FINE Das Weinmagazin - 03/2010

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: SCHLOSS JOHANNISBERG FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: SCHLOSS JOHANNISBERG

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Beeindruckender noch als der Blick vom Strom auf die Schauseite ist der Weg über die Straße den Berg östlich hinauf. Eine lange Allee führt auf das zentrale Gebäude. Zwei dreistöckige mansard ge deckte Kavaliershäuser begrenzen den Vorplatz. Während das westliche Angestellten der Domäne vorbehalten ist, ist der Ostpavillon seit mehr als drei Jahrzehnten an das kunstsinnige Ehepaar Mieke und Jan Theunen vermietet. Ein kunstvoll geschmiedetes Tor gibt den Blick auf den großzügigen Vorhof frei. An dessen gegenüberliegender Seite flankieren die Seitenflügel den Weg zum Haupteingang. Aus dieser Perspektive wirkt der Mittelbau wie ein eigenständiges Haus. Fünf Sprossenfenster breit, grüne Lamellenläden vor weißen Fensterlaibungen, ein ziseliertes Balkongeländer. Zwei goldene Inschriften in Versalbuchstaben zieren den Fries: C.W.L.P.A. METTERNICH. REST. ET. EXST. MDCCCXXVI und darunter, mit in nicht einmal der Hälfte der oberen Buchstabenhöhe: P. A. METTERNICH REST. MCMLIV. Gründungs-Geschichten und -Mythen sind konstitutive Faktoren für jedes Produkt – nicht nur in der Welt des Weins. Mit Schloss Johannis berg scheint es jemand im Laufe der langen Geschichte fast zu gut gemeint zu haben. Markante Wegmarken und innovative Entscheidungen reihen sich scheinbar endlos aneinander. Doch zunächst geht es unter die Erde. Die Hand zögert, als sie die Klinke des schweren Tores greift. Draußen entfaltet einer der ersten hochsommerlichen Tage des Jahres seine ganze Pracht. Die Luft ist vom bittersüßen Duft blühender Bäume und üppiger Rosenbüsche erfüllt. Ein feuchtkalter, düsterer Weinkeller übt da zunächst keine große Anziehungskraft aus. Die ersten Schritte führen tastend die breite Treppe hinab. Die Augen gewöhnen sich ungern an die fahle Beleuchtung. Lange reihen grau schwarzer Weinfässer liegen unter dem weit gespannten gewölbe von 1721, das sich über unfass liche zweihundert sechzig Meter Länge erstreckt. Unter den Schritten knirscht feiner Kiesel. In der Ferne sind undeutlich Stimmen zu vernehmen. Vereinzeltes helles Lachen mischt sich mit tieferen Lauten. Der Weg führt über Eck nach links. Hier liegen betagte Fässer in drei langen reihen, je eine an den Wänden und eine in der Mitte. Dort hinten rechts, fast am Ende, machen sich junge Leute an gebinden neueren Datums zu schaffen. Das Eichenholz leuchtet noch gelb, seine Ober fläche ist geglättet wie die eines Möbels. Das leise Sirren einer Pumpe verklingt. Mit geübten Hand griffen wird das Türchen im Fass boden geöffnet. Ein feiner und zugleich kräftiger Duft nach Hefe und Wein breitet sich aus. Christian Wittes Zeige finger streicht durch den Hefesatz. Die Geschmacksprobe bestätigt den sauberen 20 F I N E 3 / 2010

Tradition und Handwerk auf Schloss Johannisberg: Die großen alten Fässer sind noch in Gebrauch. In den Kellergewölben akkurat gereiht reift in ihnen der Wein. Duft. Der in diesem Fass ausgebaute Wein, da ist sich der junge Geschäftsführer der Schloss Johannis berger Weingüterverwaltung sicher, wird überzeugen. Hans Kessler entwickelte zusammen mit Keller meister Gerd Ritter die Idee, aus dem Holz ein hundert dreißig- bis zweihundertjähriger Eichen aus dem eigenen Forst Fässer küfern zu lassen. Holzküfer hösch aus Hackenheim, einer der Besten von wenigen Verbliebenen seines Fachs, lässt es sich nicht nehmen, die geeigneten Bäume selbst auszuwählen. Sechs bis acht neue Stückfässer wandern so Jahr für Jahr in den Weinkeller. Ziel ist es, vor allem im Hinblick auf das erste Gewächs, die Tradition der Holzfässer zu stärken. Deshalb werden die Moste in den Holz fässern nicht nur ge lagert, sondern auch schon vergoren. Der Erfolg gibt den dreien mehr als Recht. Doch die Auswahl »Kollektion des Jahres 2009« des Gault-Millau ist für Christian Witte nur ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg der Domäne Schloss Johannis berg an den ihr gebührenden Platz. Jungen engagierten Menschen Verantwortung zu übertragen, beginnt auf Johannisberg Methode zu werden. Schon der legendäre Domänen rat Wolfgang Schleicher, Vorgänger des jetzt gerade vierzigjährigen Witte, kam 1979 dreißigjährig in den Betrieb und lenkte die Domäne seit 1985. Keller meister Gerd ritter ist zwei Jahre älter als Witte und seit 1999 dabei; Außenbetriebsleiter Bernd Neckerauer, ein Studien- und Jahrgangskollege von Witte, ein Jahr länger. Die junge Mannschaft wird vervollständigt durch den Technischen Betriebsleiter, den sechsundfünfzigjährigen Hans Kessler, der 1993 in die Domäne kam und von 1995 bis zum Eintritt von Gerd ritter als Kellermeister verantwortlich war. Mit ihnen beginnt die neue Zeit auf Schloss Johannisberg. Christian Witte drängt es zu seiner Bibliotheca subterranea. Sie ist im östlichsten Teil des Kellers untergebracht. Bis zu vierundzwanzigtausend Flaschen finden im ehe maligen Kloster keller Platz, die älteste stammt aus dem Jahr 1748. Tatsächlich nimmt die Geschichte des Johannisbergs – wie sollte es im mittleren Europa anders sein – mit einem Kloster ihren Anfang. Ruthard von Mainz, dort Erzbischof von 1089 bis 1109, hatte verwandtschaftliche Beziehungen in Winkel und Geisenheim. Er gründete zwischen 1105 und 1108 das Kloster St. Johann auf dem Bischofsberg. Es war das erste Kloster im Rheingau. Elf weitere folgten ihm, eine ungewöhnliche Dichte, die die wirtschaftliche Potenz der region ebenso widerspiegelt wie ihre strategische Bedeutung. Es war ganz betont eine traditionelle benediktinische Klostergründung, die an diesem prominenten Ort nahe einer bedeutenden Handelsroute entstand. Kaum vergleichbar mit einer anderen für die Wein geschichte des Rheingaus bedeutsamen Klostergründung nur drei Jahrzehnte später. Da wurde Kloster Eberbach gegründet, nach der neuen und »modernen« Mönchsregel der Cistercienser in eremus, in der Einöde, F I N E R h e i n g a u 21

