Zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes - Walker Späh ...
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PBG<br />
ZÜRCHER ZEITSCHRIFT FÜR<br />
ÖFFENTLICHES BAURECHT<br />
1 /200 8<br />
aktuell<br />
<strong>Zur</strong> <strong>Wiederherstellung</strong><br />
<strong>des</strong> rechtmässigen Zustan<strong>des</strong><br />
von Carmen <strong>Walker</strong> Späh
4<br />
EDITORIAL<br />
THEMA<br />
5<br />
Sehr geehrte Damen und Herren<br />
«Wädenswiler Kettensägen-Aktion kostet 5 Millionen Franken»,<br />
so betitelte am 24. Januar 2008 die NZZ den aktuellen<br />
Bussenentscheid <strong>des</strong> Horgner Bezirksstatthalters. Der<br />
Betrag teilt sich in 20’000 Franken Busse und 5 Millionen<br />
Franken für den durch die Fällaktion erzielten Mehrwert.<br />
Diese Strafe fürs Bauen ohne Bewilligung ist einmalig und<br />
dürfte sicher noch für Folgeentscheide sorgen. Bauen<br />
ohne Bewilligung kann aber nicht nur strafrechtlich belangt<br />
werden. Wer ohne die notwendige Bewilligung baut, muss<br />
auch damit rechnen, dass er das Gebäude wieder abreissen<br />
bzw. zerstören muss. Er muss es nämlich dann tun, wenn<br />
das Gebaute den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften<br />
widerspricht und damit baupolizeiwidrig ist. Wann ein<br />
Rückbau notwendig ist und welche Präjudizien bereits<br />
vorhanden sind, damit beschäftigt sich der Hauptbeitrag<br />
dieser Ausgabe.<br />
Vier Jahre lang hat Ihnen Frau Dr. Scherrer über aktuelle<br />
Bun<strong>des</strong>gerichtsentscheide berichtet – nun hat sie ihre Berichterstattung<br />
weitergegeben, damit sie sich ihren anderen<br />
Aufgaben (z.B. auch ihrer Tätigkeit als Ersatzrichterin<br />
am Obergericht Solothurn) voll und ganz widmen kann. Ich<br />
möchte die Gelegenheit nutzen, Frau Dr. Scherrer für<br />
Ihre wertvolle Arbeit herzlich zu danken. Neu werden die<br />
Informationen aus dem Bun<strong>des</strong>gericht von Frau Dr. iur.<br />
Charlotte Schoder, Rechtsanwältin, betreut. Frau Dr. Schoder<br />
arbeitet seit über fünf Jahren als Gerichtsschreiberin<br />
am Bun<strong>des</strong>gericht und ist zuständig für die I. öffentlichrechtliche<br />
Abteilung. Ich freue mich auf die neue Zusammenarbeit!<br />
Ihre<br />
Carmen <strong>Walker</strong> Späh<br />
<strong>Zur</strong> <strong>Wiederherstellung</strong><br />
<strong>des</strong> rechtmässigen Zustan<strong>des</strong><br />
I. Ausgangslage<br />
Wer baut, ohne dafür die notwendige Baubewilligung eingeholt<br />
zu haben, muss letztlich damit rechnen, dass er das<br />
Gebaute wieder abreissen bzw. zerstören muss; dann nämlich,<br />
wenn das Gebaute den geltenden Bauvorschriften widerspricht<br />
und damit polizeiwidrig ist.<br />
Zunächst wird ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren<br />
durchgeführt. Kann damit festgestellt werden, dass das<br />
Gebaute rechtmässig ist, hat die verantwortliche Person<br />
u.U. dennoch mit einer Busse zu rechnen (§ 326 i.V.m. § 340<br />
PBG). Die Baute kann aber bestehen bleiben. Stellt sich im<br />
nachträglichen Baubewilligungsverfahren heraus, dass<br />
das Gebaute in Teilen oder als Ganzes nicht bewilligungsfähig<br />
ist, dann muss es grundsätzlich entfernt werden. § 341<br />
PBG verlangt, dass die zuständige Behörde ohne Rücksicht<br />
auf Strafverfahren und Bestrafung den rechtmässigen Zu-<br />
Carmen<br />
<strong>Walker</strong> Späh<br />
VI. Titel: Strafen und Zwangsan<br />
vorsätzlich verstösst, wird unter Vorbehalt d<br />
mit Busse bis zu Fr. 50 000, bei Gewinnsu<br />
schränkter Höhe bestraft. 38<br />
Strafen § 340. 1<br />
Wer gegen dieses Gesetz oder au<br />
Herstellung <strong>des</strong><br />
rechtmässigen<br />
Zustands<br />
den.<br />
2<br />
HandeltderTäterfahrlässig, ist die Str<br />
3<br />
In besondersleichtenFällen kannauf<br />
4<br />
Versuch, Anstiftung und Gehilfensch<br />
5<br />
Juristische Personen, Kollektiv- un<br />
sowie Inhaber von Einzelfirmen haften<br />
Kosten, die ihren Organen oder Hilfspe<br />
Verfahren stehen ihnen die gleichen Rec<br />
§ 341. Die zuständige Behörde h<br />
verfahren und Bestrafung den rechtmä<br />
hiezu dienen der Verwaltungszwang un<br />
VII. Titel: Einführungs-und Schlussb<br />
Einführungsbestimmu<br />
«Wer baut, ohne<br />
dafür die notwendige<br />
Baubewilligung<br />
eingeholt zu<br />
haben, muss letztlich<br />
damit rechnen,<br />
dass er das<br />
Gebaute wieder<br />
abreissen bzw.<br />
zerstören muss.»
