Signal: Damit för<strong>der</strong>e man<br />

ihre Selbstüberschätzung.<br />

Kersten überspannt den Bogen bewusst.<br />

Indem er das übertrieben positive Bild von<br />

Mitarbeitern in ein übertrieben negatives<br />

umkippen lässt, deckt er die Denkverbote<br />

<strong>der</strong> Managementliteratur auf. Angestellte<br />

sind eben auch nicht prinzipiell am Wohle<br />

des Unternehmens interessiert. Sie brauchen<br />

klare Ziele, ihre Leistung muss individuell<br />

gemessen werden – und schlechte<br />

Ergebnisse müssen Konsequenzen haben, so<br />

die zunehmend vorherrschende Denkweise.<br />

Daher ist es auch kein Zufall, dass Kerstens<br />

Buch ausgerechnet jetzt erscheint und einen<br />

solchen Erfolg hat, mit faszinierten Besprechungen<br />

in allen großen Wirtschaftstiteln.<br />

Es passt in einen Trend. Die Unternehmen<br />

entdecken, dass gute Laune allein nicht<br />

reicht. „Ein neuer Realismus macht sich<br />

breit“, sagt Zhengrong Liu, Leiter des Global<br />

Human Resources Management beim Chemiehersteller<br />

Lanxess.<br />

Die Streicheleinheiten werden seltener,<br />

Führung mit klaren Methoden zur Performancemessung<br />

hingegen wird zunehmend<br />

populär. Das General-Electrics-Modell, die<br />

schlechtesten zehn Prozent unter den Mitarbeitern<br />

ausfindig zu machen und auf die<br />

Watchlist zu setzen, „wenden inzwischen<br />

auch an<strong>der</strong>e Unternehmen an“, erläutert ein<br />

Personalberater.<br />

BEURTEILUNGEN VON MITARBEITERN ALLEIN<br />

REICHEN NICHT. SIE MÜSSEN AUCH<br />

KLARE KONSEQUENZEN HABEN.<br />

Mitarbeiter, die konstant schlechte Leistungen<br />

abliefern, geraten ins Visier <strong>der</strong> Personalmanager.<br />

„Geringe Leistungsbereitschaft<br />

kann sich heute kein Unternehmen mehr<br />

leisten“, so Liu. Die alte Welch-Formel hält<br />

er daher für überholt. „Der heutige Wettbewerb<br />

verbietet es, dass zehn Prozent <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter die gefor<strong>der</strong>te Leistung nicht<br />

bringen.“ Bei Lanxess setzt er vor allem auf<br />

dezentrale Motivationsmöglichkeiten. So<br />

können die Leiter <strong>der</strong> einzelnen Business-<br />

Units selbständig entscheiden, welcher Mitarbeiter<br />

neben <strong>der</strong> firmenweiten Gewinnbeteiligung<br />

zusätzlich mit einem individuellen<br />

Bonus bedacht wird. Das System bietet den<br />

Vorteil, dass die Unit-Leiter klare Urteile<br />

über die Leistung <strong>der</strong> Mitarbeiter aussprechen<br />

– an<strong>der</strong>s <strong>als</strong> in komplizierten mathematischen<br />

Punkteverfahren. Diese nämlich<br />

führten zur Gleichmacherei, so Liu. „Da liegen<br />

meist alle Mitarbeiter zwischen 95 und<br />

105 Prozent.“ Sein System hingegen trennt<br />

die Spreu klar und für alle Mitarbeiter sichtbar<br />

vom Weizen.<br />

Immer mehr Firmen gehen auch dazu über,<br />

ihre Mitarbeiter einzustufen und damit den<br />

internen Wettbewerb zu för<strong>der</strong>n – vor<br />

allem, aber nicht mehr nur im Managementbereich.<br />

Der GEA-Konzern beispielsweise<br />

bewertet seine sämtlichen 327 Führungskräfte<br />

klar nach Leistungen und Potenzialen<br />

und teilt sie in drei Gruppen ein: Top-, Good<br />

und Low Performer. Wer schlecht abschneidet,<br />

wird nicht sofort entlassen, muss sich<br />

aber auf intensive Gespräche mit seinen<br />

Vorgesetzten einstellen. „Es reicht nicht,<br />

Mitarbeiter zu beurteilen. Erst die Konsequenzen,<br />

die Sie ziehen, machen ein Bewertungsmodell<br />

erfolgreich“, meint <strong>der</strong> Leiter<br />

Corporate Development des Unternehmens,<br />

Volker Andussies.<br />

Noch einen Schritt weiter gehen mittlerweile<br />

viele US-Unternehmen: Sie brechen die<br />

Balanced Scorecard von Kaplan und Norton<br />

sogar auf jeden einzelnen Mitarbeiter herunter.<br />

Damit, so die Annahme, lässt sich für<br />

jeden Angestellten bestimmen, inwieweit er<br />

zum Unternehmenserfolg beigetragen hat.<br />

Von da ist es nur noch ein Schritt zu einer<br />

Initiative, die Dow Chemical kürzlich startete.<br />

Das Unternehmen will für jeden Mitarbeiter<br />

errechnen, ob sich die Investitionen<br />

in ihn – Einstellung, Gehalt, Schulungen –<br />

wirklich lohnen. Dafür definiert das Unternehmen<br />

den so genannten Expected Human<br />

Capital Return (EHCR) und vergleicht ihn<br />

53


p business-culture<br />

investmentbanken <strong>als</strong> vorreiter<br />

mit dem Actual Human Capital Return<br />

(AHCR). „EHCR stellt den Break-even-<br />

Punkt für die Investitionen in einen Mitarbeiter<br />

dar“, erklärt David Near, Global Portfolio<br />

Director im Human Resources Development<br />

Strategic Center des Unternehmens.<br />

Dow will das Konzept nicht primär<br />

<strong>als</strong> Druckinstrument verstanden wissen.<br />

Dennoch ist klar: Ein Mitarbeiter, <strong>der</strong> die<br />

Investitionen in ihn nicht wert ist, muss<br />

sich mehr anstrengen – o<strong>der</strong> er bleibt nicht<br />

dauerhaft an Bord.<br />

LANXESS KAPPTE FÜNF VON NEUN<br />

MANAGEMENTEBENEN. DAS ERHÖHT<br />

DEN ERFOLGSDRUCK AUF DEN EINZELNEN.<br />

Die Unternehmen treiben den internen<br />

Wettbewerb voran. Die Benchmark sitzt am<br />

Nebenschreibtisch. Auch die neuen flachen<br />

Hierarchien – Lanxess kappte kurzerhand<br />

fünf <strong>der</strong> neun Managementebenen – werden<br />

zunehmend genutzt, um für mehr Zug<br />

im Unternehmen zu sorgen: Weniger Vorgesetzte<br />

und die Verlagerung <strong>der</strong> Arbeit in<br />

Projektteams lassen den Mitarbeitern zwar<br />

mehr Entfaltungsspielraum, machen aber<br />

das Ergebnis des Einzelnen auch für alle<br />

sichtbar. Wenn jemand seine Leistung nicht<br />

bringt, leiden alle darunter. Das erzeugt<br />

sozialen Druck. „Da heißt es schnell: Du<br />

kannst nicht schon wie<strong>der</strong> un<strong>der</strong>performen.<br />

