Pater Fridolin Kohler - Gwick.ch
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<strong>Pater</strong><br />
<strong>Fridolin</strong><br />
(Johann Baptist)<br />
<strong>Kohler</strong><br />
* 14. August 1914<br />
† 4. Dezember 1978<br />
Jahresberi<strong>ch</strong>t 1978/79<br />
Stiftss<strong>ch</strong>ule Einsiedeln<br />
Zur Erinnerung an<br />
Dekan <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> <strong>Kohler</strong> OSB<br />
Am Montagna<strong>ch</strong>mittag, 4. Dezember, ist im Spital<br />
Einsiedeln Dekan <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> <strong>Kohler</strong> sanft im<br />
Herrn ents<strong>ch</strong>lafen. Der Verstorbene stand in seinem<br />
65. Lebensjahr und war vor einem Jahr ganz<br />
unerwartet von einer bösartigen Krankheit befallen<br />
worden. Trotz zweier Operationen konnte das<br />
Übel ni<strong>ch</strong>t an der Wurzel beseitigt werden. Mit<br />
großer Energie hat si<strong>ch</strong> unser Mitbruder gegen<br />
den forts<strong>ch</strong>reitenden Zerfall seiner Kräfte gestemmt.<br />
Es wird für lange Zeit in Erinnerung bleiben,<br />
wie er si<strong>ch</strong> mühsam, aber gefaßt dur<strong>ch</strong> die<br />
Gänge des Klosters ges<strong>ch</strong>leppt hat.<br />
Johann Baptist <strong>Kohler</strong> wurde am 14. August 1914<br />
als der älteste Sohn von Jakob <strong>Kohler</strong> und Maria<br />
<strong>Kohler</strong> in S<strong>ch</strong>waderlo<strong>ch</strong> AG geboren. Der Vater<br />
arbeitete in der Papierfabrik Albbruck, am badis<strong>ch</strong>en<br />
Ufer des Rheins. Im Jahre 1924 starb der<br />
Vater an der glei<strong>ch</strong>en Krankheit, der au<strong>ch</strong> <strong>Pater</strong><br />
<strong>Fridolin</strong> zum Opfer fallen sollte. Es war für die<br />
Mutter eine s<strong>ch</strong>were Aufgabe, ihre drei Söhne und<br />
die Pflegeto<strong>ch</strong>ter dur<strong>ch</strong>zubringen. Sie hat es mit<br />
starkem Glauben und mit bes<strong>ch</strong>eidenen Ansprü<strong>ch</strong>en<br />
ges<strong>ch</strong>afft.<br />
Johann Baptist besu<strong>ch</strong>te na<strong>ch</strong> der Volkss<strong>ch</strong>ule in<br />
S<strong>ch</strong>waderlo<strong>ch</strong> die Bezirkss<strong>ch</strong>ule in Laufenburg. Im<br />
Herbst 1928 trat er in die zweite Klasse der Stiftss<strong>ch</strong>ule<br />
ein. Er war ein sehr begabter Student mit<br />
einer ras<strong>ch</strong>en Auffassungsgabe. 1935 s<strong>ch</strong>loß er seine<br />
Gymnasialstudien mit einer erstklassigen Matura<br />
ab. Er ents<strong>ch</strong>loß si<strong>ch</strong> darauf zum Eintritt in<br />
das Kloster Einsiedeln. Am 11. September wurde<br />
er mit se<strong>ch</strong>s Kandidaten für das Noviziat eingekleidet.<br />
Am Fest Mariä Namen, am 12. September<br />
1936, legte er die einfa<strong>ch</strong>en Ordensgelübde ab,<br />
wobei er im Hinblick auf das seiner Heimat bena<strong>ch</strong>barte<br />
Säckingen den Namen <strong>Fridolin</strong> erhielt.<br />
Sowohl in Sant’ Anselmo zu Rom als au<strong>ch</strong> in Einsiedeln<br />
studierte er Theologie. Am 3. September<br />
1939, mitten in der Mobilma<strong>ch</strong>ung des Zweiten<br />
Weltkrieges, verband er si<strong>ch</strong> in der feierli<strong>ch</strong>en<br />
Profeß für immer mit der Klostergemeins<strong>ch</strong>aft von<br />
Einsiedeln.<br />
Am 18. Mai 1940 wurde er von Erzbis<strong>ch</strong>of Raimund<br />
Netzhammer zum Priester geweiht. Sein<br />
Primiztag war der 9. Juni, der Sonntag in der<br />
Herz-Jesu-Oktav, mitten im dramatis<strong>ch</strong>en Frankrei<strong>ch</strong>-Feldzug.<br />
Im Oktober 1940 begann <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong><br />
bei der zweiten Klasse seine Lehrtätigkeit<br />
und erteilte zuglei<strong>ch</strong> den Erstkläßlern Mathematik.<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> war ein ausgezei<strong>ch</strong>neter Lehrer.