6<br />
THEMA<br />
THEMA<br />
7<br />
Ǥ 341 PBG<br />
verlangt, dass<br />
die zuständige<br />
Behörde ohne<br />
Rücksicht auf<br />
Strafverfahren<br />
und Bestrafung<br />
den rechtmässigen<br />
Zustand<br />
herbeiführt.»<br />
stand herbeiführt. Mit welchen Mitteln die zuständige Behörde<br />
den rechtmässigen Zustand herbeiführen kann und<br />
wie sie vorzugehen hat, soll vorliegend nicht behandelt werden.<br />
Hier interessiert, in welchen Fällen diese sogenannte<br />
«<strong>Wiederherstellung</strong> <strong>des</strong> rechtmässigen Zustan<strong>des</strong>» überhaupt<br />
in Frage kommt und welche zeitliche Beschränkungen<br />
dafür bestehen, d.h. innert welcher Frist die zuständige Behörde<br />
handeln muss. Letztlich haben beide Fragen auch<br />
mit dem guten Glauben der Bauherrschaft bzw. deren Vertrauensschutz<br />
zu tun.<br />
II. Bun<strong>des</strong>gerichtliche Formel zur Verhältnismässigkeit<br />
der <strong>Wiederherstellung</strong><br />
gläubig gehandelt hat, gegenüber einem Abbruch- oder <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit<br />
berufen. Er muss in<strong>des</strong>sen in Kauf nehmen, dass<br />
die Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen, nämlich<br />
zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen<br />
Ordnung, dem Interesse an der <strong>Wiederherstellung</strong> <strong>des</strong> gesetzmässigen<br />
Zustan<strong>des</strong> erhöhtes Gewicht beimessen und<br />
die dem Bauherrn erwachsenden Nachteile nicht oder nur<br />
in verringertem Mass berücksichtigen (BGE 123 II 248 E.<br />
4a S. 255;111 Ib 213 E. 6b S. 224).»<br />
III. Fallbeispiele zur Frage der Verhältnismässigkeit<br />
der <strong>Wiederherstellung</strong><br />
«Grundsätzlich<br />
kann sich auch<br />
der Bauherr, der<br />
nicht gutgläubig<br />
gehandelt hat, gegenüber<br />
einem Abbruch-<br />
oder <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
auf den<br />
Grundsatz der<br />
Verhältnismässigkeit<br />
berufen.»<br />
«Ist die Abweichung<br />
vom Gesetz<br />
jedoch gering und<br />
vermögen die<br />
berührten allgemeinen<br />
Interessen<br />
den Schaden, der<br />
dem Eigentümer<br />
durch den Abbruch<br />
entstünde,<br />
nicht zu rechtfertigen,<br />
ist ein<br />
Beseitigungsbefehl<br />
unverhältnismässig.»<br />
Das Bun<strong>des</strong>gericht hielt im Urteil 1P.708/2006 vom 13. April<br />
2007 in Erw. 5.1 folgen<strong>des</strong> fest: «Ist eine Baute materiell gesetzeswidrig,<br />
hat das noch nicht zur Folge, dass sie abgebrochen<br />
werden muss. Auch in einem solchen Falle sind die<br />
allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen<br />
Grundsätze zu berücksichtigen. Zu ihnen gehören namentlich<br />
das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit.<br />
Diese Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns werden in<br />
Art. 5 Abs. 2 BV ausdrücklich festgehalten.»<br />
«Vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit hält ein<br />
Grundrechtseingriff stand, wenn er zur Erreichung <strong>des</strong> angestrebten<br />
Ziels geeignet und erforderlich ist und das verfolgte<br />
Ziel in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten<br />
Mitteln, d.h. zu den zu seiner Verwirklichung<br />
notwendigen Freiheitsbeschränkungen, steht (BGE 128 I 1<br />
E. 3e/cc S. 15, mit Hinweisen). Ist die Abweichung vom Gesetz<br />
jedoch gering und vermögen die berührten allgemeinen<br />
Interessen den Schaden, der dem Eigentümer durch den<br />
Abbruch entstünde, nicht zu rechtfertigen, ist ein Beseitigungsbefehl<br />
unverhältnismässig (Urteil <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts<br />
1A.301/2000 vom 28. Mai 2001, E. 6c S. 30).»<br />
Von besonderer Bedeutung ist sodann das Folgende:<br />
«Grundsätzlich kann sich auch der Bauherr, der nicht gut-<br />
A. Bun<strong>des</strong>gericht<br />
1. Dreissig Zentimeter Überschreitung der Gebäudehöhe sind<br />
zu viel<br />
Im oben zitierten Fall 1P.708/2006 ging es um den Neubau<br />
eines turmartigen Einfamilienhauses mit Flachdach in<br />
St. Gallen. Der gesamte Bau basierte schon auf einer Ausnahmebewilligung,<br />
weil der auf dem Gebiet bestehende<br />
Überbauungsplan eine weitere Bebauung der Parzelle<br />
ausschloss. Aus städtebaulicher Sicht erschien ein Neubau<br />
