reisende sommer - republik 2005 dokumentation

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„raus fiel“ und beachteten in der geprobten Aufnahmesituation wesentliche Grundregeln, wie etwa Stillsein, wenn jemand anders gerade dran ist, oder Bescheid sagen, wenn man bereit zum Drehen ist. Am Drehtag arbeiteten alle Kinder trotz der eigenen inneren Aufregung mit großer Konzentration mit, erzählten vor der Kamera erst frei ihren Lieblingswunschtraum und erläuterten uns auf Nachfrage dann auch gerne die Details. Selbst das eine Kind, Moritz, welches nicht von seinem Wunsch sprechen mochte, sagte uns dieses vor der laufenden Kamera, so dass auch seine Haltung in den Film mit aufgenommen werden konnte. Ähnlich wie beim Bildermalen, waren glaube ich alle Kinder, besonders die eher schüchternen, hinterher sehr stolz, die Herausforderung gemeistert zu haben. Als die Kinder nach der Sommerferienpause – also etwa sieben Wochen nach dem Drehtag – den fertigen Film zum ersten Mal gemeinsam in ihrem Klassenzimmer anschauten, war die Spannung kaum zu bändigen. Dennoch wurde mit großer Aufmerksamkeit zugeschaut und zugehört. Für fast alle Kinder war es schwer auszuhalten, sich selbst auf dem Bildschirm zu sehen. Wer jeweils gerade im Film gezeigt wurde, versteckte oft den Kopf unter den Armen, kicherte nervös oder schaute weg, wurde aber von der Klassengemeinschaft in dieser schwierigen Situation unterstützt: Freundinnen und Freunde streichelten beruhigend einander den Rücken, hielten sich an den Händen oder warfen sich Blicke voller aufgeregten Mitgefühls zu. Nach der Vorführung um ihre Meinung gefragt, fanden alle den Film toll – manche mit dem Zusatz: „Außer mir selbst, - weil ich blöd aussah, - weil ich an den Haaren gezippelt habe, - weil mir mein Bild nicht gefällt“ oder „- weil ich mich bisschen angeberisch fand.“ Vielen gefiel aber auch alles; sie nannten als Gründe: „- dass fast alle mitgemacht haben, - dass es sich angefühlt hat, wie ein Profi beim Interwiew“ oder „dass es einfach schön war.“ Manche bemerkten schlichtweg: „Ich fand auch mein Bild toll!“ oder riefen: „Noch mal!“ Eine Sache wurde ganz besonders diskutiert: „Ich fand es gut, dass Moritz nein gesagt hat, denn wenn jemand nicht will, dann muss er auch nicht.“ „Ja,“ fügte ich hinzu, „und vor allen Dingen hat er uns trotzdem erlaubt, im Film zu zeigen, wie er nein sagt!“ Ein Kind ergänzte: „Das ist auch mutig!“ und ein anderes erwiderte: „Aber ich fand es nicht gut, dass er nicht erzählt hat.“ „Warum?“ „Weil ich seinen Traum gerne gehört hätte.“ Wenn die Kinder nun zu Hause in Ruhe, alleine, mit Freunden, Eltern oder Geschwistern den Film nochmals betrachten, wird sicherlich die inhaltliche Beschäftigung mit dem Erlebten, Gemalten und Gesagten weitergehen. Der Film ist ein sichtbares Ergebnis einer schönen und aufschlussreichen Arbeit miteinander; eine der vielen unsichtbaren und privaten Folgen möchte ich hier noch schildern. Die Kunstlehrerin der 10 Klasse erzählte mir von einem Gespräch mit der Mutter eines beteiligten Kindes: Ihr Kind sei neuerdings wie umgewandelt; es ginge nun, ganz im Gegensatz zu vorher, jeden Tag gut gelaunt, freiwillig und fröhlich zur Schule. Der entstandene Film ist nicht nur jetzt, sondern bleibt auch in Zukunft sichtbar. Lieblingswunschträume sind wandelbar, und vielleicht hätten viele Kinder zu einem anderen Zeitpunkt unter anderen Bedingungen einen veränderten oder einen weiteren Lieblingswunschtraum formuliert. Jeweils einen aber enthält nun der Film. Wie es für die Kinder sein wird, später als Erwachsene sich selbst und ihren Lieblingswunschtraum erneut anzusehen und zu hören – vielleicht gemeinsam mit ihren eigenen Kindern – das ist jetzt noch kaum vorstellbar. Den außen stehenden Betrachtern kann der Film vielleicht Referenz und Brücke zu kindlichen Wahrnehmungen und Wünschen sein, für die Beteiligten aber enthält er eine fixierte biografische Referenz. Das ist wünschenswert, wie ich finde. Denn selbst wenn wir uns ans eigene kindliche Empfinden erinnern können und wollen, so unterliegt doch das Erinnern komplexen, nicht steuerbaren Strukturen und Mechanismen des Ausschlusses und der Konstruktion – meist ohne die Chance, Erinnertes mit filmischen Momenten vergangener persönlicher Wirklichkeiten abzugleichen. Perspektiven Die entstandenen Aufnahmen und die erlebten Erfahrungen können in weitere (medienpädagogische) Projekte der beteiligten Schule und der Schüler einfließen. Auch für meine und unsere weitere „erwachsene“ Beschäftigung mit der Frage nach den Utopien können sie Platz in neuen künstlerischen Zusammenhängen finden, die philosophische Diskussion konkret und lebendig bereichern, oder weitere Prozesse anregen. Mein Projekt ist so oder ähnlich auch an anderen Orten und mit anderen Menschen erneut durchführbar. So wünsche ich mir z.B., bei weiteren Arbeiten über „private Utopien“ auch nach einem körperlichen Ausdruck der Lieblingswunschträume zu suchen, mit Kindern unterschiedlicher Kulturen zu arbeiten und verschiedene „private Utopien“ in einen Dialog miteinander zu bringen. Auch der Filmemacher Peter Roloff von maxim film ist hierfür zu weiteren Kooperationen gerne bereit. Die Projektarbeit hat mich natürlich unvermeidlich auch vor die Frage nach meinen eigenen „privaten Utopien“ gestellt. Was wäre eigentlich mein Lieblingswunschtraum, sollte ich ihn hier und jetzt formulieren? Ich habe keine eindeutige Antwort finden können. Vielleicht wohnt ja eine persönliche Utopia in jedem von uns. Mit meiner eigenen werde ich sicher noch oft das Gespräch suchen; ich glaube, es lohnt sich. 11 SOMMER - REPUBLIK 36
Dank Ohne diese Menschen wäre mein Projekt utopisch geblieben: Oliver Behnecke und Peter Roloff „Inselkongress 2005 – Ausflug in die Utopien“ Förderer: Kulturinvestitionsfonds Bremen, Der Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen, Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur Niedersachsen e.V. Christine Boyer und Sigrid Schwerte, Pädagoginnen Silvia Heidmann-Abbee, Schulleiterin Schule an der Freiligrathstraße Bremen Die Kinder der Klasse 2a: Doreen, Marcel, Sevval, Eun-jin, Max, Joel, Celina, Verena, Victor, Ayleen, Moritz, Anna-Laure, Nicolas, Max, Kristin, Leon, Philine, Hannah, Emily, Julius, Victoria; sowie Batoul und Samanta Peter Roloff, Kamera und Produktion Manfred Hielscher, Montage maxim film, Bremen und Berlin Anaïs Marie Perier meine Tochter und mein bester Coach 12 Kontakt und Information Projekt und Filmregie Maja Maria Liebau Wendtstr. 23 28203 Bremen Telefon/Fax: +49 421 7940948 Email: maja.ja@gmx.net Filmproduktion Peter Roloff maxim film Niederlassung Berlin Chausseestr. 17 10115 Berlin Telefon: +49 30 30 87 24 78 Fax: +49 30 30 87 24 79 Email: peter.roloff@maxim-film.de www.maxim-film.de Schulkooperation Christine Boyer Schule an der Freiligrathstraße Bremen Freiligrathstr.11 28211 Bremen Telefon: +49 421 36132 69 Fax: +49 421 59067 Email: cboyer@t-online.de Inselkongress 2005 – Ausflug in die Utopien Email: inselkongress@sommer-republik.de www.sommer-republik.de Projektrealisation: Frühjahr 2005 in Bremen Filmpremiere: 19.08.2005 beim Inselkongress auf der Weserinsel Harriersand Die Materialmappe mit Skizzen, Bildern und Utopias Briefen liegt zur Ansicht aus und ist weiterhin auf Anfrage bei Maja Liebau einsehbar. 13 SOMMER - REPUBLIK 37
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