Klaus Hurrelmann: Aufgaben im Jugendalter
Klaus Hurrelmann: Aufgaben im Jugendalter
Klaus Hurrelmann: Aufgaben im Jugendalter
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
Gliederung<br />
<strong>Aufgaben</strong> <strong>im</strong> <strong>Jugendalter</strong><br />
Modell produktiver Realitätsverarbeitung<br />
Balance halten auf dem Weg zur Identität<br />
8 Max<strong>im</strong>en<br />
Wechselspiel von Anlage und Umwelt<br />
Prozess der Sozialisation – Verarbeitung von äußerer und innerer Realität<br />
Schöpferische Konstruktion von Persönlichkeit in Selbststeuerung<br />
Lebensgeschichtlich erstmalige Chance zu eigener Identität<br />
Gefahr krisenhafter Entwicklung bei Überforderung von innen und außen<br />
Notwendigkeit sozialer Ressourcen für die sich entwickelnde Persönlichkeit<br />
Beste Unterstützung durch eine Netzwerk einflussreicher sozialer Instutionen<br />
Jugend – eine neue eigenständige Phase <strong>im</strong> 21. Jahrhundert<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
<strong>Aufgaben</strong> <strong>im</strong> <strong>Jugendalter</strong><br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
Balance halten auf dem Weg zur Identität<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
Modell produktiver Realitätsverarbeitung<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
1. Max<strong>im</strong>e<br />
Im <strong>Jugendalter</strong> gestaltet sich die Persönlichkeitsentwicklung in<br />
einem Wechselspiel von Anlage und Umwelt. Hierdurch werden<br />
auch die Grundstrukturen für die Geschlechtsmerkmale definiert.<br />
Persönlichkeitsmerkmale werden etwa zur Hälfte durch genetische und zur<br />
anderen Hälfte durch umweltliche und soziale Faktoren best<strong>im</strong>mt.<br />
Die genetische Ausstattung legt dabei Spielräume fest für ein ständiges<br />
Wechselspiel zwischen Anlage und Umwelt.<br />
Die Ausbildung männlicher und weiblicher Persönlichkeitsmerkmale macht in<br />
der Jugend besonders deutlich, wie Genetik und Umwelt interagieren.<br />
Bezüge: Begriffe: endogen, exogen und autogen (Phönix S. 18)<br />
Unsere Beschäftigung mit der Zwillingsforschung<br />
http://www.ploecher.de/2006/12-PA-G1-06/twin1.pdf<br />
http://www.ploecher.de/2006/12-PA-G1-06/twin5.pdf<br />
http://www.ploecher.de/2006/12-PA-G1-06/twin7.pdf<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
2. Max<strong>im</strong>e<br />
Im <strong>Jugendalter</strong> wird der Prozess der Sozialisation,<br />
verstanden als produktive Verarbeitung äußerer und innerer Realität,<br />
besonders intensiv und und musterbildend für den weiteren<br />
Lebenslauf.<br />
Innere Realität: körperliche und psychische Grundstrukturen<br />
Ass<strong>im</strong>ilation, Ass<strong>im</strong>ilation Es, – Ich Es – I<br />
Äußere Realität: soziale und physische Umweltbedingungen<br />
Rollentheorie, Akkommodation Über-Ich, – Über-Ich Akkomodation – Me<br />
Produktiv und musterbildend: individuell kreative Aneignung innerer und<br />
äußerer Realität als die Entwicklungsaufgabe, sich selbstregulierend und<br />
selbstorganisierend sowie affektiv und kognitiv mit den kulturellen Zielen<br />
auseinanderzusetzen und in ihr die eigene Identität (Muster) zu finden<br />
Symbolischer Adaption/Äquilibration<br />
Interaktionismus, Prozess gleichberechtigter Interaktion,<br />
Adaption/Äquilibration<br />
Symbolischer Interaktionismus: gleichberechtigte Interaktion<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
3. Max<strong>im</strong>e<br />
Menschen <strong>im</strong> <strong>Jugendalter</strong> sind schöpferische Konstrukteure ihrer<br />
Persönlichkeit mit der Kompetenz zur eigengesteuerten Lebensführung.<br />
<strong>Jugendalter</strong>: Phase alterstypischer Umbruchssituationen (Pubertät), Phase<br />
mit unfertigem, noch offenem Charakter, Phase des Suchen und Tastens<br />
Schöpferische Konstruktion der Persönlichkeit: eigengesteuerte und selbstverantwortliche<br />
Entwicklung einer individuellen Ordnung mit selbstgesetzten<br />
Zielen und Sinngebungen, einzupassen in die „aktuelle Lage“ einer sich<br />
kontinuierlich rascher1 entwickelnden Gesellschaft<br />
Identitätsbildung nach Freud, Erikson, Mead und Krappmann<br />
Identitätsbildung nach Freud, Erikson, Mead und Krappmann (13.2)<br />
Der heute verlängerte Jugendzeit und der aktuelle Trend zur Globalisierung<br />
geben diesem Jugendprozess eine besondere Bedeutung auch über die<br />
Jugendzeit hinaus.<br />
Ariès Aries 1 und und Postman (13.1)<br />
rascher als ............ ?<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
4. Max<strong>im</strong>e<br />
Die Lebensphase Jugend bietet die lebensgeschichtlich erstmalige Chance, in einem<br />
spannungsreichen Prozess eine Ich-Identität aus der Synthese von Individuation<br />
und Integration (Soziation) zu entwickeln und andauernd fortzuschreiben.<br />
Erstmalig: nun vorhandene Fähigkeit <strong>im</strong> Prozess der Kommunikation Werte, Normen<br />
und soziale Beziehungen und Positionen zu diskutieren und so ein Selbstbild <strong>im</strong><br />