mit dem vorgesehenen Volumen aber sinnvoll. Zulasten <strong>des</strong><br />
Baugrundstücks wurde als Folge von nachbarlichen Verhandlungen<br />
zudem eine Baubeschränkung vereinbart und<br />
im Grundbuch eingetragen. Darin wurde eine maximale<br />
Höhe festgesetzt. Anlässlich einer Rohbaukontrolle stellte<br />
die Baupolizeibehörde fest, dass die Konstruktion der<br />
Decke über dem zweiten Obergeschoss, respektive das Flachdach<br />
um 36 cm erhöht worden war. Eine Kontrolle <strong>des</strong> Ausführungsplanes<br />
ergab, dass die zulässige Gebäudehöhe<br />
ohne Bewilligung ca. 30 überschritten war. Bei der Rohbaukontrolle<br />
war das Dach mit Dachpappe abgedeckt und<br />
auf diese Weise vor eindringendem Wasser geschützt worden.<br />
Die Baupolizei stellte die Bauarbeiten ein und verlangte<br />
ein Korrekturgesuch. In <strong>des</strong>sen Bearbeitung kam die Bau-
8<br />
THEMA<br />
THEMA<br />
9<br />
«Die Bösgläubigkeit<br />
der Bauherrschaft<br />
war eindeutig<br />
gegeben. Die<br />
öffentlichen Interessen<br />
an der Einhaltung<br />
der Bauvorschriften<br />
wurden<br />
höher gewichtet<br />
als die privaten<br />
der Bauherrschaft.»<br />
behörde zum Schluss, es sei zwar kein Grund für die Erteilung<br />
einer (weiteren) Ausnahmebewilligung gegeben, die<br />
<strong>Wiederherstellung</strong> <strong>des</strong> rechtmässigen Zustan<strong>des</strong> sei aber<br />
unverhältnismässig. Da dieser Entscheid u.a. von den<br />
Nachbarn weitergezogen wurde, blieb der Baustopp bestehen.<br />
Architekt und Bauherrschaft setzten sich über den Baustopp<br />
aber kurzerhand hinweg und führten den Innenausbau<br />
zu Ende.<br />
Das Verwaltungsgericht <strong>des</strong> Kantons St. Gallen und das Bun<strong>des</strong>gericht,<br />
an welches der Fall letztlich gezogen wurde, sahen<br />
die Frage der Verhältnismässigkeit anders. In Anwendung<br />
der oben zitierten Rechtsprechung kamen sie zum<br />
Schluss, dass die Bösgläubigkeit der Bauherrschaft eindeutig<br />
gegeben war. Die öffentlichen Interessen an der Einhaltung<br />
der Bauvorschriften wurden höher gewichtet als die privaten<br />
der Bauherrschaft. Dazu führten auch präjudizielle Überlegungen.<br />
«Die Einhaltung der Rechtsordnung wäre nicht<br />
mehr gewährleistet, wenn Abweichungen – selbst wenn sie<br />
die nachbarlichen Interessen nicht untragbar beeinträchtigten<br />
– toleriert würden. Es gehe zudem nicht an, wissentlich<br />
Bauvorschriften zu missachten und sich anschliessend<br />
der <strong>Wiederherstellung</strong> unter Berufung auf die Kosten zu<br />
widersetzen. Diese Kosten seien im vorliegenden Fall aufgrund<br />
<strong>des</strong> fehlenden guten Glaubens nur in geringfügigem<br />
Mass zu berücksichtigen.» (Urteil 1P.708/2006, Erw. 5.4 am<br />
Ende).<br />
So musste die Bauherrschaft ihr Gebäude um gut 30 cm herabsetzen<br />
und Kosten von geschätzten Fr. 200’000.– in Kauf<br />
nehmen (ca. 10% der Bausumme).<br />
2. Weitere Beispiele aus der bun<strong>des</strong>gerichtlichen Praxis<br />
Nachfolgend werden weitere Beispiele aus der bun<strong>des</strong>gerichtlichen<br />
Praxis seit dem Jahr 2000 kurz zusammengefasst<br />
aufgelistet. Sie zeigen, dass die Rechtsprechung konsequent<br />
dort <strong>Wiederherstellung</strong> verlangt, wo bösgläubig gegen die<br />
Bauvorschriften verstossen wurde. Eine eigentliche Abwägung<br />
der öffentlichen gegenüber der privaten Interessen (Ver-<br />
hältnismässigkeit) findet dann gar nicht mehr statt. Die allermeisten<br />
Fälle spielten sich ausserhalb der Bauzone ab.<br />
Urteil 1A.40/2005 vom 7. 9. 2005 – Ausserhalb der Bauzone<br />
auf dem Zugerberg in der Nähe einer geschützten Moorlandschaft<br />
wurde ein Weidunterstand 22 Jahre lang ohne<br />
Baubewilligung toleriert. Der Stall wurde von «Lothar» 1999<br />
zerstört. Die Bauherrschaft erstellte 2001, wiederum ohne<br />
Baubewilligung, einen Ersatzbau. Die Baute verstiess gegen<br />
das Bun<strong>des</strong>gesetz über den Natur- und Heimatschutz<br />
(SR 451, NHG) und den Schutzplan «Moorlandschaft Zugerberg».<br />
Der Vertrauensschutz hätte einzig für den früheren<br />
Weidstall gegolten, für den neuen nicht. Die Bauherrschaft<br />
hatte offensichtlich bösgläubig gehandelt. Der den<br />
Abbruch bestätigende Entscheid <strong>des</strong> Verwaltungsgerichtes<br />
