Informationsbroschüre als PDF - Flohrm hle - Samtgemeinde Eschede

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DIRK LEUNE Flohrmühle Eschede Die Chronik der alten Windmühle am Glockenkolk Heft l Aus der Geschichte der Samtgemeinde Eschede

DIRK LEUNE<br />

<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> <strong>Eschede</strong><br />

Die Chronik der alten Windmü<strong>hle</strong> am Glockenkolk<br />

Heft l<br />

Aus der Geschichte der <strong>Samtgemeinde</strong> <strong>Eschede</strong>


Aus der Geschichte der <strong>Samtgemeinde</strong> <strong>Eschede</strong>, Band 1<br />

Herausgeber: <strong>Samtgemeinde</strong> <strong>Eschede</strong> ©<br />

Erste Auflage:<br />

Missionshandlung Hermannsburg, 1981<br />

Erweitert und korrigiert: <strong>Samtgemeinde</strong>archiv <strong>Eschede</strong>, 2005


Zum Geleit<br />

Diese kleine Schrift, zur Einweihung der restaurierten „<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>“<br />

herausgegeben, nimmt das Geschehen um die Mü<strong>hle</strong> in <strong>Eschede</strong><br />

zum Anlass, ein Stück Orts- und Zeitgeschichte darzustellen und<br />

damit vielleicht Interesse an der Beschäftigung mit Vergangenheit<br />

und Gegenwart unserer Gemeinde zu wecken. Dafür haben wir dem<br />

Verfasser aufrichtig zu danken.<br />

Mit dem Dank verbinden wir die Hoffnung, dass anlässlich ähnlicher<br />

Ereignisse weitere Schriften folgen und auf diese Weise eine<br />

Ortschronik entsteht, denn wer die Gegenwart begreifen will, darf<br />

die Vergangenheit nicht vergessen.<br />

Die Gemeinde <strong>Eschede</strong> hat zum ersten Male in ihrer Geschichte<br />

beträchtliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, um ein dem<br />

Verfall preisgegebenes Zeugnis des dörflichen Lebens für die Nachwelt<br />

zu erhalten. Gemessen an den finanziellen Möglichkeiten unserer<br />

Gemeinde war dies kein leichter Entschluss, auch wenn der<br />

Landkreis Celle durch seine Zuweisung das Bemühen der Gemeinde<br />

voll unterstützte.<br />

Wie sehr der Gedanke der Heimatpflege auch in unseren Tagen von<br />

großen Teilen der Bevölkerung getragen wird, zeigt sich darin, dass<br />

die Einrichtungsgegenstände der Mü<strong>hle</strong> aus Leihgaben unserer<br />

Bürger bestehen.<br />

Unser Dank gilt abschließend allen, die uns mit Rat und Tat unterstützt<br />

haben, um den Erwerb und den Wiederaufbau des sonst dem<br />

Verfall unweigerlich preisgegebenen Mü<strong>hle</strong>nrumpfes zu ermöglichen.<br />

<strong>Eschede</strong>, im März 1981<br />

Heinrich Lange Joachim Hoppe<br />

Bürgermeister Gemeindedirektor


VORWORT<br />

Die vorliegende Chronik der „<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>“ soll Anfang einer Reihe<br />

von Veröffentlichungen aus der Geschichte <strong>Eschede</strong>s sein. Ganz<br />

bewusst wurde - aus Anlass der Mü<strong>hle</strong>nrestaurierung - ein Thema<br />

aus der Zeitgeschichte gewählt, denn die meisten Dokumente aus<br />

den Jahrzehnten zwischen 1900 und 1945 sind gegen Ende des<br />

Krieges vernichtet worden und es gilt soviel wie möglich aus der<br />

Erinnerung der Zeitgenossen zu sammeln und aufzuschreiben.<br />

Eine wichtige Stütze sind die Materialien zur geplanten Dorfchronik<br />

der ehemaligen Schulleiterin Hildegard Röhr, denen wir für dieses<br />

Thema die Angaben zur Geschichte der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> vor 1920 entnehmen<br />

konnten. Aber erst wenn interessierte Mitbürger in Erinnerungen,<br />

alten Fotoalben oder „Rummelschubladen“ kramen, lassen<br />

sich die vielen Lücken schließen, die unser Wissen um die letzten<br />

hundert Jahre in <strong>Eschede</strong> noch hat.<br />

Sicher wird mancher schon beim Lesen dieses Heftes Dinge dargestellt<br />

finden, die er anders in Erinnerung hat oder die er ergänzen<br />

kann. Für alle derartigen Hinweise sind wir sehr dankbar, denn wir<br />

wissen natürlich, wie leicht sich Irrtümer einsc<strong>hle</strong>ichen und wie<br />

schnell sich Vermutungen beim Weitererzä<strong>hle</strong>n in Gewissheiten<br />

verwandeln können.<br />

Schon während der Abfassung dieser Chronik erfuhren wir ständig<br />

neue Einzelheiten, die in denText eingearbeitet werden mussten<br />

oder erhielten Fotos, die die Bebilderung ergänzten, so dass der<br />

Termin der Veröffentlichung ständig hinausgeschoben wurde.<br />

Nun ist es endlich soweit - und das ist für mich Anlass, allen Mitarbeitern<br />

ganz herzlich zu danken. Mein besonderer Dank gilt Frau<br />

Margarete Alps, geb. Flohr, Frau Berta Barchfeld, geb. Flohr und<br />

Herrn Georg Barchfeld, die sich viele Male geduldig ausfragen


ließen, und mir auch einige private Fotos zur Verfügung stellten.<br />

Darüber hinaus danke ich Herrn August Felsmann für die Zeichnungen<br />

verschiedener Mü<strong>hle</strong>n, Herrn Albert Denecke für die Bereitstellung<br />

von Bildern und die Anfertigung von Schnittbildern<br />

der alten Windmü<strong>hle</strong> sowie Klaus Drögemüller von der <strong>Samtgemeinde</strong>verwaltung<br />

<strong>Eschede</strong>, der mich zu dieser Arbeit „anstiftete“,<br />

den Druck organisierte und den Satz herstellte.<br />

Selbstverständlich sind für die ersten Kapitel eine ganze Reihe<br />

anderer Veröffentlichungen zu Rate gezogen worden. Die einzelnen<br />

Zitate sind nicht gekennzeichnet, um die Lesbarkeit des Heftes<br />

zu erleichtern. Auf entsprechende Anmerkungen wurde ebenfalls<br />

verzichtet, um die vorgegebene Seitenzahl für Berichte und Bilder<br />

zu nutzen. Es ist aber vorgesehen, ein Exemplar der Mü<strong>hle</strong>nchronik<br />

mit allen diesen Angaben zu versehen und in der Gemeindebibliothek<br />

interessierten Lesern zugänglich zu machen.<br />

<strong>Eschede</strong>, im März 1981<br />

Dirk Leune<br />

Anmerkungen zur vorliegenden Ausgabe<br />

Fast ein Vierteljahrhundert ist nun seit der Einweihung der restaurierten<br />

<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> vergangen. Viel hat sie gesehen und erlebt in<br />

dieser Zeit: zahlreiche Trauungen, Ausstellungen und Veranstaltungen<br />

in ihrem Innern und rundherum, auch immer wieder notwendige<br />

Restaurierungsarbeiten.<br />

Da das Heft zur Geschichte der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> schon seit geraumer<br />

Zeit völlig vergriffen ist, aber immer wieder danach verlangt wird,<br />

wurde diese etwas erweiterte (teilweise berichtigte) Druckausgabe<br />

erstellt.<br />

<strong>Eschede</strong>, im Februar 2005<br />

Kurt-W. Seebo


VOM REIBSTEIN ZUR WINDMÜHLE<br />

Irgendwann, vor Tausenden von Jahren, begannen die Menschen<br />

Gerichte aus Körner zu bereiten.Aus dem Steppengras der Sammlerhorden<br />

züchteten Bauern der Jungsteinzeit Getreide. Seither brauchte<br />

man auch Geräte zum Zerkleinern der Körner. Viele Jahrhunderte<br />

hindurch war das Ma<strong>hle</strong>n eine langwierige und mühevolle Hausarbeit,<br />

die Frauen oder Sklaven mit Hilfe primitiver Steingeräte<br />

verrichteten (Abbildung 1).<br />

Die Entwicklung der „Quernen“ (Abbildung 2) erleichterte die Arbeit<br />

ein wenig. Der Läuferstein war durch eine Achse oder einen<br />

Rand festgehalten, und die Drehbewegung ist arbeitstechnisch angenehmer,<br />

<strong>als</strong> das Hin- und Herrollen eines losen Steins. Quernen<br />

wurden noch vor 200 Jahren im Solling <strong>als</strong> Haushaltsmü<strong>hle</strong>n hergestellt,<br />

dienten aber zu dieser Zeit wohl nur <strong>als</strong> Gewürzmü<strong>hle</strong>n.<br />

