NOTNUMMER 06 /11/28.JAHRG. SATIRE ... - iTALien - Magazin
NOTNUMMER 06 /11/28.JAHRG. SATIRE ... - iTALien - Magazin
NOTNUMMER 06 /11/28.JAHRG. SATIRE ... - iTALien - Magazin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
L a n d s c h a f t s l a m p e n<br />
von Eugen Egner<br />
Die Landschaft, die Krakauer an seinem ersten Arbeitstag zu sehen<br />
bekam, erinnerte ihn an eine alte, stark vernachlässigte Modelleisenbahn-Anlage.<br />
Die Gleiskörper waren wie nach einer schweren Privatisierung<br />
verbogen und verrottet, vereinzelt lagen umgekippte, vom langen<br />
Liegen halb aufgelöste Lokomotiven und Waggons herum. „Hoffentlich<br />
muss ich das nicht alles aufräumen“, dachte Krakauer ängstlich. Zu<br />
seiner Beruhigung sagte Ingenieur Heckel aber: “Wir überprüfen die<br />
Beleuchtung in der Landschaft und ersetzen, wo nötig, defekte Glühbirnen<br />
durch neue.“<br />
Dafür waren also die vielen Ersatzbirnen auf dem Handwagen gedacht,<br />
den Krakauer zog. „Hierzulande herrscht eine schwere Sonderform<br />
der Entropie“, fuhr Heckel fort. „Alles geht sehr schnell kaputt,<br />
vor allem Glühbirnen.“ Er zeigte auf einige Beleuchtungseinrichtungen,<br />
denen der Defekt deutlich anzusehen war. Heckel ließ sich ein paar intakte<br />
Birnen aus der fahrbaren Vorratskiste geben und demonstrierte,<br />
wie das Auswechseln vor sich ging. Ein Aus- und Einschrauben großen<br />
Stils fand statt, man geriet ins Schwitzen. Hin und wieder waren Laternenmasten<br />
zu erklimmen, was Krakauer aber höflich ablehnte.<br />
„Sie werden bald Nachschub aus der Glühbirnenfabrik holen müssen“,<br />
meinte der Ingenieur mit Blick auf den sich leerenden Handwagen.<br />
Was Krakauer noch nicht begriffen hatte, war, wo die nicht mehr<br />
funktionierenden Birnen beziehungsweise, wie Heckel einmal hervorhob,<br />
„Allgebrauchslampen“ blieben. Sie schienen sich nach dem Her-<br />
ausschrauben in Luft aufzulösen, denn weder gab es irgendwo ein Sammelgefäß<br />
für sie, noch wurden sie einfach in die Gegend geworfen. Statt<br />
sich danach zu erkundigen, fragte Krakauer: „Was ist das hier eigentlich<br />
für ein Planet? Oder Mond?“ Heckel stieg wieder zum Erdboden herab<br />
und sagte: „“Wir wissen auch nicht genau, was es ist. Es könnte sich um<br />
so etwas wie eine andere Dimension handeln. Lassen Sie uns weitermachen.<br />
Es ist noch viel zu tun, wenn auch die Vorräte schwinden.“<br />
Während er den rumpelnden Karren mit den klingelnd aneinanderschlagenden<br />
Glühlampen zog, wagte Krakauer eine weitere Frage:<br />
„Weiß man denn etwas über das hiesige Tageslicht? Ich finde es etwas<br />
eigenartig, wenn Sie erlauben.“ „Es wird von keiner Sonne erzeugt“,<br />
antwortete Heckel ganz sachlich. Krakauer wunderte sich: „Von keiner<br />
Sonne? Aber es ist doch hell hier!“ „Das ist tierisches Licht“, versetzte<br />
Heckel. Sein Assistent konnte es nicht fassen: „Wie bitte?“ – „Tierisches<br />
Licht, von Tieren gemacht.“ – „Nein!“ – „Doch! Das ist erforscht.<br />
Tiere machen das Licht, und wenn sie schlafen gehen, wird es dunkel.<br />
Deshalb installieren wir überall Beleuchtungskörper.“ Heckel weitete<br />
seinen Vortrag aus: „Der Strom für die Peitschen- und Promenadenlampen<br />
kann aus dem Buschbeleuchtungssystem entnommen werden. Man<br />
kann heute die Lampen leicht auswechseln, während man früher die<br />
ganze Leuchte wegwerfen mußte, wenn die winzige Birne defekt war.“<br />
Krakauer sah ihn bewundernd an und sagte: „Ich könnte Ihnen<br />
für immer zuhören!“<br />
kittihawk<br />
ITALIEN 13<br />
italien<strong>11</strong>6.indd 13 17.05.20<strong>11</strong> 21:40:36 Uhr