Das motiviert sehr“, berichtet ein Teilnehmer<br />

eines Innovationsprojekts, mit dem ein<br />

Autokonzern an <strong>der</strong> US-Westküste gerade<br />

eine Produktoffensive für den amerikanischen<br />

Markt plant.<br />

Auch finanzielle Konsequenzen sind mit <strong>der</strong><br />

Leistung <strong>der</strong> Einzelnen in Projektteams verbunden.<br />

Die Unit-Leiter von Lanxess können<br />

direkt nach Abschluss eines Projekts die<br />

Teilnehmer mit Leistungszahlungen belohnen<br />

– o<strong>der</strong> auch nicht. „Der Ansporn erzielt<br />

seine beste Wirkung, wenn er zeitnah<br />

erfolgt. Also warten wir nicht bis zum Jahresende“,<br />

berichtet Personalchef Liu. Für<br />

Bernd Frick, Professor für Unternehmens-<br />

führung an <strong>der</strong> Universität Witten/Herdecke,<br />

ist die gesamte Diskussion verschiedener<br />

Motivationsmethoden eine Frage <strong>der</strong><br />

Kosten-Nutzen-Relation. Man dürfe die<br />

Wahl <strong>der</strong> Führungsstrategie nicht primär <strong>als</strong><br />

moralische Entscheidung sehen. „Das ist<br />

eine Frage <strong>der</strong> relativen Kosten alternativer<br />

Person<strong>als</strong>trategien.“ Gelebter Realismus<br />

statt behaupteter Moralität.<br />

Mit <strong>der</strong> neuen Klarheit geht eine zunehmende<br />

Skepsis gegenüber <strong>der</strong> klassischen<br />

Human-Resources-Abteilung einher. Seit<br />

Jahren for<strong>der</strong>n die Personaler mehr strategischen<br />

Einfluss. Doch dem Topmanagement<br />

gilt HR oft <strong>als</strong> Luxusfunktion, für Weiterbildung<br />

und Picknicks zuständig, aber ohne<br />

strategische Einbindung. „Warum wir HR<br />

hassen“, titelte kürzlich das Wirtschaftsmagazin<br />

Fast Company. Ein Grund für die<br />

Randstellung: Gerade HR-Abteilungen produzierten<br />

in <strong>der</strong> Vergangenheit die gemütliche<br />

Rhetorik, die Leuten wie Kersten so sehr<br />

auf die Nerven fällt.<br />

Vielleicht haben HR-Manager auch die f<strong>als</strong>che<br />

Vorbildung. Darauf deutet jedenfalls<br />

eine Studie <strong>der</strong> amerikanischen Society for<br />

Human Resource Management hin. 83 Prozent<br />

aller HR-Experten glauben demnach,<br />

<strong>der</strong> Besuch von „Interpersonal Communications“-Kursen<br />

an <strong>der</strong> Universität nütze einer<br />

HR-Karriere. 66 Prozent halten Wirtschaftsethik<br />

für relevant. Change-Management hingegen<br />

empfehlen gerade mal 35 Prozent,<br />

strategisches Management 32 Prozent. So<br />

schafft man keine Relevanz.<br />

Die Szene übt sich mittlerweile in Selbstkritik.<br />

Viele HR-Entschei<strong>der</strong> finden die Denkweise<br />

ihrer Kollegen selbst zu weich, etwa<br />

<strong>der</strong> frühere Bear-Stearns-Personalmanager<br />

Arnold Kanarick. Wenn Bewerber für HR-<br />

Jobs ihm in Interviews gesagt hätten, sie<br />

wollten vor allem mit Menschen zu tun<br />

haben, habe er geantwortet: „Dann werdet<br />

doch Sozialarbeiter!“<br />

Genau diese Sozialarbeitermentalität dominierte<br />

bisher oft die HR-Welt. Vor allem<br />

Unternehmen, die in hoch qualifizierte Mitarbeiter<br />

einiges investiert hatten, gingen mit<br />

diesen um wie mit rohen Eiern. Doch auch<br />

hier werden die Zügel angezogen. Die Möglichkeit,<br />

auch anspruchsvolle Tätigkeiten<br />

nach Osteuropa auszulagern, führt in Westeuropa<br />

dazu, „dass man sehr viel genauer<br />

schaut, ob <strong>der</strong> einzelne Arbeitsplatz eine<br />

Rendite erwirtschaftet“, so ein Personalberater<br />

– und die Mitarbeiter den Druck auch<br />

spüren lässt. Dow lässt grüßen.<br />

Vordenker <strong>der</strong> harten Welle sind die Investmentbanken.<br />

An <strong>der</strong> Wall Street gehörte es<br />

schon immer zum Alltag, unter Druck zu<br />

arbeiten. Davon wollen jetzt an<strong>der</strong>e Branchen<br />

lernen. Die Einsicht: Die Leistungskurve<br />

eines Mitarbeiters steigt nicht dadurch,<br />

dass er für Kleinigkeiten Lob erfährt.<br />

EFFIZIENTE KONTROLLVERFAHREN KÖNNEN<br />

DIE LEISTUNG FÖRDERN. DAZU MÜSSEN<br />

SIE AUF ERGEBNISSE ZIELEN.<br />

Geschickt eingesetzt, kann hingegen klare<br />

Kontrolle jenes Vertrauen schaffen, das die<br />

Leistung för<strong>der</strong>t. Dieter Brandes, früherer<br />

Geschäftsführer <strong>der</strong> deutschen Discounterkette<br />

Aldi Nord, hat diese Führungsmethode<br />

in seinem Buch „Alles unter Kontrolle“<br />

beschrieben. Er nennt sie „positive Kontrolle“.<br />

Diese setzt nicht erst ein, wenn das<br />

Unternehmen kriselt. „Häufig üben Unternehmen<br />

gerade dann Druck aus, wenn sie<br />

selbst eine angespannte Phase durchlaufen.<br />

Das ist meistens Aktionismus.“<br />

Fazit für Brandes: Die Unternehmensführung<br />

muss die richtige Balance zwischen<br />

naivem Vertrauen und übersteigertem Misstrauen<br />

finden. Wenn sich Mitarbeiter durch<br />

den Vergleich mit an<strong>der</strong>en motivieren, ist<br />

das gut. Dennoch schätzen sie ein klares<br />

Wort von oben. Wenn Kritik sachlich vorgetragen<br />

wird, wirkt sie nicht frustrierend,<br />

son<strong>der</strong>n zeigt auf, wie Mitarbeiter ihre<br />

Arbeit besser machen können. Ist das eine<br />

neue harte Linie Vielleicht. Vor allem aber<br />

eine klare.<br />

54


die weisheiten david brents<br />

business-culture f<br />

Trivialitäten eines Softies<br />

Nichts ist schlimmer <strong>als</strong> Chefs, die sich anbie<strong>der</strong>n. Chefs wie David Brent, Antiheld <strong>der</strong> Comedyserie<br />

„The Office“. Der Nie<strong>der</strong>lassungsleiter einer Papierfirma gibt den Kumpeltyp, ist aber letztlich Opportunist<br />

– was seine Leute auch durchschauen. Ein Lehrstück schlechter Personalführung.<br />

