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reisende sommer - republik 2005 dokumentation

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DEUTSCHE MUSTERREPUBLIK IN AMERIKA<br />

In Gießen betreiben die Bürger auf den Feldern bereits Schießübungen. Paul<br />

Follenius aber will das Signal für eine Revolution aus den legalen Volksvertretungen<br />

kommen sehen. Der kurhessische Landtag zu Kassel soll den<br />

repressiven Bundesbeschlüssen seine Zustimmung verweigern. Doch die<br />

Abgeordneten versagen, wie auch in allen anderen Landtagen.<br />

1833 Frankfurt/Main. Zwei Scharen Bewaffneter stürmen die Polizeiquartiere<br />

(Haupt- und die Constablerwache) der Stadt, die als Hauptstadt des Deutschen<br />

Bundes fungiert. Die Attacke soll das Signal zur allgemeinen Volkserhebung<br />

geben. Es gibt Tote und Verwundete, aber der Volksaufstand bleibt aus. Die<br />

Stadtbürger stehen als Zuschauer dabei, weigern sich, die angebotenen Waffen<br />

zu nehmen. Ein Trupp von Bauern, den die Aufrührer mobilisiert haben, kehrt vor<br />

der Stadt um, weil die Tore geschlossen bleiben. Anrückendes Militär treibt die<br />

Aufständler in die Flucht. Es folgen Razzien und Einkerkerungen, die revolutionäre<br />

Stimmung versiegt endgültig. Depression verbreitet sich, die Auswanderung nach<br />

Amerika nimmt zu.<br />

Nach ARKANSAS!<br />

Gießen. Paul Follenius war in die Frankfurter Aufstandpläne eingeweiht, wollte im<br />

Erfolgsfall auch eine leitende Aufgabe übernehmen. Aber er glaubte nicht an den<br />

Erfolg und sieht sich nun bestätigt. Friedrich Münch, vormals einer der<br />

"Unbedingten", ist nun Schwager von Paul Follenius und Pfarrer in einem<br />

hessischen Dorf. Er drängt Paul zur Auswanderung nach Amerika. Doch der<br />

zögert, will die demokratische Bewegung hier im Lande nicht im Stich lassen. Er<br />

löst seinen inneren Zwiespalt, indem er den großen Plan seines Bruders Karl<br />

wiederbelebt. Er will die nötigen 60.000 Männer zur Gründung eines deutschen<br />

Staates in Amerika zusammenbringen - ein neues Vaterland schaffen. Und er will<br />

es seinen älteren Brüdern beweisen. Mit Friedrich Münch gibt er einen öffentlichen<br />

Aufruf heraus: „Aufforderung und Erklärung in Betreff einer Auswanderung im<br />

Großen aus Teutschland in die nordamerikanischen Freistaaten“. Nach dem<br />

Schnellballprinzip sollen sich in ganz Deutschland Auswanderergemeinden bilden.<br />

Jede sich einschiffende Abteilung soll den Organisationsstab an die<br />

Nachfolgegruppe übergeben. Die erste Auswanderergruppe soll auch bereits alle<br />

erforderlichen Berufsgruppen enthalten – ein fertiges Gemeinwesen, ein Mini-<br />

Staat. Aufnahmebedingung sind Volljährigkeit, Vermögensnachweis und positives<br />

Leumundszeugnis – seitens der verhaßten deutschen Behörden! Freiheit durch<br />

Ordnung - das alte Paradoxon der Gesellschaftsutopien.<br />

Man bestimmt Arkansas als den idealen Ort für die deutsche Republik: „Mit allen<br />

Reichthümern der Natur gesegnet, gesund in seinen Hochebenen, von dem Klima<br />

des nördlichen Italiens.“ Die Familien sollen sich hier als geschlossene Gruppe<br />

niederlassen, als Keimzelle des neuen Staates. „Eng vereint mit unseren Volksgenossen<br />

wollen wir erfahren, was es heißt, ein Vaterland besitzen, dem man mit<br />

Hoffnung des Erfolgs freudig Kraft und Leben weihe.“ Es galt, „eine deutsche<br />

Muster<strong>republik</strong> herzustellen, von welcher eine wohltätige Wirkung selbst auf das<br />

alte Vaterland zu erwarten wäre.“ Paul Follenius’ und Friedrich Münchs Aufruf hat<br />

Erfolg. Am 1. September 1833 trifft sich die Auswanderergemeinde zur Generalversammlung<br />

im hessischen Friedberg. Man entsendet für Erkundung und<br />

Landerwerb eine zweiköpfige Kommission nach Arkansas. Diese macht sich eilig<br />

auf den Weg.<br />

Nachdem 500 Zusagen für das Unternehmen aus allen deutschen Landen<br />

vorliegen, schließen Paul und Friedrich die Liste. Die Behörden machen es den<br />

Auswanderern schwer. Die Ausgabe eines Passes wird mit hohen Abgaben<br />

belegt, die Veröffentlichung des Abreisetermins wird untersagt. Die Zeit wird<br />

darum knapp. Die Anreisewege zur Einschiffung in Bremen sind lang - die<br />

Auswanderergemeinde muss sich in zwei Gruppen teilen. Die erste Gruppe führt<br />

Paul Follenius an, die zweite Gruppe Friedrich Münch.<br />

SOMMER - REPUBLIK<br />

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