<strong>des</strong> Kantons Zug wurde vom Bun<strong>des</strong>gericht geschützt.<br />
Urteil 1P.74/2003 vom 14. 7. 2003 – Bau eines Erschliessungssträssschens<br />
ohne Baubewilligung: Gestritten wurde<br />
letztlich um eine entlang <strong>des</strong> Strässchens erstellte Stützmauer,<br />
die zu hoch war und auch nicht bewilligt werden<br />
konnte. Die Absenkung der Mauer um 40 cm wäre zwar<br />
zwecktauglich (Stützmauer wird auf ein Minimum reduziert)<br />
gewesen. Das Resultat wäre aber technisch und optisch<br />
schlechter gewesen, als die bestehende Mauer. Die öffentlichen<br />
und nachbarlichen Interessen an der Absenkung<br />
waren <strong>des</strong>halb gering. Die Absenkung der Mauer wäre<br />
eine unverhältnismässige Massnahme. Die Bauherrschaft<br />
wurde insgesamt als gutgläubig angesehen, da sie von<br />
Anfang an mit der Baubehörde zusammengearbeitet hatte,<br />
welche auch keine Bewilligung verlangte. Die Stützmauer<br />
konnte <strong>des</strong>halb bestehen bleiben, wie sie war. (Das Bun<strong>des</strong>gericht<br />
bestätigt Entscheid <strong>des</strong> Verwaltungsgerichts<br />
Bern.)<br />
Urteil 1A.23/2003 vom 31. 7. 2003 – Auf einem Grundstück<br />
in der Landwirtschaftszone wurde ein Umbau und Ausbau<br />
gestützt auf Art. 24d Abs. 1 und 2 <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzes über<br />
die Raumplanung (SR 700, RPG) und Art 42a Abs. 1 und 2<br />
der Raumplanungsverordnung (SR 700.1, RPV) sowie die Um-<br />
«Die Beispiele<br />
zeigen, dass die<br />
Rechtsprechung<br />
konsequent dort<br />
<strong>Wiederherstellung</strong><br />
verlangt, wo<br />
bösgläubig gegen<br />
die Bauvorschriften<br />
verstossen<br />
wurde.»<br />
«Die Bauherrschaft<br />
wurde<br />
insgesamt als<br />
gutgläubig angesehen,<br />
da sie<br />
von Anfang an<br />
mit der Baubehörde<br />
zusammengearbeitet<br />
hatte,<br />
welche auch<br />
keine Bewilligung<br />
verlangte.»
10<br />
THEMA<br />
THEMA<br />
11<br />
«Die Bauherrschaft<br />
musste sich<br />
das Wissen der<br />
Architektin, dass<br />
eine Baubewilligung<br />
notwendig<br />
gewesen wäre, anrechnen<br />
lassen.»<br />
nutzung von Scheune, Schweinestall und Remise gestützt<br />
auf Art. 24a RPG bewilligt. Die Bauherrschaft nahm aber<br />
ohne Baubewilligung folgende Arbeiten vor: Erweiterung<br />
<strong>des</strong> Untergeschoss um einen Hobbyraum, Neueinteilung<br />
der Fenster und Neubau <strong>des</strong> Tors, Verschiebung der Ostwand<br />
der übrigen Geschosse nach Osten, was zu einer<br />
Nutzungserweiterung führte. Aufgrund der schlechten<br />
Bausubstanz wurde das ganze Unter-, Erd- und Obergeschoss<br />
zudem schrittweise abgebrochen und neu aufgemauert.<br />
So wurde das ganze Gebäude ohne Baubewilligung Stück<br />
für Stück ersetzt bzw. wiederaufgebaut. Die Bauherrschaft<br />
musste sich das Wissen der Architektin, dass eine Baubewilligung<br />
notwendig gewesen wäre, anrechnen lassen. Der<br />
Entscheid <strong>des</strong> Verwaltungsgerichts <strong>des</strong> Kantons St. Gallen,<br />
wonach das gesamte Gebäude abzureissen war, wurde vom<br />
Bun<strong>des</strong>gericht bestätigt. Immerhin gehe es um die Durchsetzung<br />
eines der wichtigsten Grundsätze <strong>des</strong> Raumplanungsrechtes,<br />
um die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet.<br />
Urteil 1A.41/2003 vom 19. September 2003 – Die mit einem<br />
alten Wohnhaus überbaute Liegenschaft lag nach dem<br />
kommunalen Zonenplan in der Zone mit unbestimmter<br />
Nutzung bzw. mit späterer Nutzungszulassung gemäss<br />
Art. 18 Abs. 2 RPG und Art. 11 Abs. 2 <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzes über die Raumplanung <strong>des</strong><br />
Kantons Wallis vom 23. Januar 1987 (kRPG). 1998 wurde das<br />
mit Natursteinplatten gedeckte Dach saniert: nach einer<br />
Hochdruckreinigung wurden die Hohlräume mit Silikonfüllstoff<br />
gefüllt und das Dach mit einer 1 mm dicken Schicht<br />
Reinacrylat überzogen. Diese Arbeiten wurden ohne Bewilligung<br />
ausgeführt und kosteten rund 18’000 Franken.<br />
Das fragliche Gebäude stand exponiert und war auch<br />
sonst die dominante Baute <strong>des</strong> Alpenweilers. Der Überzug<br />
mit einer glatten Dachhaut, verlieh ihr ein wesentlich anderes<br />
Dachbild. Dagegen waren die Kosten der Bauherrschaft<br />