Der Begriff wurde in älterer Zeit aber auch auf die mechanischen<br />

Mü<strong>hle</strong>n übertragen. So findet er sich in unserer „Quarmü<strong>hle</strong>“ (früher<br />

„Quernemole“) und die Mü<strong>hle</strong>nstadt Hameln hieß früher<br />

„Quernhameln“.<br />

Die ältesten Mahlwerkmaschinen sind Wassermü<strong>hle</strong>n. Sie wurden<br />

vor etwa 2000 Jahren im Mittelmeerraum entwickelt und zur Römerzeit<br />

nach Deutschland gebracht. Vor rund tausend Jahren waren<br />

sie überall verbreitet.<br />

Eine Beschreibung der vielen verschiedenen Arten des Wasserantriebs<br />

würde über den Rahmen dieser Veröffentlichung hinausgehen;<br />

jedenfalls wirkten auch in unserer Heimat die Müller des<br />

Mittelalters stets in Wassermü<strong>hle</strong>n.<br />

Erst einige Jahrhunderte später gab es in Deutschland eine nennenswerte<br />

Anzahl von Windmü<strong>hle</strong>n. Über den Beginn ihres Aufkommens<br />

in Westeuropa streiten sich noch die Gelehrten (bis hin<br />

zum Vorwurf der Quellenfälschung!).<br />

6


Abb. 1: Reibstein. Zum Ma<strong>hle</strong>n hockte man auf den Knien und rollte<br />

die Steinkugel auf der Unterlage.<br />

Abb. 2: Querne. Die steinerne Drehmü<strong>hle</strong> wurde von oben<br />

gefüllt. Die Öffnung an der Vorderseite hieß im Volksmund<br />

„Kleikotzer“.<br />

7


Es handelte sich zunächst immer um die ganz aus Holz gebauten<br />

Bockwindmü<strong>hle</strong>n (Abbildung 3) deren gesamtes Gehäuse mit Hilfe<br />

eines Balkens (Steert) über einem Holzfundament (dem „Bock“)<br />

in den Wind gedreht werden konnte. In unserem Landkreis ist ein<br />

schönes Exemplar in Winsen/Aller erhalten.<br />

Da bei dieser Mü<strong>hle</strong> das ganze Gewicht auf dem Drehpunkt des<br />

Holzbockes lag, ließ sie sich nicht beliebig vergrößern. So entstand<br />

<strong>als</strong> Weiterentwicklung die Holländerwindmü<strong>hle</strong>. Das Prinzip eines<br />

festen Hauses mit drehbarem Oberteil hatte schon Leonardo da<br />

Vinci, der vielseitige Künstler und Techniker, um 1500 skizziert.<br />

Es dauerte aber noch fast 200 Jahre, bis sie sich von Holland her im<br />

nördlichen Mitteleuropa durchsetzten.<br />

Während im Küstengebiet die mehrstöckigen „Galerieholländer“<br />

überwiegen, gab es im Kreis Celle nur „Erdholländer“ (Abbildung<br />

5). Die Kappe beider Typen wurde entweder – wie in <strong>Eschede</strong> –<br />

mit einer Balkenkonstruktion per Hand, oder durch eine Windrose<br />

gedreht.<br />

8<br />

Abb. 3: Bockwindmü<strong>hle</strong>.


Abb. 4: Erdholländer.<br />

Diesem Mü<strong>hle</strong>ntyp<br />

entspricht auch die<br />

<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>.<br />

Abb. 5: Galerieholländer.<br />

Mü<strong>hle</strong>n dieses Typs sind vor<br />

allem im Küstenraum<br />

verbreitet.<br />

9


MÜLLERSLEUTE UND MÜHLENHERREN<br />

Mü<strong>hle</strong>n wurden bis ins frühe 19. Jahrhundert vom – adligen –<br />

Grundherrn eingerichtet. Er schuf die rechtlichen Voraussetzungen,<br />

wies Grundstück und Bauholz zu, veranlasste Wasserbaumaßnahmen,<br />

bestellte und überwachte die Pächter und entließ<br />

sie bei Misswirtschaft. Mit der Einrichtung der Mü<strong>hle</strong> wurden ihr<br />

auch bestimmte Dörfer zugeteilt („Mahlzwang“) in denen dann<br />

das Benutzen von Handmü<strong>hle</strong>n bei Strafe verboten war.<br />

Unsere Altvorderen werden den technischen Fortschritt kaum freudig<br />

begrüßt haben, denn selbstverständlich war das herrschaftliche<br />

Ma<strong>hle</strong>n mit einer Abgabe (der „Matte“, von „Maß“) verbunden,<br />

die der Müller einzog – und behördliche Gebühren waren im Mittelalter<br />

so unbeliebt wie heute.<br />

Dem Müller oblag der Mü<strong>hle</strong>nbetrieb und meistens auch die Erhaltung<br />

der Brücke über den Mü<strong>hle</strong>nbach. Daneben benötigte er<br />

eine kleine Landwirtschaft zur Selbstversorgung und durfte gelegentlich<br />

einen Ausschank für wartende Kunden betreiben.<br />

Als unfreie Pächter und mögliche Vertraute des Grundherrn waren<br />

die Müller bei den Bauern nicht sonderlich geschätzt. Man verdächtigte<br />

sie immer der Unehrlichkeit; denn niemand konnte überprüfen<br />

ob dem Kunden wirklich alles Korn vermä<strong>hle</strong>n wurde, oder<br />

ob der Müller neben der „Matte“ noch etwas beiseite schaffte. Jedenfalls<br />

soll den Müllern nicht überall das Halten von Federvieh<br />

und mehr <strong>als</strong> drei Kühen gestattet worden sein, um die Verlockung<br />

zum Untersc<strong>hle</strong>if in Grenzen zu halten.<br />

Müller galten im Mittelalter – und das dauerte wirtschaftsrechtlich<br />

bei uns oft bis ins 19. Jahrhundert – <strong>als</strong> „unehrliche“ Leute. Sie<br />

teilten diese Einschätzung mit Schäfern, Abdeckern, Henkern und<br />

fahrendem Volk, Berufsständen, die entweder „unreine “ Tätigkeiten<br />

ausübten oder keiner Nachbarschaftskontrolle unterlagen.<br />

10


Diese Menschen wurden nicht in Handwerkszünfte aufgenommen<br />

und hatten noch <strong>als</strong> Kinder und Enkel rechtliche Nachteile.<br />

Die Müller waren wohl auch deswegen betroffen, weil ihre Mü<strong>hle</strong><br />

– manchmal weit außerhalb des Dorfes – <strong>als</strong> verschwiegener Treffpunkt<br />

für Pärchen oder lichtscheue Gestalten galt. Ob auch noch<br />

alte germanische Vorstellungen im Spiel sind, wonach der Müller<br />

den einstm<strong>als</strong> heiligen Naturkräften Wind und Wasser Gewalt antut,<br />

lässt sich nicht mehr sicher beantworten. Jedenfalls erzä<strong>hle</strong>n Märchen,<br />

Sagen und Spukgeschichten, in denen vermutlich viele alte<br />

Glaubensvorstellungen fortwirkten, häufig von Müller und Mü<strong>hle</strong>n.<br />

Ein Beleg für das Verhältnis von Bauer und Müller findet sich in<br />

einem Aufsatz des Heimatforschers Friedrich Barenscheer über die<br />

Bröckeler Windmü<strong>hle</strong> von 1861 – sozusagen eine „Schwester“ der<br />

<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>. Hier sind ein paar Verse abgedruckt, die vom damaligen<br />

Dorfvorsteher und Gelegenheitsdichter Christian Berkhan<br />

(Bröckel) stammen und <strong>als</strong> Abschluss dieses Kapitels dienen sollen.<br />

Man drischt das Korn und macht es rein<br />

und tut es in den Sack hinein;<br />

man bringt es nach der Mühl hinauf,<br />

doch warten da schon viere drauf.<br />

Erst nimmt der Wind sein Teil in Staub<br />

und führt ihn weg <strong>als</strong> seinen Raub,<br />

die Müller tun viel darauf rechnen<br />

und tun gar viel vom Staube sprechen.<br />

Die Mü<strong>hle</strong> will auch etwas haben<br />

und sich für ihre Arbeit laben;<br />

dieselbe hat dann viele Ecken,<br />

darin sie kann ihr Teil verstecken,<br />

und wenn dies dann die Müller finden,<br />

dies sind ja doch wohl keine Sünden.<br />

11


Die Müller sind dann noch viel kecker,<br />

sie greifen mit’n Toftern Becher<br />

in jeden Himpten mal hinein,<br />

und wenn sie sich nicht sicher sein,<br />

ob sie die Matte schon bekommen,<br />

so wird sie gleich nochmal genommen!<br />

Jetzt denkt man, ist das Geben aus,<br />

man will jetzt mit dem Rest nach Haus<br />

und kommt man an die Türesschwelle,<br />

da steht dem Müller sein Geselle,<br />

auch dieser will noch eine Gabe,<br />

weil er die Mühl’ gestellet habe.<br />

GETREIDEMÜHLEN IM GEBIET DER HEUTIGEN SAMT-<br />

GEMEINDE ESCHEDE<br />

Habighorst<br />

Die älteste Mü<strong>hle</strong> in Habighorst lag etwa 500 Meter vor der Mündung<br />

des Quarmbaches in die Aschau. Laut einer Urkunde aus dem<br />

Jahr 1417 wurde der Sattelhofbesitzer Luderus Havichorst nebst<br />

einer Kote und zwei Höfen in Habighorst mit dieser Mü<strong>hle</strong> belehnt.<br />

