reisende sommer - republik 2005 dokumentation
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Und du bist mit deiner ganzen Familie unterwegs…<br />
Genau, mit meinem kleinen Bruder und mit meinen Eltern.<br />
Und deine Großeltern, sind die auch dabei?<br />
Nee, doch, die ganze Familie ist mit dabei, drei<br />
Generationen.<br />
Heinrich Koch, 3, aus Coberg in Sachsen<br />
(Reinhard Lorenz aus Berlin, Freiburg, Breslau in Schlesien)<br />
Ich bin Reinhard Lorenz aus Berlin, aus Freiburg und<br />
letztendlich auch aus Breslau in Schlesien. Das heißt, meine<br />
wirkliche Familie hat tatsächlich auch so eine Auswanderergeschichte<br />
erlebt, die durchaus auch so ähnlich war: Der Vater<br />
ist gegangen, die Mutter musste mit und die Kinder hatten<br />
eh keine Wahl. Das war ja genau so. Im Jahre 1945. Und<br />
wenn ich mir das jetzt hier dem gegenüber überlege: Heinrich<br />
Koch im zarten Alter von drei Jahren, auf der Überfahrt<br />
vielleicht. Der Weg war einfach ein bisschen weiter übers<br />
Wasser. Obwohl, was mein Vater mir erzählt hat, hat das auch<br />
einige Wochen gedauert.<br />
Die Auswanderer sind auch schon einige Wochen unterwegs.<br />
Sie kommen aus Sachsen, müssen erst mal nach Gießen, von<br />
Gießen dann nach Bremen, nach Harriersand und dann nach Bremerhaven<br />
und dann geht erst die Überfahrt los.<br />
Ja, ja, das heißt, wir waren da ja eigentlich schon mehr<br />
als fertig. Also so wie ich jetzt. So, dass man eigentlich<br />
schon gar keine Lust mehr hat, bevor es überhaupt losgeht.<br />
Und eigentlich nur noch wieder nach Hause will, was es nicht<br />
mehr gibt, weil man das Zuhause ja schon aufgelöst hat. Was<br />
ich gerade tatsächlich auch tue in Berlin. Also von daher<br />
passt das schon ganz gut.<br />
Sagst du kurz, mit wem du unterwegs bist hier?<br />
18<br />
Identitätsforschung auf Harriersand<br />
Ich bin unterwegs mit meinem Vater Ludwig Koch, einem<br />
Landwirt aus Coberg in Sachsen, mit Margareta Koch, seiner<br />
Frau, und meiner Schwester, die ein bisschen älter ist als<br />
ich (vier Jahre) und auch Margareta heißt und mit meiner<br />
Schwester Wilhelmine, die noch ein bisschen älter ist, sie<br />
ist sieben. Eine Familie mit drei Kindern, klassisch.<br />
Wie war die Zeit auf der Insel für dich? Du bist wahrscheinlich<br />
viel mit deinen Geschwistern unterwegs gewesen<br />
auf Harriersand. Kannst du dich noch daran erinnern?<br />
Ja, die Insel war Spaß, das hat Spaß gemacht. Ich konnte<br />
gar nicht verstehen, warum die sich gelangweilt haben und<br />
was da los war. Da gab’s viele Kühe und Enten und Schweine<br />
und Frösche und andere interessante Tiere, mit denen man immer<br />
irgendwas anstellen konnte. Man konnte auf der Wiese<br />
rumrennen.<br />
Wir sind jetzt in Amerika, und du bist erwachsen. Spielte<br />
diese Auswanderung eine große Rolle in deiner Familie, als<br />
ihr schon in Amerika wart?<br />
Ja, natürlich. Sie haben dann versucht, das Alte so<br />
schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Also wirklich neu<br />
anzufangen und nicht mehr darüber zu reden und auch nicht<br />
irgendwelche Sehnsuchtsabende zu veranstalten, wo man sich<br />
an die alten Zeiten erinnert, sondern wirklich das hinter<br />
sich zu lassen. Und das fand ich eigentlich dann schade.<br />
Gab es dann noch Kontakte zu anderen Auswandern aus der<br />
Gruppe?<br />
Ja, sicher, die waren zwar alle eher verstreut angesiedelt,<br />
nicht, wie es mal geplant war als Kolonie, aber man<br />
hat sich schon getroffen. Und saß dann bestimmt auch mal<br />
abends zusammen und hat dann doch erzählt, wie es früher<br />
war.<br />
Und wie war das mit dem Deutsch und dem Englisch?<br />
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SOMMER - REPUBLIK<br />
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