Er verstand es, das Wesentli<strong>ch</strong>e aufzuzeigen und<br />
ganz klar darzustellen. So hatte die Mathematik<br />
bei ihm ni<strong>ch</strong>t den übli<strong>ch</strong>en, fur<strong>ch</strong>terregenden<br />
Charakter. Als Autodidakt erarbeitete er si<strong>ch</strong> den<br />
gesamten Stoff dieses Fa<strong>ch</strong>es und dozierte es mit<br />
großem Erfolg au<strong>ch</strong> bei den Maturanden. – Er war<br />
erst ein Jahr an der Stiftss<strong>ch</strong>ule, als er am 5. Oktober<br />
1941 zum Unterpräfekten berufen wurde.<br />
Na<strong>ch</strong> der Wahl von Abt Benno mußte <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong><br />
am 16. April 1947 die Internenpräfektur übernehmen.<br />
24 Jahre lang versah er dieses verantwortungsvolle<br />
Amt mit seinen vielen Verwaltungsaufgaben.<br />
In der Vielfalt dieser Ges<strong>ch</strong>äfte bewahrte<br />
der Internenpräfekt eine seltene innere Ausgegli<strong>ch</strong>enheit<br />
und Ruhe. Die seelis<strong>ch</strong>e Betreuung der<br />
Studenten war ihm ein großes Anliegen. Dafür<br />
bra<strong>ch</strong>te der vielbes<strong>ch</strong>äftigte Mann stets Zeit und<br />
Verständnis auf.<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> besaß eine ganz erstaunli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>affenskraft.<br />
Das volle Pensum des Professors und<br />
Präfekten genügte ihm no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Er beteiligte<br />
si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> im Bauorden; mehrmals leitete er während<br />
der Sommerferien ein Baulager mit allen seinen<br />
S<strong>ch</strong>ikanen, sei es in Italien oder Belgien. Einige<br />
dieser erlebnisrei<strong>ch</strong>en Unternehmungen hat er<br />
in spannenden Artikeln in den «St. Meinrads Raben»<br />
festgehalten. Er führte eine gute Feder und<br />
verstand treffend zu formulieren. Sorgfältig arbeitete<br />
er an der Form des jeweiligen Festgrußes der<br />
Studenten-Sodalität. Ein von ihm verfaßtes Anda<strong>ch</strong>tsbü<strong>ch</strong>lein<br />
für Lourdes-Pilger offenbart uns<br />
ebenso seine marianis<strong>ch</strong>e Gesinnung. – Na<strong>ch</strong> dem<br />
Tod von Dekan <strong>Pater</strong> Pirmin Vetter wurde <strong>Pater</strong><br />
<strong>Fridolin</strong> am 28. Mai 1971 von Abt Georg als dessen<br />
Na<strong>ch</strong>folger in dieses wi<strong>ch</strong>tige Amt berufen. Bei<br />
Dekan <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> spürte man seine Herzensgüte,<br />
mit der er jedem entgegenkommen wollte.<br />
Er hatte Verständnis für die Wüns<strong>ch</strong>e seiner<br />
Untergebenen; er zeigte si<strong>ch</strong> stets hilfsbereit. Oft<br />
hatte er au<strong>ch</strong> Zeit für ein gutes und ermunterndes<br />
Wort, das si<strong>ch</strong> über mehr als das gerade Notwendige<br />
erstrecken konnte.<br />
Neben seiner Tätigkeit im Dekanat und an der<br />
Stiftss<strong>ch</strong>ule erteilte <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> au<strong>ch</strong> Religionsunterri<strong>ch</strong>t<br />
im Lehrerinnenseminar von Ingenbohl.<br />
Er erarbeitete seinen Unterri<strong>ch</strong>tsstoff selbständig<br />
na<strong>ch</strong> den Texten des Zweiten Vatikanis<strong>ch</strong>en Konzils.<br />
Der konkrete Mens<strong>ch</strong>, dem er helfen wollte,<br />
stand bei ihm im Vordergrund. Au<strong>ch</strong> hier war<br />
seiner Lehrtätigkeit ein voller Erfolg bes<strong>ch</strong>ieden,<br />
was vor allem seinem Glauben an das Gute in den<br />