David Brent … über sich <strong>als</strong> väterlichen<br />

Berater seiner Mitarbeiter: „Die Leute könnten<br />

zu mir kommen und sagen: ‚David, du bist seit<br />

zwölf Jahren im Geschäft. Kannst du uns sagen,<br />

wie du ein Team leitest‘ … Aber sie kommen<br />

einfach nicht. Das ist die wahre Tragödie.“<br />

... über sein Geheimnis erfolgreicher Mitarbeitergespräche:<br />

„Immer mit einem Witz beginnen!“<br />

… auf die Frage, woher er seine Inspiration<br />

bekommt: „Wenn ich drei Genies nennen sollte,<br />

dann wären das nicht Einstein, Newton und …<br />

(ganz lange Pause) … es wären Komiker, Milligan,<br />

Cleese, Everett.“<br />

… darüber, warum man Mitarbeiter nicht<br />

vorab über geplante Entlassungen informieren<br />

sollte: „Das würden die eh wie<strong>der</strong> vergessen.“<br />

... über Teamwork: „Du musst 100-prozentig<br />

hinter jemandem stehen, um ihm in den Rücken<br />

zu stechen.“<br />

… über seine schönste Erfahrung im Job: „Stolz<br />

war ich, <strong>als</strong> ein junger Grieche, <strong>der</strong> hier seinen<br />

ersten Job hatte und kaum ein Wort Englisch<br />

sprach, zu mir kam und mich fragte: ‚Mr<br />

Brent, wollen Sie Patenonkel meines Kindes<br />

werden‘(Pause) Na ja, es ist dann doch nicht<br />

dazu gekommen. Wir mussten den Kerl<br />

rausschmeißen. Er war schlecht. Mann, war<br />

<strong>der</strong> schlecht!“<br />

... darüber, warum er den elektrischen Plastikfisch<br />

in seinem Büro immer ausreichend mit<br />

Batterien bestückt. „Kosten hin o<strong>der</strong> her – gute<br />

Comedy ist unbezahlbar.“<br />

… über die „gleichen“ Chancen zweier Kandidaten<br />

in einem Bewerbungsgespräch (eines Mannes<br />

und einer sehr hübschen Frau): „Sie wird<br />

THE OFFICE spiegelt im Doku-Stil sämtliche<br />

schlechten Seiten <strong>der</strong> Bürowelt wi<strong>der</strong>:<br />

Heuchlertum, Mobbing, Dienst nach Vorschrift.<br />

Die Tristesse in <strong>der</strong> Regionalnie<strong>der</strong>lassung<br />

einer Papierfirma kulminiert in<br />

Hauptfigur und Chef David Brent (Ricky Gervais).<br />

Brent hält sich für witzig, ist aber nur<br />

nervig. Er will <strong>der</strong> Freund des Teams sein, ist<br />

aber vor allem offensichtlich führungsschwach.<br />

Seine Versuche, sich anzubie<strong>der</strong>n,<br />

konterkariert er durch seinen offensichtlichen<br />

Opportunismus. Die „Managementprinzipien“,<br />

die Brent gern zum Besten gibt,<br />

entpuppen sich schnell <strong>als</strong> Hohlformeln.<br />

das Büro beleben, nicht wahr (Pause) Äh, ich<br />

meine, natürlich nur, wenn sie den Job<br />

bekommt. Aber das würde er auch, wenn er ihn<br />

bekommt. Schließlich sind natürlich beide<br />

gleichberechtigt. Ich meine, letzten Endes<br />

hängt natürlich alles von mir ab. Na ja, wie<br />

auch immer: viel Glück. (Dann, nachgeschoben:)<br />

Es kann jedenfalls nicht schaden, mich<br />

zu beeindrucken.“<br />

… über Führung: „Wenn du deine Mitarbeiter<br />

mit Liebe und Respekt behandelst, werden<br />

diese nie vermuten, dass du sie loszuwerden<br />

versuchst.“<br />

… über Zeitmanagement: „Erledige niem<strong>als</strong><br />

schon heute etwas, das morgen schon die Aufgabe<br />

von jemand an<strong>der</strong>em sein könnte!“<br />

… über Pünktlichkeit: „Wenn du sowieso zu<br />

spät dran bist, dann verspäte dich richtig und<br />

nicht nur um zwei Minuten. Gönne dir eine<br />

Stunde, und genieße dein Frühstück!“<br />

… über seine Prinzipien <strong>der</strong> Personalauswahl:<br />

„Stelle niem<strong>als</strong> Leute ein, die Pech haben – wirf<br />

50 Prozent <strong>der</strong> Bewerbungen ungelesen in den<br />

Müll!“<br />

… über das Leben <strong>als</strong> Angestellter: „Du wirst<br />

erwachsen, du arbeitest ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

lang, du bekommst eine Abfindung, du<br />

ruhst dich ein paar Jahre lang aus, und dann<br />

bist du tot.“<br />

55


p business culture<br />

stereotypes influence investment decisions<br />

You’re great—let’s make a deal<br />

Companies are emotionless, entirely rational entities when they strike a deal. At least that is what<br />

their managers would like to think. They should think again: A current study’s findings confirm that<br />