Später wurde noch eine Mü<strong>hle</strong> direkt im Dorf an der Aschau angelegt.<br />

Sie gehörte auch dem Gute und wurde zum Unterschied von<br />

der alten Mü<strong>hle</strong> die „Hasselmü<strong>hle</strong>“ genannt. Im Jahre 1589 sind<br />

beide Mü<strong>hle</strong>n bzw. Müller für Habighorst genannt: der „Haßelmoller“<br />

und der „Quermoller“. Nach der Quarmü<strong>hle</strong><br />

(„Quernemole“) erhielt der „Quarmbeck“, der Mü<strong>hle</strong>nbach, seinen<br />

Namen.<br />

Während die Aschaumü<strong>hle</strong> noch heute an der gleichen Stelle liegt,<br />

hatte die Quarmü<strong>hle</strong> eine bewegtere Geschichte. Während des Dreißigjährigen<br />

Krieges war sie eingegangen. In einer Eingabe aus dem<br />

Jahr 1675 heißt es: „Die hievor in den Kriegszeiten verwüstete<br />

12


Quermü<strong>hle</strong>.“ Erst Jahrzehnte später wurde sie durch Initiative des<br />

Rittergutsbesitzers Georg Ernst von Melville wieder aufgebaut. 1870<br />

wurde das alte Gebäude abgetragen.<br />

An der Stelle wurde das gleichnamige Ausflugslokal „Quarmü<strong>hle</strong>“<br />

errichtet, das 1983 abbrannte und abgerissen wurde.<br />

Marwede<br />

Die Marweder Mü<strong>hle</strong> wird im Schatzregister von 1438 erwähnt.<br />

Ihr wirtschaftliches Auf undAb im Laufe der Jahrhunderte hat Paul<br />

Borstelmann im Sachsenspiegel vom 27.9.1975 ausführlich beschrieben.<br />

Besondere Bedeutung hatte sie vermutlich im 17. Jahrhundert,<br />

<strong>als</strong> sie Bäckerei und Konditorei des königlichen Jagdschlosses<br />

Weyhausen beliefern musste. In dieser Zeit war auch eine Sägemü<strong>hle</strong><br />

angeschlossen worden. Der Mahl- und Sägebetrieb wurde<br />

bis in die jüngere Vergangenheit fortgesetzt.<br />

Endeholz<br />

Auf eine Mü<strong>hle</strong> in Endeholz deutet der Flurname „Mö<strong>hle</strong>nbrink“.<br />

Dort fand man bei der Anlage von Stauwiesen im Jahr 1874 Mühlsteine<br />

undGeräte. Diese Mü<strong>hle</strong> wurde anscheinend schon sehr früh<br />

aufgegeben und wegen der Nähe von Marwede und Bargfeld wohl<br />

nicht neu eingerichtet.<br />

Höfer<br />

In dem genannten Zinsverzeichnis der Großvogtei Celle ist 1438<br />

ein „Evert Muller to Höfer“ genannt. Ein Mü<strong>hle</strong>nstandort war allerdings<br />

bis vor kurzem nicht bekannt. Erst durch Grabungen Ende<br />

der siebziger Jahre wurde der Platz eindeutig an der Aschau, südlich<br />

des Dorfes, festgestellt. Mehr darüber findet sich in der Ortschronik<br />

Höfer von Rektor Wittmann, die Anfang 1981 erscheinen<br />

wird.<br />

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Abb. 6:<br />

Die Aschaumü<strong>hle</strong> in Habighorst. Zeichnung von August Felsmann.


Abb. 7:<br />

Die alte Luttermü<strong>hle</strong> in Marwede. Zeichnung von August Felsmann.


<strong>Eschede</strong><br />

Eine Mü<strong>hle</strong> (oder nur ein Einwohner namens Müller?) soll für 1377<br />

urkundlich erwähnt sein. Falls es sie wirklich gegeben hat, ist es<br />

sicher eine Wassermü<strong>hle</strong> gewesen, die an der Aschau lag. Eine<br />

kleine Spur findet sich im Flurnamenverzeichnis, das östlich des<br />

Habighorster Weges einen „Beckmanns Mö<strong>hle</strong>nkamp“ nennt. Das<br />

Flurstück gehörte <strong>als</strong>o zum Beckmann-Alps-Hof in der Osterstraße,<br />

dessen Gelände ja an die Aschau grenzte. Bei entsprechender Spatenforschung<br />

lassen sich vielleicht auch in unserem Ort – wie in<br />

Höfer und Endeholz – noch Reste von Fundamenten und Geräten<br />

finden, die dann präzise Aussagen erlauben.<br />

Außerdem gab es hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Dampfmü<strong>hle</strong><br />

an der Ecke Mü<strong>hle</strong>nstraße/Höhenbergsweg, die von der Bäkkerei<br />

Behn (Bahnhofstraße) betrieben wurde. Über die Gründung<br />

ist bisher nichts bekannt. In einem Rundschreiben der „Korn- und<br />

Mehlverteilungsstelle Celle“ vom 11.10.1917 wird sie genannt.<br />

Eine handschriftliche Notiz der ehemaligen Schulleiterin Röhr erwähnt,<br />

dass die Behn’sche Dampfmü<strong>hle</strong> und Bäckerei am<br />

30.10.1919 abbrannte und nicht wieder aufgebaut wurde. Das<br />

Grundstück nutzten später die Maschinenfabrik Lorenz, das „Celler<br />

Isolierwerk“ (Semler), die Rütgerswerke, und später die Firma<br />

Ulrich-Fördertechnik.<br />

WARUM WURDE IN ESCHEDE 1871 EINE WIND-<br />

MÜHLE GEBAUT?<br />

Wir wissen nicht genau, was den Altmärker Müller Heyer bewog,<br />

im „Grundacker“ über dem Glockenkolk eine Windmü<strong>hle</strong> zu bauen.<br />

Vielleicht besteht ein Zusammenhang mit dem Abbruch der<br />

Quarmü<strong>hle</strong> (1870). Schriftliche Aufzeichnungen liegen in <strong>Eschede</strong><br />

jedenfalls nicht vor, und die Cellesche Zeitung von 1874 meldet<br />

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Abb. 8:<br />

Dampfmü<strong>hle</strong> Behn. Die historische Fotografie zeigt rechts den Mü<strong>hle</strong>nbetrieb<br />

und links neben dem Schornstein die Sägerei. Die Mitarbeiter haben<br />

sich malerisch aufgestellt. Der erste von links soll Besitzer Behn sein.<br />

Das Anwesen brannte im Oktober 1919 ab.<br />

aus unserem Dorf nur die Gründung eines Kriegervereins und das<br />

fünfte Stiftungsfest des Gesangvereins. Berichte von so profanen<br />

Dingen wie Geschäftseröffnungen und Neubauten findet man im –<br />

kurzen – Lokalteil zu jener Zeit nicht.<br />

Und doch war es keine Zufallsgründung. Ein Blick in das Verzeichnis<br />

der dörflichen Mü<strong>hle</strong>ntypen im Kreis Celle zeigt, dass<br />

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Heyer zu einer Zeit baute, <strong>als</strong> binnen 30 Jahren neben den historischen<br />

Wasser- und Bockwindmü<strong>hle</strong>n sieben Erdholländer entstanden.<br />

Da es sich nur in Lachendorf um den Ersatz einer abgebrannten<br />

Windmü<strong>hle</strong> handelte, musste das Anlegen neuer Mü<strong>hle</strong>n zu dieser<br />

