SZ - Dresdens letzter Schwimmtrainer
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http://www.sz-online.de/nachrichten/dresdens-<strong>letzter</strong>-schwimmtrainer...<br />
26.08.2013 Von Daniel Klein<br />
Die Schultern sind vielleicht ein wenig zu schmal, sonst aber passt<br />
alles. Marcel Mendritzki hat eine Figur, der man zutraut, jeden<br />
Augenblick ins Becken springen und Bestzeiten schwimmen zu<br />
können. Unter Trainern ist das eher ungewöhnlich. Was wiederum zu<br />
Marcel Mendritzki passt, der schon einmal ungewöhnliche Wege geht,<br />
um ans Ziel zu kommen.<br />
Der Neue in der Schwimmhalle am Freiberger Platz: Marcel Mendritzki<br />
ist seit einem Monat Landesstützpunkttrainer.<br />
und zwei.<br />
©Wolfgang Wittchen<br />
Seit knapp einem Monat ist der 28-Jährige Stützpunkttrainer am<br />
Landesstützpunkt Schwimmen in Dresden, so die offizielle<br />
Bezeichnung. Und damit verantwortlich für die Ausbildung von<br />
Talenten zwischen der 5. und 10. Klasse. Aufgewachsen ist er zwar in<br />
Senftenberg, doch sein Weg nach Dresden führte über Norwegen.<br />
Und beinahe über Kirgisistan. Dort wollte er als Zivi mit<br />
drogenabhängigen Kindern arbeiten, doch kurz vor seiner Abreise<br />
stoppte das Auswärtige Amt sein Vorhaben. In Kirgisistan herrschte<br />
Bürgerkrieg. Mendritzki ging nach Oslo, lernte dort eine Dänin<br />
kennen und später lieben. Aus der Zivi-Zeit wurden neun Jahre.<br />
Maria ist inzwischen seine Frau, die Töchter Ida und Anna sind fünf<br />
„Wir möchten, dass unsere Kinder auch die deutsche Sprache und Kultur kennenlernen. Außerdem wollte ich näher bei meinen<br />
Eltern sein“, erzählt er. Also suchte er nach Stellenangeboten in der Region und wurde auf der Internetseite des Sächsischen<br />
Schwimmverbandes fündig. Einen Tag später war die Bewerbung unterwegs.<br />
Vorzuweisen hat er einiges. Bis 15 war er selbst Schwimmer, danach noch drei Jahre Triathlet am Olympiastützpunkt in Potsdam.<br />
In Oslo studierte er Sport – hat den Bachelor im Schwimmen und den Master in Sportpsychologie. „Die Abschlüsse sind<br />
international, deshalb gibt es bei der Anerkennung keine Probleme“, erklärt er. Problematischer war da schon die Sprache.<br />
Vorlesungen, Seminare, die Arbeiten –alles auf Norwegisch. „Ich habe mir das autodidaktisch beigebracht und mit einem<br />
Kinderbuch angefangen. Als ich das übersetzt hatte, ging es mit Dan Browns ,Da Vinci Code‘ weiter“, erzählt er. „Links der<br />
Roman, rechts das Wörterbuch. Das erfordert eiserne Disziplin, aber die habe ich.“ Geholfen hätten aber auch die Knirpse aus<br />
dem jüdischen Kindergarten, wo er Zivi war. „Die haben mich immer wieder sofort korrigiert. Das war die beste Schule.“<br />
Da er als Ausländer kein Bafög bekam, arbeitete er neben dem Studium beim Verein Oslo Idrettslag – als Trainer und sportlicher<br />
Leiter. „Als ich dort angefangen hatte, gab es 40 aktive Schwimmer. Zuletzt waren es 150, davon zwei in der Auswahl.“ Diese<br />
Quoten in Dresden zu wiederholen, dürfte ihm schwerfallen. Die Voraussetzungen hier sind anders, schwieriger.<br />
Mendritzki tritt das Erbe von Dirk Oehme an, der 18 Jahre in der Halle am Freiberger Platz am Beckenrand stand und nun als<br />
Sichtungstrainer in Leipzig arbeitet. Es ist ein schweres Erbe. Obwohl in Dresden die Zahl der Nachwuchskader-Athleten in den<br />
vergangenen Jahren nachweislich anstieg – der Stützpunkt seinen Auftrag, Talente auszubilden, also erfüllte –, wurden<br />
Fördergelder und damit Trainerstellen gestrichen. Ausschlaggebend dafür war das schlechte Abschneiden sächsischer Schwimmer<br />
bei Olympia. Waren es zu DDR-Zeiten noch 35, ist Mendritzki nun der letzte hauptamtliche <strong>Schwimmtrainer</strong> im Bezirk Dresden, in<br />
dem immerhin rund 1,5 Millionen Menschen leben.<br />
Der Sparkurs hat Spuren hinterlassen. Gleich sechs Talente wechselten diesen Sommer an verschiedene Bundesstützpunkte:<br />
Leonie Kullmann und Jakob Schubert nach Berlin, Julia Schnorrbusch nach Hamburg, Chris Kerber und Ludwig Tessmar nach<br />
Magdeburg, Juliane Assmann nach Leipzig. Ein gewaltiger Aderlass. Besonders schmerzt der Abgang von Julia Schnorrbusch, bei<br />
der Junioren-EM zuletzt zweimal Sechste. „Das Konzept, die größten Talente an einigen Orten zu konzentrieren, wo sie optimale<br />
Bedingungen vorfinden, ist gut. Nur müssten die Vereine und Stützpunkte, die für die Grundlagen und die Ausbildung<br />
verantwortlich sind, besser anerkannt werden“, findet Mendritzki. „Und Julia sollte zum Beispiel weiterhin für Dresden starten<br />
können.“<br />
1 von 2 27.08.2013 20:27
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Das Streichen der Fördergelder hat weitere Konsequenzen. Der neue Stützpunkttrainer wird nur noch zur Hälfte vom Verband<br />
bezahlt, den Rest müssen die Eltern beisteuern. Per Beschluss des Sächsischen Schwimmverbandes liegt der Eigenanteil pro Kind<br />
bei 50 Euro im Monat. International sei das nicht ungewöhnlich, meint Mendritzki, in Deutschland ist es aber eher die Ausnahme.<br />
Und für ihn nicht besonders angenehm. „Es muss klar sein, dass die Verantwortung letztlich bei mir und meinen Kollegen liegt“,<br />
sagt er. Gemeinsam mit Annett und Peter Bräunlich, Andreas Knauf und Ute Rotter, die teils am Sportgymnasium und teils als<br />
Honorar-Trainer arbeiten, sieht er sich als „Gemeinschaft, die nur zusammen erfolgreich sein kann“.<br />
Trotz aller Widrigkeiten, wie der maroden Schwimmhalle, die nun ab 2014 erweitert und saniert werden soll, sieht er auch<br />
Vorteile gegenüber Norwegen: „Die Abstimmung mit den Sportschulen läuft hier besser. In Oslo kamen die Kinder morgens vor<br />
dem Unterricht 5.45 Uhr zum Training. Und die zweite Einheit endete teilweise erst 21 Uhr“, erklärt er. „Finanziell ist der Sport in<br />
Norwegen aber besser gestellt als hier.“ Für seine neue Aufgabe bräuchte Mendritzki eigentlich breitere Schultern.<br />
Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/dresdens-<strong>letzter</strong>-schwimmtrainer-2649453.html