les alBuM „screaMadelica“ zwan- ziG JaHre nacH ... - Tip Berlin
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Musikstadt <strong>Berlin</strong> interview Harald wolf Green Music new Music award ctM PoPkoMM a2n wHat’s uP Mitte!? red Bull acadeMy Get no sleeP terMine adressen u-ton radio 1 <strong>nacH</strong>t kulturBrauerei <strong>Berlin</strong> festival und cluB x BerG cluB<strong>nacH</strong>t Headquarter iM .HBc in-edit tiPPs<br />
Hört das<br />
denn<br />
nie auf?<br />
Die Musikstadt <strong>Berlin</strong> bezieht ihren Ruf derzeit aus der<br />
florierenden Club- und Technoszene – dabei lockte die<br />
deutsche Hauptstadt bereits vor beinahe 100 Jahren als<br />
überbordende Musikmetropole Menschen aus aller Welt an<br />
Musik, Musik, Musik. In <strong>Berlin</strong> geht nichts ohne Musik.<br />
Nirgendwo in Europa sind die Nächte länger und ist<br />
das Angebot an Clubs und Bars größer. Auf Konzerten<br />
herrscht Hochbetrieb. Musik ertönt auf Straßenfesten<br />
und Umzügen. Plattenfirmen haben in der Hauptstadt<br />
Büros eröffnet, das Musikfernsehen hat sich an der<br />
Spree niedergelassen und Auszeichnungen werden<br />
heute überwiegend in <strong>Berlin</strong> verliehen. Und nicht zuletzt<br />
leben Musiker aus dem In- und Ausland an der<br />
Spree. Der Stand der Technik macht es möglich, dass<br />
jeder für sich unkompliziert am Rechner produzieren<br />
kann.<br />
Man hätte es sich denken können, dass es irgendwann<br />
wieder so kommt. <strong>Berlin</strong> war schon in den Goldenen<br />
Zwanzigern des 20. Jahrhunderts eine vibrierende<br />
Musikmetropole. Die Stadt, damals eine der größten<br />
der Welt, zog die Menschen ähnlich an wie London<br />
oder Paris. Der Erste Weltkrieg war vorbei, man wollte<br />
sich vergnügen und von wilhelminischer Strenge<br />
lösen. Die sich entwickelnde Moderne mit größerer<br />
Mobilität und neuen Medien förderte die Verbreitung<br />
eines neuen Geistes. Der Char<strong>les</strong>ton wurde<br />
in Revuen und Tanzlokalen heimisch, der<br />
Jazz war nicht zu überhören und eine Josephine<br />
Baker stand mit ihren wilden<br />
Tänzen für die selbstbewusster werdende<br />
Frau. Heute erinnern daran<br />
historische Stätten und bekannte<br />
Namen. Der Admiralspalast<br />
wurde unlängst wieder herge-<br />
richtet, seit knapp <strong>zwan</strong>zig Jahren gibt es das neue<br />
Wintergarten-Varietétheater an der Potsdamer Straße<br />
und im Heimathafen im Saalbau Neukölln lebt der<br />
Geist des alten Vergnügungsviertels Rixdorf auf. In der<br />
Nürnberger Straße gibt es das Ellington Hotel, zum Gedenken<br />
an frühere Auftritte des Jazzmusikers. Und Max<br />
Raabe lässt mit seinem Palast Orchester das deutsche<br />
Liedgut der damaligen Zeit aufleben.<br />
Es dauerte bis zu den Neunzigern, bis Musik in der<br />
Stadt erneut in ähnlich starker Weise das Lebensgefühl<br />
prägte. Wieder war es das Resultat der Befreiung<br />
von historischen Lasten. Der Westteil war schon lange<br />
ein Anziehungspunkt für internationale Stars wie<br />
David Bowie, Iggy Pop, Nick Cave, U2 oder Depeche<br />
Mode. Das Nachtleben war herausragend, es gab viele<br />
Clubs und Discos, vor allem rund um den Ku’damm.<br />
Für Konzertveranstalter wirkte sich die Insellage aber<br />