jungen Mens<strong>ch</strong>en zuzus<strong>ch</strong>reiben ist. Zur Entspannung<br />
pflegte er in diesen Jahren die Blumen im<br />
Studentengarten. Aus einer verwilderten Anlage
zauberte er mit viel Mühe und Ges<strong>ch</strong>ick ein kleines<br />
Paradies hervor. Oft sah man im Dekanat bis<br />
tief in die Na<strong>ch</strong>t hinein beleu<strong>ch</strong>tete Fenster; aber<br />
am Morgen war <strong>Pater</strong> Dekan trotzdem einer der<br />
ersten. Seine Kraftnatur s<strong>ch</strong>ien allen S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en<br />
und Krankheiten zu trotzen. Aber gerade von ihm<br />
wurde plötzli<strong>ch</strong>, wie aus heiterem Himmel, das<br />
Opfer des Krankseins und Leidens gefordert. In<br />
diesem Jahr des Kampfes gegen die Krankheit ist<br />
er, in bewußter Auseinandersetzung mit dem Tod,<br />
zu einer seltenen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Größe herangereift.<br />
Ein s<strong>ch</strong>werer Sturz infolge einer Ohnma<strong>ch</strong>t<br />
zeigte, wie nahe die große, ents<strong>ch</strong>eidende Stunde<br />
herangerückt war. Der liebe Mitbruder mußte ins<br />
Spital überführt werden, wo si<strong>ch</strong> Arzt und Krankens<strong>ch</strong>western<br />
alle Mühe gaben, ihm Erlei<strong>ch</strong>terung<br />
in seinem Leiden zu vers<strong>ch</strong>affen.<br />
Für <strong>Pater</strong> Dekan war es si<strong>ch</strong>er ein großer Trost,<br />
daß seine liebe 91jährige Mutter in starkem Glauben<br />
und mitfühlender Liebe an seinem S<strong>ch</strong>merzenslager<br />
wa<strong>ch</strong>te. <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> öffnete na<strong>ch</strong><br />
langen Stunden der S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e ein letztes Mal die<br />
Augen, als man bei ihm das «Sei gegrüßt, du<br />
Königin» betete; unter diesem Gebet nahm er Abs<strong>ch</strong>ied<br />
von diesem Tränental, um drüben Christus,<br />
den Sohn Mariens, zu sehen. – Möge alles, was<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> in seinem Leben in großer Liebe<br />
ausgesät hat, dur<strong>ch</strong> sein Leiden und Sterben zu<br />
wahrem <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>em Leben erstehen! Allen aber,<br />
die unserem lieben Mitbruder in den Tagen des<br />
Leidens beigestanden sind, sagt die Einsiedler<br />
Klostergemeins<strong>ch</strong>aft ein herzli<strong>ch</strong>es Vergelt’s Gott!<br />
R.I.P.<br />
<strong>Pater</strong> Joa<strong>ch</strong>im Salzgeber<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> - Präfekt von 1947 bis 1971<br />
Unsere Stiftss<strong>ch</strong>ule und Generationen von Stiftss<strong>ch</strong>ülern<br />
verdanken <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> sehr viel. Wenn<br />
i<strong>ch</strong> nun darangehe, diesen Dank zu formulieren,<br />
bin i<strong>ch</strong> mir bewußt, daß i<strong>ch</strong> dabei ganz Wesentli<strong>ch</strong>es<br />
ni<strong>ch</strong>t in Worte einfangen kann. <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong><br />
hat sehr vielen S<strong>ch</strong>ülern Persönli<strong>ch</strong>es gegeben.<br />
Pädagogik als Wissens<strong>ch</strong>aft lag ihm eher fern;<br />
aber er besaß ein großes Maß von Erziehungsweisheit.<br />
Als Abt Benno im Frühjahr 1947 <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> zu<br />
seinem Na<strong>ch</strong>folger im Amt des Internatspräfekten<br />
bestimmte, spra<strong>ch</strong> eigentli<strong>ch</strong> nur eines gegen<br />