Zeit notwendig oder lohnend sein.<br />

Dafür gab es mehrere Ursachen. So war zwischen 1810 und 1812<br />

das Hauptwerk Albrecht Thaers „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft“<br />

erschienen. Die naturwissenschaftlich begründeten Vorschläge<br />

des Celler Reformers wurden zunächst auf großen Gütern,<br />

später auch von anderen Bauern, erprobt. Die mittelalterliche Dreifelderwirtschaft,<br />

die immer ein Drittel der Ackerfläche brach liegen<br />

ließ, wurde bis zur Mitte des Jahrhunderts aufgegeben. Die neue<br />

Fruchtfolgewirtschaft brachte deutlich bessere Erfolge.<br />

Außerdem begann um 1840 mit Liebigs Arbeiten das Zeitalter des<br />

Kunstdüngers. Die alte Abhängigkeitskette „Futtermenge – Viehmenge<br />

– Düngermenge“ konnte überwunden werden. Das führte<br />

vor allem auf unseren armen Heideböden zu einer erheblichen Ausweitung<br />

der Ackerflächen bei gleichzeitiger Steigerung der<br />

Hektarertrage. Sie wuchsen bei Getreide von 1800 bis 1900 um<br />

150 % (vom sechsfachen auf das fünfzehnfache des eingesetzten<br />

Saatgut es).<br />

Da in der Zeit von 1830 bis 1870 die Bevölkerung Deutschlands<br />

von 30 auf 40 Millionen gewachsen war bestand auch ein „Nachfragezuwachs“<br />

von über 30 %.<br />

Mit der Ablösung der Grundherrschaft - in Hannover 1831 - fiel der<br />

Mahlzwang (s. Kapitel 2). Nun waren Einrichtung und Betrieb einer<br />

Mü<strong>hle</strong> nicht mehr von der Initiative des Grundherrn abhängig,<br />

sondern dem Entschluss eines kapitalkräftigen Unternehmers freigestellt.<br />

Die Erdholländer im Kreis Celle wurden <strong>als</strong>o errichtet, nachdem<br />

erhöhte Getreideproduktion, gesteigerte Verbrauchernachfrage und<br />

die Ablösung der Grundherrschaft die wirtschaftlichen und gesetzlichen<br />

Voraussetzungen dafür geschaffen hatten.<br />

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DÖRFLICHE MÜHLENTYPEN IM LANDKREIS CELLE<br />

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DAS JAHR 1874<br />

Die restaurierte „<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>“ bleibt unserem Dorf <strong>als</strong> Baudenkmal<br />

erhalten. Sie ist Zeuge einer Zeit, die trotz aller Beschaulichkeit<br />

nachhaltige Veränderungen mit sich brachte.<br />

Die frühen siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts standen ganz unter<br />

dem Eindruck des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 und<br />

der in Versailles bei Paris besiegelten Gründung des deutschen Reiches<br />

mit Kaiser Wilhelm I. Die Reichsregierung hatte Frankreich<br />

neben den Gebieten Elsaß und Lothringen auch hohe finanzielle<br />

Kriegsentschädigungen (eigentlich Beute) abverlangt, die dann in<br />

Berlin dazu verwendet wurden, Staatsschulden zu tilgen. Das freiwerdende<br />

Privatkapital wurde in die Wirtschaft investiert und verursachte<br />

einen großen Aufschwung.<br />

Wegen der vielen Firmengründungen stehen die Jahre von 1870 bis<br />

1873 <strong>als</strong> „Gründerzeit“ in den Geschichtsbüchern. Zwar hatten<br />

manche Unternehmer zuviel riskiert, so dass Pleiten nicht auf sich<br />

warten ließen, die wirtschaftliche Entwicklung war aber insgesamt<br />

gut, und der Glaube an den technischen Fortschritt ungebrochen.<br />

Die vaterländische Begeisterung über das neue „zweite deutsche<br />

Reich“ sorgte für den nötigen Optimismus.<br />

Freilich hieß das nicht, dass sich schon Massenwohlstand anbahnte;<br />

die Za<strong>hle</strong>n der Auswanderer nach Amerika – über zwei Millionen<br />

zwischen 1870 und 1890 – sprechen für sich. Auch ein Blick<br />

in die Anzeigenseiten der Celleschen Zeitung von 1874 gibt bezeichnende<br />

Hinweise auf die Lage der Bevölkerung. Da werden<br />

verlorene Wertgegenstände wie „ein Schal“ oder „ein linker Kinderüberschuh“<br />

per Inserat gesucht und Angebote von gebrauchtem<br />

Hausrat oder abgelegter Kleidung finden sich fast täglich.<br />

Andere Annoncen und amtliche Mitteilungen beweisen allerdings,<br />

dass der allgemeine Aufschwung auch <strong>Eschede</strong> erreichte. Immerhin<br />

hatte unser Dorf neben der Einödstation Unterlüß und der Stadt<br />

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Celle seit 1847 den einzigen Bahnhof im Landkreis. Da auch die<br />

Chaussee Celle-Uelzen (heute B 191) ausgebaut war, lenkten sich<br />

die Verkehrs- und Landhandelswege zunehmend in unsere Gemeinde.<br />

Täglich um 7-55 Uhr ging eine Personen-(-pferde-)post<br />

nach Hermannsburg.<br />

1874 kaufte die Bahnverwaltung Bauernland rechts und links der<br />

Schienen <strong>als</strong> Brandschutzstreifen, was sicher die Kapitalkraft der<br />

entsprechenden Besitzer (Gottschalk, Hoppe, Knoop, Thies,<br />

Hasselmann) stärkte. In diesen Jahren wurden auch - zumindest in<br />

Endeholz - die ertragreicheren Stauwiesen angelegt. Kurz zuvor<br />

(1870) war die alte Quarmü<strong>hle</strong> abgerissen und neu gebaut worden.<br />

Staatliche Aufträge, wie die Erweiterung der Oberförster-Dienstwohnung<br />

(Uelzener Straße 2) im März 1874 und Chausseebauten<br />

boten Gewerbetreibenden und Arbeitern Verdienstmöglichkeiten.<br />

Große Anzeigen der „CZ“ warben für Landmaschinen. Kommentare<br />

dazu verwiesen ausdrücklich auf den Mangel an billigen Arbeitskräften.<br />

Vermutlich setzten die Industrielöhne mittlerweile<br />

neue Maßstäbe.<br />

Wenn wir heute zurückblicken, so zeichnet sich in jener Zeit der<br />

Beginn einer Entwicklung ab, die heute zu industrieller Warenproduktion<br />

und mechanisierter Landwirtschaft geführt hat und eine<br />

für damalige Verhältnisse wohl unvorstellbare materielle und soziale<br />

Sicherung mit sich brachte.<br />

Die Zeitgenossen des Mü<strong>hle</strong>nbauers Heyer werden diese Zukunft<br />

wohl kaum abgesehen haben, denn es wurde nicht nur investiert<br />

und gebaut, sondern auch versteigert und gepfändet. Die Bekanntmachungen<br />

des Gerichtsvogts Schulz, Beedenbostel, bedeuteten<br />

schiere Not für Hausbesitzer oder Gewerbetreibende, denen<br />

buchstäblich das letzte Hemd gepfändet wurde.<br />

Für jeden offensichtlich waren dagegen politische Neuerungen.<br />

So wurde im Laufe des Jahres die Währung von Taler, Groschen<br />

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und Pfennig auf die heute noch gültige Mark und Pfennig umgestellt.<br />

Außerdem kam es im Rahmen des „Kulturkampfes“ zwischen<br />

Bismarck-Staat und Kirche zur Einführung der Standesämter,<br />

deren Urkunden die bis dahin üblichen Kirchenbücher ablösten.<br />

Erster Standesbeamter in <strong>Eschede</strong> war der Gemeindevorsteher<br />

Marwede mit seinem Beigeordneten Heinecke <strong>als</strong> Stellvertreter.<br />

Das „Standesamt“ war Marwedes Wohnstube. Sie betreuten neben<br />

ihrem eigenen Dorf auch noch Scharnhorst, Habighorst,<br />

Rebberlah und Starkshorn. Entsprechend versorgten der Ortsvorsteher<br />

Lutterloh in Endeholz und sein Stellvertreter Bührke auch<br />

die Gemeinden Marwede, Kragen und Heese.<br />

Vermutlich reagierten unsere „königlich- hannoverschen“ Landleute,<br />

die ja erst acht Jahre zuvor - zähneknirschend - preußische<br />

Staatsbürger geworden waren, sehr zurückhaltend auf diese Verordnung<br />

aus Berlin. Aber mit der Zeit gewöhnen sich die Menschen<br />

an Veränderungen und kommende Generationen wissen gar<br />

nicht mehr, dass es einmal anders war.<br />

Wenn heute junge Menschen in <strong>Eschede</strong> beim Standesamt das Aufgebot<br />

bestellen, ihre Gebühren in Mark und Pfennig entrichten und<br />

bald darauf in der historischen Mü<strong>hle</strong> den Bund fürs Leben schließen,<br />

dann stehen sie <strong>als</strong>o gleich dreimal in einer Tradition, die<br />

1874 begann.<br />

22


DER WINDMÜHLENBETRIEB (ZU ABB. 11)<br />

Wenn das Ma<strong>hle</strong>n beginnen sollte, drehten der Müller oder sein<br />

