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FINE Das Weinmagazin - 03/2010

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: SCHLOSS JOHANNISBERG

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Tradition und Verpflichtung<br />

auf Schloss Johannisberg:<br />

In der Bibliotheca subterranea<br />

ist die Qualität des Weins über<br />

Jahr hunderte archiviert.<br />

westlich von Geisenheim, die Ilmen Aue. Der<br />

Turm von Schloss Vollrads reckt seine Spitze durch<br />

das Rheingauer Rebenmeer. Die Kontakte zwischen<br />

den Metternichs und Greiffenclaus waren<br />

ab den 1930-er Jahren recht gut. Besuchergruppen<br />

wurden untereinander getauscht, und wenn Graf<br />

Matuschka-Greiffenclau sie an der Gemarkungsgrenze<br />

lächelnd an Wolfgang Schleicher übergab,<br />

wechselten die beiden so manchen flotten Spruch.<br />

Auf halber Höhe unterhalb des Schlosses verläuft<br />

in einem weiten Bogen ein bequemer Weg.<br />

Vor allem die Steilheit des Kernstücks wird hier<br />

direkt erfahrbar. Der Johannisberg ist geologisch<br />

recht einheitlich. Auf einem Kegel aus Taunusquarzit<br />

liegt eine achtzig Zentimeter bis zweieinhalb<br />

Meter dicke Schicht aus rötlichem Lößlehm.<br />

Er ist einige Male durchzogen von schmalen Kalkstreifen.<br />

Vergleichbare Formationen finden sich in<br />

zwei weiteren Lagen in Sichtweite: beim Geisenheimer<br />

Rothenberg und am Binger Rochusberg.<br />

Von den fünfunddreißig Hektar Rebfläche des<br />

Johannisbergs stehen zur Zeit dreiunddreißigeinhalb<br />

Hektar im Ertrag.<br />

Der Außenbetrieb ist das Reich von Bernd<br />

Necker auer. Nach dem Abitur durchlief er die<br />

klassische Ausbildung zum Winzer. Dem ersten<br />

Lehrjahr im elterlichen Betrieb im pfälzischen<br />

Weisenheim am Sand folgte ein zweites im Weingut<br />

Dr. Deinhard in Deidesheim. Anfang 1998<br />

schloss er sein Studium an der FH Geisenheim ab<br />

und wurde auf Empfehlung und ohne Umschweife<br />

Außenbetriebsleiter der Schloss Johannisberger<br />

Weingüterverwaltung. Er ist durch und durch<br />

Weingärtner. Die achtzig Flächen, in die der<br />

Johannisberg intern eingeteilt ist, kennt er wie<br />

seine Westentasche. Sie unterscheiden sich nach<br />

der Himmelsrichtung, der Hangneigung und der<br />

Sonneneinstrahlung. Die Wasserversorgung des<br />

Bergs ist durchweg ausgezeichnet. Eine Versuchsanlage<br />

zur Bewässerung ist in elf Jahren nur ein<br />

einziges Mal in Betrieb gewesen – und war auch<br />

da eigentlich überflüssig. Die besten Stücke sind<br />

die steilsten und optimal zur Sonne ausgerichteten<br />

direkt unter dem Schloss. Von hier kommen<br />

die Weine vom Grünlack an aufwärts. Westlich<br />

davon, etwa unterhalb der Weinschenke, werden<br />

die Kabinette geerntet. Am Fuß des Bergs, mit<br />

optimaler Wasserversorgung, können ebenfalls<br />

Grünlack-Rieslinge entstehen. Unten am Elsterbach<br />

und in den Flächen im Rücken des schlosses<br />

entsteht der Gelblack.<br />

Da der Reblausdruck im Rheingau immer<br />

noch hoch ist, wird bei Neuanpflanzungen auf<br />

der Domäne ausschließlich die in Geisenheim<br />

von Dr. Becker gezüchtete Unterlage Börner,<br />

eine Kreuzung zwischen der Vitis riparia mit der<br />

Vitis cinerea, beide aus Nordamerika, verwendet.<br />

Auch die Veredelungen sind ausnahmslos Geisenheimer<br />

Züchtungen, wobei in jeder Pflanz periode<br />

ein anderer Klon Verwendung findet, um eine<br />

gewisse Vielfalt zu erhalten. Jede zweite zeile der<br />

Drahtrahmenerziehung ist dauerbegrünt. Eine<br />

Untersuchung hat ergeben, dass sie sich aus über<br />

zwanzig Pflanzensorten zusammensetzt. Der<br />

übliche Pflanzenschutz zielt darauf ab, die Reben<br />

bis in den Reifebeginn krankheitsfrei zu halten<br />

und zu einem langjährigen Durchschnittsertrag<br />

von siebenundsechzig Hektolitern pro Hektar<br />

zu führen. Botrytis wird erst ab Ende September/Anfang<br />

Oktober für die Bereiche, in denen<br />

edelsüße Weine gewonnen werden sollen, toleriert.<br />

Zu den qualitätssteigernden Maßnahmen<br />

zählen Traubenteilungen und Entblätterungen.<br />

Doch das, so Neckerauer, geschehe immer individuell,<br />

nach Gefühl. Seine Aufgabe sei es, die Witterung<br />

abzuschätzen und genau den Wachstumsund<br />

Reifungsfortschritt zu beobachten. <strong>Das</strong> sei<br />

die unabdingbare Grundlage für die sorgfältige<br />

Planung der benötigten Qualitäten, wobei die<br />

Unwägbarkeiten des Wetters mit einkalkuliert<br />

werden müssten.<br />

Eine kleine Besonderheit findet sich inmitten<br />

des Johannisbergs: Eine quadratische Stele<br />

aus rotem Sandstein wird bekrönt von einer goldenen<br />

Fünfzig. An dieser Stelle verläuft der fünfzigste<br />

Breitengrad. Lange Jahre bezeichnete er die<br />

nördlichste Grenze für den Weinbau. Doch das<br />

könnte bald Geschichte sein. Schloss Johannisberg<br />

ficht das nicht an. Seine Geschichte hat ihm<br />

eine zentrale Rolle in der Weinkultur schon längst<br />

gesichert, und seine Gegenwart lässt nichts anderes<br />

erwarten als: dass sie noch lange nicht an ihr<br />

Ende gekommen ist. ><br />

26<br />

F I N E 3 / <strong>2010</strong>

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