diese Wahl: <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> war damals no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
34 Jahre alt. Das Amt eines Präfekten, das vor der<br />
Abtrennung des Lyzeums und vor dem Anwa<strong>ch</strong>sen<br />
des Externats bedeutend größeres Gewi<strong>ch</strong>t als
heute besaß, wurde traditionsgemäß nur einem<br />
erfahrenen Lehrer zugemutet. <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong><br />
erfüllte das in ihn gesetzte Vertrauen voll und<br />
ganz. S<strong>ch</strong>on bald nannten ihn die S<strong>ch</strong>üler «Chef»,<br />
und er war wirkli<strong>ch</strong> Chef des Internats. Er mußte<br />
ni<strong>ch</strong>t auf seine Autorität po<strong>ch</strong>en, er besaß sie<br />
dur<strong>ch</strong> seine Persönli<strong>ch</strong>keit, dur<strong>ch</strong> sein ausgegli<strong>ch</strong>enes<br />
Wesen und dur<strong>ch</strong> seine Güte.<br />
Es war ni<strong>ch</strong>t die Art <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong>s, große Erziehungsprogramme<br />
aufzustellen. Hier unters<strong>ch</strong>ied<br />
er si<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> von Rektor <strong>Pater</strong> Ludwig Räber,<br />
mit dem er lange Jahre zusammenarbeitete und<br />
den er in glückli<strong>ch</strong>er Weise ergänzte. Er ents<strong>ch</strong>ied<br />
von Fall zu Fall und zog bei seinen Ents<strong>ch</strong>eidungen<br />
immer in erster Linie die Mens<strong>ch</strong>en in seine<br />
Erwägungen mit ein. Sein Erziehungsstil war nie<br />
geprägt von starrer Konsequenz. Er konnte ein<br />
Auge zudrücken, er zeigte Verständnis für jugendli<strong>ch</strong>en<br />
Übermut, und er hatte – au<strong>ch</strong> dies gehört<br />
zum Bild von <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> – unter den Studenten<br />
immer seine Lieblinge. Dazu mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> Willi<br />
S<strong>ch</strong>ohaus zitieren, der in seinem immer no<strong>ch</strong><br />
lesenswerten Bu<strong>ch</strong> «S<strong>ch</strong>atten über der S<strong>ch</strong>ule»<br />
(Züri<strong>ch</strong> 1930) s<strong>ch</strong>reibt: «Man kann etwa einen<br />
Lehrer si<strong>ch</strong> rühmen hören, er sei ni<strong>ch</strong>t parteiis<strong>ch</strong>,<br />
er habe alle S<strong>ch</strong>üler glei<strong>ch</strong> gern. Man könnte dem<br />
Spre<strong>ch</strong>er dann stets ohne Gefahr des Fehlgreifens<br />
antworten: ‹Ja, dann haben Sie eben alle S<strong>ch</strong>üler<br />
glei<strong>ch</strong> ungern, oder Ihr Gerede ist ni<strong>ch</strong>t ernst zu<br />
nehmen.› Es wird kaum Erzieher geben, die ni<strong>ch</strong>t<br />
au<strong>ch</strong> ihre natürli<strong>ch</strong>-mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Liebensbedürfnisse<br />
mit in die S<strong>ch</strong>ulstube hineinbringen.» <strong>Pater</strong><br />
<strong>Fridolin</strong> hatte ni<strong>ch</strong>t «alle S<strong>ch</strong>üler glei<strong>ch</strong> ungern»;<br />
wer ni<strong>ch</strong>t zu seinem engsten Kreis gehörte, mußte<br />
si<strong>ch</strong> gewiß ni<strong>ch</strong>t bena<strong>ch</strong>teiligt fühlen. Er war für<br />
alle da, und er wurde allen gere<strong>ch</strong>t. Wenn man<br />
si<strong>ch</strong> fragt, worin denn eigentli<strong>ch</strong> der große Erfolg<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong>s als Präfekt bestand, so wird man<br />
vor allem an seine große, spri<strong>ch</strong>wörtli<strong>ch</strong> gewordene<br />
Ruhe denken müssen. Er war ruhig, und er<br />
