reisende sommer - republik 2005 dokumentation

Aber das ist nicht alphabetisch geordnet. Es geht ein
bisschen durcheinander. Wer warst du noch mal?
Pancratius.
Und der Nachname? Der steht auf dem Zettel hier drauf.
Pancratius Hochstradter. Da können wir noch mal gucken. Ist
er dabei? Da:
Männlich, 42, Farmer, Landwirt, Ziegelfeld in Bayern.
Höchst überraschend natürlich, dass die eigene Identität
nicht zu finden, die eigene Ungenauigkeit mal wieder war.
Aus der Liste ist jetzt ersichtlich, dass er alleine unterwegs
war, dass er aus Bayern kommt, aus Bayern kommen
wirklich sehr sehr wenige. Wie ist Pancratius Hochstradter
überhaupt auf die Idee gekommen, der Aufforderung zur Auswanderung
zu folgen?
Also von dem Alter her – er ist 42 – ist es die letzte
große Hoffnung der Liebe gewesen. Weil er hat sie alle kennen
gelernt in Bayern und niemand, leider, hat zu ihm gepasst.
Und irgendwann hat er sich gesagt, jetzt muss ich
noch mal etwas ganz anders machen, ganz neu. Also jedenfalls
würde es mir gefallen, wenn die Liebe der treibende Motor
wäre, und nicht die späte Erkenntnis, dass man als weichender
Erbe bei der Güterteilung, dass dann der Bruder, der
noch drei Jahre älter ist, das Erbe antritt. Was aber höchst
unwahrscheinlich wäre, dass man mit 42 erst selber erbt. Da
ist niemand in dem Alter als Landwirt vom Hof gegangen. Das
ist jemand, der hat immer schon Kontakte gehabt überall hin
und hat sich für alles Mögliche interessiert. Und Ziegelfeld
klingt natürlich auch nicht gerade nach großer Lebendigkeit,
sondern eher provinziell und öde irgendwie. Aber natürlich
auch nach Gestalten.
Er musste erst mal nach Gießen, da ist er auf die Gruppe
getroffen, dann sind sie zusammen nach Bremen, dann nach
Harriersand und unterwegs hatte er auch schon einige Familien
kennen gelernt. Kannst du sagen, ob er sich wohl ge-
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Identitätsforschung auf Harriersand
fühlt hat, ob er hier Freunde gefunden hat oder vielleicht
eine Liebe? Wie könnte das gewesen sein?
Wir nehmen mal zu seinen Gunsten an, dass das irgendwie
noch funktioniert hat und dass er in Kanada, dass er dort
noch Vater geworden ist, dass die Frau jung genug war, dass
er glücklich geworden ist. Er war ein Leser, wir können einen
Leser aus ihm machen. Das ist jemand, der diese Ideen
wahrgenommen hat und der von daher rübergegangen ist. Auf
jeden Fall ist er einer der nicht so vielen Leute hier, die
beruflich nicht so festgelegt sind. Insofern kann es wirklich
sein, dass er als Landwirt seine Suche begonnen und erfolgreich
hat fortsetzen können, dass er reüssieren konnte,
dass er seinen Traum verwirklichen konnte. – Genau, es gibt
einen Freund, der ist weichender Erbe, sein Bruder hat den
Hof übernommen, und die Eltern haben immer gesagt, aus ihm
würde irgendwie nichts. Er hat dann Lehrer studiert. Weil
die Eltern sagten: Aus dem soll auch mal was werden. Das hat
er abgebrochen und hat, weil er weichender Erbe ist, viel
weniger bekommen als der Bruder, der den Hof bekommen hat.
Er ist nach Kanada gegangen und hat da einen Hof gekauft:
Milchviehbetrieb in der Nähe von London Ontario, in der Nähe
von Toronto, und hat wunderbar reüssiert. Er ist innerhalb
von sehr kurzer Zeit zu jemandem geworden. Die haben da alle
möglichen Statistiken, wie die Qualität der Kühe ist, wie
die Qualität der Milch ist. Er hat es innerhalb sehr sehr
kurzer Zeit geschafft, sehr hoch in diesem Ranking zu kommen.
Und seinen Traum, ein geachteter Bauer zu werden, den
hat er in diesem Schutzraum Kanada, wo nicht die ganze Nachbarschaft
sein bisheriges Leben im Kopf hatte, den Traum hat
er dort verwirklichen können. Er hat im Übrigen auch eine
junge Frau geheiratet, hat zwei Kinder. Und da stelle ich
jetzt fest, das könnte so gewesen sein. Das würde mir einfach
gut gefallen. Dieser Freund hat gerade jetzt seinen Hof
verkauft. Die Frau, die er kennen gelernt hatte als Praktikantin
auf dem Hof, auf dem er in Deutschland gearbeitet
hat. Da haben sie sich verliebt, sie haben geheiratet und
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SOMMER - REPUBLIK
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