reisende sommer - republik 2005 dokumentation
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AW Sehr viele Begabungen können aus verschiedenen Bereichen mitmachen, viele Projekte arbeiten auch mit Laien, die auch immer wieder dazustoßen können, die sich in diesen Projekten auch immer wiederfinden. Und da haben sich einige tragfähige Freundschaften daraus entwickelt. Das ist auf dem Level, auf dem ich das gerade mache, ein ganz toller Motor. Es ist auch sehr schön, dass das auf der freundschaftlichen Ebene laufen kann. Ist natürlich die Frage, wie weit das geht, je professionalisierter das wird, je mehr Raum das einnimmt, je mehr Zeit das einnimmt, geht das überhaupt? LL Ist dies das Ziel für dich? Oder ist es eine Dynamik die da drin steckt? Oder erschwert es das Improvisierte, Schnelle, was in den Projekten ja auch drinsteckt? AW Also Besserwerden ist ja immer relativ. Besserwerden ist ja nicht, ob ich jetzt professioneller werde. Besserwerden ist, wenn es ankommt. Wenn es nicht ankommt, was mache ich dafür? Ein Besserwerden, was jenseits der Professionalität liegt, oder eine Möglichkeit des Gutseins, das nicht mehr funktioniert, wenn man professionell gewisse Sachen macht, weil sie dann die Leichtigkeit verlieren oder unter ganz anderen Zwängen und Arbeitszusammenhängen stehen. Dann stehe ich unter dem Zwang, ich muss mit meinem Theaterprojekt meine Familie ernähren. Ich muss dazusagen, ich arbeite noch als Buchhändler halbtags, um das auch zu finanzieren. Andererseits ist natürlich der Wunsch da, das sich das Ganze irgendwann trägt. Ich habe dafür einen Fünf-Jahres-Plan entwickelt, den ich auch sehr konkret einhalte. Der erste Fünf- Jahres-Plan, den habe ich jetzt gerade beendet, und ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Eins der Ergebnisse ist, dass ich im kommenden Monat eine eigene Homepage haben werde. Ihr seht, es geht die Leiter richtig hoch. LL Was treibt dich zu deinen Projekten? Gibt es einen roten Faden, einen innersten Beweggrund? AW Na ja, der innerste Beweggrund für jeden Missionar ist ja auch er selber. Der Missionar, oder derjenige, der was mitteilen will oder was erreichen will oder neue Wege beschreiten oder Ziele für sich selber formuliert, der sucht Leute, die mitmachen, damit er für sich selber was verwirklichen kann, oder für sich neue Wege finden kann, wie er leben kann. Das ist eigentlich eine sehr egoistische Missionsarbeit, die ich da mache. Aber ich glaube, Albert Schweitzer oder andere, die Neues ausprobiert haben und die versucht haben, neue Strukturen zu schaffen und Leute mitgezogen haben, die haben das auch gemacht, weil sie fanden, das hat ihnen gut getan. LL Du willst demnächst einen Klub der Lehrer- und Pastorenkinder ins Leben rufen. AW Da werden wieder Jörg und ich zusammenarbeiten. Das hat dann wieder was mit meiner Sozialisation zu tun, ich bin sowohl Lehrer- als auch Pastorenkind und hatte und habe es insofern immer ein bisschen schwer. Beispiel: Wir gehen mit irgendeiner Gruppe in ein Restaurant – sagen wir der Plattdeutschkurs der Volkshochschule – und dann bin ich natürlich derjenige, der versucht, dafür zu sorgen, dass alle einen Tisch kriegen. Oder ich sehe, Frau Huber sitzt ein wenig seitlich und ich versuche dann mit ihr zu reden. Da ist dann wieder die Moral oder die Pflicht. Für diese Menschen mit diesen Problemen wollen wir dann einen Klub machen, der dann natürlich auch die adäquate, intelligente Unterhaltung bietet. (Info über Andrea Walter: www.interpicnic.de) SOMMER - REPUBLIK 114
FREUNDE VON FRAU SCHMIDT Auswärtiges Amt - Ein Behördenparcours Protokoll einer Versuchsanordnung Die Produzenten: FREUNDE VON FRAU SCHMIDT Das Regiekollektiv FREUNDE VON FRAU SCHMIDT wurde im Frühjahr 2005 von Esther Steinbrecher und Jörg Giese gegründet. Im September 2005 kam Viola Weltgen als Ausstatterin zur Gruppe hinzu. Die Arbeiten der FREUNDE VON FRAU SCHMIDT kennzeichnen offene, interaktive Dramaturgien und die Neugier auf ungewöhnliche Aufführungsorte. Jörg Giese und Esther Steinbrecher haben vor und nach der Gründung der FREUNDE VON FRAU SCHMIDT unabhängig voneinander als Regisseure auch in anderen Theaterformen gearbeitet. Für die gemeinsamen Aktionen laden Sie je nach Konzept weitere Performer ein, projektbezogen zu den FREUNDEN VON FRAU SCHMIDT zu stoßen. Als erstes gemeinsames Projekt entwarfen Jörg Giese und Esther Steinbrecher im Frühsommer 2005 den Behördenparcours Auswärtiges Amt für das Festival „Internationale Sommerschule 2005“ in Halle/Saale. Als eine Art „Preview“ wurde zusätzlich die Lecture Performance „Butterfahrt in die Utopien“ entwickelt, bei der das Konzept im Rahmen des „Inselkongress 2005“ auf Harriersand vorgestellt wurde. Der Ausgangspunkt „Welche Rolle spielt der Staat?“ – Das war die Frage, die das Thalia Theater Halle den Bewerbern für die Teilnahme an der „Internationalen Sommerschule 2005“ als Aufgabe stellte. Und wie so oft stand am Anfang die Herausforderung, die abstrakte inhaltliche Vorgabe eines Festivals in eine sinnliche Theaterform umzuwandeln. Im Nachhinein ist es immer schwierig zu rekonstruieren, wie eine Idee entsteht. Irgendwann stand einfach die Frage im Raum: „Was passiert eigentlich, wenn Deutschland pleite ist?