strahlte Ruhe aus. Obwohl er ein fast übermens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es<br />
Arbeitsprogramm zu bewältigen hatte, sah<br />
man ihn kaum einmal in Hast und Eile. Immer<br />
hatte er Zeit, andere anzuhören; und immer versu<strong>ch</strong>te<br />
er, die andern zu verstehen und ihre Beweggründe<br />
zu begreifen. Er wollte überzeugen,<br />
aber ni<strong>ch</strong>t überreden. Au<strong>ch</strong> in s<strong>ch</strong>wierigen Situationen<br />
blieb er ruhig. Viellei<strong>ch</strong>t zurückhaltend,<br />
viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> unents<strong>ch</strong>ieden prüfte er alle vorgetragenen<br />
Meinungen, bevor er selber seine Ansi<strong>ch</strong>t<br />
äußerte. Er wollte und er konnte ni<strong>ch</strong>t streiten.<br />
Stets versu<strong>ch</strong>te er, bei Meinungsvers<strong>ch</strong>iedenheiten<br />
auszuglei<strong>ch</strong>en. Dieser Wille zum friedli<strong>ch</strong>en Ausglei<strong>ch</strong><br />
bra<strong>ch</strong>te ihm allerdings zuweilen au<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>wierigkeiten. Streitende Parteien konnten
ni<strong>ch</strong>t immer begreifen, warum der Präfekt kein<br />
ents<strong>ch</strong>eidendes Ma<strong>ch</strong>twort spra<strong>ch</strong>. Im Aufspüren<br />
von Disziplinlosigkeiten zeigte er fast kriminalistis<strong>ch</strong>e<br />
Fähigkeiten; aber nur äußerst ungern spielte<br />
er den Ri<strong>ch</strong>ter.<br />
Es gab allerdings au<strong>ch</strong> Momente, in denen <strong>Pater</strong><br />
<strong>Fridolin</strong> seine Ruhe verlor; und dies spri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er<br />
ni<strong>ch</strong>t gegen ihn. Wenn er si<strong>ch</strong> zutiefst enttäus<strong>ch</strong>t<br />
fühlte – und Enttäus<strong>ch</strong>ungen erfährt jeder Erzieher<br />
–, konnte er au<strong>ch</strong> einmal explodieren. Die seltenen<br />
Ausbrü<strong>ch</strong>e wirkten wie ein Naturereignis.<br />
Au<strong>ch</strong> der selbstsi<strong>ch</strong>erste und fre<strong>ch</strong>ste Lyzeist wurde<br />
s<strong>ch</strong>uldbewußt: Wenn der so ruhige Präfekt seine<br />
Ruhe verliert, sind wir ganz si<strong>ch</strong>er zu weit gegangen.<br />
Die Wogen glätteten si<strong>ch</strong> wieder, und<br />
dann war <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> au<strong>ch</strong> immer bereit, Maßlosigkeit<br />
zu korrigieren, hinzuhören und auszuglei<strong>ch</strong>en.<br />
Es wurde bereits erwähnt, <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> besaß<br />
eine fast uners<strong>ch</strong>öpfli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>affenskraft. Wo es etwas<br />
zu tun gab, legte er selber Hand an. Er arbeitete<br />
im Garten, im Speisesaal, er mutete si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
ein ständig wa<strong>ch</strong>sendes Programm als Lehrer zu.<br />
Ohne entspre<strong>ch</strong>ende Vorbildung wurde er – was<br />
hö<strong>ch</strong>st selten ist – zum beliebten Mathematiklehrer.<br />
Seine Geduld und seine Bereits<strong>ch</strong>aft, den<br />
Lehrstoff immer wieder zu erklären, hat man<strong>ch</strong>em<br />
S<strong>ch</strong>üler den Zugang zur Mathematik eröffnet. Wie<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> diese Arbeit neben der damals dem<br />
Präfekten no<strong>ch</strong> angelasteten Verwaltung und<br />
neben seiner steten Präsenz leisten konnte, ist<br />
rätselhaft. Während des S<strong>ch</strong>uljahrs gönnte er si<strong>ch</strong><br />
nur wenig S<strong>ch</strong>laf. In den Ferien konnte er dann<br />