für die <strong>Wiederherstellung</strong> nicht genügend substantiiert.<br />
Der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehls wurde durch alle Instanzen<br />
bestätigt.<br />
Urteil 1A.119/2002 vom 26. September 2002 – Es ging ebenfalls<br />
um ein Gebäude in der Landwirtschaftszone, an welchem<br />
verschiedene nicht bewilligte Massnahmen vorgenommen<br />
worden waren, u.a. die Erstellung eines Kellers<br />
von 175 m 2 . Der Kellereinbau erfolgte wider besseres Wissen<br />
und die fragliche Baute widersprach den materiellen<br />
Bauvorschriften in krasser Weise (zusätzliche Nutzungsfläche<br />
von 175 m 2 ). Der Bauherr hat mit dem umstrittenen<br />
Keller eines der wichtigsten Prinzipien <strong>des</strong> Raumplanungsrechts<br />
verletzt, nämlich die Trennung von Baugebiet<br />
und Nichtbaugebiet. Der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl wurde<br />
von allen Instanzen als verhältnismässig angesehen.<br />
Urteil 1A.169/2002 vom 29. November 2002 – Die Bauherrschaft<br />
erstellte zonen- und damit rechtswidrig ein Düngerlager<br />
in der Landwirtschaftszone. Die Bauherrschaft berief<br />
sich nicht auf den guten Glauben, die Abweichungen von<br />
den massgeblichen Vorschriften war massiv. Der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
wurde von allen Instanzen als verhältnismässig<br />
angesehen.<br />
Urteil 1A.110/2001 vom 4. 12. 2001 – Auf einem Grundstück<br />
in der Landwirtschaftszone wurde der Schweinestall abgebrochen<br />
und ein Gebäude für die Unterbringung von<br />
Maschinen neu erstellt – alles ohne die Erteilung der Baubewilligung<br />
abzuwarten. Das Gesuch war eingereicht und<br />
sistiert worden, damit allenfalls andere Lösungen gesucht<br />
werden könnten. Die Bauherrschaft konnte demnach nicht<br />
als gutgläubig bezeichnet werden. Das Bun<strong>des</strong>gericht bestätigte<br />
das Urteil <strong>des</strong> Verwaltungsgerichtes <strong>des</strong> Kantons<br />
Aargau und erklärte den Abbruchsbefehl für das Gebäude,<br />
das den Bauvorschriften nicht nur geringfügig widersprach,<br />
als verhältnismässig.<br />
Urteil 1A.79/2000 vom 10. Juli 2000 – Der Eigentümer<br />
eines ausserhalb der Bauzone liegenden und mit einem<br />
ca. 100jährigen Haus bebauten Grundstückes wollte letzteres<br />
umbauen und weiter verändern. Er wich von den bewilligten<br />
Plänen ab und erstellt u.a. einen bis ins zweite<br />
Obergeschoss reichenden Balkonanbau. Der darüber lie-<br />
«Der Bauherr hat<br />
mit dem umstrittenen<br />
Keller eines<br />
der wichtigsten<br />
Prinzipien <strong>des</strong><br />
Raumplanungsrechts<br />
verletzt,<br />
nämlich die Trennung<br />
von Baugebiet<br />
und Nichtbaugebiet.<br />
Der<br />
<strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
wurde<br />
von allen Instanzen<br />
als verhältnismässig<br />
angesehen.»<br />
«Die Bauherrschaft<br />
war bösgläubig,<br />
sie musste<br />
zumin<strong>des</strong>t aus<br />
dem vorhergehenden<br />
Baubewilligungsverfahren<br />
wissen, dass die<br />
Änderungen <strong>des</strong><br />
Projekts bewilligungspflichtig<br />
waren.»
12<br />
THEMA<br />
THEMA<br />
13<br />
«Die Baute lag in<br />
der Moorlandschaft<br />
Rothenturm<br />
und widersprach<br />
den Bestimmungen<br />
von Art. 24sexies<br />
Abs. 5 RPG<br />
eindeutig. Der<br />
<strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
war<br />
verhältnismässig.»<br />
gende Kreuzgiebel wurde zu einem Balkondach erweitert.<br />
Die Bauherrschaft war bösgläubig, sie musste zumin<strong>des</strong>t aus<br />
dem vorhergehenden Baubewilligungsverfahren wissen, dass<br />
die Änderungen <strong>des</strong> Projekts bewilligungspflichtig waren.<br />
Der Balkonanbau war eindeutig ein stilfrem<strong>des</strong> Element.<br />
Die <strong>Wiederherstellung</strong> wurde von allen Instanzen als verhältnismässig<br />
angesehen.<br />
Urteil 1a.186/1999 vom 4. Mai 2000 – Für ein Stöckli in der<br />
Landwirtschaftszone wurde eine Anbaute mit Querfirst bewilligt,<br />
die Bauherrschaft führte aber einen Parallelfirst aus.<br />
Gebäudetiefe und Firsthöhe überschritten zudem das bewilligte<br />
Mass. Der Anbau war in erheblichem Masse baurechtswidrig,<br />
der Bauherr konnte sich nicht auf Gutgläubigkeit<br />
berufen, folglich wurde der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
von allen Instanzen bestätigt.<br />