Geselle mit Hilfe des Steerts [5] die Kappe in den Wind. Sie lief mit<br />

eisernen Rädern über den Rollkranz [6], eine Ringschiene auf der<br />

Mauerkrone. Die Flügel [1] wirkten über Flügelwelle [3), Kammrad<br />

[4] und Bunkelrad [7] auf den Königsbaum [8]. Diese Hauptachse,<br />

die vom Erdgeschoss bis zum Kappboden durch vier Etagen reichte,<br />

bewegte über drei Stirnräder [9] den Schrotgang [12], den Mehlgang<br />

[13] und die Mechanik der Beutelkiste [14], eines Siebsystems<br />

zum Trennen von Kleie und Mehl. Innerhalb jedes Mahlgangs lagen<br />

der feste Unterstein und der bewegliche „Läufer“ übereinander.<br />

Oberhalb der Einfüllöffnung sorgten Rüttelwerke aus Holz und<br />

Leder für das Einfüllen des Korns.<br />

Bis zur zweiten Etage ging ein Fahrstuhl [11], der ebenfalls über<br />

ein Stirnrad betrieben wurde. Wenn auch eine Treppe nach oben führte,<br />

benutzte der Müller doch lieber den „Lift“, zumal er ja meistens<br />

Doppelzentnersäcke befördern musste.<br />

Die Mehlkiste im Erdgeschoss war sozusagen die „Landhandelsabteilung“<br />

des Betriebes. Für das dam<strong>als</strong> zu Feiertagen übliche Kuchen-<br />

und Semmelbacken wurde Weizenmehl benötigt. Da die<br />

<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> fast nur Roggen verarbeitete, musste man Weizenmehl<br />

anderweitig - meist in der Ratsmü<strong>hle</strong> Celle - beziehen. Es wurde in<br />

der Mehlkiste gelagert und dort im Kleinverkauf abgegeben.<br />

Erläuterungen zu Abbildung 11<br />

24<br />

1 Jalousieflügel<br />

2 Flügelbaum<br />

3 Flügelwelle<br />

4 Kammrad<br />

5 Steert mit<br />

Schwertern<br />

6 Rollkranz<br />

7 Bunkel<br />

8 Königswelle<br />

9 Stirnräder<br />

10 Lojerie (Sackwinde)<br />

11 Fahrstuhl<br />

12 Schrotgang<br />

13 Mehlgang<br />

14 Beutelkiste<br />

15 Mehlkiste<br />

16 Bremse


Abbildung 11: Rekonstruierter Schnitt durch die <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong><br />

25


VON HEYERS WINDMÜHLE ZUM LANDWIRT-<br />

SCHAFTLICHEN DIENSTLEISTUNGSBETRIEB<br />

FLOHR<br />

Der Mü<strong>hle</strong>nbauer, Müller und spätere Vorsteher des Dorfes, Carl<br />

Heyer, war 1844 in Nahrstedt bei Stendal geboren. Er kam 1874<br />

<strong>als</strong> Dreißigjähriger nach <strong>Eschede</strong> und wohnte mit seiner Frau im<br />

Hause Rebberlaher Straße/Ecke Gartenstraße.<br />

Im Oktober des gleichen Jahres wurde sein Sohn Carl Wilhelm Heinrich<br />

geboren, der nach den Vorstellungen desVaters sicher die Mü<strong>hle</strong><br />

übernehmen sollte. Daran schien er aber kein Interesse zu haben,<br />

denn 1907 verkaufte er sie an den Müller Gustav Flohr, der aus<br />

Adenbüttel, Kreis Gifhorn, hierher kam.<br />

Über die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist wenig von der Mü<strong>hle</strong><br />

bekannt. Es gibt keine Fotos oder Berichte, und auch Augenzeugen<br />

sind kaum mehr unter uns. Nur auf Bildern von Albert König,<br />

vor allem dem Ölgemälde von 1907, sind Gebäude und Umgebung<br />

dargestellt.<br />

Eine Fotografie, vermutlich aus der Zeit kurz nach dem Krieg,<br />

zeigt den Müller Gustav Flohr mit seiner Frau, den vier Kindern<br />

Gustav, Hildegard, Magdalene und Bertha und Hanne Leinius,<br />

einer Cousine der Mutter, imGarten des Hauses (heute Rebberlaher<br />

Straße 10). Diese Aufnahme (Abbildung 10) wird eine der letzten<br />

von Gustav Flohr sen. gewesen sein, da er 1921 an den Folgen einer<br />

im Weltkrieg sc<strong>hle</strong>cht auskurierten und vermutlich unzulänglich<br />

versorgten Rippenfellentzündung starb.<br />

Da alle Kinder noch klein waren, musste Frau Flohr – wie schon<br />

im Krieg – die Mü<strong>hle</strong> alleine führen. Wechselnde Müllergesellen<br />

wirtschafteten für einige Zeit sc<strong>hle</strong>cht und recht vor sich hin, bis<br />

sich 1923 mit Wilhelm Preuße ein verantwortlicher Mitarbeiter<br />

fand, der für geordneten Betrieb sorgte, bis Gustav Flohr junior<br />

26


Abb. 12: Die Familie Flohr im Garten ihres Hauses an der Rebberlaher<br />

Straße, vermutlich zwischen 1917 und 1919 fotografiert.<br />

Sitzend v. l.: Magdalene Flohr, Frau Flohr, geb. Leinius, Bertha Flohr,<br />

Gustav Flohr sen. Stehend v. l.: Hanne Leinius (Cousine der Mutter),<br />

Hildegard Flohr, Gustav Flohr jun.<br />

Abb. 13: Postkarte von 1921. Blick vom Denkmal an der Celler Straße<br />

über den Glockenkolk zur alten Windmü<strong>hle</strong>. Rechts neben der Mü<strong>hle</strong> ist<br />

der hölzerne Turm des alten Spritzenhauses schwach zu erkennen. Der<br />

Schuppen links im Bilde gehörte zur Verbrauchergenossenschaft<br />

(Konsum).<br />

27


herangewachsen war. „Onkel Willem“ blieb jahrzehntelang in der<br />

Mü<strong>hle</strong>. Er gehörte sozusagen „zum Inventar“ und konnte noch 1973<br />

den fünfzigsten Jahrestag seines Firmeneintritts mit der Familie<br />

Flohr feiern.<br />

Seit den zwanziger Jahren hat sich die Dorflandschaft rund um<br />

die Mü<strong>hle</strong> so sehr verändert, dass man sich den alten Zustand<br />

kaum vorstellen kann. Eine Postkarte des Kriegerdenkm<strong>als</strong> an der<br />

Celler Str.aße von 1921 (Abbildung 13) zeigt im Hintergrund die<br />

freistehende <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> über dem Glockenkolk, der früher <strong>als</strong> Sandgrube<br />

gedient hatte. In den zwanziger Jahren war er eine nasse Wiese.<br />

Am Platz der heutigen Hauptschule, unterhalb von „Brockmanns<br />

Schlosserbude“ (Anbau des Gries’schen Hauses) lockte ein Froschteich<br />

die Kinder an. Ein anderes Wasserloch war immerhin so tief,<br />

dass Wilhelm Preuße einmal ein Stöckmannsches Kind vor dem Ertrinken<br />

gerettet haben soll. Die alten Uferränder waren mit Buschwerk<br />

und Weiden bewachsen. Dahinter sah man im Nordosten die<br />

(heutige Grund-)Schule und die niedrigen Häuser „an der Breite“.<br />

Die Ostseite des Glockenkolks begrenzte das alte eingeschossige<br />

Spritzenhaus mit einem hölzernen Schlauchturm, der auf der genannten<br />

Postkarte rechts neben der Mü<strong>hle</strong> schwach zu erkennen<br />

ist. An der Nordseite war das Gebäude durch Anbau etwas verlängert<br />

worden, um ein „sicheres Nachtquartier“ für Landstreicher und<br />

andere aufgegriffene Personen zu schaffen. Nach mehreren Umbauten,<br />

Aufstockungen und Erweiterungen beherbergt das Haus jetzt<br />

die <strong>Samtgemeinde</strong>verwaltung.<br />

Die Rebberlaher Straße, ein radbrechendes Kopfsteinpflaster mit<br />

Sommerweg, führte zwischen Feldern zumBahnübergang. Biszum Ende der zwanziger Jahre standen zwischen dem Denkmal und der<br />

Mü<strong>hle</strong> zwar schon die Häuser Brockmann, Müller, Oehm, Gottschalk<br />