zwei bis drei Tage fast voll dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lafen.<br />
Vierundzwanzig Jahre lang hat <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> das<br />
Amt eines Präfekten versehen. Das bedeutet: immer<br />
wieder neu anfangen, tausendmal das glei<strong>ch</strong>e<br />
sagen und viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> lausend mal enttäus<strong>ch</strong>t<br />
werden. Daß <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> diese Belastung so lange<br />
ausgehalten hat, können wir nur mit seinem<br />
großen, religiös fundierten Optimismus erklären.<br />
Er glaubte an den Sinn seiner Aufgabe, er glaubte<br />
an die jungen Mens<strong>ch</strong>en, und vor allem glaubte er<br />
an Gott. Sein religiöser Stil mag viellei<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t<br />
jedem entspro<strong>ch</strong>en haben; und trotzdem wirkte<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> für alle überzeugend, weil er selber<br />
überzeugt war und aus seiner eigenen Überzeugung<br />
heraus lebte und arbeitete. Mit seinem Tod<br />
ist sein Werk ni<strong>ch</strong>t erlos<strong>ch</strong>en, es lebt in Generationen<br />
von S<strong>ch</strong>ülern weiter, die ihn als Präfekt und<br />
als Lehrer erleben durften.<br />
1971 wurde <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> von Abt Georg zum<br />
Dekan des Klosters bestimmt. Der Abs<strong>ch</strong>ied von
der Präfektur, die er und die ihn gezei<strong>ch</strong>net hatte,<br />
fiel ihm ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t. Der neue Posten war ihm zu<br />
geruhsam, er blieb ges<strong>ch</strong>ätzter Mathematiklehrer,<br />
und er su<strong>ch</strong>te neue Betätigungsfelder. In Ingenbohl<br />
wirkte er als Religionslehrer, er hielt Exerzitien<br />
und Einkehrtage. Do<strong>ch</strong> dann griff eine tückis<strong>ch</strong>e<br />
Krankheit in das Leben <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong>s ein.<br />
Er wehrte si<strong>ch</strong>, er wollte ni<strong>ch</strong>t krank sein, er hatte<br />
no<strong>ch</strong> seine Pläne für die Zukunft. Wir alle wußten<br />
es, wir sahen es: Es war eine Krankheit, die zum<br />
Tode führen mußte. Er aber blieb si<strong>ch</strong> treu; solange<br />
seine Kraft ausrei<strong>ch</strong>te, blieb er auf seinem Posten.<br />
In diesen letzten Monaten und Wo<strong>ch</strong>en wurde<br />
<strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong> für uns alle zu einem Zei<strong>ch</strong>en:<br />
Man muß etwas tun, man muß alle Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
für die andern einsetzen, niemals darf man einfa<strong>ch</strong><br />
aufgeben und si<strong>ch</strong> fallen lassen. Erst als alle<br />
Kraft aufgebrau<strong>ch</strong>t war, erkannte <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong>,<br />
daß für ihn nur no<strong>ch</strong> die letzte Leistung mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Lebens übrigblieb: die Leistung, bewußt zu<br />
sterben. Mit seiner letzten Kraft s<strong>ch</strong>rieb er sein<br />
geistiges Testament, die Homilie, die bei seinem<br />
Beerdigungsgottesdienst verlesen werden sollte.<br />
Alle, wel<strong>ch</strong>e die letzten Worte <strong>Pater</strong> <strong>Fridolin</strong>s aufmerksam<br />
und mit Ehrfur<strong>ch</strong>t aufnahmen, haben<br />
erkannt, daß es die Worte eines Sterbenden waren,<br />
der seine Erkenntnisse an die lebenden weitergeben<br />
wollte.<br />
<strong>Pater</strong> Kassian Etter