cultural bias has a significant impact on international decision-making.<br />

:<br />

Is it an emotional thing Or does logic<br />

rule this relationship Certainly there<br />

were many good reasons for Air France and<br />

KLM to merge. The reasons included becoming<br />

the world’s biggest airline, representing<br />

strong brands in the rough-and-tumble<br />

European market and getting to know each<br />

other through several collaborative ventures<br />

over the last few years.<br />

However, other airlines were <strong>als</strong>o looking<br />

for a partner. Why did the Netherlands’ KLM<br />

decide not to hook up with the commercial<br />

powerhouse of Lufthansa, which was looking<br />

to spend some money on acquisitions<br />

Or why did Air France not merge with<br />

British Airways, an airline with good connections<br />

to North America, Asia and the<br />

Pacific that would have been the perfect<br />

complement to the French company’s existing<br />

route network<br />

THE CULTURAL PROXIMITY BETWEEN TWO<br />

COUNTRIES INFLUENCES PURCHASING<br />

AND INVESTMENT DECISIONS<br />

Maybe because, as the Eurobarometer surveys<br />

sponsored by the European Union<br />

demonstrate, the Dutch do not really trust<br />

the Germans, the French trust the British<br />

even less, and the British do not trust the<br />

French at all. Eurobarometer showed that<br />

only 8 percent of the United Kingdom’s citizens<br />

totally trust their neighbors on the<br />

other side of the Channel. So maybe the<br />

Franco-Dutch alliance is actually better—<br />

for the sake of bilateral trust.<br />

A study conducted by social researchers at<br />

the University of Rome; Northwestern<br />

University, in Chicago, Illinois; and the<br />

University of Chicago confirms that investment<br />

decisions are strongly influenced by<br />

cultural stereotypes. Researchers from the<br />

three institutions showed that cultural<br />

sympathies and negative biases between<br />

citizens of various countries have a real economic<br />

effect on purchasing decisions and<br />

direct investments.<br />

Taking a look at the flow of investment capital<br />

between different countries, it becomes<br />

apparent that investments are made in companies<br />

of countries whose culture one trusts<br />

and is familiar with. The level of trust a<br />

country enjoys is not uniform the world over<br />

and is defined by the relationship any two<br />

countries have with each other.<br />

One country’s trustworthiness is perceived<br />

very differently by various other countries—<br />

and therefore <strong>als</strong>o possible investors. While<br />

the British eye the French skeptically, the<br />

Germans feel very positive about their<br />

neighbors. This kind of behavior has an<br />

immense effect on investments.<br />

“A slightly higher degree of trust than the<br />

worldwide average translates to 30 percent<br />

more trade,” explains Luigi Guiso, an economist<br />

and professor at the University of<br />

Rome and co-author of the study. Mutual<br />

direct investments can increase by 75 percent.<br />

And in their financial portfolios, institutional<br />

investors “increase the shares in<br />

countries they have an affinity with by<br />

84 percent,” says Guiso.<br />

What exactly influences this sense of mutual<br />

trust University of Chicago professor Luigi<br />

Zingales reports on the supporting evidence<br />

that he and his colleagues could find. “The<br />

wars of centuries past, commonality or<br />

differences in religion, and the genetic proximity<br />

between two peoples are decisive factors,”<br />

he says. The study’s authors were able<br />

to find a consi<strong>der</strong>able amount of statistical<br />

proof for their arguments.<br />

Why would past wars influence trust now<br />

Zingales explains this phenomenon using<br />

Italian students: “In their history classes,<br />

they are currently learning about the efforts<br />

made in the 19th century to unify the country.”<br />

Most battles were fought against soldiers<br />

of the former Austrian Empire. That<br />

allegiance to past history is still being<br />

played out now, resulting in a primarily negative<br />

image of Austria.<br />

A SLIGHTLY HIGHER DEGREE OF TRUST<br />

THAN THE GLOBAL AVERAGE<br />

MEANS 30 PERCENT MORE TRADE<br />

The results of the American economists’<br />

research confirm findings of a survey conducted<br />

by the 3i Cranfield European Enterprise<br />

Center in England. These <strong>als</strong>o showed<br />

that national issues play a major role when<br />

managers of different nationalities strive to<br />

generate an atmosphere of trust. According<br />

to the surveys, across Europe, Spanish managers<br />

are consi<strong>der</strong>ed to be trustworthy; only<br />

Italians have little or no faith in them.<br />

Research results like these shed new light<br />

on debates held in management circles in<br />

the last few years.<br />

Specifically, the discussion revolves around<br />

the significance of trust when making<br />

investment-related decisions. “In long-term<br />

commitments, companies cannot address all<br />

possibilities in writing in their contracts;<br />

that’s why trust takes on greater meaning,”<br />

56


gründe für einschätzungen an<strong>der</strong>er kulturen liegen oft in <strong>der</strong> geschichte<br />

business-culture f<br />

(und Kosten sparend) sein kann, zeigt das<br />

Beispiel des Diamantenhandels in Antwerpen<br />

und New York: Die Händler vertrauen<br />

einan<strong>der</strong> <strong>der</strong>art, dass sie ihre Transaktionen<br />

immer noch per Handschlag abschließen.<br />

Folgerichtig konnten die Wissenschaftler<br />

auch belegen, dass die Bedeutung von Vertrauen<br />

abnimmt, je besser <strong>der</strong> Informationsstand<br />

über das potenzielle Partnerland ist:<br />

„Dem Misstrauen gegensteuern können<br />

Unternehmen, Verbände und Staaten nur<br />

langfristig – mit mehr sachlichen Informationen,<br />

mehr Kontakten und stärkerer<br />

För<strong>der</strong>ung internationaler Ausbildung“,<br />

sagt Paola Sapienza, Professorin an <strong>der</strong><br />

Kellogg School of Management <strong>der</strong> Northwestern<br />

University.<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> nationalen Herkunft<br />

beeinflusst nicht nur Direktinvestitionen<br />

und Einkaufsentscheidungen. Nationale<br />

Befindlichkeiten spielen auch bei Fusionen<br />

eine zentrale Rolle. Als in Italien die Übernahme<br />

<strong>der</strong> Banco Ambrosiano Veneto durch<br />

die holländische ABN Amro anstand, gab es<br />

Proteste: Italienische Politiker wollten den<br />

Deal verhin<strong>der</strong>n. Die Bank sollte nicht holländisch<br />

werden. Diese Sicht bestimmte<br />

dann die Diskussion in den Medien. „Die<br />

Wirtschaftszahlen, die belegen, dass eine<br />

Fusion aus Effizienzgründen sinnvoll ist,<br />

spielten keine Rolle mehr“, kommentiert<br />

Forscherin Sapienza.<br />

EXTREMES MISSTRAUEN KANN ZUR<br />

HANDELSSCHRANKE WERDEN. DAS MERKEN<br />

MOMENTAN DIE USA.<br />

Doch kulturell bedingte Vorurteile för<strong>der</strong>n<br />

nicht nur den Protektionismus. Ist das Misstrauen<br />

gar zu groß, erwachsen kaum überwindbare<br />

Handelsschranken. Mit diesem<br />

Problem kämpfen zurzeit viele Entwicklungslän<strong>der</strong>,<br />

aber auch die USA wegen ihres<br />

schlechten Rufs im Mittleren Osten. Der<br />

Handel mit dem Erzfeind ist politisch unerwünscht.<br />

Bleibt noch die Frage, ob jedes Land ein festes<br />

Maß an Vertrauen zu vergeben hat, es<br />

sich <strong>als</strong>o um ein Nullsummenspiel handelt.<br />

Die Autoren <strong>der</strong> Studie verneinen dies. Südeuropäische<br />

Staaten beispielsweise zeigen<br />

sich gegenüber an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n insgesamt<br />

misstrauischer <strong>als</strong> ihre nördlichen Pendants.<br />

Am wenigsten vertrauensselig sind die Portugiesen.<br />

Wer mit ihnen Handel treiben will,<br />

muss <strong>als</strong>o beson<strong>der</strong>s intensive Vertrauensarbeit<br />

leisten.<br />

Sehr offen sind hingegen die Schweden.<br />

Diese halten ihre norwegischen Nachbarn<br />

sogar für vertrauenswürdiger <strong>als</strong> ihre eigenen<br />

Landsleute.<br />

57


p business-culture<br />

managementschulen<br />

Master of Business Arts<br />

Osteuropas Business-Schools haben ihre ganz eigene Methode, die Manager <strong>der</strong> Zukunft<br />

auszubilden. Sie setzen auf Kunst, Musik und Theater. Die Idee: Nur kreative Köpfe sind auch gute<br />

Entschei<strong>der</strong>. Die Unternehmen glauben daran. Eine Reportage von George Bickerstaffe.<br />

:<br />

Studenten <strong>der</strong> Kyiv Mohyla Business<br />

School in Kiew (KMBS) hören viel Jazz –<br />

im Klassenzimmer. Stundenlang lauschen<br />

sie einer Jazzband und diskutieren mit den<br />

Musikern die Feinheiten <strong>der</strong> Improvisation.<br />

Ähnliche Szenen spielen sich in vielen Business-Schools<br />

in Mittel- und Osteuropa ab.<br />

Musik, Malerei, Theater – durch den Einsatz<br />

<strong>der</strong> schönen Künste bilden die Eliteschulen<br />

im Osten die Manager von morgen aus.<br />

Sei kreativ, werde Manager, so die Devise.<br />

An <strong>der</strong> State University of Management in<br />

Moskau arbeiten MBA-Studenten an Theateraufführungen,<br />

schreiben Stücke, entwickeln<br />

Inszenierungen und machen Körper- und<br />

Stimmübungen. Die ISM University of<br />

Management and Economics in Litauen lässt<br />

Manager unter Anleitung professioneller<br />

Künstler an eigenen Gemälden o<strong>der</strong> Skulpturen<br />

werkeln. Und an <strong>der</strong> Bled School of<br />

Management in Slowenien (IEDC) verbringen<br />

Studenten Zeit damit, klassische Musikaufführungen<br />

anzuhören und mit Musikern<br />

zu sprechen. Dabei haben die Business-<br />

Schools denselben akademischen Anspruch<br />

wie ihre Pendants im Westen o<strong>der</strong> in Ostasien.<br />

Kunst setzen sie zusätzlich ein – musische<br />

Betätigung <strong>als</strong> Schlüsselelement.<br />

Vereinzelt findet sich die Kunst auch in <strong>der</strong><br />

westlichen Managerausbildung, etwa an <strong>der</strong><br />

Kopenhagen Business School. Dennoch sei<br />

die Idee etwas typisch „Östliches“, so Danica<br />

Purg, Direktorin <strong>der</strong> IEDC. Virginijus Kundrotas,<br />

Rektor <strong>der</strong> ISM in Litauen, sieht darin<br />

ein Stück osteuropäische Selbstfindung: „Wir<br />

suchen nach dem, was unseren Teil <strong>der</strong> Welt<br />

beson<strong>der</strong>s auszeichnet – und das hat oft mit<br />

Beziehungen o<strong>der</strong> Gefühlen zu tun.“<br />

Weil Emotionen sich oft über Musik vermitteln,<br />

kommen an <strong>der</strong> IEDC Leute wie <strong>der</strong><br />

Geiger Miha Pogacnik zum Einsatz. Seine<br />

Methode: Er nimmt ein bekanntes Stück wie<br />

die Fuge in g-Moll von Bach auseinan<strong>der</strong><br />

und erläutert daran die Entwicklung<br />

GEORGE BICKERSTAFFE schreibt regelmäßig<br />

Beiträge zur Businessausbildung – vor allem<br />

für britische Zeitungen. Seit 1991 stellt er den Führer<br />

„Which MBA“ zusammen, <strong>der</strong> jährlich von <strong>der</strong><br />

