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„Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“ - Schlänger Bote

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Die hohe Kunst des guten Lesens<br />

Wettbewerb in der Grundschule am Sennerand<br />

Donnerstagmorgen in der großen<br />

Pausenhalle der Grundschule<br />

am Sennerand in Oesterholz-Haustenbeck.<br />

Es ist 9.20<br />

Uhr, und es ist mucksmäuschenstill.<br />

Links sitzen die Schülerinnen<br />

und Schüler auf langen<br />

Bankreihen. Genau gegenüber<br />

stehen vier Schultische. Daran<br />

sitzen die jeweils besten Vorleserinnen<br />

und Vorleser ihrer Klasse<br />

und warten gespannt auf ihren<br />

großen Auftritt – Lampenfieber<br />

inklusive. Heute sind<br />

höchste Konzentration und<br />

ganz viel Gefühl für die Texte<br />

gefragt. Denn heute ist Vorlesewettbewerb.<br />

Jonas und Leandra vertreten die<br />

1. Klasse. Für die 2 a lesen Mara<br />

Emely und Frauke, für die Parallelklasse<br />

Louis und Marie. Am<br />

Nebentisch haben die besten<br />

Leserinnen und Leser der dritten<br />

Klassen, Michelle und Franz sowie<br />

Evelyn und Manuel Platz genommen.<br />

Und als letzte sind die<br />

„Großen“, die Viertklässler an<br />

der Reihe. Karolina und Tim für<br />

die 4 a, Leonie und Marius, der<br />

an diesem Tag auch noch Geburtstag<br />

hat, für die 4 b. Vor ihnen:<br />

das Mikrofon. Ein kurzer<br />

Blick zur Seite. Dort sitzt die<br />

Jury, die es heute zu überzeugen<br />

gilt.<br />

Ihr gehören unter anderem die<br />

Vorsitzende des Fördervereins<br />

der Grundschule, Beate Voß<br />

und eine ehemalige Lehrerin der<br />

Schule, Tina Kötter, an. Gut ausgestattet<br />

mit Stiften, Mineralwasser<br />

und reichlich Papier sind<br />

die Frauen fast genauso gespannt<br />

wie die Kinder. Der Jury<br />

liegen klare Beurteilungskriterien<br />

vor, die im Lehrerkollegium<br />

erarbeitet wur<strong>den</strong>. Lesefehler,<br />

Lesetempo, Aussprache, Betonung<br />

und Atempausen sind die<br />

zentralen Kriterien, die für eine<br />

nachvollziehbare und gerechte<br />

Bewertung sorgen sollen. Die<br />

Kinder wissen, auf was es ankommt.<br />

Denn schon bei der<br />

klasseninternen Vorauswahl ermittelten<br />

die Schüler ihre besten<br />

Vorleser nach eben diesen Kriterien.<br />

Dann löst sich die gespannte<br />

Stille. „Guten Morgen Frau<br />

Schulte“, schallt es durch die<br />

Halle. „Guten Morgen Kinder“<br />

antwortet die Rektorin. Sie stellt<br />

die Mitglieder der Jury vor, die<br />

ebenfalls mit einem freundlichen<br />

guten Morgen empfangen wer<strong>den</strong>.<br />

Und sie bedankt sich ausdrücklich<br />

bei <strong>den</strong> Kindern, die<br />

heute trotz sehr guter Leseleistung<br />

auf eine Teilnahme am<br />

Wettbewerb verzichtet haben.<br />

Sie hatten im Vorjahr schon einmal<br />

vor großem Publikum gelesen<br />

und diesmal <strong>den</strong> Kindern<br />

<strong>den</strong> Vortritt gelassen, die noch<br />

nicht qualifiziert waren.<br />

Dann wird es ernst. Die Kinder<br />

erhalten ihre Texte. Die Lehrer<br />

haben es sich mit der Auswahl<br />

nicht leicht gemacht. Es galt,<br />

Texte mit vergleichbarem<br />

Schwierigkeitsgrad zu fin<strong>den</strong>,<br />

dem Alter der Kinder angemessen,<br />

spannend, aber ohne Zungenbrecher<br />

und Fremdworte.<br />

Schließlich musste der Lesestoff<br />

auch noch einen angemessenen<br />

Anteil an Dialogen enthalten. Die<br />

Teilnehmer des ersten und zweiten<br />

Schuljahres haben ihre Texte<br />

bereits in der ersten Schulstunde<br />

bekommen und sie schon<br />

einmal gelesen. Für die dritten<br />

und vierten Klassen ist der Lesestoff<br />

jedoch völlig unbekannt.<br />

Es geht spannend und temporeich<br />

zu, wenn der Leserabe<br />

versucht, <strong>den</strong> Drachen in eine<br />

Falle zu locken. „'Hierher!' ruft<br />

Peter von unten. ’Lock ihn in<br />

meine Falle.' Der Leserabe flattert<br />

los. Der Drache fliegt hinter<br />

ihm her. Zwischen <strong>den</strong> Regalen<br />

liefern sich die bei<strong>den</strong> eine wilde<br />

Verfolgungsjagd. Ganz knapp<br />

fliegt der Rabe an der Falle vorbei.<br />

Der Drache ist zu groß, um<br />

auszuweichen. Er saust hinein,<br />

und die Falle schnappt zu.“ (Aus<br />

dem Text für das zweite Schuljahr.)<br />

Die mit Abstand witzigsten<br />