(Drangmeister) und Flohr (heute Nummern 2 bis 10), doch<br />

westlich der Gartenstraße blickten die Anwohner hinter ihren Häusern<br />

über Felder bis zu „Tanken Alps Busch“, dem Wald vor der<br />

Quarmü<strong>hle</strong>.<br />

28


Um die Mü<strong>hle</strong> gruppierten sich kleinere Schuppen, die Bebauung<br />

endete mit dem Haus von Zimmermann Kuhlmann (heute Baugeschäft<br />

Felsmann). Dazwischen, auf dem Flohrschen Ackerland,<br />

entstanden vor 1930 das Marwedesche Haus und die Turnhalle der<br />

„FreienTurnerschaft“, einer Sportvereinigung, die der Sozialdemokratie<br />

nahe stand. Daher wurde das Gebäude nach der Machtübernahme<br />

der NSDAP 1933 enteignet und <strong>als</strong> Arbeitsdienstunterkunft<br />

eingerichtet. Später nahm es das „Landjahrlager“ für schulentlassene<br />

Jugend liche auf, bis es nach dem Krieg <strong>als</strong> Wasserwerk und<br />

gemeindeeigenes Mehrfamilienhaus diente.<br />

Abb. 14:<br />

Wilhelm Preuße<br />

und Gustav Flohr<br />

vor der Mü<strong>hle</strong>.<br />

Das Foto muss<br />

zwischen 1923 und<br />

1925 entstanden<br />

sein. Die Jalousie-<br />

Mechanik der<br />

Flügel ist deutlich<br />

zu erkennen.<br />

Vermutlich wurde<br />

sie mit Seilzügen<br />

durch die<br />

aufgebohrte<br />

Flügelwelle<br />

eingestellt. Im<br />

Hintergrund<br />

Gebäude der<br />

Sägerei Kuhlmann.<br />

29


Im Jahre 1923 stand die Mü<strong>hle</strong> noch auf freiem Feld und hatte<br />

gerade neue Flügel bekommen. Inzwischen waren aber die Linden<br />

an der Celler Straße und die Eichen auf dem Grundstück Netz<br />

(zwischen Bahnhofstraße und Kriegerdenkmal) so groß geworden,<br />

dass der Wind sich fing und die Mü<strong>hle</strong> nicht mehr ordentlich durchzog.<br />

Die Unterhaltungskosten für den Flügelantrieb rentierten sich<br />

kaum noch; außerdem brachte die Abhängigkeit vom Wind es mit<br />

sich, dass kaum geregelte Arbeitszeiten eingehalten werden konnten.<br />

Wehte es gut, musste Tag und Nacht geschafft werden, bei<br />

Flaute stapelten sich die Kornsäcke im Lager. Daher nahm man<br />

1925 die Flügel endgültig ab und beschaffte einen Körting-Dieselmotor.<br />

Er stand in einem Schuppenanbau neben der Mü<strong>hle</strong> und<br />

drehte über Treibriemen und Welle die alte Holzmechanik.<br />

In diesem Zusammenhang hört man hin und wieder, der Windantrieb<br />

sei abgebaut worden, nachdem Gustav Flohrs Tochter Hildegard<br />

(geb. 1908) von einem Flügel schwer amKopf verletzt worden<br />

war. Tatsächlich geschah dieser Unfall schon 1915. Auf dem Familienbild<br />

(Abb. 12) erkennt man deutlich die breite Stirnnarbe des<br />

Mädchens. Nach diesem Ereignis sind aber sogar noch neue Flügel<br />

beschafft worden.<br />

Als Gustav Flohr in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre allmählich<br />

in die Rolle des Betriebsleiters hineinwuchs, begann eine planvolle<br />

Erweiterung der Anlagen. So wurde die erste Dreschmaschine<br />

in <strong>Eschede</strong> beschafft. Von einem fahrbaren Elektromotor über<br />

Treibriemen in Gang gehalten, stand sie, in Lärm und Staub gehüllt,<br />

den Landwirten zur Verfügung. Große Höfe schickten mehrere Fuhrwerke,<br />

kleine Siedler brachten ihr Getreide auf Handwagen.<br />

Die Dreschzeit riss den Betrieb aus seiner dörflichen Beschaulichkeit<br />

und verbreitete ungewohnte Hektik und Eile. Das Angeben<br />

und Öffnen der Garben, das Einlegen in den Dreschkasten, das Abfüllen<br />

derKornsäcke und Wegschaffen der Strohbunde waren Handund<br />

Knochenarbeit. Dabei musste die Maschine geschmiert werden,<br />

Strohbandrollen waren zu ersetzen, der Treibriemen konn-<br />

30


Abb. 15: Zeichnung für den Einbau eines Motorantriebs in der Mü<strong>hle</strong>,<br />

1925.<br />

te abspringen oder reißen, die Wartenden w aren ungeduldig und<br />

sicher brannte oft die Sonne vom Himmel.<br />

Die „<strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>“ vermietete außerdem eine Kreissäge. Der Holzplatz<br />

lag jenseits der Rebberlaher Straße, wo jetzt das Lehrer-Reihenhaus<br />

(Nr. 12/Ecke Kantstraße) steht und reichte fast bis zur heutigen<br />

Eichendorffstraße. Hier war auch die Bude, die auf dem<br />

Mü<strong>hle</strong>nbild von Albert König im Hintergrund schwach zu erkennen<br />

ist. Bei Gartenarbeiten auf dem Grundstück fand sich noch vor<br />

einigen Jahren ein Groschen von 1924. Der Verlierer wird sich geärgert<br />

haben, denn für viele Arbeiter waren dam<strong>als</strong> 10 Pfennig fast<br />

ein halber Stundenlohn; für Lehrlinge sogar beinahe ein Tages-<br />

31


entgelt. Bei Lachmund, Gottschalk oder Kuhlmann hätte man dafür<br />

ein schönes Helles bekommen!<br />

Ein weiterer Betriebszweig der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> war die Nahspedition.<br />

Auf einem Foto (Abbildung 17) sieht man das Fuhrwerk <strong>als</strong> geschmückten<br />

Festwagen bei einem Umzug zum 1. Mai, vermutlich<br />

zwischen 1935 und 1937. Wilhelm Preuße und Gustav Flohr sitzen<br />

mit dem Müllergesellen Alfred Bölke vor einem Mü<strong>hle</strong>nmodell auf<br />

Mehlsäcken. Das Haus im Hintergrund ist die ehemalige Alpssche<br />

Schmiede, Albert-König-/Ecke Dammstraße.<br />

Abb. 16:<br />

1927 hatten sich die Müller eine „Terrasse“ aus Mühlsteinen gebaut.<br />

V. l.: Wilhelm Preuße, Willi Deppc, Ernst Poggendorf, Gustav Flohr jun.<br />

Willi Deppe war Sohn des Stellmachers Deppe, der auf dem Wredeschen<br />

Hof eine kleine Werkstatt betrieb. Willi arbeitete nicht bei Flohr, hielt<br />

sich aber oft in der Mü<strong>hle</strong> auf. Ernst Poggendorf aus Salzderhelden war<br />

einige Jahre Müllergeselle.<br />

Auf dem Tisch liegen Geräte, mit denen die Rillen der Mühlsteine<br />

nachgeschlagen wurden, davor einige Schnapsgläser.<br />

32


Abb. 17: „Onkel Willem“, Müllergesclle Alfred Bölke und Gustav Flohr<br />

(v. l.) auf dem Mü<strong>hle</strong>nwagen bei einem Festumzug zum 1. Mai (NS-Zeit).<br />

Auf dem Wagen steht ein Mü<strong>hle</strong>nmodell. Im Hintergund die Schmiede<br />

Alps, Ecke Dammstraße/Marktstraße (heute Albert-König-Straße).<br />

Abb. 18: Müllergesellen mit ihren Gespannpferden vor der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>.<br />

33


Alltags wurde die kräftigen Pferde eingespannt, um Korn- und<br />

Mehlfuhren in die Nachbardörfer und bis nach Celle zu erledigen.<br />

Auch wenn am Bahnhof Stückgut abzufahren war, übernahm der<br />

Plattenwagen die Auslieferung. Seine halbvergangenen Überreste<br />

lagen noch in den 1980er Jahren am Weg zum Klärwerk zwischen<br />

Unkraut und Steinen.<br />

Abb. 19: Der Mü<strong>hle</strong>nkomplex um 1930 von der Rebberlaher Straße aus<br />

gesehen.. Links neben der Mü<strong>hle</strong> der Dreschschuppen.<br />

Schon mit der Umstellung auf Dieselbetrieb hatte die <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong><br />

Abschied vom 19. Jahrhundert genommen; aber immerhin nutzte man<br />

noch das Gebäude der alten Windmü<strong>hle</strong>. In den 1930er Jahren wurde<br />

es endgültig zu klein, so dass Gustav Flohr zwischen 1937 und 1941<br />

die neue Mü<strong>hle</strong> bauen ließ. Unter Leitung einer Lüneburger Firma<br />

waren <strong>als</strong> einheimische Betriebe Zimmermann Kuhlmann und<br />

Maurermeister Hoppenstedt, Poststraße, beteiligt.<br />

34


An die Windmü<strong>hle</strong>nzeit erinnerte nur noch eine Wetterfahne, die<br />

der damalige Landrat Heinichen anlässlich einer Dorfbereisung<br />

geschenkt hatte (Abbildung 20). Sie stellt eine Mü<strong>hle</strong> dar, deren Flügel<br />

sich bei starkem Wind drehen. Der Müller steht breitbeinig in der<br />

Tür, während sich neben dem Gebäude ein Knecht mit seinem störrischen<br />

Esel abmüht. Die Wetterfahne zierte das Dach noch bis in<br />

die späten 1970er Jahre. Heute erhebt sie sich wieder auf der Kuppe<br />

der restaurierten <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>.<br />

Abb. 20: Die Wetterfahne,<br />

von Landrat Heinichen 1939 für die Motormü<strong>hle</strong> gestiftet.<br />

Der alte Mü<strong>hle</strong>nstumpf diente fast vierzig Jahre <strong>als</strong> Rumpelkammer.<br />

