reisende sommer - republik 2005 dokumentation
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werde versuchen, das auch auf dem Schiff weiterzumachen. Im<br />
Tagesablauf eines jeden Menschen Struktur zu haben, also<br />
feste Unterrichtszeiten zu haben, ist nicht nur für junge<br />
Menschen wichtig, sondern für Menschen aller Alterstufen.<br />
Gerade in so unruhigen und so ungewissen Zeiten ist es um so<br />
wichtiger, dass man feste Zeiten hat, an die man sich halten<br />
kann, und sich auch um andere Dinge kümmert, seinen Horizont<br />
erweitert.<br />
Mich würde noch die Geschichte interessieren, wie du<br />
deine Frau verloren hast, das klingt ja ganz tragisch.<br />
Ja, das stimmt. Sie war einfach durch die drei Kinder,<br />
die sie bekommen hat, zwei davon sind nach der Geburt gestorben,<br />
sehr geschwächt und hat die Strapazen der Wanderung<br />
schon an Land nicht geschafft. Im Grunde hatte sie schon<br />
aufgegeben, bevor die eigentliche Reise nach Amerika anfing,<br />
also bevor die Seereise anfing. Und dann ist sie an Land<br />
geblieben. Sie hat es nicht mal bis zur Küste geschafft, was<br />
ich sehr schade, sehr traurig finde. Andererseits ist dann<br />
der Entschluss zu gehen, der ist mir noch leichter gefallen.<br />
Ist deine Tochter begeistert von der Idee, jetzt nach<br />
Amerika zu gehen?<br />
Das ist eine gute Frage. Auf die Kinder Rücksicht zu nehmen<br />
– jeder sagt, man nimmt auf die Kinder Rücksicht, und<br />
man macht alles wegen der Kinder, aber ob das wirklich so<br />
ist, vermag ich gar nicht zu sagen – ich glaube, in Wirklichkeit<br />
ist es ganz selten so, dass man Sachen wegen der<br />
Kinder macht. Meistens schiebt man das nur vor. Ich kann da<br />
nicht drauf antworten, das wird sich später herausstellen.<br />
Was noch sicherer ist, dass man am Ende von Amelies Leben<br />
Amelie befragt.<br />
Vielleicht kann ich sie noch finden.<br />
Ja, ich hoffe es, sie müsste ja eigentlich hier sein. So,<br />
ich glaube, der Unterricht fängt gleich an.<br />
10<br />
Identitätsforschung auf Harriersand<br />
Johanna Daum, w, 34, aus Altenburg in Sachsen<br />
(Esther Steinbrecher, Berlin)<br />
Im wirklichen echten Leben jetzt bin ich Esther Steinbrecher<br />
und hier bin ich Johanna Daum. Ich bin zusammen mit<br />
meinem Mann und meinem Sohn, die beide Karl heißen, ausgewandert.<br />
Seid ihr schon in Amerika jetzt?<br />
Nein, wir sind auf dem Weg nach Amerika. Zwischendeck,<br />
schön, Zwieback, eingepackt und so.<br />
Ich habe gehört, ihr wart auf der Insel, auf Harriersand,<br />
dahin hat es euch verschlagen, weil euer Schiff nicht kam.<br />
Wie war die Zeit dort?<br />
Das war sehr sehr schön, weil Platz war. Auf dem Schiff<br />
ist es ja eher eng und so schlechte Luft, schlechtes Atmen<br />
und auf der Insel fand ich es eigentlich gar nicht so<br />
schlecht.<br />
Gibt es Streitigkeiten jetzt auf dem Schiff?<br />
Ja. Ja, ja, weil man halt so eng zusammen lebt, klar.<br />
(Oliver kommt vorbei) Das ist übrigens der Mann, der mich<br />
immer angrabscht. Das ist nämlich auch ein Problem auf dem<br />
Schiff, dass die Männer immer die Frauen angrapschen. (Peter<br />
kommt vorbei) Das ist übrigens der andere Mann, der mich immer<br />
angrabscht auf dem Schiff. Die sind zwei. (Peter fragt<br />
etwas) Und der versteht auch nicht, wenn man ihm was sagt.<br />
Die verstehen gar nichts. Nee, es ist eng auf dem Schiff. Es<br />
gibt immer Streitigkeiten ums Essen.<br />
Wie wird das Essen verteilt, wer hat es, wer wacht über<br />
das Essen?<br />
Das wird eingesammelt, bevor man aufs Schiff geht. Also<br />
man bringt was mit, aber es wird eingesammelt. Und es wird<br />
quasi von der Schiffscrew dann verteilt.<br />
11<br />
SOMMER - REPUBLIK<br />
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