Texte lesen die Schülerinnen<br />

und Schüler der dritten Klasse.<br />

Sie handeln von Herrn von<br />

Blech, mit Betonung auf dem<br />

„von“. Herr von Blech ist ein<br />

kleiner, selbstgebauter Roboter,<br />

mit einem Körper aus einem<br />

hochkant gestellten Edelstahltoaster<br />

und einem Wecker als<br />

Kopf. Die Arme bestehen aus einer<br />

Kneif- und einer Rohrzange<br />

und die Beine aus Gabeln mit<br />

umgebogenen Zinken, so dass<br />

der Roboter richtige Zinkenzehen<br />

hat. Aber niemals hätte sein<br />

Erfinder Tom damit gerechnet,<br />

dass Herr von Blech lebendig<br />

wer<strong>den</strong> würde. Und viel mehr<br />

als dass, er wird ausgesprochen<br />

einfallsreich und unternehmungslustig,<br />

bezieht eine gemütliche<br />

kleine Wohnung in<br />

Toms Schrank und begleitet ihn<br />

sogar in die Schule.<br />

Leseprobe: „Herr von Blech<br />

macht Sport: In der Pause stan<strong>den</strong><br />

alle Schüler aus der Klasse<br />

um Tom und seinen Roboter he-<br />

rum. Nur der lange Mario ließ<br />

sich nicht blicken, und Tom gefiel<br />

es so langsam immer besser,<br />

dass Herr von Blech sich entschlossen<br />

hatte auch zur Schule<br />

zu gehen. Das Allerbeste war,<br />

dass Clarissa mit <strong>den</strong> langen<br />

blon<strong>den</strong> Haaren Tom auf einmal<br />

zu bewundern schien. „Ich wusste<br />

ja gar nicht, was für ein toller<br />

Erfinder du bist!“, schwärmte<br />

sie. Bis jetzt hatte Clarissa immer<br />

nur einen toll gefun<strong>den</strong>,<br />

nämlich <strong>den</strong> langen Mario. Aber<br />

das hatte sich offenbar nun geändert.<br />

„Also echt, der Mario ist<br />

totaaal langweilig und doof“,<br />

sagte Clarissa. „Und gemein!“,<br />

ergänzte Tom. „Totaaal gemein“,<br />

sagte Clarissa und Tom freute<br />

sich. Nach der Pause hatten sie<br />

Sport bei Herrn Bang. Herr<br />

Bang unterrichtete Kung-Fu und<br />

Karate. Sein Name klang zwar<br />

chinesisch, aber in Wirklichkeit<br />

kam er gar nicht aus China sondern<br />

aus Bottrop, und sein Vorname<br />

war Helmut. Allerdings<br />

hatte Herr Bang viele Jahre in<br />

China gelebt und konnte fantastisch<br />

kämpfen. Seine langen<br />

Dieses Bild wird nicht in der<br />

Internetausgabe dargestellt.<br />

Die klassenbesten Vorleserinnen und Vorleser stellen sich <strong>den</strong> Zuhörern<br />

und der Jury. Foto: D. Schulte<br />

braunen Haare waren zu einem<br />

Zopf zusammen gebun<strong>den</strong> und<br />

neben <strong>den</strong> Augen hatte er zwei<br />

schwarze Striche, damit sie ein<br />

bisschen chinesischer aussahen.<br />

Tom fand es toll, Kung-Fu<br />

zu lernen. Vor allem wegen Marios<br />

Gemeinheiten. Das Blöde<br />

war bloß, dass der lange Mario<br />

natürlich auch Sport bei Herrn<br />

Bang hatte und ebenfalls Kung-<br />

Fu lernte! Also blieb Tom nichts<br />

anderes übrig, als besser zu<br />

wer<strong>den</strong> als der lange Mario.<br />

Deswegen hatte er sich das<br />

Kung-Fu Buch aus der Schülerbücherei<br />

geholt und schon alle<br />

zehn Kapitel durchgelesen, obwohl<br />

Herr Bang gerade erst Kapitel<br />

eins und zwei mit ihnen<br />

durchgenommen hatte. „Na,<br />

Tom, seit wann gehen Roboter<br />

<strong>den</strong>n zum Sportunterricht?“,<br />

fragte Herr Bang, als er die Turnhalle<br />

betrat und Herrn von Blech<br />

entdeckte. „Seit heute“, antwortete<br />

Herr von Blech. „Oha“, sagte<br />

Herr Bang. „Er spricht sogar.<br />

Und kämpfen kann er bestimmt<br />

auch, was? Ein richtiger Kampfroboter,<br />

haha.“ Herr Bang<br />

machte gerne Späßchen. „Er hat<br />

<strong>den</strong> schwarzen Gürtel!“, flüsterte<br />

Tom Herrn von Blech zu. Herr<br />

von Blech blickte Herrn Bang<br />

an. Herr Bang trug einen<br />

schwarzen Anzug und einen<br />

schwarzen Gürtel. Herr von<br />

Blech blickte die Kinder an. Die<br />

Kinder trugen weiße Anzüge<br />

und weiße Gürtel. Herr von<br />

Blech blickte auf seinen glänzen<strong>den</strong><br />

Toasterbauch hinunter.<br />

„Ich will auch so einen schwarzen<br />

Gürtel!“, sagte er. „Haha“,<br />

lachte Herr Bang. „Den kriegt<br />

man nur, wenn man Meister ist!“<br />

„Meister?“, fragte Herr von<br />

Blech. „Was ist <strong>den</strong>n das?“ „Einer<br />

der alles kann“, erklärte Herr<br />

16 Schlänger <strong>Bote</strong> Nr. 343 · Mai 2010

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