Gelegentlich führte die Feuerwehr daran Löschübungen durch<br />

und zuletzt wuchsen schon Birken aus dem Mauerwerk. Nachdem<br />

er seit 1874 für 65 Jahre Zentrum des Betriebes gewesen war, schien<br />

er nun dem Verfall preisgegeben.<br />

35


Abb. 21: Der Mü<strong>hle</strong>nneubau an der Rebberlaher Straße, 1938. Im<br />

Hintergrund der Stumpf der alten Windmü<strong>hle</strong>.<br />

Abb. 22: Der Mü<strong>hle</strong>nneubau 1938 von der anderen Seite. Noch ist das<br />

Gebäude unverputzt. Verputzt wurde es erst Ende der 1940er Jahre.<br />

36


Abb. 23: Die Reberlaher Straße in den 1950er Jahren, in der Bildmitte<br />

das ehemalige Mü<strong>hle</strong>ngebäude, Erbaut wurde es 1937/41 durch den<br />

Mü<strong>hle</strong>nbaumeister Heß aus Lüneburg, die Maurerarbeiten führte der<br />

örtliche Maurermeister Wilhelm Hoppenstedt aus, die Holzabeiten<br />

Zimmermeister Wilhelm Kuhlmann aus <strong>Eschede</strong>.<br />

37


Abb. 24: Der Mü<strong>hle</strong>nstumpf vor der Restaurierung. Zeichnung von<br />

August Felsmann.<br />

WIE DIE FLOHRMÜHLE ZUM BAUDENKMAL<br />

WURDE<br />

Die Chronik der Restaurierung unserer Mü<strong>hle</strong> fügt sich in die Baugeschichte<br />

des Dorfes, eine Geschichte der Zufälle, der überörtlichen<br />

Fremdbestimmung, des knappen Geldes und der Wahl des jeweils<br />

kleineren Übels.<br />

<strong>Eschede</strong> hatte keinen kunstsinnigen Gutsherrn, der sich – wenn<br />

auch auf Kosten der kleinen Leute – architektonische Schmuckstücke<br />

zulegte oder eine einheitliche Bebauung veranlasste. Es lag<br />

auch nicht imWindschatten der großen Entwicklungen, wiemanch<br />

verschlafenes Heidedörfchen, dessen ländliche Harmonie Schönheitswettbewerbe<br />

herausfordert und bei naturromantischen Großstädtern<br />

Geborgenheitsgefü<strong>hle</strong> und Urlaubsstimmung weckt. Der<br />

Bau von Eisenbahn und Chaussee im 19. Jahrhundert hatte dem<br />

38


alten Dorf an Kirche und Aschau die Kernlage genommen und neue<br />

Besiedlungsschwerpunkte gesetzt. Das Salzbergwerk, die Rüstungsindustrie<br />

in Unterlüß, Scharnhorst-Höfer (Muna) und zuletzt<br />

<strong>Eschede</strong> selber und die Gewerbebetriebe im Bahnhofsbereich führten<br />

viele Auswärtige hierher, die ihre Wohnungen entlang der Ausfallstraßen<br />

bauten. Zuletzt brachte die Aufnahme der Flüchtlinge<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg die Erschließung der Wohngebiete im<br />

Südwesten des Dorfes.<br />

Häufig mussten die – ehrenamtlichen – Gemeindeväter gegebene<br />

Entwicklungen absegnen ohne selber viel planen zu dürfen: Das<br />

„Marinesperrzeugamt“ gab es nach 1945 nicht mehr; aber die<br />

Marinesiedlung war da. Das Vorhaben einer Schnellstraße durchs<br />

Aschautal wurde zu den Akten gelegt; aber die Bebauung war danach<br />

seit Ende der 1930er Jahre ausgerichtet. Die Planungen für<br />

die Bebauung des Bereiches zwischen Grünacker-, Sägemü<strong>hle</strong>n- und<br />

Bahnhofstraße lagen seit 1938 vor; aber die Besitzer – unter ihnen<br />

Gustav Flohr – waren nicht am Verkauf des Geländes interessiert.<br />

So waren schließlich Ausfallstraßen und Ortsrand bebaut; aber<br />

die gute Wohnlage im Ortskern diente <strong>als</strong> Acker- und Gartenfläche<br />

und weder der verschachtelte Mü<strong>hle</strong>nkomplex, noch die selbstgebaute<br />

„Alternativ-Architektur“ hinter dem ehemaligen Landjahrlager<br />

trugen zur Verschönerung des Ortsbildes bei.<br />

Ein Umschwung zeichnete sich erst ab, <strong>als</strong> sich Otto Marwede 1973<br />

bereiterklärte, Gelände für den Bau des neuen Kindergartens abzugeben,<br />

nachdem das alte Barackengebäude „Im Langen Felde“<br />

abgängig war. Immerhin wurde das Labyrinth der Schuppen,<br />

Kaninchenställe, Außentoiletten, Kleinstgärten und Holzstapel<br />

entfernt, doch eine Verbindung zwischen Kindergarten und Straße<br />

„An der Breite“ konnte nicht hergestellt werden. Erst 1977 glückte<br />

der Gemeinde ein gewisser planerischer Durchbruch, <strong>als</strong> sie das<br />

Gelände zwischen Grünacker- und Bahnhofstraße zu großen Teilen<br />

erwerben und <strong>als</strong> Bauland ausweisen konnte. Kurz darauf geriet sie<br />

aber schon wieder in Zugzwang, da der Betrieb Stoll aus der Mü<strong>hle</strong><br />

39


in das Gewerbegebiet am Höhenbergsweg aussiedelte und den gesamten<br />

Komplex <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> anbot. Der Kauf kostete die Gemeindeväter<br />

einige Überwindung, zumal für das große Gebäude kein Verwendungszweck<br />

zu erkennen war. Ein Verzicht hätte aber vielleicht<br />

bedeutet, dass mitten im Dorf eine Bauruine entstanden wäre,<br />

wie man sie mit den Resten des Kalksandsteinwerkes gerade beseitigen<br />

wollte.<br />

Schließlich gelang es nach dem plötzlichen Tod von Gustav Flohr<br />

auch noch, die restlichen Flohrschen Fläche mit Ausnahme des<br />

Wohnhauses an der Rebberlaher Straße zu übernehmen. Im Rahmen<br />

dieser Transaktionen war die Gemeinde auf einmal Besitzer<br />

des 105 Jahre alten Mü<strong>hle</strong>nrumpfes geworden, den sie durch den<br />

Grundstückserwerb <strong>als</strong> „Zugabe“ erhalten hatte.<br />

Vielleicht wäre das Problem Anfang der 1970er Jahre noch mit Spitzhacke<br />

und Waschbeton gelöst worden. Glücklicherweise keimte aber<br />

die Idee, das historische Bauwerk mit öffentlichen Mitteln zu<br />

erhalten. So ein Gedanke war in <strong>Eschede</strong> völlig neu; aber nach<br />

anfänglich kontroverser Diskussion wurden die nötigen Mittel im<br />

Haushalt 1980 bereitgestellt - die Restaurierung konnte beginnen.<br />

DIE RESTAURIERUNGSARBEITEN<br />

Zunächst war noch völlig offen, wie das Gebäude genutzt werden<br />

sollte. Im Laufe der Zeit entwickelte sich dann die Planung. Die<br />

Räume sollten so gestaltet werden , dass sie <strong>als</strong> Ausstellungshalle<br />

