Hilfsmittel für die Beobachtung, aber kein Ersatz der ... - Charité

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pflegepraxis > Instrumente für die Schmerzeinschätzung bei Personen mit schwerer Demenz: Hilfsmittel für die Beobachtung, aber kein Ersatz der Fachlichkeit Thomas Fischer Mit zunehmender Erkrankungsschwere verlieren demenziell erkrankte Menschen Fähigkeiten, die es ihnen erlauben, ihre Empfindungen und Eindrücke anderen Menschen unmittelbar mitzuteilen. Dies gilt auch für die Äußerung von Schmerzen. Viele Heimbewohner leiden an Demenz. In einer Untersuchung von Jakob et al. (2002) wiesen 64,3 Prozent aller Pflegeheimbewohner in Leipzig eine Demenz auf, 28,7 Prozent litten sogar an einer schweren Demenz. Formen der schweren Demenz sind gekennzeichnet durch einen umfassenden Verlust verschiedener Funktionsfähigkeiten. Beeinträchtigt ist unter anderem die Fähigkeit, Sprache zu verstehen und selbst zu sprechen (Zaudig & Möller 2005). Glossar •• Interne Konsistenz (Homogenität) Sie ist ein Kriterium der Reliabilität (Zuverlässigkeit) und gibt an, inwieweit die einzelnen Items oder Subskalen das Merkmal oder Konzept erfassen, das mit der gesamten Skala erhoben werden soll. •• Inter-Rater-Reliabilität Sie sagt aus, inwieweit die mit dem Instrument ermittelten Werte übereinstimmen, wenn dieses gleichzeitig von mehreren Beurteilenden bei einer Person angewandt wird. •• Test-Retest-Reliabilität Hiermit wird angegeben, in welchem Maße die mit dem Instrument ermittelten Werte durch äußere Umstände beeinflusst werden. Es wird geprüft, wie sie sich bei einer zweiten Anwendung im Vergleich zur ersten ändern. Bei der Bestimmung dieser Form der Reliabilität muss berücksichtigt werden, dass das erfasste Phänomen in seinen Ausprägungen schwanken kann. •• Validität (Gültigkeit) Sie ist ein wichtiges Gütekriterium für Beobachtungsinstrumente und bringt zum Ausdruck, inwieweit mit dem Instrument das Merkmal oder Konzept erfasst wird, das beurteilt werden soll. Dadurch entstehen erhebliche Probleme. Eines betrifft die Einschätzung, ob ein Betroffener Schmerzen hat. Eigentlich gilt, dass nur der Betroffene selbst seine Schmerzen beurteilen kann und die Fachkräfte auf seine Auskunft angewiesen sind (McCaffery & Pasero 1999). Während Menschen mit einer leichten bis mittleren Demenz Auskunft geben und oft auch mit Schmerzskalen umgehen können, sind Personen mit schwerer Demenz dazu nicht mehr in der Lage (Hadjistavropoulos 2005). Daraus ergibt sich ein bedeutsames Problem, bedenkt man, dass schätzungsweise 45 bis 80 Prozent aller Bewohner von Pflegeheimen Schmerzen haben (AGS 2002). Verhaltensbeobachtung Ohne die Auskunft des Bewohners bleibt Pflegenden nichts anderes übrig, als aus seinem Verhalten auf mögliche Schmerzen zu schließen. Das ist nicht einfach, denn auffällige Verhaltensweisen bei Menschen mit Demenz können vielfältige Ursachen haben (Halek & Bartholomeyczik 2006). Allerdings scheint eine „globale“, nicht auf Kriterien gestützte Fremdeinschätzung des Schmerzes durch Pflegekräfte nicht besonders zuverlässig zu sein (vgl. Hadjistavropoulos 2005), ebenso wie die Einschätzung durch Ärzte oder Angehörige. Es wurde daher versucht, schmerztypische Verhaltensindikatoren zu entwickeln. Im Kasten findet sich eine Zusammenstellung der amerikanischen Gesellschaft für Geriatrie (AGS 2002). International wurden zahlreiche Einschätzungsbögen entwickelt, die die Pflegenden bei der Verhaltensbeobachtung unterstützen sollen. Ziel ist es, die für Schmerzen typischen Verhaltensweisen zu erfassen und sie von anderen Verhaltensauffälligkeiten zu unterscheiden. Diese Bögen stimmen nur zum Teil mit der Empfehlung der AGS überein und sind unterschiedlich gut fundiert und erforscht. Einen Überblick über die meisten international vorhandenen Instrumente und ihre Qualität geben Herr et al. (2006) und Zwakhalen et al. (2006). Zwei der Instrumente aus dem Ausland liegen auch in deutscher Fassung vor. Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD) BESD wurde unter dem Namen Pain Assessment in Advanced Dementia (PAI- NAD) in den USA von Warden et al. (2003) entwickelt. Neben der deutschen Fassung (Basler et al. 2006) gibt es eine italienische Version (Costardi et al. 2007). Erarbeitet wurde die deutsche Version vom Arbeitskreis Alter und Schmerz der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS). Im Arbeitskreis vertreten sind Ärzte, Psychologen und Pflegefachpersonen. Erhältlich ist das Instrument samt einer Anleitung unter www. dgss.org/service.asp. ••Aufbau und Anwendung: BESD besteht aus den Items Atmung, negative Lautäußerung, Gesichtsausdruck, Körpersprache und Trost (die Fähigkeit des Patienten, getröstet zu werden). Je nach beobachtbarem Verhalten werden pro Item zwischen null und zwei Punkte vergeben,was eine Gesamtpunktzahl zwischen null und zehn ergibt. Das Instrument wird von einer Pflegefachkraft angewandt, nachdem sie den Betroffenen für einige Minuten beobachtet hat. Eine Vorgabe, in welcher Situation die Beobachtung zu erfolgen hat, gibt es nicht. In welchem Umfang BESD in Deutschland bereits im Einsatz ist, ist nicht bekannt. ••Studienlage: Für die amerikanische Ursprungsversion wird von einer moderaten internen Konsistenz und guter Inter-Rater- 308 Pflegezeitschrift 6/2007

