reisende sommer - republik 2005 dokumentation
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Aber da die Brüder mitgereist sind, dann fällt das wahrscheinlich<br />
auch unter den Bruder.<br />
Oder unter Familie. In der Landwirtschaft hat sie bestimmt<br />
nicht gearbeitet, der eine Bruder ist Böttcher und<br />
der andere ist Musiker. Der eine baut die Trommel und der<br />
andere haut drauf. Und sie war eben die Schwester. Es gab ja<br />
auch so Familien, wo man einfach Schwester sein konnte. Da<br />
musste man sich um das Haus kümmern, aber mehr vielleicht<br />
auch nicht. Ich meine, wenn sie verheiratet wäre, hätte sie<br />
auch Kinder gehabt. Dann hätte sie auch ihre Kinder mitgebracht.<br />
Vielleicht war sie auch kinderlos glücklich. Man<br />
weiß es nicht.<br />
Hermine Flach, 7, aus Budingen in Hessen<br />
(Andrea Gerlach, aus Karlsruhe)<br />
Mein Name ist Hermine Flach. Ich bin sieben Jahre alt und<br />
will gar nicht mit meinem Vater nach Amerika. Lieber will<br />
ich hier auf der Insel bleiben, weil es hier so schön ist.<br />
Der Strand und die Menschen. In Amerika soll ich zur Schule<br />
gehen bei meiner Tante, die ich aber gar nicht kenne. Wenn<br />
ich hier am Wasser sitze, träume ich und stelle mir vor, wie<br />
es wäre, wenn meine Mama auch hier wäre und wir zusammen etwas<br />
im Sand bauen könnten. Ich kenne meine Mama nicht wirklich,<br />
sie lebt schon lange im Himmel. Aber sie beschützt<br />
mich. Gut ist aber, dass Karl Becker auch hier ist. Wir sind<br />
gute Freunde geworden und haben viel Spaß.<br />
Martin Karl Homby, 38, Lehrer, Prag in Böhmen<br />
(Olaf Dielenschneider, 37, Lehrer)<br />
Als Martin Karl Homby komme ich aus Prag in Böhmen und<br />
bin mit meiner – ich nehme an, es ist meine Tochter Amelie<br />
unterwegs, die 19 Jahre alt ist, die aber in Hamburg wohnt<br />
und nicht in Prag, ich kann dir nicht sagen, warum. Ich kann<br />
8<br />
Identitätsforschung auf Harriersand<br />
dir auch nicht sagen, warum ich nach Amerika auswandere, ob<br />
das aus der Not heraus oder aus Abenteuerlust geschieht. Irgendwas<br />
muss passiert sein. Und ich weiß auch nicht, ob ich<br />
als Lehrer gearbeitet habe. Ich hab keine Ahnung, ich wünsche<br />
mir auf jeden Fall viel Glück in Amerika.<br />
Was für ein Lehrer bist du im wirklichen Leben? Darüber<br />
kannst du dir vielleicht überlegen, was Martin macht und ihm<br />
eine Geschichte erfinden: Warum zum Beispiel wohnt die Tochter<br />
in Hamburg und der Vater in Prag. Vielleicht ist das nur<br />
die Herkunft der Tochter, die schon längst beim Vater in<br />
Prag wohnt. Wie habt ihr überhaupt von der Aufforderung zur<br />
Auswanderung gehört? Wie seid ihr nach Gießen und dann nach<br />
Harriersand?<br />
Ja, das war schon eine Odyssee auf dem Festland, bevor<br />
wir dann auf Harriersand gestrandet sind mit vielen Umwegen<br />
und vielen Entbehrungen. Auf dem Weg dahin habe ich meine<br />
Frau verloren. Jetzt sind nur noch meine Tochter und ich übrig<br />
geblieben. Da ich schon in Böhmen und auch in Hamburg,<br />
wo wir dann später gewohnt haben, bevor wir nach Gießen gekommen<br />
sind, festgestellt habe, dass Lehrer einer der wichtigsten<br />
und schönsten Berufe ist, nehme ich meine Motivation,<br />
nach Amerika zu fahren, auch daher, dass ich denke,<br />
sich um die jungen Leute zu kümmern und um die Kinder zu<br />
kümmern, ist immer eine gute Investition und ist eine der<br />
wichtigsten Sachen. Deswegen finde ich es wichtig, mit der<br />
Gruppe nach Amerika zu fahren.<br />
Was bist du für ein Lehrer?<br />
Grundschullehrer. Ich unterrichte alles.<br />
Unterrichtest du jetzt auch auf der Reise, also auf dem<br />
Weg von Gießen nach Harriersand und auf Harriersand. Gibt es<br />
da so etwas Ähnliches wie eine Schule oder wie Unterricht?<br />
Ja, wir haben eine Schule aufgemacht, das heißt, wir haben<br />
kein Klassenzimmer gehabt, wir haben uns bei gutem Wetter<br />
an den Strand gesetzt und Unterricht gemacht und ich<br />
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SOMMER - REPUBLIK<br />
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