Beeindruckender noch als der Blick vom Strom auf die Schauseite<br />

ist der Weg über die Straße den Berg östlich hinauf.<br />

Eine lange Allee führt auf das zentrale Gebäude. Zwei dreistöckige<br />

mansard ge deckte Kavaliershäuser begrenzen den Vorplatz. Während<br />

das westliche Angestellten der Domäne vorbehalten ist, ist der<br />

Ostpavillon seit mehr als drei Jahrzehnten an das kunstsinnige Ehepaar<br />

Mieke und Jan Theunen vermietet. Ein kunstvoll geschmiedetes<br />

Tor gibt den Blick auf den großzügigen Vorhof frei. An dessen<br />

gegenüberliegender Seite flankieren die Seitenflügel den Weg zum<br />

Haupteingang. Aus dieser Perspektive wirkt der Mittelbau wie ein<br />

eigenständiges Haus. Fünf Sprossenfenster breit, grüne Lamellenläden<br />

vor weißen Fensterlaibungen, ein ziseliertes Balkongeländer.<br />

Zwei goldene Inschriften in Versalbuchstaben zieren den Fries:<br />

C.W.L.P.A. METTERNICH. REST. ET. EXST. MDCCCXXVI<br />

und darunter, mit in nicht einmal der Hälfte der oberen Buchstabenhöhe:<br />

P. A. METTERNICH REST. MCMLIV.<br />

Gründungs-Geschichten und -Mythen sind<br />

konstitutive Faktoren für jedes Produkt –<br />

nicht nur in der Welt des Weins. Mit Schloss<br />

Johannis berg scheint es jemand im Laufe der<br />

langen Geschichte fast zu gut gemeint zu haben.<br />

Markante Wegmarken und innovative Entscheidungen<br />

reihen sich scheinbar endlos aneinander.<br />

Doch zunächst geht es unter die Erde.<br />

Die Hand zögert, als sie die Klinke des schweren<br />

Tores greift. Draußen entfaltet einer der<br />

ersten hochsommerlichen Tage des Jahres seine<br />

ganze Pracht. Die Luft ist vom bittersüßen Duft<br />

blühender Bäume und üppiger Rosenbüsche<br />

erfüllt. Ein feuchtkalter, düsterer Weinkeller übt<br />

da zunächst keine große Anziehungskraft aus. Die<br />

ersten Schritte führen tastend die breite Treppe<br />

hinab. Die Augen gewöhnen sich ungern an die<br />

fahle Beleuchtung. Lange reihen grau schwarzer<br />

Weinfässer liegen unter dem weit gespannten<br />

gewölbe von 1721, das sich über unfass liche zweihundert<br />

sechzig Meter Länge erstreckt. Unter den<br />

Schritten knirscht feiner Kiesel. In der Ferne sind<br />

undeutlich Stimmen zu vernehmen. Vereinzeltes<br />

helles Lachen mischt sich mit tieferen Lauten. Der<br />

Weg führt über Eck nach links.<br />

Hier liegen betagte Fässer in drei langen<br />

reihen, je eine an den Wänden und eine in der<br />

Mitte. Dort hinten rechts, fast am Ende, machen<br />

sich junge Leute an gebinden neueren Datums<br />

zu schaffen. <strong>Das</strong> Eichenholz leuchtet noch gelb,<br />

seine Ober fläche ist geglättet wie die eines Möbels.<br />

<strong>Das</strong> leise Sirren einer Pumpe verklingt. Mit geübten<br />

Hand griffen wird das Türchen im Fass boden<br />

geöffnet. Ein feiner und zugleich kräftiger Duft<br />

nach Hefe und Wein breitet sich aus. Christian<br />

Wittes Zeige finger streicht durch den Hefesatz.<br />

Die Geschmacksprobe bestätigt den sauberen<br />

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