reisende sommer - republik 2005 dokumentation
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Dann stehen wir plötzlich im Kuhstall, man riecht es nur, denn der Stall ist leer. “Seine<br />
Bewohner sind auf die Weide gezogen“, wie es schon in einem Auswandererbericht der<br />
Münch-Gruppe hieß. Hier könnte es also gewesen sein, das „Ökonomiegebäude“, das<br />
Münch selbst erwähnte, der „elende Kuhstall“, wie es ein anderer Auswanderer nannte.<br />
Zumindest tun wir mal heute so! Immerhin hatten sie damals den Stall „gut gereinigt und<br />
ganz wohnlich hergerichtet“.<br />
Die Gruppe schaut sich neugierig und etwas ungläubig um. „Aber wie sollten hier denn<br />
260 Leute...? „Familien mit kleinen Kindern?“ „Und was heißt denn Schiffsproviant?“<br />
Bauer Schröder kommt und begrüßt lachend die Besucher. Er ist jetzt stolzer Besitzer eines<br />
Utopisten- und Historiker-Mekkas und könnte Eintritt nehmen und T-Shirts verkaufen.<br />
Ich bin gut vorbereitet und lese laut aus<br />
den historischen Quellen. Dazu werfen<br />
wir einen Blick auf die Passagierliste<br />
der „Medora“. Warum empfanden<br />
einige Auswanderer den Harriersand als<br />
„ungesunde Weserinsel“ und welche<br />
„lasterhaften Eigenschaften“ traten hier<br />
zutage? Gunter Schröder zuckt mit den<br />
Schultern. „Zumindest dürften sie hier<br />
kein Frischwasser gehabt haben“, meint er. Einen Brunnen gab es nicht. Regenwasser<br />
vielleicht. Und die Untugenden? Vielleicht haben einige Männer auch Schnaps gebrannt.<br />
Kunststück! Die Leute hatten Langeweile, sagt Münch. Sie betrieben allerlei Kurzweil und<br />
„Turnspiele“. – Ein Handy dödelt. „Jetzt nicht!“<br />
Eine andere Quelle aus dem Oldenburgischen weiß zu berichten, dass einige Auswanderer<br />
sich in Brake bequemere Unterkünfte mieteten. Wahrscheinlich in Gross’ Hotel, das dort<br />
drüben vor dem Deich stand.<br />
Nicht alle trafen sich später auf der „Medora“ wieder. Etwa 50 fehlten. Wo sind sie geblieben?<br />
Haben sie den „Verein der Inselfreunde“ begründet und die ersten Hüttchen gebaut<br />
und schon mal die „Guntsiet“ gechartert?<br />
Die Kinder hören jetzt nicht mehr zu. Sie haben ein verrostetes landwirtschaftliches Fahrzeug<br />
entdeckt und klettern darauf herum. Eine junge gefleckte Katze hat sofort die Herzen<br />
der Mädchen erobert. Eifriges Streicheln. Die Kamera kriecht bedrohlich auf sie zu.<br />
Noch ein paar Fragen zur ökologischen Rinderzucht. Gunther erzählt, wie er als Geburtshelfer<br />
manchmal bis zum Ellenbogen hineingreifen muß.<br />
Dann verkrümeln sie schon die Mütter mit den Kleinsten in Richtung Inselstraße. Der Kinderwagen<br />
rumpelt durch den Matsch. Vorsicht, Auto!<br />
Kamera und Mikrofon werden sorgfältig eingepackt. Bis zum Inselhus scheint noch die<br />
Sonne – aber über dem anderen Weserufer türmen sich schon wieder die sattsam bekannten,<br />
dunklen Wolken.<br />
Der Inselkongress hat dann sein Wetter wieder.<br />
Kontakt: Rolf Schmidt<br />
Loignystr. 42<br />
28211 Bremen<br />
Tel.: 0421-230413<br />
SOMMER - REPUBLIK<br />
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