BGE 123 II 248 vom 15. April 1997 – Statt <strong>des</strong> bewilligten Abbruchs<br />
und Wiederaufbaus als Gadenhaus, wurde das Gebäude<br />
in der Landwirtschaftszone zu Wohnzwecken ausgebaut.<br />
Die Baute lag in der Moorlandschaft Rothenturm<br />
und widersprach den Bestimmungen von Art. 24sexies<br />
Abs. 5 RPG eindeutig. Der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl war<br />
verhältnismässig.<br />
B. Verwaltungsgericht <strong>des</strong> Kantons Zürich<br />
Nachfolgend werden einige Beispiele aus der Praxis <strong>des</strong> Zürcher<br />
Verwaltungsgerichtes zusammengefasst. Diese betreffen<br />
Fälle innerhalb der Bauzone. Auch hier spielt die Gut- oder<br />
Bösgläubigkeit eine ausschlaggebende Rolle. Das Verwaltungsgericht<br />
formuliert das so: «Gemäss § 341 PBG hat die<br />
zuständige Behörde den rechtmässigen Zustand ohne<br />
Rücksicht auf Strafverfahren und Bestrafung wiederherzustellen.<br />
§ 341 PBG verlangt seinem Wortlaut entsprechend<br />
ohne Vorbehalt, also in allen Fällen, die Anordnung der <strong>Wiederherstellung</strong><br />
<strong>des</strong> rechtmässigen Zustands. Ein Ermessen,<br />
ob die zuständige Behörde tätig werden oder ob sie die<br />
Sache auf sich beruhen lassen soll, besteht damit grundsätzlich<br />
nicht. Allerdings hat die Behörde beim Vollzug den<br />
Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten, und zwar<br />
auch dann, wenn der Bauherr die widerrechtliche Baute oder<br />
Anlage bösgläubig erstellt hat. Dieser muss aber in Kauf<br />
nehmen, dass die Behörde aus grundsätzlichen Erwägungen,<br />
nämlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen<br />
Ordnung, dem Interesse an der <strong>Wiederherstellung</strong><br />
<strong>des</strong> gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht beimessen<br />
und die dem Bauherrn erwachsenden Nachteile nicht<br />
oder nur in verringertem Mass berücksichtigen.»<br />
VB.2007.00134 vom 25. April 2007 – Die Bauherrschaft liess<br />
ihr Wohnhaus nach Fassadenisolation kräftig blau streichen.<br />
Die Fassadenisolation wurde nachträglich bewilligt,<br />
der Farbanstrich nicht. Schon die BRK hob die Verweigerung<br />
und den damit zusammenhängenden <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
auf. Das Verwaltungsgericht hielt die Verweigerung<br />
<strong>des</strong> Farbanstriches für vertretbar. Zum <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
hielt das Gericht fest: In der Wohnzone<br />
sind Fassadenbemalungen grundsätzlich nicht bewilligungspflichtig.<br />
Zudem bestehen keine öffentlich zugänglichen<br />
Richtlinien, an welchen sich die Bauherrschaft<br />
hätte orientieren können. Zudem bestehen im Quartier<br />
einige ähnlich bunte Gebäude, wie dasjenige der Bauherrschaft.<br />
Es kann <strong>des</strong>halb davon ausgegangen werden, dass<br />
die Bauherrschaft gutgläubig davon ausging, die von ihm<br />
gewählte Farbgebung genüge den Einordnungsanforderungen.<br />
Der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl erwies sich unter<br />
diesen Umständen als nicht verhältnismässig.<br />
VB.2006.00103 vom 30. August 2003 – Verweigerung der<br />
nachträglichen Baubewilligung für ein Holzterrassengeländer<br />
mit <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl. § 341 PBG war nach<br />
dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit auszulegen. Die<br />
Bauherrschaft war bösgläubig und der mit der Beseitigung<br />
<strong>des</strong> bestehenden und der Erstellung eines feingliedrigen Geländers<br />
entstehende Aufwand würde für die Bauherrschaft<br />
gering sein. Der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl wurde als verhältnismässig<br />
angesehen.<br />
«Die Beispiele aus<br />
der Praxis <strong>des</strong> Zürcher<br />
Verwaltungsgerichtes<br />
zeigen<br />
auf, dass auch in<br />
diesen Fällen die<br />
Gut- oder Bösgläubigkeit<br />
eine ausschlaggebende<br />
Rolle spielt.»<br />
«Es bestehen keine<br />
öffentlich zugänglichen<br />
Richtlinien,<br />
an welchen sich<br />
die Bauherrschaft<br />
hätte orientieren<br />
können.»<br />
«Es kann <strong>des</strong>halb<br />
davon ausgegangen<br />
werden, dass<br />
die Bauherrschaft<br />
gutgläubig davon<br />
ausging, die<br />
von ihm gewählte<br />
Farbgebung genüge<br />
den Einordnungsanforderungen.»
