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reisende sommer - republik 2005 dokumentation

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Historischer Inselspaziergang<br />

Rolf Schmidt<br />

Zum „historischen Inselspaziergang“ auf dem Harriersand traf sich ein neugieriges Grüppchen<br />

am Samstag um 15 Uhr vor dem Inselhus. Die zwei Dutzend Leutchen waren aus<br />

allen Altersgruppen zusammengewürfelt – das Jüngste saß noch im Kinderwagen. Fast wie<br />

damals, dachte ich, 1834, nur fehlten das Auswanderergepäck und eine gewisse Entschlossenheit.<br />

Irgendwie habe ich noch Hemmungen und lasse sie warten. „Geht es bald los?“<br />

Da hat Petrus plötzlich Erbarmen und schickt uns ein paar Sonnenstrahlen – die ersten an<br />

diesem verregneten, utopischen Wochenende. Sofort wird es <strong>sommer</strong>lich warm und wir<br />

traben los auf der einzigen Inselstraße in<br />

Richtung Süden. Vor meiner Nase wedeln einschüchternd<br />

eine Maxi-Kamera und ein Radio-<br />

Bremen-Mikrofon.<br />

Ich rede und rede und versuche, der Gruppe<br />

zunächst einen Eindruck zu vermitteln von der<br />

Entstehung des Harriersands und dem Zustand,<br />

in dem die Giessener Auswanderergruppe das<br />

Eiland schließlich vorfand.<br />

Auf halbem Wege zum Schröderschen Anwesen ein kurzer Stop mitten auf der Straße. Auf<br />

feuchter Fahrbahn entrolle ich stolz riesige Kopien alter Inselkarten, die mich bei Hohnholt<br />

in Bremen 25,- Euro gekostet haben: Die Inseln zwischen Elsfleth und Sandstedt im 16.<br />

Jahrhundert, – wie unförmige Klöße in der Weserbrühe. Mal rechts, mal links daran vorbei:<br />

Verlagerungen des Fahrwassers. Dann das erste Gehöft im 18. Jahrhundert, die erste<br />

Eindeichung. Irgend jemand macht sich tatsächlich Notizen!?<br />

Ein gemeinsamer Blick über den Deich auf das linke Ufer. Das sah damals ganz anders<br />

aus. Keine modernen Kirchtürme, keine Villen, kein Telegraf, kein Tonnenhof. Nur eine<br />

Reihe von Büschen und Bäumen und hinter dem Deich ein paar reetgedeckte Dächer. Davor<br />

damals schon prächtig: Gross’ Hotel und in der Weser dicke Duckdalben, an denen ein<br />

Dreimaster dümpelt. Am Besanmast Stars and Stripes, „bound for Baltimore“ – wies später<br />

dann die „Medora“ in Bremerhaven.<br />

Die Kamera schwenkt zurück auf den nassen, dampfenden Asphalt. Das Mikrofon geht auf<br />

die Knie. Die historische Spaziergängergruppe beugt sich über die Seekarten auf der Fahrbahn<br />

und drängt mit Kind und Kegel zur Seite, wenn ein Auto kommt. „Vorsicht! Paßt<br />

doch auf!“<br />

Die Kinder nörgeln etwas, für sie wird es langweilig.<br />

Wir wandern weiter zum Hof von Gunter Schröder, den „Berg hinauf“, der aber nur ein<br />

Deich ist. – Kurzer Stop! Ein Blick über die Wiesen in die Ferne mit der Kuh-Herde am<br />

Horizont. Das waren einmal sieben Inseln vor der Weserkorrektur. Man ahnt in den Vertiefungen<br />

des Weidelands noch die Einschnitte, die alten Prile, die die Inseln trennten. Dort<br />

drüben der große Pater und auf der anderen Seite – im Norden – die Wilhelmsplate. Die<br />

Maxi-Kamera holt aus zum kalifornischen Schwenk. Vorsicht, Auto!<br />

SOMMER - REPUBLIK<br />

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