K u rzfassu n g sb an d - Graz University of Technology
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Energieinnovation 2006 15<br />
formen, muss ein mittelfristiges Ziel sein. Sie wird in den zwei bis drei Jahren, in denen nach Ansicht<br />
internationaler Energieexperten das hohe Preisniveau vermutlich bestehen bleibt, nur eingeleitet werden<br />
können. Damit jetzt zu beginnen, ist dennoch unabdingbar. Selbst wenn sich die Lage wieder<br />
entsp<strong>an</strong>nen sollte, ist doch später mit weiteren massiven Preiserhöhungen zu rechnen, und irgendw<strong>an</strong>n<br />
werden die Erdölreserven erschöpft sein, auch wenn der ungefähre Zeitpunkt von so vielen<br />
Faktoren abhängt, dass zur Zeit keine Prognosen vorliegen, die mit denen der siebziger Jahre vergleichbar<br />
sind.<br />
Ein weiterer Aspekt ist der sich abzeichnende zunehmende Energiebedarf von Ländern wie China,<br />
Indien etc. Mittelfristig werden weitere Ländern der so gen<strong>an</strong>nten dritten Welt folgen. Dabei wird nur<br />
sehr bescheiden Rücksicht die Umwelt genommen. Es geht – verständlicherweise – zuerst um das<br />
Wohl und den Komfort des Einzelnen, den die heutigen Industrieländer diesen Menschen weder verwehren<br />
dürfen noch können.<br />
Wege aus der Erdölkrise<br />
2020 soll Erdöl – wie heute – 40% des Weltenergiebedarfes decken, dessen Zuwachs bis zu diesem<br />
Zeitpunkt ebenfalls 40% erreichen würde. Eine nicht unbedeutende Tatsache ist für die heutige Erdölindustrie<br />
das Alter der derzeitig ausgebeuteten Lager. Die heutigen Produktionsstätten wurden vor<br />
längerer Zeit erkundet, neue Reservekapazitäten müssen daher sichergestellt werden, will m<strong>an</strong> die<br />
Ölnachfrage in den nächsten Jahrzehnten ohne brutale Preiserhöhungen decken können.<br />
Die Erdgasreserven sind wie die Ölreserven geeignet, die Bedarfsdeckung in den nächsten Jahrzehnten<br />
zu sichern. Erdgas wird in Zukunft einem starken Verbrauchszuwachs gegenübergestellt, wobei<br />
auch hier energiepolitische Sp<strong>an</strong>nungen nicht auszuschliessen sind.<br />
Obwohl grosse Potentiale bestünden, wird für die künftige Stromversorgung die hydraulische Energiegewinnung<br />
nur zurückhaltend gen<strong>an</strong>nt; es werden die hohen Kapital<strong>an</strong>forderungen und vermehrt auch<br />
Umweltaspekte erwähnt. Wasserkraft ist heutzutage die einzige erneuerbare Energie die sowohl bezüglich<br />
Verfügbarkeit als auch Wirtschaftlichkeit grossen Nutzen bringt. Aber die Frage, ob das Drei-<br />
Schluchten-Projekt in China oder der Assu<strong>an</strong>damm in Ägypten auf l<strong>an</strong>ge Sicht vertretbare Entwicklungen<br />
sind, muss gestellt werden.<br />
In einer Welt, die derzeit etwa 11 Milliarden Tonnen Öleinheiten verbraucht, trägt die Kernenergie mit<br />
etwa 600 Millionen Tonnen Öleinheiten zwar global bescheiden, in gewissen Industrieländern jedoch<br />
in stärkerem Mass, zur Energiebereitstellung bei. Dieser Energieform werden aus verschiedenen<br />
Gründen nur zögernde Entwicklungsaussichten vorausgesagt. Einige Länder haben entweder ihre<br />
Kernkraftwerke ausser Betrieb genommen oder den Ausstieg in absehbarer Zukunft vorgesehen.<br />
Dennoch wird das Offenhalten der Option <strong>of</strong>t als unerlässlich erklärt. So war am Kongress des Weltenergierates<br />
in Sydney <strong>an</strong>gesichts des steigenden Energiebedarfes der Welt und der geopolitischen<br />
Situation deutlich die Stimmung zu spüren, dass auf das Potential der Kernenergie nicht leichtfertig<br />
verzichtet werden sollte.<br />
Die Kohlereserven reichen nach heutiger Sicht für eine Versorgung von weit über einem Jahrhundert<br />
aus. Die Verteilung der Weltkohlereserven stellt kaum geopolitische Probleme. Die 1977 erschienene<br />
MIT-Studie hatte die Kohle neben der Kernenergie als Hauptalternative zu den Kohlenwasserst<strong>of</strong>fen<br />
Erdöl und Erdgas betrachtet. Die Experten hatten sich einen Weltkohlemarkt vorgestellt, in dem neue<br />
Tr<strong>an</strong>sporttechnologien mit Kohlenstaubwassermischungen, die durch so gen<strong>an</strong>nte „slurry pipe lines“<br />
als zähflüssige Masse zu den Verladehäfen befördert würden, eingesetzt werden sollten. Auch Kohlevergasung<br />
und -verflüssigung wurden als mögliche Zukunftslösungen hervorgehoben. Verschiedene<br />
Testprojekte wurden mit heute noch wenig Erfolg untersucht.<br />
Fazit<br />
Hatte m<strong>an</strong> in den siebziger Jahren eine starke Entwicklung der Kohleindustrie ohne besondere Bedenken<br />
als eine Notwendigkeit für eine sichere Weltenergieversorgung in Betracht gezogen, so wird<br />
heute wegen der befürchteten Klimakatastrophe durch den Treibhauseffekt eine Neuorientierung der<br />
Energiepolitik notwendig. Im Vordergrund stehen dabei die neue erneuerbare Energie sowie die rationelle<br />
Energienutzung. Aber auch <strong>an</strong>dere Formen der Energiegewinnung wie beispielsweise die Kernenergie<br />
dürfen nicht ausser Betracht gelassen werden. Für jede einzelne Energieform sind Möglichkeiten<br />
und Grenzen ohne Vorurteile genau zu prüfen. Dabei darf die Notwendigkeit l<strong>an</strong>ger Forschungsund<br />
Entwicklungstätigkeit nicht vergessen werden. Es müssen auch der fin<strong>an</strong>zielle Aspekt und die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz der erneuerbaren Energie berücksichtigt werden.<br />
Trotzdem erlauben die seit mehreren Jahrzehnten gemachten Fortschritte, die erneuerbare Energie<br />
als eine nützliche, vorerst komplementäre Energiequelle bei spezifischem Einsatz zu schätzen.