(Erdgeschoss), Trauzimmer des Standesamtes (1. Etage) und<br />

Sitzungsraum (2. Etage) verwendet werden konnten, dass aber für<br />

die Zukunft andere Nutzungsmöglichkeiten kultureller Art nicht ausgeschlossen<br />

wurden.<br />

Nachdem die Denkm<strong>als</strong>pflege der Bezirksregierung Lüneburg keine<br />

finanzielle Unterstützung in Aussicht stellen konnte, da es sich<br />

nach dortiger Meinung nicht um einmalige Gebäudesubstanz handelte,<br />

wurden die Baukosten von ca. 300.000 DM weitgehend von der<br />

40


Gemeinde <strong>Eschede</strong> aufgebracht; allerdings gab der Landkreis einen<br />

namhaften Zuschuss von 35.000 DM.<br />

Schon bevor die endgültigen Entscheidungen gefallen waren, hatte<br />

man sich 1979 davon überzeugt, wie das Bauwerk erhalten war.<br />

Das war erst nach einer mühevollen Entrümplungsaktion möglich, in<br />

deren Verlauf sich herausstellte, dass eine Luke im Notdach schon<br />

jahrelang offen stand. Ob sie bei der Einsatzübung der Feuerwehr<br />

1970 geöffnet worden war oder schon früher, konnte man natürlich<br />

nicht mehr feststellen. Jedenfalls war Regenwasser eingedrungen<br />

und hatte die Balkenlagen der oberen Geschossdecken angegriffen.<br />

Vor allem die Balkenenden im Mauerwerk waren verfault.<br />

Mit dem beratenden Ingenieur Albert Denecke, Endeholz, wurde<br />

ein Architekt beauftragt, der im Umgang mit alter Bausubstanz<br />

sehr erfahren war. Nachdem er die Planungen fertiggestellt hatte,<br />

begannen zunächst die Zimmerleute der Firma Cohrs aus Lüder,<br />

Kreis Uelzen, die mit der Rekonstruktion von Mü<strong>hle</strong>n vertraut waren,<br />

neue Zwischendecken einzuziehen. Firma Felsmann führte die<br />

anfallenden Maurerarbeiten durch (Unterfangen des Fundaments,<br />

Estrich imErdgeschoss, Ausbesserung schadhafter Stellen im Mauerwerk).<br />

Die Reinigung des Mauerwerks von innen und außen mit<br />

einem Sandstrahlverfahren und die Imprägnierung der Wände gegen<br />

aufsteigende Feuchtigkeit übernahm die Firma Uthe, Bückeburg.<br />

Da das Notdach auf den Grundelementen der alten Kappe gebaut<br />

worden war, konnten einzelne intakte Eichenbalken und der<br />

Rollkranz <strong>als</strong> Basis der neuen Kappe dienen, die im Laufe des Sommers<br />

1980 neben dem alten Mauerrumpf konstruiert und mit Schindeln<br />

gedeckt wurde. Die alte Haube war mit Teerpappe benagelt;<br />

eine derartige Rekonstruktion hätte aber nicht gut ausgesehen und<br />

zudem ständiger Unterhaltung bedurft.<br />

Im Oktober 1980 hob ein „Schröder“-Kran aus Celle das 24,8-<br />

Tonnen-Ungetüm vor den Augen vieler Schaulustiger nach oben<br />

und setzte es ohne Komplikationen – zur großen Erleichterung der<br />

Verantwortlichen – sicher auf.<br />

41


Abb. 25: Arbeiten an der Flügelwelle.<br />

Abb. 26: Die Kappe wird aufgesetzt.<br />

42


Abb. 27: Die Holzflügel werden angesetzt. Später (1988/89) mussten<br />

diese Holzflügel durch Aluminiumflügel ersetzt werden. Da die Flügel<br />

sich nicht mehr drehten, war Wasser in den Balkenschuh eingedrungen<br />

und hatte über die Jahre den Teil des oberen Flügels, der im<br />

Balkenschuh steckte, in Mitleidenschaft gezogen.<br />

43


Mittlerweile war auch der Innenausbau fortgeschritten. Die Firma<br />

Frobusch hatte Treppen, Fenster und Glastrennwände fertiggestellt,<br />

Beleuchtung und Heizung waren von der Firma Gerger installiert<br />

worden, und die Malerarbeiten, insbesondere den feuerhemmenden<br />

Schutzanstrich der Holzkonstruktion, führte Malermeister<br />

Vehreschild durch.<br />

Da es 1980 früh Winter wurde, das Anbringen der Flügel bei Kälte<br />

oder Wind zu gefährlich für die Handwerker war, dauerte es bis zu<br />

einer Tauwetterperiode im Januar 1981, ehe die Mü<strong>hle</strong> endlich<br />

wieder im vollen Schmuck dastand. Das Anbringen des „Steerts“<br />

und der Schwerter war dann die letzte Außenarbeit vor der Vollendung<br />

des Bauwerks.<br />

Bis zuletzt war nicht klar, wie die ursprüngliche Innenkonstruktion<br />

der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> aussah. Aus den Resten der Mahlgänge und Getriebe,<br />

die noch dazu beim Einsatz des Dieselmotors etwas verändert<br />

worden waren, konnte man zunächst die alte Mechanik nicht rekonstruieren.<br />

Erst genaue Untersuchungen von Abnutzungsspuren<br />

an Mauerwerk und Holzbau, Vergleiche mit Schnittzeichnungen<br />

ähnlicher Mü<strong>hle</strong>n und Befragungen älterer Mitbürger erlaubten<br />

schließlich die Rekonstruktionszeichnung (Abbildung 11), die dem<br />

Büro Denecke in mühevoller Kleinarbeit gelang.<br />

44


Abb. 28: Die Mü<strong>hle</strong> nach der Restaurierung. Schnittzeichnung.<br />

45


Abb. 29: Die restaurierte <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> wurde vom 24. bis 26.April 1981 eingeweiht.<br />

Hier ist vorne die Kindertanzgruppe Markmann zu sehen.


Abb. 30: Erste Trauung in der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> am 15.5.1981. Von links:<br />

<strong>Samtgemeinde</strong>bürgermeister Heinrich Lange, Karin un d Holger<br />

Schack.<br />

Abb. 31: Erste Feriengasttrauung in der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>, 1981. Von links:<br />

Standesbeamtin Gertrude Wunsch, Jutta und Heinz Georg Hölzemann<br />

aus Berlin, Fremdenverkehrsvereinsvorsitzender Rolf Lüchau.<br />

47


Abb. 32: Eine der vielen und abwechslungsreichen Ausstellungen in<br />

der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong> ( hier: „Bürger zeigen ihre Hobbys“, im Bild<br />

Töpfereien von Bärbel Schütze, September/Oktober 1981) .......<br />

Abb. 33: ... und Veranstaltungen rund um die <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>.<br />

48


Abb. 34:<br />

Bei der Eröffnung des 2. Heide(n)spektakels <strong>Eschede</strong> im Mai 1989 vor<br />

der <strong>Flohrm</strong>ü<strong>hle</strong>: <strong>Samtgemeinde</strong>bürgermeister Heinrich Lange<br />

überreicht dem Theatermann George Tabori, der gerade seinen<br />

fünfundsiebzigsten Geburtstag in <strong>Eschede</strong> begeht, ein Glas Heidehonig.<br />

Tabori, dessen Frau Ursula Höpfner einen Teil ihrer Kindheit in der<br />

Marinesiedlung bei <strong>Eschede</strong> verbracht hatte, schuf mit seinen Auftritten<br />

in <strong>Eschede</strong> (so zum Beispiel 1992 mit dem Starensemble des Wiener<br />

Burgtheaters) unvergeßliche Momente.<br />

Am 29. Mai 2000 wurde Taboris Wirken in und für <strong>Eschede</strong> vom<br />

Gemeinderat mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet.<br />

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50<br />

VERZEICHNIS DER VERWENDETEN VERÖF-<br />

FENTLICHUNGEN<br />

Wilhem Kleeberg<br />

Niedersächsische Mü<strong>hle</strong>ngeschichte, Hannover 1979<br />

Hermann Gleisberg<br />

Technikgeschichte der Getreidemü<strong>hle</strong>, München 1956<br />

Friedrich Klemm<br />

Zur Kulturgeschichte der Technik, München 1979<br />

Joachim Verchim/Joachim Radkau<br />

Kraft, Energie und Arbeit, München 1979<br />

Franz F. Wurm<br />

Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland 1848 –<br />

1948, Opladen 1969<br />

Friedrich Helmke/Heinrich Hohls<br />

Heimatbuch „Der Speicher“, Celle 1930<br />

Wilhelm Bomann<br />

Bäuerliches Hauswesen und Tagewerk im alten Niedersachsen,<br />

Weimar 1941<br />

Cellesche Zeitung, Jahrgang 1874,<br />

sowie folgende Beilagen („Sachsenspiegel“):<br />

- Friedrich Barenscheer<br />

100 Jahre Windmü<strong>hle</strong> in Bröckel (18.11.1961)<br />

Mü<strong>hle</strong>nschicksale in Stadt und Land Celle<br />

(26.3.1968)


- Siegfried Gehrmann<br />

Festschrift zum Jubiläum der Ortsfeuerwehr, <strong>Eschede</strong><br />

1975<br />

- Paul Borstelmann<br />

Zur Geschichte der Marweder Mü<strong>hle</strong> (27.9.1975)<br />

- Adolf Meyer<br />

Bauernbefreiung in unserer Heimat und in Preußen<br />

(20.9.1975)<br />

<strong>Samtgemeinde</strong>archiv <strong>Eschede</strong>, Fächer 158/1a,b; 158/5;<br />

158/6; 357/16; 358/22; 359/59<br />

BILDNACHWEIS<br />

Felsmann: Abb. l–5,24<br />

Denecke: Abb. 6, 7, 11, 28<br />

Alps: Abb. 16, 17<br />

Barchfeld: Abb. 10, 11<br />

Schünemeyer: Abb. 8<br />

(Mügge - Luttermann: Titelbild)<br />

Soweit nicht anders angegeben sind die Abbildungen<br />

aus dem <strong>Samtgemeinde</strong>archiv <strong>Eschede</strong>.<br />

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