gesellschaftlichen Geflecht zu entwerfen<br />
Identität: Kontinuität des Selbsterlebens auf der Grundlage eines positiv geführten<br />
Selbstbildes<br />
Integration: Prozess der Vergesellschaftung, Anpassung an Normen/Werte (Parsons)<br />
Individuation: Aufbau einer eigenen Persönlichkeitsstruktur<br />
Spannungsreicher Prozess: Die Qualität des Prozesses der Synthese von Individuation<br />
und Integration entscheidet über die spätere Belastbarkeit der Persönlichkeit.<br />
Piaget: Akkommodation und Ass<strong>im</strong>ilation sowie Adaption/Äquilibration<br />
Mead: Me and I, social and personal identity – Weg zum Selbst über den Anderen<br />
Krappmann: Rollendistanz, Selbstpräsentation, Ambiguitätstoleranz,<br />
Empathie und ein passendes Sprachvermögen (13.2)<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
5. Max<strong>im</strong>e<br />
Der Sozialisationsprozess (Synthese von Individuation und Integration) kann krisenhafte<br />
Formen annehmen, wenn Entwicklungsaufgaben (s.o.) nicht gelöst werden und so<br />
Entwicklungsdruck entsteht.<br />
Im Schnittpunkt von Individuation und Integration stehen<br />
Risiko und Chance<br />
Belastungs- und St<strong>im</strong>ulierungspotential<br />
nah beieinander:<br />
Gleichzeitig werden verlangt:<br />
Biopsychische Gestaltveränderungen und individuelle Persönlichkeitsformungen<br />
Soziale Integrationsleistungen, eingefordert mit massivem Druck<br />
Überforderungsgefahr für die Entwicklung in Schule, Beruf und Persönlichkeit:<br />
Leistungsfähigkeit und -bereitschaft<br />
Team- und Partnerschaftsfähigkeit<br />
Fähigkeit <strong>im</strong> Umgang mit Freizeit, Konsum. Wirtschaft und Politik<br />
Hoher Preis für die Chance zu umfassender Selbststeuerung<br />
Thema Jugendgewalt – Heitmeyer – Verwahrlosungs- und Neurosenstruktur<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
6. Max<strong>im</strong>e<br />
Notwendigkeit vor allem sozialer Ressourcen, um den Prozess der<br />
Individuation und Integration als Person erfolgreich zu durchlaufen<br />
Auf dem Hintergrund der körperlichen und psychischen Entwicklung wird von<br />
der Person gefordert, eine Fülle von Einflüssen auszuhalten und zu bewältigen:<br />
Konfrontation mit wechselnden u. widersprüchlichen gesellschaftl. Anforderungen<br />
Zwang zu andauernder Neu- und Umorientierung der Persönlichkeit<br />
!<br />
Forderung nach eigenaktiver Integration<br />
Erforderliche flankierende soziale Ressourcen:<br />
Materielle Unterstützung der Selbstorganisation<br />
Spiel- und Zeiträume für probeweises Handeln<br />
Flexible, aber in den Mindeststandards klar gesetzte Regeln<br />
Kein Schwarz-Weiß-Streit um Liberalität und Autorität<br />
Thema Jugendgewalt:<br />
Heitmeyer<br />
Verwahrlosungs- und<br />
Neurosenstrukur<br />
Emotionaler Halt, Perspektive und Akzeptanz („Ihr seid unsere Zukunft!“)<br />
Zur Verfügung stehende soziale Ressourcen in einem Netzwerk<br />
sozialer Beziehungen über Familie und Schule hinaus<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
7. Max<strong>im</strong>e<br />
Sich gegenseitig unterstützende Sozialisationsinstanzen sind ein<br />
wesentlicher Schlüssel zum Erfolg: (s. 6. Max<strong>im</strong>e: Soziales Netzwerk)<br />
Herkunftsfamilie, Schule, Ausbildungsstätten, Gleichaltrige und Medien<br />
Verlangt wird die Unterstützung der Gratwanderung zwischen:<br />
Gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen Es und Über-Ich<br />
Freiheit und Begrenzung<br />
I and Me<br />
St<strong>im</strong>ulation und Belastung<br />
role making and taking<br />
Individuationsverlangen und systemnotwendiges Integrationsverlangen<br />
um das Nachwachsen der Jungen in die Stellen der Alten zu<br />
gewährleisten<br />
! Einfluss der pr<strong>im</strong>ären Sozialisationsinstanzen n<strong>im</strong>mt zugunsten der<br />
sekundären ab:<br />
Einfluss der Familie sinkt, während der Einfluss der Gleichaltrigen und der der<br />
gehe<strong>im</strong>en Sozialisationsinstanzen Fernsehen, Medien und Internet steigt.<br />
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<strong>Klaus</strong> <strong>Hurrelmann</strong>:<br />
8. Max<strong>im</strong>e<br />
Die Lebensphase Jugend ist unter den heutigen<br />
sozialen, historischen und ökonomischen Bedingungen<br />
in westlichen Gesellschaften als eigenständige Phase zu betrachten.<br />
Jugend beginne vor 100 Jahren <strong>im</strong> Anschluss an die Kindheit<br />
Jugend sei Übergangsphase aus der Abhängigkeit der Kindheit in die<br />
Autonomie der Erwachsenwelt<br />
mit Übernahme von Erwerbs-, Familien-, Konsumenten- und Bürgerrolle<br />
Jugend verliere am Beginn des 21. Jahrhunderts zumindest teilweise diese Rolle<br />
z. B. mangels Erwerbsrollen <strong>im</strong> Beschäftigungssystem<br />
Jugend sei eine langgestreckte Phase mit ausgeprägter biografischer Bedeutung<br />
Geschichte der Kindlichkeit: Ariès und Postman (13.1)<br />
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