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THEMA<br />
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«Bei der Missachtung<br />
der Kernzonenvorschriften<br />
und der Einordnungsvorschrift<br />
von § 238 Abs. 2<br />
PBG in einem<br />
Ortsbild von regionaler<br />
Bedeutung<br />
handelt es<br />
sich um die Verletzung<br />
wesentlicher<br />
materieller Bauvorschriften.»<br />
«Entscheidend<br />
war <strong>des</strong>halb, dass<br />
derBauherrschaft,<br />
die sich ihrem<br />
Firmennamen gemäss<br />
hauptsächlich<br />
mit Architektur<br />
und Bau beschäftigt,<br />
bewusst<br />
sein musste, dass<br />
sie nicht ohne Bewilligung<br />
von den<br />
genehmigten Plänen<br />
abweichen<br />
durfte und dass<br />
die missgestaltete<br />
Dachfläche zu<br />
gestalterischen<br />
Bedenken führen<br />
könnte.»<br />
VB.2006.00183 vom 30. August 2003 – Ein prägen<strong>des</strong> oder<br />
strukturbilden<strong>des</strong> Gebäude in der Kernzone wurde ohne entsprechende<br />
Baubewilligung umgebaut. Der Bauherrschaft<br />
musste bewusst sein, dass sie den bewilligten Anbau nicht<br />
eigenmächtig abändern konnte. Bei der Missachtung der<br />
Kernzonenvorschriften und der Einordnungsvorschrift<br />
von § 238 Abs. 2 PBG in einem Ortsbild von regionaler Bedeutung<br />
handelt es sich zudem um die Verletzung wesentlicher<br />
materieller Bauvorschriften. Zudem sind die geschätzten<br />
Kosten der <strong>Wiederherstellung</strong> nicht hoch: Der Beseitigungsbefehl<br />
ist verhältnismässig.<br />
VB.2005.000236 vom 21. September 2005 – Lichtkuppeln auf<br />
dem Dach eines Mehrfamilienhauses wurden ohne Abwarten<br />
der notwendigen Bewilligung erstellt. Umstritten war<br />
letztlich nur noch die Höhe der beiden Lichtkuppeln, wobei<br />
die Differenz zwischen dem bewilligungsfähigen Zustand<br />
und dem tatsächlich bestehenden Zustand lediglich<br />
ca. 15 cm betrug. Hier war die Abweichung vom gesetzmässigen<br />
Zustand gering und war ähnlich zu gewichten, wie der<br />
Schaden von mehreren tausend Franken, welcher der<br />
Bauherrschaft entstanden wäre, der aber im Verhältnis zu<br />
den gesamten Baukosten als bescheiden erschien. Entscheidend<br />
war <strong>des</strong>halb, dass der Bauherrschaft, die sich ihrem<br />
Firmennamen gemäss hauptsächlich mit Architektur und<br />
Bau beschäftigt, bewusst sein musste, dass sie nicht ohne<br />
Bewilligung von den genehmigten Plänen abweichen<br />
durfte und dass die missgestaltete Dachfläche zu gestalterischen<br />
Bedenken führen könnte. Dieser fehlende gute<br />
Glaube liess es nicht als unverhältnismässig erscheinen, dass<br />
die Gemeinde zum Schutz der Rechtsgleichheit und der<br />
baurechtlichen Ordnung auf der Herstellung <strong>des</strong> gesetzmässigen<br />
Zustan<strong>des</strong> beharrte.<br />
VB.2005.00484 vom 25. Januar 2006 – Überschreitung der<br />
zulässigen Kniestockhöhe: Die Abweichung vom gesetzesmässigen<br />
Zustand war schwer wiegend, weil die Baute ein<br />
unzulässiges Vollgeschoss aufwies. Die Abweichung vom<br />
Kniestockmass war erheblich, insbesondere auch dann,<br />
wenn man die Auswirkungen auf die Firsthöhe berücksich-<br />
tigt; mit einem gesetzesmässigen Kniestock von maximal<br />
90 cm und der Dachneigung von 45 Grad wäre der First nämlich<br />
rund 85 cm weniger hoch gewesen. Die von der Baurekurskommission<br />
vorgeschlagenen Massnahmen zur <strong>Wiederherstellung</strong><br />
<strong>des</strong> rechtmässigen Zustands waren nicht<br />
«milder» und völlig ungeeignet. Weder die Aufdoppelung<br />
<strong>des</strong> Bodens noch <strong>des</strong> Dachs hätten am Kniestockmass etwas<br />
geändert und nicht zur Folge gehabt, dass das zulässige<br />
oberste Vollgeschoss begriffsmässig wieder hätte als<br />
Dachgeschoss definiert werden können. Die von der Baubehörde<br />
verlangte Änderung <strong>des</strong> Dachs (mit der maximal<br />
zulässigen Kniestockhöhe von 90 cm) war nicht nur die geeignete<br />
Massnahme, sie war auch aus Gründen der Rechtsgleichheit<br />
und der baurechtlichen Ordnung erforderlich. Der<br />
Bauherr hatte sich seit Jahren professionell mit Bauen beschäftigt.<br />
Er wich bewusst von den bewilligten Bauplänen<br />
ab. Der <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl war <strong>des</strong>halb verhältnismässig.<br />
Weitere Beispiele:<br />
VB.2005.00008 vom 21. April 2005 – Dachlukarnen, <strong>Wiederherstellung</strong><br />
verhältnismässig.<br />
VB.2004.00151 vom 14. Juli 2005 – Unterschreitung Näherbaurecht<br />
mit einem überdeckten Gartensitzplatz, <strong>Wiederherstellung</strong><br />
verhältnismässig.<br />