Economist-Tochter Economist Intelligence Unit<br />

herausgegeben wird. Bickerstaffe war Herausgeber<br />

<strong>der</strong> Zeitschriften Director, Chief Executive und<br />

International Management.<br />

menschlicher Organisationen. So will er im<br />

Zuhörer Kreativität freisetzen. Im westlichen<br />

MBA stehe das A für Administration. Davon<br />

will Pogacnik weg. „Wir brauchen einen<br />

neuen MBA, in dem das A für ‚Arts‘ steht,<br />

für Kunst: Master of Business Arts.“ Antonina<br />

Rostowskaja, Leiterin des „Labors für<br />

Bühnenaktion im Management“ an <strong>der</strong><br />

Moskauer State University of Management,<br />

glaubt, dass beide Ansätze einan<strong>der</strong> ergänzen.<br />

„Westliche Methoden orientieren sich<br />

an Techniken und Instrumenten“, sagt sie.<br />

„Wir etablieren nicht nur die Verbindung<br />

‚Ziel – Instrument‘, son<strong>der</strong>n auch die Verbindung<br />

‚Ich – Welt‘.“<br />

In ihrer Theaterausbildung machen die Studenten<br />

Körper- und Sprechübungen und lernen,<br />

mit Rhythmus, Raum und Atmosphäre<br />

zu arbeiten. Ein Student bekommt eine pantomimische<br />

Aufgabe gestellt: Trage zehn<br />

Aktentaschen durch den Raum. Natürlich<br />

fällt eine herunter und eine an<strong>der</strong>e, sobald<br />

er die erste aufzuheben versucht. Ein<br />

Musterbeispiel für das Management von<br />

Komplexität – und damit eine stimmige<br />

Metapher für die Arbeit heutiger Manager.<br />

Parallelen zum Management weist auch die<br />

Regiesituation auf, glaubt Rostowskaja.<br />

58


manager denken über ihre rolle in <strong>der</strong> gesellschaft nach<br />

business-culture f<br />

Heute reiche es nicht mehr, dass ein Manager<br />

akzeptierte Regeln kennt und befolgt. Er<br />

müsse selbst die Spielregeln festlegen und<br />

verän<strong>der</strong>n – wie ein Theaterregisseur. Das<br />

Theater wird so zum Labor, in dem Nachwuchsentschei<strong>der</strong><br />

das reale Management<br />

üben können. Absolvent Alexan<strong>der</strong> Gatilin:<br />

„Die Bühne gibt uns die Möglichkeit, alle<br />

organisatorischen Problemstellungen im<br />

Management auszuprobieren“, zum Beispiel<br />

die Kooperation im Team.<br />

DIE LEHRE DES JAZZ:<br />

JEDER IST NUR SO KREATIV, WIE ES IHM<br />

SEIN MITSPIELER ERLAUBT<br />

Diese will auch die Kyiv Mohyla Business<br />

School in Kiew (KMBS) verbessern. Schöngeistiges<br />

Hilfsmittel in diesem Fall: Jazz.<br />

Mychailo Wynnyckyj, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> KMBS internationales<br />

Marketing unterrichtet, erläutert:<br />

Ein (Band-)Lea<strong>der</strong> sei nie allein, er müsse auf<br />

seine Kollegen und <strong>der</strong>en Einfälle hören.<br />

Auch eine Organisation müsse in <strong>der</strong> Lage<br />

sein, Ideen und Führungspotenzial an unerwarteten<br />

Stellen zu erkennen.<br />

Erste Regel im Jazz: Jedes Bandmitglied<br />

muss seine Musik auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en aufbauen.<br />

Wynnyckyj: „Ein Manager wird zwar<br />

oft mit dem Dirigenten verglichen. Doch<br />

Organisationen brauchen keine Dirigenten;<br />

Jazzcombos haben auch keinen. Jazz bringt<br />

Unternehmertum und Verwaltung ins<br />

Gleichgewicht und ermöglicht Kreativität,<br />

ohne dass einer das Tempo festlegt.“<br />

Die Business-School bringt Jazzmusiker in<br />

die Seminarräume, um mit den Studierenden<br />

zu sprechen und Musik zu machen. „Wir<br />

analysieren, wie ein Musiker in dem Rahmen<br />

improvisiert, den die an<strong>der</strong>en ihm zur<br />

Verfügung stellen“, erklärt Wynnyckyj. Lerneffekt:<br />

Auch Managementprozesse werden<br />

von Interaktion geprägt. Die Aktionen des<br />

einen definieren die Freiheit des an<strong>der</strong>en.<br />

Die Konzentration auf Kunst hat auch etwas<br />

mit <strong>der</strong> Wettbewerbsposition <strong>der</strong> Business-<br />