pflegepraxis<br />

> Instrumente für <strong>die</strong> Schmerzeinschätzung bei Personen mit schwerer Demenz:<br />

<strong>Hilfsmittel</strong> für <strong>die</strong> <strong>Beobachtung</strong>,<br />

<strong>aber</strong> <strong>kein</strong> <strong>Ersatz</strong> <strong>der</strong> Fachlichkeit<br />

Thomas Fischer<br />

Mit zunehmen<strong>der</strong> Erkrankungsschwere verlieren demenziell erkrankte<br />

Menschen Fähigkeiten, <strong>die</strong> es ihnen erlauben, ihre Empfindungen<br />

und Eindrücke an<strong>der</strong>en Menschen unmittelbar mitzuteilen. Dies gilt<br />

auch für <strong>die</strong> Äußerung von Schmerzen.<br />

Viele Heimbewohner leiden an Demenz.<br />

In einer Untersuchung von Jakob et al.<br />

(2002) wiesen 64,3 Prozent aller Pflegeheimbewohner<br />

in Leipzig eine Demenz<br />

auf, 28,7 Prozent litten sogar an einer<br />

schweren Demenz. Formen <strong>der</strong> schweren<br />

Demenz sind gekennzeichnet durch<br />

einen umfassenden Verlust verschiedener<br />

Funktionsfähigkeiten. Beeinträchtigt<br />

ist unter an<strong>der</strong>em <strong>die</strong> Fähigkeit, Sprache<br />

zu verstehen und selbst zu sprechen<br />

(Zaudig & Möller 2005).<br />

Glossar<br />

•• Interne Konsistenz (Homogenität)<br />

Sie ist ein Kriterium <strong>der</strong> Reliabilität<br />

(Zuverlässigkeit) und gibt an, inwieweit<br />

<strong>die</strong> einzelnen Items o<strong>der</strong> Subskalen das<br />

Merkmal o<strong>der</strong> Konzept erfassen, das<br />

mit <strong>der</strong> gesamten Skala erhoben<br />

werden soll.<br />

•• Inter-Rater-Reliabilität<br />

Sie sagt aus, inwieweit <strong>die</strong> mit dem<br />

Instrument ermittelten Werte übereinstimmen,<br />

wenn <strong>die</strong>ses gleichzeitig von<br />

mehreren Beurteilenden bei einer<br />

Person angewandt wird.<br />

•• Test-Retest-Reliabilität<br />

Hiermit wird angegeben, in welchem<br />

Maße <strong>die</strong> mit dem Instrument ermittelten<br />

Werte durch äußere Umstände beeinflusst<br />

werden. Es wird geprüft, wie<br />

sie sich bei einer zweiten Anwendung<br />

im Vergleich zur ersten än<strong>der</strong>n. Bei <strong>der</strong><br />

Bestimmung <strong>die</strong>ser Form <strong>der</strong> Reliabilität<br />

muss berücksichtigt werden, dass<br />

das erfasste Phänomen in seinen<br />

Ausprägungen schwanken kann.<br />

•• Validität (Gültigkeit)<br />

Sie ist ein wichtiges Gütekriterium für<br />

<strong>Beobachtung</strong>sinstrumente und bringt<br />

zum Ausdruck, inwieweit mit dem<br />

Instrument das Merkmal o<strong>der</strong> Konzept<br />

erfasst wird, das beurteilt werden soll.<br />

Dadurch entstehen erhebliche Probleme.<br />

Eines betrifft <strong>die</strong> Einschätzung, ob ein<br />

Betroffener Schmerzen hat. Eigentlich<br />

gilt, dass nur <strong>der</strong> Betroffene selbst seine<br />

Schmerzen beurteilen kann und <strong>die</strong> Fachkräfte<br />

auf seine Auskunft angewiesen<br />

sind (McCaffery & Pasero 1999). Während<br />

Menschen mit einer leichten bis<br />

mittleren Demenz Auskunft geben und<br />

oft auch mit Schmerzskalen umgehen<br />

können, sind Personen mit schwerer Demenz<br />

dazu nicht mehr in <strong>der</strong> Lage (Hadjistavropoulos<br />

2005). Daraus ergibt sich<br />

ein bedeutsames Problem, bedenkt man,<br />

dass schätzungsweise 45 bis 80 Prozent aller<br />

Bewohner von Pflegeheimen Schmerzen<br />

haben (AGS 2002).<br />

Verhaltensbeobachtung<br />

Ohne <strong>die</strong> Auskunft des Bewohners bleibt<br />

Pflegenden nichts an<strong>der</strong>es übrig, als aus<br />

seinem Verhalten auf mögliche Schmerzen<br />

zu schließen. Das ist nicht einfach,<br />

denn auffällige Verhaltensweisen bei<br />

Menschen mit Demenz können vielfältige<br />

Ursachen haben (Halek & Bartholomeyczik<br />

2006). Allerdings scheint eine<br />

„globale“, nicht auf Kriterien gestützte<br />

Fremdeinschätzung des Schmerzes durch<br />

Pflegekräfte nicht beson<strong>der</strong>s zuverlässig<br />

zu sein (vgl. Hadjistavropoulos 2005),<br />

ebenso wie <strong>die</strong> Einschätzung durch Ärzte<br />

o<strong>der</strong> Angehörige. Es wurde daher versucht,<br />

schmerztypische Verhaltensindikatoren<br />

zu entwickeln. Im Kasten findet<br />

sich eine Zusammenstellung <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Gesellschaft für Geriatrie<br />