VB.2003.00321 vom 10. März 2004 – teilweise Überdeckung<br />
und Gestaltung eines Garagenvorplatzes, Beseitigungsanordnung<br />
für Überdachung und Einwandung einer bestehenden<br />
Pergola, langes Untätigsein der Behörde kann einen<br />
Vertrauenstatbestand begründen, aber nur bei einer gutgläubigen<br />
Bauherrschaft.<br />
VB.2003.00057 vom 27.August 2003 – Durchsetzung feuerpolizeilicher<br />
Anordnungen: Der Schutz von Leib und Leben<br />
durch die Verbesserung <strong>des</strong> Brandschutzes überwog die<br />
privaten (namentlich finanziellen und betrieblichen) Inte-
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«Eine andere<br />
Frage ist, wie lange<br />
ein <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
durchgesetzt werden<br />
kann.»<br />
«Der Anspruch<br />
der Baubehörde,<br />
gegen widerrechtliche<br />
Bauten einzuschreiten,<br />
ist bei<br />
Fehlen einer gesetzlichen<br />
Regelung<br />
grundsätzlich<br />
auf 30 Jahre<br />
befristet.»<br />
«Das Bun<strong>des</strong>gericht<br />
hielt fest,<br />
dass auf alle Fälle<br />
ein Untätigsein<br />
von drei Jahren<br />
noch keinen Vertrauenstatbestand<br />
schaffen könne,<br />
welcher den Fortbestand<br />
der baurechtswidrigen<br />
Bauten garantiere.»<br />
ressen der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung <strong>des</strong><br />
rechtswidrigen Zustands.<br />
IV. Vollstreckungsverwirkung oder –verjährung<br />
Eine andere Frage ist, wie lange ein <strong>Wiederherstellung</strong>sbefehl<br />
durchgesetzt werden kann. Der Anspruch der zuständigen<br />
Behörde auf <strong>Wiederherstellung</strong> kann untergehen,<br />
im Extremfall durch Verwirkung; zudem gibt es<br />
Fälle, in welchen die Vollstreckung verjährt.<br />
Im Entscheid BGE 107 Ia 121 erkannte das Bun<strong>des</strong>gericht,<br />
solange die zuständigen Behörden angesichts eines baurechtswidrigen<br />
Zustan<strong>des</strong> bloss untätig geblieben waren,<br />
erscheint bei der Deutung der Untätigkeit als behördliche<br />
Duldung grosse <strong>Zur</strong>ückhaltung geboten. Allerdings hielt es<br />
auch fest, dass der Anspruch der Baubehörde, gegen widerrechtliche<br />
Bauten einzuschreiten, bei Fehlen einer gesetzlichen<br />
Regelung grundsätzlich auf 30 Jahre befristet<br />
sei. Eine längere Zeitspanne gelte dann, wenn der Fortbestand<br />
eines baurechtswidrigen Gebäu<strong>des</strong> ernsthafte und unmittelbare<br />
Gefahren für Leib und Leben der Bewohner oder<br />
Dritter schaffen würde. Eine kürzere Dauer könne sich aufgrund<br />
einer gesetzlichen Regelung oder aus Gründen <strong>des</strong><br />
Vertrauensschutzes ergeben.<br />
Im Urteil 1P.198/2003 vom 19. August 2003 hielt das Bun<strong>des</strong>gericht<br />
fest, dass auf alle Fälle ein Untätigsein von drei<br />
Jahren noch keinen Vertrauenstatbestand schaffen könne,<br />
welcher den Fortbestand der baurechtswidrigen Bauten<br />
garantiere.<br />
In VB.2006.00016 vom 16. August 2006 befasste sich das Verwaltungsgericht<br />
<strong>des</strong> Kantons Zürich sodann mit der Frage<br />
der Vollstreckungsverjährung. Es hielt fest: «Nach gefestigter<br />
Rechsprechung hat die langjährige Duldung eines rechtswidrigen<br />
Bauwerks zur Folge, dass die Behörde nicht<br />
mehr einschreiten darf. Gleiches muss gelten, wenn ein<br />
baupolizeilicher Beseitigungsbefehl ergeht und dieser in<br />
der Folge nicht durchgesetzt wird. Auch unter diesen Umständen<br />
darf der Bürger mit fortschreitender Zeit davon<br />
ausgehen, dass die Behörde stillschweigend von der Vollstreckung<br />
absieht.» «Es erscheint sachgerecht, die Vollstreckungsverjährung<br />
mit Eintritt der Rechtskraft der Sachverfügung<br />
laufen zu lassen. Es sprechen gute Gründe<br />
da-für, die Verjährungsfrist in analoger Anwendung von Art.<br />
137 Abs. 2 OR für gerichtlich anerkannte Forderungen auf<br />
10 Jahre zu bemessen.»<br />
Anzumerken bleibt gemäss Verwaltungsgericht, dass der gute<br />
oder böse Glaube <strong>des</strong> betroffenen Grundeigentümers ebenso<br />
unerheblich ist wie Aspekte der Verhälntismässigkeit.<br />
Denn die Vollstreckungsverjährung dränge sich aufgrund<br />
der Rechtssicherheit wie auch nach Treu und Glauben auf.<br />
Nicht nur der eine amtliche Beseitigungsaufforderung<br />
missachtende Verfügungsadressat verletze Treu und Glauben,<br />
sondern auch das den Vollzug nicht gehörig überwachende<br />
oder gänzlich untätig bleibende Gemeinwesen.<br />
«Es erscheint<br />
sachgerecht, die<br />
Vollstreckungsverjährung<br />
mit Eintritt<br />
der Rechtskraft<br />
der Sachverfügung<br />
laufen<br />
zu lassen.»<br />
Carmen<br />
<strong>Walker</strong> Späh,<br />
Rechtsanwältin<br />
Zürich