“ - Als gefühltes Wissen ist dieser Sachverhalt ja schon lange bekannt. Aber was ist, wenn der Bankrott auch durch Sparen, Kürzen und Streichen nicht mehr aufgeschoben werden kann? Wenn er endgültig ist. Mit allen Konsequenzen. Wenn schon vom Staat nur noch als „Wirtschaftsstandort“ und „Deutschland AG“ die Rede ist, wird er dann auch wie eine Firma behandelt, die saniert werden muss? Zerschlagung, Umstrukturierung, Verkauf? Der zweite Impuls für die Entstehung des Auswärtigen Amtes war die Beobachtung, dass Staat zunehmend in Gestalt von Bürokratie wahrgenommen wird. Je mehr Menschen auf Sozialtransfers angewiesen sind, desto mehr haben auch mit Verwaltungsstrukturen und ihrer Eigengesetzlichkeit zu tun. SOMMER - REPUBLIK 115
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Sehr viele Begabungen können aus verschiedenen Bereichen mitmachen, viele Projekte<br />
arbeiten auch mit Laien, die auch immer wieder dazustoßen können, die sich in diesen Projekten<br />
auch immer wiederfinden. Und da haben sich einige tragfähige Freundschaften daraus<br />
entwickelt. Das ist auf dem Level, auf dem ich das gerade mache, ein ganz toller Motor. Es ist<br />
auch sehr schön, dass das auf der freundschaftlichen Ebene laufen kann. Ist natürlich die<br />
Frage, wie weit das geht, je professionalisierter das wird, je mehr Raum das einnimmt, je mehr<br />
Zeit das einnimmt, geht das überhaupt?<br />
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Ist dies das Ziel für dich? Oder ist es eine Dynamik die da drin steckt? Oder erschwert es das<br />
Improvisierte, Schnelle, was in den Projekten ja auch drinsteckt?<br />
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Also Besserwerden ist ja immer relativ. Besserwerden ist ja nicht, ob ich jetzt professioneller<br />
werde. Besserwerden ist, wenn es ankommt. Wenn es nicht ankommt, was mache ich dafür?<br />
Ein Besserwerden, was jenseits der Professionalität liegt, oder eine Möglichkeit des Gutseins,<br />
das nicht mehr funktioniert, wenn man professionell gewisse Sachen macht, weil sie dann die<br />
Leichtigkeit verlieren oder unter ganz anderen Zwängen und Arbeitszusammenhängen stehen.<br />
Dann stehe ich unter dem Zwang, ich muss mit meinem Theaterprojekt meine Familie ernähren.<br />
Ich muss dazusagen, ich arbeite noch als Buchhändler halbtags, um das auch zu finanzieren.<br />
Andererseits ist natürlich der Wunsch da, das sich das Ganze irgendwann trägt. Ich habe<br />
dafür einen Fünf-Jahres-Plan entwickelt, den ich auch sehr konkret einhalte. Der erste Fünf-<br />
Jahres-Plan, den habe ich jetzt gerade beendet, und ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem<br />
Ergebnis. Eins der Ergebnisse ist, dass ich im kommenden Monat eine eigene Homepage<br />
haben werde. Ihr seht, es geht die Leiter richtig hoch.<br />
LL<br />
Was treibt dich zu deinen Projekten? Gibt es einen roten Faden, einen innersten Beweggrund?<br />
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Na ja, der innerste Beweggrund für jeden Missionar ist ja auch er selber. Der Missionar, oder<br />
derjenige, der was mitteilen will oder was erreichen will oder neue Wege beschreiten oder Ziele<br />
für sich selber formuliert, der sucht Leute, die mitmachen, damit er für sich selber was verwirklichen<br />
kann, oder für sich neue Wege finden kann, wie er leben kann. Das ist eigentlich eine<br />
sehr egoistische Missionsarbeit, die ich da mache. Aber ich glaube, Albert Schweitzer oder<br />
andere, die Neues ausprobiert haben und die versucht haben, neue Strukturen zu schaffen und<br />
Leute mitgezogen haben, die haben das auch gemacht, weil sie fanden, das hat ihnen gut<br />
getan.<br />
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Du willst demnächst einen Klub der Lehrer- und Pastorenkinder ins Leben rufen.<br />
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Da werden wieder Jörg und ich zusammenarbeiten. Das hat dann wieder was mit meiner Sozialisation<br />
zu tun, ich bin sowohl Lehrer- als auch Pastorenkind und hatte und habe es insofern<br />
immer ein bisschen schwer. Beispiel: Wir gehen mit irgendeiner Gruppe in ein Restaurant –<br />
sagen wir der Plattdeutschkurs der Volkshochschule – und dann bin ich natürlich derjenige, der<br />
versucht, dafür zu sorgen, dass alle einen Tisch kriegen. Oder ich sehe, Frau Huber sitzt ein<br />
wenig seitlich und ich versuche dann mit ihr zu reden. Da ist dann wieder die Moral oder die<br />
Pflicht. Für diese Menschen mit diesen Problemen wollen wir dann einen Klub machen, der<br />
dann natürlich auch die adäquate, intelligente Unterhaltung bietet.<br />
(Info über Andrea Walter: www.interpicnic.de)<br />
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