(AGS 2002).<br />

International wurden zahlreiche Einschätzungsbögen<br />

entwickelt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Pflegenden<br />

bei <strong>der</strong> Verhaltensbeobachtung<br />

unterstützen sollen. Ziel ist es, <strong>die</strong> für<br />

Schmerzen typischen Verhaltensweisen<br />

zu erfassen und sie von an<strong>der</strong>en Verhaltensauffälligkeiten<br />

zu unterscheiden.<br />

Diese Bögen stimmen nur zum Teil mit<br />

<strong>der</strong> Empfehlung <strong>der</strong> AGS überein und<br />

sind unterschiedlich gut fun<strong>die</strong>rt und erforscht.<br />

Einen Überblick über <strong>die</strong> meisten<br />

international vorhandenen Instrumente<br />

und ihre Qualität geben Herr et al.<br />

(2006) und Zwakhalen et al. (2006). Zwei<br />

<strong>der</strong> Instrumente aus dem Ausland liegen<br />

auch in deutscher Fassung vor.<br />

Beurteilung von Schmerzen bei<br />

Demenz (BESD)<br />

BESD wurde unter dem Namen Pain Assessment<br />

in Advanced Dementia (PAI-<br />

NAD) in den USA von Warden et al.<br />

(2003) entwickelt. Neben <strong>der</strong> deutschen<br />

Fassung (Basler et al. 2006) gibt es eine<br />

italienische Version (Costardi et al. 2007).<br />

Erarbeitet wurde <strong>die</strong> deutsche Version<br />

vom Arbeitskreis Alter und Schmerz <strong>der</strong><br />

Deutschen Gesellschaft zum Studium<br />

des Schmerzes (DGSS). Im Arbeitskreis<br />

vertreten sind Ärzte, Psychologen und<br />

Pflegefachpersonen. Erhältlich ist das Instrument<br />

samt einer Anleitung unter<br />

www. dgss.org/service.asp.<br />

••Aufbau und Anwendung:<br />

BESD besteht aus den Items Atmung,<br />

negative Lautäußerung, Gesichtsausdruck,<br />

Körpersprache und Trost (<strong>die</strong><br />

Fähigkeit des Patienten, getröstet zu<br />

werden). Je nach beobachtbarem Verhalten<br />

werden pro Item zwischen null<br />

und zwei Punkte vergeben,was eine Gesamtpunktzahl<br />

zwischen null und zehn<br />

ergibt. Das Instrument wird von einer<br />

Pflegefachkraft angewandt, nachdem<br />

sie den Betroffenen für einige Minuten<br />

beobachtet hat. Eine Vorgabe, in welcher<br />

Situation <strong>die</strong> <strong>Beobachtung</strong> zu erfolgen<br />

hat, gibt es nicht. In welchem<br />

Umfang BESD in Deutschland bereits<br />

im Einsatz ist, ist nicht bekannt.<br />

••Stu<strong>die</strong>nlage:<br />

Für <strong>die</strong> amerikanische Ursprungsversion<br />

wird von einer mo<strong>der</strong>aten internen<br />

Konsistenz und guter Inter-Rater-<br />

308 Pflegezeitschrift 6/2007


pflegepraxis<br />

