reisende sommer - republik 2005 dokumentation
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es Auskommen habe auf dieser Insel. Das ist ja so, mit der<br />
kleinen Tochter und meiner Frau, so langsam gingen auch die<br />
Geldmittel zu Ende, obwohl ich ja ein ziemlich gut gehendes<br />
Geschäft hatte und dadurch auch einiges zurücklegen konnte.<br />
Die Leute haben ja immer sehr nach Uhren verlangt und nach<br />
der Reparatur von Uhren. Und ich bin froh, dass es jetzt<br />
endlich losgeht, weil wir haben uns ja entschlossen in die<br />
neue Welt aufzubrechen, beziehungsweise ich musste meine<br />
Frau etwas überreden, weil mit dem kleinen Kind und so weiter<br />
ist die Reise ja nicht so ganz einfach. Ich spreche<br />
jetzt mal von wir haben es einfach nicht mehr ausgehalten in<br />
der alten Welt, weil uns das Gefühl der Enge, das wir hatten,<br />
überhaupt nicht mehr gefallen hat. Es war immer viel<br />
Polizei zu sehen, man konnte nicht so richtig sagen, was man<br />
wollte. Wir haben einfach gehört, dass in der neuen Welt, in<br />
Amerika, dass man dort alles sagen kann, was man möchte, und<br />
vor allem dort Leute, die was von Technik verstehen, auch<br />
gebraucht werden und dass dort auch viel Technik hergestellt<br />
wird. Ja, ich möchte auch gerne was dazu beitragen und so<br />
ein Pionier sein bei dieser Sache und die Technik der alten<br />
Welt auch in die neue tragen.<br />
Friedrich Münch, das ist euer Anführer, unser Anführer.<br />
Du kennst die Aufforderung zur Auswanderung, um in Amerika<br />
eine deutsche Republik zu gründen. Bist du auch Republikaner,<br />
Anhänger der Gründung einer deutschen Republik in Amerika?<br />
Entspricht das auch deinen Ideen?<br />
Das entspricht sehr meinen Ideen. Ich meine, ich bin zwar<br />
nur einfacher Uhrmacher, ich habe nicht studiert, aber ich<br />
habe mich schon immer sehr für die Dinge interessiert, eigentlich<br />
immer für beides: für Technik und für die neuen<br />
Ideen. Insofern kann ich da sehr mitfühlen. Und ich habe<br />
auch schon Bücher darüber gelesen. Ich verstehe was von<br />
Technik und habe da auch das eine oder andere lesen müssen<br />
in meiner Lehre. Von daher bin ich brennender Anhänger. Das<br />
war auch der Grund, warum ich meine Frau überredet habe und<br />
16<br />
Identitätsforschung auf Harriersand<br />
wir jetzt diese doch sehr beschwerliche Reise hier wagen.<br />
Und es gab also auch schon in letzter Zeit immer wieder – na<br />
ja, meine Frau hat sich immer wieder Sorgen gemacht: mit dem<br />
kleinen Kind, weil wir jetzt alles verlassen haben und uns<br />
jetzt in eine ungewisse Zukunft begeben. Ich finde, die Aussichten,<br />
die wir haben, und worüber ich auch gelesen habe,<br />
und worüber hier Herr Münch auch erzählt hat, das war für<br />
mich so toll, dass ich dieses Wagnis eingehen möchte.<br />
Viele der Schiffs<strong>reisende</strong>n sind aus Altenburg, darunter<br />
finden sich sicherlich auch Bekannte von euch. Trotzdem kann<br />
ich mir gut vorstellen, dass ihr einiges in Altenburg verlassen<br />
musstet, du hattest sicherlich dort eine Werkstatt…<br />
Ja, ich hatte nicht nur eine Werkstatt, ich hatte ein<br />
ganz gut gehendes kleines Geschäft mit durchaus vieler Kundschaft<br />
bis hin zur Kirchenuhr, die ich auch mithergestellt<br />
und betreut habe, was doch eine ganz schön große Sache war<br />
für Altenburg. Ich kenne auch einige aus Altenburg, zum Beispiel<br />
den Apotheker, der auch mitreist. Wir haben uns da so<br />
etwas zusammengetan als die Leute, die jetzt, ich möchte<br />
nicht sagen gebildeter sind, aber doch des Lesens und des<br />
Schreibens mächtig. Und wir haben so eine kleine Gruppe gemeinsam<br />
gebildet und den anderen von den Dingen erzählt und<br />
sie auch so ein bisschen mitgerissen.<br />
Wir müssen jetzt Abschied winken vom Hafen.<br />
Nun denn, winken wir jetzt mal Abschied und hoffen wir,<br />
dass wir in eine bessere Zukunft fahren.<br />
Dominicus Dehner, 11, aus Weilheim in Hohenzollern<br />
(Mit<strong>reisende</strong>)<br />
Uns geht’s eigentlich gerade ganz gut, unsere ganze Familie<br />
ist unten, wir trödeln hier so rum, sind etwas müde,<br />
aber gut versorgt. Ich bin Dominicus Dehner und komme aus<br />
Hohenzollern, aus Weilheim, ich bin elf.<br />
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SOMMER - REPUBLIK<br />
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