Jubiläumsausgabe - Residentenkurier » Achtung Gefahr
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S e i t e 4<br />
I n t e r v i e w<br />
Fragen zur Pflegeversicherung<br />
Dr. Fuchs, Sozialreferent der Deutschen Botschaft gibt Auskunft<br />
Dr. Rainer Fuchs<br />
Sozialreferent der Deutschen<br />
Botschaft<br />
Deutsche Botschaft Madrid<br />
Telefon: +34 91 557 90 00<br />
Telefax: +34 91 319 75 08<br />
www.madrid.diplo.de<br />
Hilfe für Deutsche,<br />
Rentenangelegenheiten<br />
Tel.: 91 557 90 67<br />
Ich möchte an dieser Stelle Herrn Dr Fuchs ganz herzlich danken, der sich die Mühe gemacht hat,<br />
für den <strong>Residentenkurier</strong> die wichtigsten Antworten auf häufig gestellte Fragen deutscher Residenten<br />
als Serie auszurabeiten, die nun auch allen anderen deutschen Medien in Spanien zur Verfügung<br />
gestellt wurde, damit möglichst viele Residenten davon profitieren können. Besten Dank für diese<br />
gute Kooperation.<br />
Das neue spanische Recht: Zum 1. Januar<br />
2007 ist das neue Pflegegesetz in Kraft<br />
getreten, das sich in weiten Teilen am<br />
deutschen Modell orientiert, aber<br />
steuerfinanziert wird. Es soll in Stufen bis<br />
2015, beginnend mit ambulanten<br />
Leistungen für schwerst Pflegebedürftige<br />
im Jahr 2007 (Teleassistenz, Haushaltsunterstützung,<br />
Tageszentren), aufgebaut<br />
werden. Daneben sieht das Gesetz<br />
Geldleistungen für Betreuung und<br />
Heimplätze vor. Zum 1. Januar 2009<br />
wurden auch die schweren Pflegefälle in<br />
die Pflegeversicherung eingegliedert.<br />
Mittlerweile erhalten 366.000 Pflegebedürftige<br />
Hilfen, bis 2015 sollen diese<br />
Hilfen auf alle rd. 1,5 Mio. Pflegebedürftigen<br />
ausgedehnt werden. Die<br />
Geldleistungen bei der schwersten<br />
Pflegebedürftigkeit liegen zwischen 390<br />
und 780 Euro. Bisher bekommen allerdings<br />
rd. 40 % der etwa 600.000 Berechtigten auf<br />
Pflege noch keinerlei Leistung. Geld- und<br />
Sachleistungen werden nicht getrennt,<br />
sondern einheitlich nach Bedarf gewährt.<br />
Dabei können die Regionen die finanzielle<br />
Lage des Pflegebedürftigen berücksichtigen<br />
und Einkommen anrechnen.<br />
Das Gesetz war dringend nötig, um dem<br />
dramatischen gesellschaftlichen Wandel<br />
gerecht zu werden. Töchter und<br />
Schwiegertöchter werden künftig kaum<br />
mehr als Pflegepersonen zur Verfügung<br />
stehen. Soziale Betreuungsdienste gab es<br />
bisher nur für Begüterte oder für die<br />
Ärmsten. Die Regierung bezeichnet das<br />
Reformvorhaben als das wichtigste Projekt<br />
dieser Dekade. Das Gesetz ist ein<br />
Rahmengesetz, dessen Inhalte von den<br />
autonomen Regionen weitgehend bestimmt<br />
und ausgefüllt werden müssen. Die<br />
Modalitäten werden in einem besonderen<br />
Rat der Zentralregierung mit den<br />
autonomen Regionen besprochen. Bei den<br />
Geldleistungen kann die Regierung nur<br />
Empfehlungen geben. Zur Vorbereitung auf<br />
die Umsetzung des Gesetzes haben die<br />
Regionen bereits einen großen Teil der von<br />
der Regierung zugesagten Hilfen erhalten.<br />
Im Haushalt 2009 wurden 1,6 Mrd. Euro<br />
eingestellt, seit 2007 wurden 2,83 Mrd.<br />
aufgebracht. Insgesamt wird die Regierung<br />
rund 13 Mrd. Euro für den Aufbau der<br />
Pflegeversicherung bereitstellen; den<br />
gleichen Betrag müssen auch die<br />
Autonomen Regionen aufbringen. Erst bis<br />
2015 ist nach den Planungen der Regierung<br />
der volle Ausbau der vorgesehenen<br />
Infrastruktur zu erwarten. Die Regierung<br />
erwartet rd. 400.000 neue Arbeitsplätze im<br />
Pflegebereich. Mit 80.000 neuen Arbeitsplätzen<br />
bisher ist dies der einzige Bereich,<br />
in dem in der Wirtschaftskrise noch<br />
zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.<br />
Bisher wird das Risiko der Pflegebedürftigkeit<br />
überwiegend vom staatlichen<br />
Gesundheitsdienst abgedeckt. Soziale<br />
Dienste haben keine Tradition in einem<br />
Land, in dem die Familie noch einen hohen<br />
Stellenwert genießt und Pflege zu den<br />
typischen Aufgaben der Familie, insbesondere<br />
der Töchter, gehört. Soziale Betreuungsdienste<br />
großer gemeinnütziger Verbände,<br />
wie wir sie in Deutschland kennen,<br />
sind wenig ausgeprägt. Die erforderlichen<br />
Strukturen müssen erst noch aufgebaut<br />
werden.<br />
Die Umsetzung des Gesetzes gestaltet sich<br />
als schwierig. Nicht vorliegende Statistiken<br />
der autonomen Regionen verhindern einen<br />
globalen Überblick zur Beurteilung der<br />
bisher erreichten Situation. Zwar ist die<br />
Zahl der bewilligten Anträge (628.614)<br />
bekannt, doch vollständige Informationen<br />
über Art und Höhe der benötigten<br />
Leistungen fehlen. Durch die dezentrale<br />
Verwaltung gibt es in den 17 autonomen<br />
Regionen erhebliche Unterschiede bei der<br />
Umsetzung und bei den erbrachten<br />
Leistungen.