Kasten: Häufige schmerzbezogene Verhaltensweisen bei kognitiv eingeschränkten alten Personen<br />

(AGS 2002, Übersetzung des Autors, gekürzt)<br />

Gesichtsausdruck<br />

zum Beispiel verzogenes, trauriges, ängstliches Gesicht, gerunzelte Stirn,<br />

geschlossene o<strong>der</strong> zusammengekniffene Augen, verzerrter Ausdruck, schnelles<br />

Blinzeln<br />

Verbalisierungen und Vokalisierungen<br />

zum Beispiel Stöhnen, Jammern, Heulen, um Hilfe bitten, Schimpfen<br />

Körperbewegungen<br />

zum Beispiel starre Körperhaltung, gesteigerte Bewegung, eingeschränkte<br />

Bewegung, Verän<strong>der</strong>ungen des Gangbildes<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> interpersonalen Interaktion<br />

zum Beispiel aggressiv, sich gegen <strong>die</strong> Versorgung wehrend, vermin<strong>der</strong>ter<br />

sozialer Kontakt, störend, zurückgezogen<br />

Foto: Dr. Lubomir Tükör<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Aktivitätsmuster o<strong>der</strong> Gewohnheiten<br />

Nahrungsverweigerungen, verän<strong>der</strong>ter Appetit, gesteigertes Ruhebedürfnis,<br />

plötzliche Verän<strong>der</strong>ung von Gewohnheiten, gesteigertes Umherlaufen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen des mentalen Zustandes<br />

zum Beispiel Weinen, gesteigerte Verwirrtheit<br />

Reliabilität berichtet (Glossar). Ebenso<br />

gibt es Hinweise auf eine genügende<br />

Validität, weitere Stu<strong>die</strong>n sind jedoch<br />

erfor<strong>der</strong>lich (Warden et al. 2003, Herr<br />

et al. 2006). Die deutsche Fassung wurde<br />

bisher in zwei Stu<strong>die</strong>n geprüft. Dabei<br />

zeigten sich gute Werte für <strong>die</strong> interne<br />

Konsistenz sowie <strong>die</strong> Interrater- und<br />

Retest-Reliabilität (Schuler et al., eingereicht).<br />

Eine erste Prüfung <strong>der</strong> Konstruktvalidität<br />

erbrachte ebenfalls positive<br />

Resultate (Basler et al. 2006). Eine<br />

weitere, umfassen<strong>der</strong>e Testung <strong>der</strong> Validität<br />

ist in Vorbereitung. Die Items Atmung<br />

und Trost erwiesen sich bisher<br />

in allen Stu<strong>die</strong>n als problematisch.<br />

<strong>Beobachtung</strong>sinstrument für das<br />

Schmerzassessment bei alten Menschen<br />

mit Demenz (BISAD)<br />

BISAD wurde von 1992 an unter dem Namen<br />

ECPA (Echelle comportemental de la<br />

douleur pour personnes âgées non communicantes)<br />

in Frankreich in mehreren<br />

Schritten entwickelt (Desson et al. 1999).<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Zeit wurde <strong>die</strong> Skala von bis<br />