oft nachteilig aus. Viele Bands kamen nicht nach <strong>Berlin</strong>,<br />
weil sie den beschwerlichen Weg mit zwei Grenzkontrollen<br />
nicht auf sich nehmen wollten. Im Ostteil<br />
hatte man mit fast sechs Jahrzehnten Leben in der<br />
Diktatur zu kämpfen. Sich einen Weg vorbei<br />
an staatlicher Kontrolle zu bahnen,<br />
war nicht einfach. Mit der Befreiung von<br />
politischen Zwangsjacken kam es zu<br />
einer Explosion. Techno, House und<br />
Acid hatten sich schon kurz vor<br />
dem Mauerfall in den Kiezen des<br />
Westens ausgebreitet. Ab 1990<br />
feierten Pioniere der elektroni-<br />
schen Musik in Ruinen und leer stehenden Gebäuden im Osten. Clubs wie der alte Tresor<br />
oder das E-Werk wurden zur Begegnungsstätte. Erstmals seit vielen Jahrzehnten konnten<br />
sich Nachtschwärmer aus beiden Teilen der Stadt gemeinsam amüsieren. Techno wurde<br />
der Soundtrack zur Wiedervereinigung, der rapide Zulauf bei der Love Parade zum Sinnbild<br />
für eine sorglose Zeit.<br />
Eine neue Ära hatte begonnen und dieses Mal erfuhr sie nicht so einen jähen Einbruch<br />
wie in den späten Zwanzigern. Zwar waren die Meldungen über den Zustand der Wirtschaft<br />
zuletzt nicht erfreulich, aber es hat sich gezeigt, dass einem auch bei schmalerem<br />
Geldbeutel die Lust an der Musik nicht vergehen muss. Die Mischung aus günstigen<br />
Flugpreisen, bezahlbaren Übernachtungskosten und Mieten und dem guten alten Ruf<br />
der Partymetropole haben für immensen internationalen Zustrom gesorgt, durch den<br />
eine neue Dynamik entstand. Früher wäre es für Veranstalter ein Risiko gewesen, wenn<br />
Konzerte parallel zur Konkurrenz stattgefunden hätten. Heute kann man davon ausgehen,<br />
dass Fans eigens anreisen, um bestimmte Gigs zu besuchen. In Spitzenzeiten findet man<br />
in <strong>Berlin</strong> ein ähnliches Abendangebot wie in London vor. Das Interesse ist groß genug,<br />
die Läden sind voll, nicht selten geben Musiker hier ihr einziges Deutschlandkonzert.<br />
Und wenn der Auftritt vorbei ist, geht es in den Clubs weiter. Da sollte man weiterhin<br />
kein Problem haben, seine Nische zu finden. Bei entsprechender Kondition kann man<br />
von Freitagnacht bis Montagmorgen durchtanzen – einmalig in Europa. Wer keine Lust<br />
auf Techno hat, muss noch lange nicht zu Hause bleiben. Wer andere Richtungen der<br />
elektronischen Musik, also Electro, Drum’n’Bass oder Dubstep, bevorzugt, kommt ebenfalls<br />
auf seine Kosten. Man findet auch eine Heimat, wenn man eher auf Reggae, Soul,<br />
HipHop, Weltmusik oder Schlager aus ist. Der Fantasie der <strong>Berlin</strong>er Partymacher sind<br />
keine Grenzen gesetzt.<br />
Jetzt, da ein neues Jahrzehnt begonnen hat, dürften wieder Veränderungen bevorstehen.<br />
Einige Clubbetreiber suchen nach alternativen Standorten und spielen mit dem<br />
Gedanken, andere Viertel als die üblichen auszutesten. Das war ja auch immer eine<br />
Besonderheit in dieser Stadt: Man hat es nie zu lange an einem Fleck ausgehalten. Man<br />
hatte immer Mut zu Veränderung. So konnte die Musikstadt <strong>Berlin</strong> in Bewegung bleiben<br />
und auf ihre ganz eigene Art inspirierend wirken. Hört das denn nie auf? Hoffentlich!<br />
04 05<br />
Thomas Weiland