Titel - Berliner Ärzte
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B U C H B E S P R E C H U N G<br />
Gegen das Lügengebäude<br />
Ben Goldacre: Die Pharma-Lüge.<br />
Wie Arzneimittelkonzere <strong>Ärzte</strong><br />
irreführen und Patienten schädigen.<br />
Kiepenheuer&Witsch. 448 S.<br />
19,99 Euro. ISBN-10: 3462045776<br />
Wir sind es alle gewohnt, vom<br />
Außendienst der Pharmafirmen<br />
umworben zu werden, und das beginnt<br />
zu einem Zeitpunkt, wo wir noch anfällig<br />
für höfliche Aufmerksamkeit sind, als<br />
junge, von vielen Seiten oft auch unsanft<br />
zurechtgewiesene Assistenzärzte.<br />
Die Kassenärzte sind heute in keiner<br />
besseren Situation: Sie kämpfen mit<br />
Regressen, Auflagen, Vorschriften,<br />
Anfragen und werden von Kassen und<br />
auch von den Behörden oft nicht mit der<br />
gebührenden Höflichkeit behandelt.<br />
Welch ein Lichtblick dagegen die wohlerzogenen,<br />
charmanten und aufmerksamen<br />
meist jungen und hübschen<br />
Frauen und auch Männer!<br />
Irgendwie hatte man aber immer schon<br />
so ein blödes Gefühl, dass es die nicht<br />
wirklich unseretwillen tun, sondern einfach<br />
um ihr Produkt zu verkaufen, an<br />
dem sie in ihrer Firma gemessen werden.<br />
Wir nahmen aber an, weil wir das doch<br />
wert wären, dass es eine gesunde<br />
Mischung aus Beidem ist, was in man<br />
chen Fällen ja auch zutreffen mag. Was<br />
aber genau dahintersteckt, davon hatten<br />
wir keine Ahnung und sollten das<br />
auch auf keinen Fall haben.<br />
Dieses Thema griff erstmals 1981 Dr.<br />
Hans Weiss aus Österreich mit dem<br />
Buch „Gesunde Geschäfte“ auf, das in<br />
Deutschland, im Gegensatz zu seinem<br />
Sachbuch „Bittere Pillen“, wenig beachtet<br />
wurde, auch nicht, als er 1998<br />
„Korrupte Medizin“ nachlegte.<br />
Derselbe Verlag, Kiepenheuer&Witsch,<br />
bringt nun die deutsche Übersetzung<br />
von Ben Goldacres englischem Bestseller<br />
„Bad Pharma“ (der „Bad Science“ folgte)<br />
mit dem <strong>Titel</strong>: „Die PharmaLüge“.<br />
Der im britischen National Health<br />
Service arbeitende Psychiater Dr. Ben<br />
Goldacre durchleuchtet darin sehr<br />
systematisch die Arbeitsweise der<br />
Pharma branche von der Entdeckung<br />
eines Medi kaments über dessen wissenschaftliche<br />
und klinische Prüfung, das<br />
Zulassungs verfahren bis hin zu einem<br />
sehr ausgeklügelten Marketing, das er<br />
als gewinn und nicht patientenorientiert<br />
beschreibt, was eigentlich niemand<br />
wundern sollte – schließlich haben wir<br />
es hier mit multinationalen Konzernen<br />
zu tun, deren Ziel natürlich die Generierung<br />
von Gewinn für alle Teilhaber und<br />
Aktionäre sein muss.<br />
Mit sehr viel Sachkenntnis, detailliert<br />
und trotzdem allgemeinverständlich erklärt<br />
er wie, warum, von wem und mit<br />
welchem Ziel Arzneimittelstudien<br />
durchgeführt werden.<br />
Seine Hauptaussagen, die er alle an<br />
Hand seriöser wissenschaftlicher<br />
Untersuchungen belegt (im umfangreichen<br />
Literaturverzeichnis nachzulesen)<br />
sind, dass weiterhin trotz gegenteiliger<br />
Zusicherungen Studien mit unerwünschtem<br />
Ergebnis unveröffentlicht<br />
bleiben, und dass industriefinanzierte<br />
Studien die Ergebnisse bis an die<br />
Grenzen des Betrugs im Sinne des<br />
Auftraggebers „interpretieren“, schönreden,<br />
hinbiegen. Er weist auch auf<br />
Fehler hin, die schon bei der Planung<br />
von Studien eingebaut werden, damit<br />
das gewünschte Ergebnis rauskommt.<br />
Und auch die finanziellen Verflechtungen<br />
von „Hauptmeinungs bildnern“<br />
unter den <strong>Ärzte</strong>n werden ausführlich<br />
thematisiert.<br />
Ob man das alles glaubt Man möchte<br />
es lieber nicht glauben, aber am besten<br />
man liest dieses trotz der darin steckenden<br />
Leidenschaft nie ohne Humor geschriebene<br />
und immens spannende<br />
Buch selbst. Trotz der über 400 Seiten<br />
ist es so fesselnd, dass ich oft länger gelesen<br />
habe, als es für meinen nächsten<br />
Arbeitstag gut war.<br />
Dr. med. Peter Pommer<br />
Oberammergau<br />
B U C H B E S P R E C H U N G<br />
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BER L INER Ä R Z T E 12/2013 S. 39