zu elf Items auf acht Items gekürzt. Eine<br />

erste schweizerische Version in deutscher<br />

Sprache stammt von Kunz (2002).<br />

Sie beruht auf einer alten ECPA-Fassung<br />

mit elf Items. Die deutsche Fassung BI-<br />

SAD mit acht Items wurde im Rahmen<br />

einer Doktorarbeit durch den Autor <strong>die</strong>ses<br />

Artikels am Graduiertenkolleg Multimorbidität<br />

im Alter und ausgewählte<br />

Pflegeprobleme (GradMAP) <strong>der</strong> Charité –<br />

Universitätsmedizin Berlin erarbeitet,<br />

unterstützt durch <strong>die</strong> Robert Bosch Stiftung<br />

(www.gradmap.de). Der Abschluss<br />

<strong>der</strong> Stu<strong>die</strong> ist für <strong>die</strong> zweite Hälfte 2007<br />

vorgesehen. Der vorläufige BISAD-Bogen<br />

ist auf <strong>der</strong> Internetseite <strong>der</strong> Arbeitsgruppe<br />

Pflegerische Versorgungsforschung<br />

<strong>der</strong> Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

unter www.charite.de/pvf abrufbar.<br />

••Aufbau und Anwendung:<br />

BISAD besteht aus insgesamt acht<br />

Items. Die ersten vier Items (Gesichtsausdruck,<br />

spontane Ruhehaltung, Bewegung<br />

und Beziehung zu an<strong>der</strong>en)<br />

werden erfasst, wenn sich <strong>der</strong> Betroffene<br />

in einer ruhigen Position befindet,<br />

also etwa im Bett liegt o<strong>der</strong> auf<br />

dem Stuhl sitzt. Hinsichtlich <strong>der</strong> Bewegung<br />

und <strong>der</strong> Beziehung zu an<strong>der</strong>en<br />

wird geprüft, ob es eine Verän<strong>der</strong>ung<br />

zum üblichen Verhalten gibt. Die restlichen<br />

vier Items (ängstliche Erwartungen<br />

bei <strong>der</strong> Pflege, Reaktionen<br />

während <strong>der</strong> Bewegung, Reaktionen<br />

während <strong>der</strong> Pflege schmerzen<strong>der</strong> Bereiche<br />

und Klagen) werden bei Bewegung<br />

erhoben, also etwa beim Transfer,<br />

beim Umlagern o<strong>der</strong> Laufen. Für<br />

jedes Item werden zwischen null und<br />

vier Punkten vergeben,was insgesamt<br />

einen Wert zwischen null und 32 ergibt.<br />

BISAD wurde im Rahmen <strong>der</strong> deutschen<br />

Stu<strong>die</strong> in einem Pflegeheim auf<br />

ihre Praxistauglichkeit getestet und<br />

fand gute Akzeptanz. Das Ausfüllen<br />

des Bogens dauert etwa eine Minute.<br />

Viele Einrichtungen nutzen bereits <strong>die</strong><br />

– streng genommen veraltete und unnötig<br />

lange – schweizerische ECPA-Version<br />

von Kunz (2002). Münch & Schwermann<br />

(2005) haben <strong>die</strong>se Version im<br />

Rahmen einer Diplomarbeit in einem<br />

Altenheim erfolgreich eingeführt.<br />

••Stu<strong>die</strong>nlage:<br />

Für <strong>die</strong> Originalversion (acht Items) berichten<br />

<strong>die</strong> Verfasser sowohl von guter<br />

Reliabilität als auch Validität (persönliche<br />

Mitteilung). An<strong>der</strong>s als <strong>die</strong> BESD-<br />

Skala berücksichtigt <strong>die</strong> BISAD-Skala<br />

<strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ungen von Beweglichkeit<br />