Schools in Mittel- und Osteuropa zu tun.<br />

In Konkurrenz mit den etablierten Westschulen<br />

muss etwas Beson<strong>der</strong>es her. Innovation<br />

ist gefragt.<br />

Auf Unternehmensseite stößt die Horizonterweiterung<br />

auf Sympathie. Zur KMBS in<br />

<strong>der</strong> Ukraine schicken reihenweise internationale<br />

Großkonzerne ihre Manager: Cisco<br />

Systems, Citibank, Calyon, Coca-Cola. Olyxiy<br />

Wolchow, Commercial Director <strong>der</strong> Ukraine-<br />

Tochter <strong>der</strong> französischen Investmentbank<br />

Calyon: „Wenn sich bei mir zwei Kandidaten<br />

mit gleichen persönlichen Eigenschaften<br />

bewerben, gebe ich dem KMBS-Absolventen<br />

den Vorzug.“ Wolchow ist vom Versuch <strong>der</strong><br />

KMBS überzeugt, neue Wege zu gehen:<br />

„Deren Lehrer zwingen die Studenten, selbständig<br />

zu denken und innovativ zu sein,<br />

anstatt nur altbekannte wissenschaftliche<br />

Theorien zu pauken.“ Speziell <strong>der</strong> Jazzansatz<br />

lehre „vor allem die Fähigkeit, sich<br />

schnell auf wechselnde Situationen einzustellen,<br />

ohne dass die Qualität leidet“.<br />

Doch aller Karriereeffekte zum Trotz: Die<br />

Kunstprogramme werden nie je<strong>der</strong>manns<br />

Sache sein. „Die Programme rühren an die<br />

Emotionen <strong>der</strong> Teilnehmer“, sagt Danica<br />

KUNST UND MANAGEMENT haben<br />

miteinan<strong>der</strong> nichts zu tun Der Künstler Eduard<br />

Čehovin sieht das an<strong>der</strong>s. Sein großformatiges<br />

Werk „Europe 2020“ für die Bled School of Management<br />

setzt sich mit dem Verhältnis von abstrakten<br />

Zeichen zu gelebter Realität auseinan<strong>der</strong> – ein<br />

Thema, das gerade auch Unternehmen beschäftigt.<br />

Purg. Nicht je<strong>der</strong> Manager aber will mit den<br />

eigenen Gefühlen konfrontiert werden –<br />

lei<strong>der</strong>, wie Purg findet. „Ich bin überzeugt,<br />

dass gestandene Manager neue Kraft aus<br />

ihnen schöpfen können. Sie fangen an, über<br />

ihre Rolle in <strong>der</strong> Gesellschaft nachzudenken.“<br />

Selbstreflexion am Kunstwerk <strong>als</strong>o.<br />

Gerade jüngere Manager sind da aber oft<br />

skeptisch. Und die Künstler müssten vorher<br />

intensiv gecoacht werden, um ihre Lerninhalte<br />

erfolgreich zu transportieren. Nur so<br />

„ist das Resultat wirklich relevant für die<br />

Managementstudenten.“ Ansonsten droht<br />

Beliebigkeit.<br />

Beliebig war <strong>der</strong> Moskauer Theaterkurs für<br />

Igor Makarow nicht. Der Ingenieur weiß,<br />

was er aus den Seminaren mitgenommen<br />

hat: die Fähigkeit, den eigenen Auftritt zu<br />

optimieren. „Ich vertrete meine Meinung<br />

jetzt erfolgreicher.“ Das Theater <strong>als</strong> Schule<br />

für die Bühne namens Management.<br />

59


p business-culture<br />

ten years after<br />

Der Wohl-Kämpfer<br />

Mit seinem Buch „The New Golden Rule“ setzte Amitai Etzioni 1996 Moral <strong>der</strong> Giergesellschaft<br />

entgegen. Er fand Gehör bei US-Präsidenten und machte den Begriff „Dritter Weg“ zum Allgemeingut.<br />

Wie aber eine mögliche Lösung zwischen Kapitalismus und Sozialismus aussieht, ist weiter unklar.<br />

:„Das Unsinnigste, was ich je gehört habe.<br />

Sie muss blind und dumm sein!“ Wer den<br />

ansonsten gelassenen Amitai Etzioni zornig<br />

machen will, muss im Gespräch nur Margaret<br />

Thatcher zitieren. („Es gibt keine Gesellschaft,<br />

nur Individuen und Familien.“) Für<br />

den Mitbegrün<strong>der</strong> des Kommunitarismus ist<br />

solches Denken weltfremd: „Man kann doch<br />

noch nicht mal vor die Tür gehen, ohne auf<br />

die Gesellschaft zu treffen.“ Am besten eine<br />

faire Gesellschaft, Etzionis Ideal: eine Art<br />

dritter Weg zwischen Kapitalismus und<br />

Sozialismus, aber vieldeutiger und aus an<strong>der</strong>en<br />

Richtungen <strong>als</strong> etwa bei Ota Sik, dem<br />

Vordenker des Prager Frühlings.<br />

Entsprechend bunt schillert das Gedankengebäude<br />

<strong>der</strong> kommunitaristischen Bewegung,<br />

die sich schon mit ihrem Gründungsmanifest<br />

in den neunziger Jahren Gehör<br />

verschaffte und zahlreiche politische Debatten<br />

in den USA wie Europa entfachte. Dabei<br />

existiert keine allgemein akzeptierte Definition<br />

des Kommunitarismus, doch bestimmte<br />

Muster treten hervor: Man kritisiert den<br />

Kapitalismus von links und den Sozi<strong>als</strong>taat<br />

von rechts – vielleicht auch ein Grund dafür,<br />

dass die Bewegung vor zehn Jahren eine<br />

Anziehungskraft ausübte auf so unterschiedliche<br />

Politiker wie Tony Blair und<br />

Joschka Fischer.<br />

ETZIONI SIEHT DIE SICHERHEIT SEIT DEN<br />

TERRORATTACKEN AM 11. SEPTEMBER<br />

ALS NEUES GEMEINGUT AN<br />

„Was ist vernünftig“ lautet Etzionis Kernfrage.<br />

Seine Standpunkte sind daher nicht<br />

ideologisch festgelegt: So tritt er für umfassende,<br />

streng geregelte DNA-Massentests<br />

ALEXANDER ROSS ist Stammautor des<br />

Magazins Cicero und schreibt für Tageszeitungen<br />

in Deutschland, Österreich und <strong>der</strong> Schweiz.<br />

Sein letztes Buch „Der perfekte Auftritt“ stand<br />

monatelang in den Top Ten <strong>der</strong> Financial Times<br />

Deutschland.<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung zur Verbrechensbekämpfung<br />

ein. Und erst unlängst for<strong>der</strong>te er eine<br />

individuelle Internet-ID <strong>als</strong> persönliches<br />

Brandzeichen für jeden User, da Vollanonymität<br />

für ihn die Ursache von Spam und<br />

an<strong>der</strong>en Missbräuchen im Internet ist.<br />

Die politische Linke, lange von seinen Ideen<br />

inspiriert, hat sich zwischenzeitlich leise<br />

von Etzioni verabschiedet. Er kämpfte 1948<br />

im Untergrund in Palästina für die Gründung<br />

Israels, und heute unterstützt er den<br />

„War on Terror“: „Seit dem 11. September<br />

2001 gibt es ein neues Gemeingut, nämlich<br />

Sicherheit.“ Etzioni äußert sich zum Patriot-<br />

Act, dem Privacy-Act, zu Durchsuchungen,<br />

dem vierten Verfassungszusatz und vielem<br />

mehr unter kommunitaristischer Flagge.<br />

Denn für ihn gilt: „Der jeweilige Anwendungsbereich<br />

ist neu, die philosophische<br />

Grundfrage ist es nicht.“<br />

Für seine Kritiker wird er damit zum Grenzgänger<br />

zwischen Vielfalt und Beliebigkeit.<br />

Das Magazin The Nation nannte ihn den<br />

„Zelig <strong>der</strong> Intellektuellen“ – ein geistiges<br />

Chamäleon wie die Filmfigur von Woody<br />

Allen. Als „<strong>der</strong> Experte für alles“ (Time<br />

Magazine) meldet sich Etzioni seit über 30<br />

Jahren bei zahlreichen Themen öffentlich<br />

zu Wort – jedoch stets geistreich und klar,<br />

was ihn von vielen „Kommentarprofessoren“<br />

unterscheidet. Vielleicht ein Geheimnis seines<br />

Erfolgs, denn sein Motto könnte sein:<br />

Zu Risiken und gesellschaftlichen Nebenwirkungen<br />

fragen Sie Ihren Soziologen, fragen<br />

Sie Etzioni.<br />

Also fragen wir: Schwingt das Pendel <strong>der</strong>zeit<br />

wie<strong>der</strong> zurück zum starken Staat Nein,<br />

sagt Etzioni, aber die Aufhängung des Pendels<br />

hat sich zum Konservatismus hin verschoben.<br />

Dies sei nicht überraschend, denn:<br />

„Die USA waren immer eine konservative<br />

Demokratie.“<br />

Aber wird die Welt nicht immer individualistischer<br />

– mit Begriffen wie Selfemployment,<br />

Humankapital und sinken<strong>der</strong><br />

Gewerkschaftsmacht „Ja, aber es gibt die<br />

Community-Ties, vor allem bei den Migranten.<br />

Nehmen Sie die Asiaten, die in die USA<br />

kommen. Diese haben starke Bindungen zu<br />

an<strong>der</strong>en Migranten. Amerika, das sind nicht<br />

300 Millionen Menschen – es sind viele<br />

Communitys in <strong>der</strong> Community.“<br />

Das gilt auch für die Wirtschaft: „Community<br />

ist ein Konsumgut“, sagt Etzioni. „Für<br />

mich ist Wal-Mart eine Verbraucherorganisation.<br />

Das Produkt ist teuer beim Produzenten,<br />

<strong>der</strong> es zum höchsten Preis verkaufen<br />

will. Wal-Mart schafft Interessenausgleich<br />

zwischen Produzenten, denen sie Masse bieten,<br />

und Konsumenten, denen sie niedrige<br />

Preise bieten können. Es ist eine Aggregation<br />

von Konsumentenpräferenzen. Um es<br />

mit einem Begriff von John Galbraith zu<br />

sagen: Der Wal-Mart-Konzern ist eine ausgleichende<br />

Kraft.“<br />

Auch sonst sieht Etzioni Schnittmengen<br />

zwischen dem Denken von Unternehmen<br />

und Kommunitaristen. Der „Stakehol<strong>der</strong>-<br />

Ansatz“ sei eine absolut kommunitaristische<br />

60


nach feierabend arbeitet etzioni in einer suppenküche<br />

business-culture f<br />

Idee. Während seiner Zeit an <strong>der</strong> Harvard<br />

Business School habe er gelernt, dass Unternehmen<br />

letztlich öffentliche Einrichtungen<br />

sind. „Sie gehören allen, die etwas in sie<br />

investieren.“ Und zwar nicht nur <strong>als</strong> Sharehol<strong>der</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>als</strong> Stakehol<strong>der</strong>.<br />

