reisende sommer - republik 2005 dokumentation
reisende sommer - republik 2005 dokumentation
reisende sommer - republik 2005 dokumentation
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Spielorte<br />
Für die Realisierung des Projektes wurden insgesamt 12 Spielorte innerhalb des S-Bahn-Geländes<br />
genutzt. Nach einer ersten Ortsbesichtigung erstellten wir einen groben Entwurf der einzelnen Stationen<br />
des Parcours. Zu Probenbeginn wurde dieser Entwurf von Viola Weltgen schließlich in die bildnerische<br />
Tat umgesetzt.<br />
Die ästhetische Gestaltung der Stationen sollte über das typische Büro-Arrangement von Schreibtisch<br />
und Stuhl hinausgehen. Wir wollten vielfältige räumliche Erlebnisse schaffen, von denen die Besucher<br />
bereits beim Öffnen der Tür überrascht werden.<br />
Es entstanden auch Szenarien, mit denen man zunächst nicht bei einem Behördengang rechnen würde.<br />
Bestes Beispiel hierfür war ein merkwürdiger „Maschinenraum“, in dem einer der Spieler subversives<br />
Gedankengut unter die Ausreisewilligen brachte. Hier hatten wir uns in der Inszenierung allein<br />
vom vorhandenen Raumcharakter leiten lassen, der von einem großen, stillgelegten Fahrstuhlmotor<br />
dominiert wurde. In diesem Fall blieb der Ort bildnerisch fast „naturbelassen“, während andere Räume<br />
durch prägnante Gestaltungselemente eine vollkommen neue Deutung erfuhren. So wurde beispielsweise<br />
das Wartezimmer der Amtsärztin – vormals ein leeres, fensterloses und atmosphärefreies Zimmer<br />
- im Stil eines andächtigen Altarraumes gestaltet. Hier warteten die Zuschauer, an einer Gebetsbank<br />
kniend, auf ihren Aufruf – und wurden dabei mit dem satirischen Werbefilm „Glückliche Ausreise!“<br />
unterhalten (infiltriert), der stilgerecht aus einem geschmückten Reliquienschrein gesendet wurde.<br />
Mit jeder sich öffnenden Tür begegneten die Zuschauer innerhalb des Parcours also einer neuen,<br />
kleinen Welt, auf die sie sich einstellen mussten. Trotz der sehr individuellen Raumgestaltung gelang<br />
es aber auch durchweg, den allen Räumen eigenen „maroden Charme“ aufrechtzuerhalten, so dass<br />
stets der Eindruck einer sich in Auflösung befindlichen Behörde erweckt wurde.<br />
Die Darsteller<br />
In (fast) allen Räumen stießen die Zuschauer<br />
auf „Amtspersonen“, mit denen sie in Interaktion<br />
treten mussten, um innerhalb des Parcours weiterzukommen.<br />
Alle Darsteller wurden uns vom Thalia Theater<br />
Halle zur Verfügung gestellt. Neben einem<br />
Schauspieler des Ensembles zählten dazu drei<br />
Praktikanten, zwei Regieassistentinnen, ein<br />
Requisiteur, sowie eine Theaterpädagogin und<br />
deren FSJlerin. Alle Beteiligten erwiesen sich als sehr engagierte und vor allem begabte Spieler, die<br />
sich auch im direkten Umgang mit dem Publikum bewährten. Allerdings muss man an dieser Stelle<br />
sagen: Glück gehabt! Denn ein erstes Treffen mit unserem Ensemble war erst drei Wochen vor der<br />
Premiere möglich, und wir mussten uns einfach darauf verlassen, dass alle Mitwirkenden zuverlässig<br />
und den ihnen gestellten Aufgaben gewachsen sein würden. Einen Plan B gab es nicht. Risiko!<br />
SOMMER - REPUBLIK<br />
118