und Sozialkontakten als Schmerzindikatoren<br />

und greift damit <strong>die</strong> AGS-Empfehlungen<br />

(AGS 2002) auf. Zudem wird<br />

immer eine Bewegungssituation beobachtet,<br />

was <strong>die</strong> Validität zusätzlich erhöhen<br />

könnte, da Schmerzen im Alter<br />

häufig bewegungsabhängig sind. Zur<br />

schweizerischen Fassung (elf Items) von<br />

Kunz (2002) liegen <strong>kein</strong>e Stu<strong>die</strong>n vor.<br />

Die Stu<strong>die</strong> zur deutschen Fassung (acht<br />

Items) ist noch nicht abgeschlossen.<br />

Praktische Umsetzung<br />

In den deutschen Stu<strong>die</strong>n zu beiden Instrumenten<br />

hat sich gezeigt, dass <strong>die</strong> Beurteilung<br />

einzelner Indikatoren in realen<br />

Pflegesituationen schwierig sein kann.<br />

So kann man beim Transfer eines Patienten<br />

oft nicht sein Gesicht sehen, was jedoch<br />

bei beiden Skalen notwendig ist. Es<br />

kann erfor<strong>der</strong>lich sein, im Zweifelsfall<br />

Pflegezeitschrift 6/2007<br />

309


pflegepraxis<br />

eine zweite Pflegeperson zur Unterstützung<br />

hinzu zu bitten. Personelle Kontinuität<br />

ist in jedem Fall wichtig, da an<strong>der</strong>nfalls<br />

Verhaltensän<strong>der</strong>ungen kaum<br />

zu erkennen sind. Es gibt <strong>kein</strong>e Empfehlung<br />

dafür, wie häufig <strong>die</strong> Skalen anzuwenden<br />

sind, vielmehr muss für jeden<br />

Betroffenen individuell eine Entscheidung<br />

getroffen werden. Auch wenn <strong>die</strong><br />

Skalen weitgehend selbsterklärend sind,<br />

ist eine Einweisung in den Gebrauch<br />

empfehlenswert. Die Diskussion <strong>der</strong> Verhaltensbeobachtungen<br />

und ihrer Bewertung<br />

auf den Bögen festigt das einheitliche<br />

Vorgehen. Vorteilhaft ist es auch,<br />

wenn in <strong>der</strong> Dokumentation <strong>die</strong> gesamte<br />

Skala hinterlegt und nicht nur <strong>der</strong> Gesamtwert<br />

dokumentiert wird. So lassen<br />

sich Verän<strong>der</strong>ungen in den Verhaltensweisen<br />

des Patienten über einen Zeitraum<br />

besser nachvollziehen.<br />

Literatur<br />

AGS Panel on Persistent Pain in Ol<strong>der</strong> Persons<br />

(2002) The Management of Persistent Pain in<br />

Ol<strong>der</strong> Persons. Journal of the American<br />

Geriatrics Society 50, S205–S224.<br />

Archibald C. (2007) Menschen mit Demenz im<br />

Krankenhaus. Kuratorium Deutsche Altershilfe,<br />

Köln<br />

Basler H., Hüger D., Kunz R., Luckmann J.,<br />

Lukas A., Nikolaus T. et al. (2006) Beurteilung<br />

von Schmerz bei Demenz (BESD). Der<br />

Schmerz 20, 519–526.<br />

Costardi D., Rozzini L., Costanzi C., Ghianda<br />

D., Franzoni S., Padovani A. et al. (2007) The<br />

Italian Version of the Pain Assessment in Advanced<br />

Dementia Scale. Archives of Gerontology<br />

and Geriatrics 44, 175–180.<br />

Desson J., Morello R., Alix M. (1999) Pain Assessment<br />

in Non-Communicating El<strong>der</strong>ly Patients –<br />

Description of the First Validated Behavioural<br />

scale (ECPA). Zeitschrift für Gerontologie und<br />

Geriatrie 32, Suppl II, 245.<br />

Hadjistavropoulos T. (2005) Assessing Pain in<br />

Ol<strong>der</strong> Persons with Severe Limitations in Ability<br />

to Communicate. In: Gibson S. & Weine D.<br />

(Hrsg) (2005) Pain in Ol<strong>der</strong> Persons. Progress in<br />

Pain Research and Management 35. IASP Press,<br />

Seattle, WA.<br />

Halek M. & Bartholoemeyczik S. (2006)<br />

Verstehen und Handeln. Forschungsergebnisse zur<br />

Pflege von Menschen mit Demenz und herausfor<strong>der</strong>ndem<br />

Verhalten. Schlütersche, Hannover.<br />

Herr K., Bjoro K., Decker S. (2006) Tools for Assessment<br />

of Pain in Nonverbal Ol<strong>der</strong> Adults with<br />

Dementia: A State-of-the-Science Review. Journal<br />

of Pain and Symptom Management 31, 170–192.<br />

Jakob A., Busse A., Riedel-Heller S., Pavlicek<br />

M., Angermeyer M. (2002) Prävalenz und<br />

Inzidenz von Demenzerkrankungen in Altenund<br />

Altenpflegeheimen im Vergleich mit<br />

Aus <strong>der</strong> Forschung lässt sich nicht ableiten,<br />

wie genau <strong>die</strong> Gesamtpunktzahl <strong>der</strong><br />

beiden Bögen zu bewerten ist. Es gibt <strong>kein</strong>e<br />

Empfehlungen, wann zum Beispiel<br />

ein Schmerzmittel gegeben werden sollte.<br />

Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Gesamtsituation<br />

muss daher jeweils eine Einzelfallentscheidung<br />

getroffen werden. Klar<br />

ist <strong>aber</strong>, dass ein Anstieg <strong>der</strong> Punktzahl als<br />