Doch was bedeutet dies für die Arbeit von<br />

Managern „Der Wochenplan eines CEO<br />

könnte so aussehen: montags die Arbeitnehmervertreter<br />

treffen, am Dienstag die<br />

Kunden und so weiter. Freitags sollte er sich<br />

fragen: Wen habe ich vergessen in den Communitys,<br />

den Stakehol<strong>der</strong>-Gruppen um<br />

mein Unternehmen herum“ Also eine kapitalistische<br />

Räterepublik „Nein, denn nicht<br />

je<strong>der</strong> kriegt die gleiche Aufmerksamkeit<br />

und Einfluss.“ So viel Realismus muss sein:<br />

Nebenparlamente und Parallelaufsichtsräte<br />

will Etzioni nicht.<br />

DAS MODETHEMA CORPORATE SOCIAL<br />

RESPONSIBILITY HÄLT ETZIONI FÜR EINE<br />

ZIEMLICH BEGRENZTE SACHE<br />

Realismus herrscht auch beim Blick auf das<br />

Modethema Corporate Social Responsibility.<br />

CSR ist für Etzioni ein wohlfeiler Ablasshandel,<br />

„okay, aber eine sehr begrenzte<br />

Sache. Es erfindet den Kapitalismus nicht<br />

neu.“ Der Kern <strong>der</strong> CSR liegt für Etzioni in<br />

kleinen, freiwilligen Aktivitäten.<br />

Doch wenn keine neuen Institutionen<br />

geschaffen werden, was bleibt überhaupt<br />

von Etzioni und den Kommunitariern Vielleicht<br />

genau das: Sie haben dafür gesorgt,<br />

dass die Liste <strong>der</strong> Wirkstoffe auf dem Beipackzettel<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft länger geworden<br />

ist. Für Etzioni gilt die alte Institutionenlehre<br />

mit wenigen Teilnehmern nicht mehr.<br />

Man müsse heute mehr beachten: „Wir alle,<br />

auch die Unternehmen, leben in einer Welt<br />

mit vielen unterschiedlichen Akteuren.“<br />

Unser Gespräch endet, es ist Freitagnachmittag.<br />

Aber ein echter Kommunitarier<br />

kennt kein Wochenende. Was er jetzt macht<br />

„Ich gehe zur Freiwilligenarbeit in einer<br />

Suppenküche.“<br />

AMITAI ETZIONI wurde 1929 <strong>als</strong> Werner<br />

Falk in Köln geboren. 1937 ging er nach Haifa,<br />

kämpfte 1948 in <strong>der</strong> Palmach-Bewegung im<br />

Palästinakrieg. Er studierte bei Martin Buber in<br />

Jerusalem, nach dem PhD in Berkeley war er<br />

fast 20 Jahre Professor an <strong>der</strong> Columbia University.<br />

Seit 1980 lehrt er Soziologie an <strong>der</strong><br />

George Washington Universität, von 1987 bis<br />

1989 unterrichtete er auch an <strong>der</strong> Harvard<br />

Business School. Etzioni veröffentlichte über<br />

20 Bücher, zu den bekanntesten zählen „The<br />

Spirit of Community“ (Die Entdeckung des<br />

Gemeinwesens, 1993) und „The New Golden<br />

Rule“ (Die Verantwortungsgesellschaft, 1996).<br />

Er beriet die US-Präsidenten Carter, Bush senior<br />

und Clinton. Zusammen mit Michael Walzer<br />

begründete er den Kommunitarismus, eine <strong>der</strong><br />

„einflussreichsten politischen Bewegungen<br />

Amerikas" (Frankfurter Allgemeine Zeitung).<br />

61


p service<br />

impressum<br />

Vertiefen Sie Ihr Wissen<br />

Falls Sie intensiver in ein Thema einsteigen<br />

möchten: hier ein paar Bücher, die die<br />

Themen aus diesem Heft vertiefen.<br />

„Presence“ ist das neueste Werk des<br />

Lerntheoretikers Peter Senge. Herfried<br />

Münkler schil<strong>der</strong>t in „Imperien“, wie<br />

Weltreiche funktionieren. Amitai Etzionis<br />

„Die Verantwortungsgesellschaft“ gehört zu<br />

den Klassikern <strong>der</strong> Wirtschaftsliteratur. Und<br />

die <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Studie „Innovation und<br />

Wachstum im <strong>Gesundheit</strong>swesen“ zeigt auf,<br />

wie Unternehmen vom Wachstumsmarkt<br />

<strong>Gesundheit</strong> profitieren können.<br />

PETER SENGE ET AL.:<br />

Presence: An<br />

Exploration of<br />

Profound Change in<br />

People, Organizations,<br />

and Society<br />

HERFRIED MÜNKLER:<br />

„Imperien. Die Logik<br />

<strong>der</strong> Weltherrschaft –<br />

vom Alten Rom bis zu<br />

den Vereinigten Staaten“<br />

AMITAI ETZIONI:<br />

„Die Verantwortungsgesellschaft.<br />

Individualismus<br />

und Moral in <strong>der</strong><br />

heutigen Demokratie“<br />

STUDIE:<br />

„Innovation und<br />

Wachstum im<br />

<strong>Gesundheit</strong>swesen“<br />

100-Dollar-Laptop kommt<br />

In think:act 1/2005 hat <strong>der</strong> US-Wissenschaftler Nicholas Negroponte<br />

seine Vision eines 100-Dollar-Laptops präsentiert. Jetzt steht<br />

fest: Der Massen-PC wird kommen. Der taiwanische Notebook-<br />

Hersteller Quanta wird den vom Media Lab des Massachusetts<br />

Institute of Technology entworfenen Laptop <strong>als</strong> „Original Design<br />

Manufacturer“ bauen. Das gab <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> Non-Profit-<br />

Organisation One Laptop per Child (OLPC) bekannt. Auch die<br />

Vereinten Nationen wollen die Initiative unterstützen. OLPC-<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> Negroponte freut sich: „Alle Zweifel, dass ein sehr<br />

günstiger Laptop für Bildungszwecke in Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

gebaut werden kann, sind nun ausgeräumt.“<br />

service@think-act.info<br />

Haben Sie Fragen an den Herausgeber o<strong>der</strong> das Redaktionsteam<br />

Interessieren Sie sich für Studien von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Strategy Consultants Schreiben Sie an service@think-act.info<br />

Impressum<br />

HERAUSGEBER<br />

Dr. Burkhard Schwenker, CEO<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