Indikator für <strong>die</strong> Zunahme von Schmerzen,<br />

eine vermin<strong>der</strong>te Punktzahl als Hinweis<br />

auf weniger Schmerzen bzw. auf den<br />

Erfolg <strong>der</strong> Schmerztherapie zu werten ist.<br />

Nutzen und Limitationen<br />

<strong>Beobachtung</strong>sinstrumente sind nur ein<br />

<strong>Hilfsmittel</strong>, um mögliche Schmerzen von<br />

schwer demenziell erkrankten Menschen<br />

genauer in den Blick zu nehmen.<br />

Ihre Anwendung kann:<br />

Privathaushalten. Zeitschrift für Gerontologie<br />

und Geriatrie 35, 474–481.<br />

Kunz R. (2002) Schmerzerfassung bei Patienten<br />

mit Demenzerkrankungen. Geriatrie Journal 2,<br />

14–21.<br />

McCaffery M. & Pasero C. (1999) Pain –<br />

Clinical Manual. 2nd Ed., Mosby, St. Louis, MO.<br />

Münch M. & Schwermann M. (2005) Schmerzassessment<br />

für dementiell erkrankte, kommunikationseingeschränkte<br />

Menschen – Einführung<br />

von Schmerzerfassungsinstrumenten in einem<br />

Altenpflegeheim. Diplomarbeit Fachhochschule<br />

Münster. www.hb.fh-muenster.de/opus/fhms/<br />

volltexte/2006/136/, Zugriff am 15. Mai 2007.<br />

Pasero C. & McCaffery M. (2005) No Self-Report<br />

Means No Pain-Intensity Rating: Assessing pain in<br />

patients who cannot provide a report. American<br />

Journal of Nursing 105 (10), 50–53.<br />

Schuler M., Becker S., Kaspar R. (eingereicht)<br />

Psychometric Properties of a Scale for the<br />

behavioral Assessment of Pain in Nursing Home<br />

Residents with Advanced Dementia (PAINAD – G).<br />

Warden V., Hurley A., Volicer L. (2003)<br />

Development and psychometric evaluation of<br />

the Pain Assessment in Advanced Demetia<br />

(PAINAD) Scale. Journal of the American<br />

Medical Directors Association 4, 9-15.<br />

Zaudig M. & Möller H. (2005) Historischer<br />

Hintergrund, Klinik und Verlauf <strong>der</strong> Alzheimer-<br />

Demenz. In: Bergener M., Hampel H., Möller<br />

H., Zaudig M. (Hrsg.) (2005) Gerontopsychiatrie.<br />

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,<br />

Stuttgart, 187–233.<br />

Zwakhalen S., Hamers J., Abu-Saad H., Berger M.<br />

(2006) Pain in el<strong>der</strong>ly people with severe dementia. A<br />

systematic review of behavioural pain assessment<br />

tools. BMC Geriatrics 6:3,<br />

www.biomedcentral.com/ 1471-2318/6/3. Zugriff<br />

am 15. Mai 2007.<br />

•• <strong>die</strong> Aufmerksamkeit für Schmerzen<br />

schärfen und dabei helfen, Schmerzen<br />

zu erkennen<br />

•• dazu beitragen, schmerztypisches Verhalten<br />

systematisch zu erfassen<br />

•• dabei unterstützen, <strong>die</strong> Wirksamkeit<br />

pflegerischer, ärztlicher o<strong>der</strong> sonstiger<br />

Maßnahmen zur Schmerzlin<strong>der</strong>ung<br />

zu überprüfen<br />

•• <strong>die</strong> Kommunikation im multiprofessionellen<br />

Team unterstützen, da es<br />

leichter wird, sich über das Verhalten<br />

eines Patienten und mögliche Ursachen<br />

dafür auszutauschen<br />

•• <strong>die</strong> Dokumentation von Schmerzverhalten<br />

erheblich verkürzen und erleichtern.<br />

Gleichzeitig erfor<strong>der</strong>t <strong>der</strong>en Einsatz jedoch<br />

auch eine kritische Reflexion durch<br />

<strong>die</strong> Fachkräfte. Denn <strong>die</strong> bisherige Forschung<br />

kann nicht belegen, dass Schmerzen<br />

sich auch immer in beobachtbarem<br />

Verhalten wi<strong>der</strong>spiegeln und dass <strong>die</strong>ses<br />

Verhalten dann auch in jedem Fall durch<br />

<strong>die</strong> Instrumente erfasst wird. Mit an<strong>der</strong>en<br />