Stadthausbrücke 7<br />

20355 Hamburg<br />

Tel.: +49 40 37631-0<br />

LEITUNG<br />

Torsten Oltmanns<br />

REDAKTIONSBEIRAT<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

Dr. Christoph Kleppel, Felicitas<br />

Schnei<strong>der</strong><br />

VERLAG<br />

BurdaYukom Publishing GmbH<br />

Schleißheimer Str. 141<br />

80797 München<br />

Tel.: +49 89 30620-0<br />

GESCHÄFTSFÜHRER<br />

Manfred Hasenbeck,<br />

Andreas Struck<br />

VERLAGSLEITER<br />

Dr. Christian Fill<br />

CHEFREDAKTION<br />

Alexan<strong>der</strong> Gutzmer (V.i.S.d.P.)<br />

ART-DIREKTION<br />

Blasius Thätter<br />

CHEF VOM DIENST<br />

Marlies Viktorin<br />

REDAKTION<br />

Elmar zur Bonsen, Michael Kuhli<br />

AUTOREN<br />

Helge Bendl, Christine Fehenberger,<br />

Markus Gärtner, Frank Grünberg, Heiko<br />

Hamann, Martin Kaluza, Gudrun Kosche,<br />

Hedda Möller, David Selbach<br />

GASTAUTOREN<br />

George Bickerstaffe (London), Stuart<br />

Crainer (London), Des Dearlove<br />

(London), Prof. Niall Ferguson (Harvard),<br />

Prof. Herfried Münkler (Berlin),<br />

Alexan<strong>der</strong> Ross (Berlin)<br />

LEKTORAT<br />

Dr. Michael Petrow (Ltg.), Marion<br />

Linssen, Agnes Schmid, Jutta Schreiner<br />

GRAFIK/GESTALTUNG<br />

Andrea Hüls, Heike Nachbaur,<br />

Robert Neuhauser<br />

PRODUKTION<br />

Wolfram Götz (Ltg.), Franz Kantner,<br />

Silvana Mayrthaler, Cornelia Sauer<br />

BILDREDAKTION<br />

Mitra Nadjafi<br />

BILDNACHWEISE<br />

Titelbil<strong>der</strong>: PR (3), Edward C. Curtis/Corbis,<br />

Thomas Thiessen (Illustration); S. 2 Jeff<br />

Lamb; S. 3 Hans-Bernhard Huber/laif;<br />

S. 4–5 Sebastian Ibler, Tamara Voninski/<br />

Fairfaxphotos, Christian Thomas, Robert<br />

Sirdey; S. 6 Sebastian Ibler; S. 8–9 Tamara<br />

Voninski/Fairfaxphotos; S. 12 John<br />

Drysdale/Getty Images; S. 15 Jacques<br />

Lowe/Picture Press; S. 16 Phil Loftus/<br />

Intertopics; S. 17 Corbis; S. 18 Keystone;<br />

S. 19 ActionPress; S. 20 PR, gezett.de; S. 24<br />

Edward C. Curtis/Corbis; S. 25–26 Robert<br />

Sirdey; S. 27 Sebastian Ibler; S. 28 Evan<br />

Agostini/Getty Images; S. 30 PR; S. 32 PR; S.<br />

34–37 Christian Thomas; S. 38–39 Intuitive<br />

Surgical Inc., Carnegie Mellon University,<br />

Cordis Medizinische Apparate GmbH; S. 40<br />

Rabih Moghrabi/ Getty Images; S. 42–44<br />

Ralph Zimmermann; S. 45 PR; S. 46 Jan<br />

Feindt/Die Illustratoren; S. 50–51<br />

Fraunhofer IAP/Armin Okulla, RWTH<br />

Aachen, Intel; S. 52 Yoshii Hiroshi; S. 55 BBC<br />

Worldwide Ltd.; S. 57 Boris Schmalenberger;<br />

S. 58–59 IEDC Bled (4), Miha Fras; S. 60<br />

Drake Sorey; S. 62 Design Continuum<br />

DRUCK<br />

Pinsker Druck und Medien GmbH,<br />

84048 Mainburg<br />

URHEBERRECHTE<br />

Die im Magazin enthaltenen Beiträge<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Alle Rechte werden vorbehalten.<br />

HINWEIS<br />

Redaktionelle Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung des Herausgebers<br />

wie<strong>der</strong>.<br />

62


AB C<br />

springer.de<br />

i<br />

Gestärkt aus <strong>der</strong> Krise<br />

Unternehmensfinanzierung in und nach <strong>der</strong> Restrukturierung<br />

M. Blatz, K. Kraus, <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants GmbH, Berlin;<br />

S. Haghani, <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants GmbH, Düsseldorf (Hrsg.)<br />

Die Zahl von Unternehmenskrisen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Betroffene Firmen<br />

müssen restrukturiert werden. Es ist heute unstrittig, dass neben <strong>der</strong> Verbesserung des operativen<br />

Geschäfts und <strong>der</strong> strategischen Neuausrichtung auch die Neuordnung <strong>der</strong> Unternehmensfinanzierung<br />

elementarer Bestandteil einer Restrukturierung ist. Notwendig ist hierfür die Beherrschung<br />

des Corporate-Finance-Instrumentariums. Dieses Buch zeigt die sich daraus ergebenden Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

und Lösungen. Dabei steht die Steigerung des Unternehmenswerts im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Anhand mehrerer anonymisierter Fallstudien wird detailliert aufgezeigt, wie sich die finanzielle<br />

Restrukturierung in <strong>der</strong> Praxis umsetzen lässt und damit die Weichen für einen erfolgreichen<br />

Expansionskurs gestellt werden. Das Buch richtet sich vor allem an Praktiker, die sich einen fundierten<br />

Überblick über neue Entwicklungen im Bereich Rekapitalisierung von Unternehmen<br />

verschaffen wollen.<br />

Inhalt: Erfolgsfaktoren <strong>der</strong> Restrukturierung in Deutschland - neue Herausfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

Unternehmensfinanzierung: Innovative Konzepte zur Krisenbewältigung. - Unternehmenssanierung<br />

in Deutschland. - Rekapitalisierung. - Aus <strong>der</strong> Krise zur Wertsteigerung: Wie Unternehmen in <strong>der</strong><br />

Restrukturierung hohe Renditen erreichen können. - Finanzielle Restrukturierung mittelständischer<br />

Unternehmen. - Verän<strong>der</strong>te Anfor<strong>der</strong>ungen an die Due Diligence. Ergebnisse aktueller Studien von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants: Deutsch-europäischer Restrukturierungs-Survey 2004/05.<br />

- Distressed Debt in Deutschland aus Sicht <strong>der</strong> Banken. Die finanzielle Restrukturierung in <strong>der</strong> Praxis<br />

- Fallbeispiele: Finanzielle Restrukturierung eines Pharmaunternehmens - Sanierung und Kapitalmarkt.<br />

- Wachstumsfinanzierung sichert die Restrukturierung ab. - Restrukturierung und Rekapitalisierung<br />

des HD Co.-Konzerns. - Rückkehr auf den Wachstumspfad - die Restrukturierung und<br />

Rekapitalisierung <strong>der</strong> Wind AG. - Einsatz von Desinvestitionen bei <strong>der</strong> Restrukturierung.<br />

2006.XII, 177 S. 64 Abb., 2 Tab. Geb<br />

ISBN 3-540-29416-3 € 34,95 | sFr 59.50<br />

Bei Fragen o<strong>der</strong> Bestellung wenden Sie sich bitte an Springer Distribution Center GmbH, Haberstr. 7, 69126 Heidelberg Telefon: +49 (0) 6221-345-4301 Fax: +49 (0) 6221-345-4229<br />

Email: SDC-bookor<strong>der</strong>@springer.com Die €-Preise für Bücher sind gültig in Deutschland und enthalten 7% MwSt. Preisän<strong>der</strong>ungen und Irrtümer vorbehalten. Springer-Verlag 000000x GmbH,<br />

Handelsregistersitz: Berlin-Charlottenburg, HR B 91022. Geschäftsführer: Haank, Mos, Gebauer, Hendriks

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!