Worten: Betroffene können Schmerzen<br />

haben, obwohl sowohl auf <strong>der</strong> BISAD<br />

als auch auf <strong>der</strong> BESD-Skala null Punkte<br />

ermittelt werden. Dies kann zum Beispiel<br />

bei Patienten mit Lähmungen o<strong>der</strong><br />

mit an<strong>der</strong>en neurologischen Ausfällen<br />

zutreffen. Denkbar ist auch, dass demenzielle<br />

Prozesse selbst zu einem Rückgang<br />

des Schmerzverhaltens führen, wie unter<br />

an<strong>der</strong>em aus ersten Ergebnissen <strong>der</strong><br />

BISAD-Stu<strong>die</strong> geschlussfolgert werden<br />

kann. Ebenso möglich erscheint es, dass<br />

geringe Reaktionen aus <strong>der</strong> Umgebung<br />

beim Betroffenen den „Lerneffekt“ haben,<br />

bestimmte Verhaltensweisen nicht<br />

mehr zu zeigen, weil sie bislang folgenlos<br />

blieben.<br />

Pasero & McCaffery (2005) warnen daher<br />

davor, <strong>die</strong> mithilfe von <strong>Beobachtung</strong>sinstrumenten<br />

ermittelten Werte<br />

mit <strong>der</strong> durch Selbstauskunft ermittelten<br />

Schmerzstärke gleichzusetzen o<strong>der</strong><br />

auch nur davon auszugehen, dass je<strong>der</strong><br />

Schmerz sich auf den Instrumenten abbildet.<br />

Stattdessen vertreten sie <strong>die</strong> Auffassung,<br />

dass <strong>die</strong>se Instrumente dazu<br />

<strong>die</strong>nen, Verhalten bei Schmerzen (nicht<br />

Schmerzen o<strong>der</strong> Schmerzstärke) zu erfassen.<br />

Unter <strong>die</strong>sem Blickwinkel wird deutlich,<br />

dass <strong>die</strong> Instrumente alleine nicht in<br />

allen Fällen zur Schmerzeinschätzung bei<br />

Menschen mit schwerer Demenz ausreichen.<br />

Auch wenn <strong>kein</strong> Schmerzverhalten zu<br />

beobachten ist, <strong>aber</strong> trotzdem Gründe<br />

für mögliche Schmerzen vorliegen (Er-<br />

310 Pflegezeitschrift 6/2007


pflegepraxis<br />

Zusammenfassung<br />

Durch den Verlust <strong>der</strong> Sprachfähigkeit ist <strong>die</strong> Schmerzeinschätzung bei Menschen<br />

mit schwerer Demenz stark erschwert. Pflegefachkräfte sind darauf<br />

angewiesen, das Verhalten des Betroffenen in Bezug auf Schmerzindikatoren<br />

zu beobachten. In Deutschland liegen zwei Instrumente zur standardisierten<br />

Erfassung des Schmerzverhaltens vor: <strong>die</strong> Skala „Beurteilung von Schmerzen<br />

bei Demenz“ (BESD) und das „<strong>Beobachtung</strong>sinstrument für das Schmerzassessment<br />

bei alten Menschen mit Demenz“ (BISAD). Die Reliabilität, Validität und<br />

praktische Anwendbarkeit <strong>der</strong> Instrumente sind teilweise nachgewiesen,<br />

dennoch können <strong>die</strong>se nicht als alleinige Grundlage für <strong>die</strong> Erkennung und<br />

Beurteilung von Schmerzen <strong>die</strong>nen.<br />

Schlüsselwörter:<br />

krankungen, Unfälle, medizinische o<strong>der</strong><br />

pflegerische Maßnahmen), sollte <strong>die</strong> Einleitung<br />

einer Schmerztherapie in Erwägung<br />

gezogen werden, so Pasero & McCaffery<br />

(2005). Eine an<strong>der</strong>e Möglichkeit sind<br />

gestufte Verfahren wie <strong>die</strong> sogenannte<br />

„Serial Trial Intervention“ (STI)*.<br />

Anwendbarkeit im<br />

Krankenhaus<br />

BESD und BISAD wurden in den Originalfassungen<br />

für das Pflegeheim entwickelt.<br />

Für den Krankenhausbereich liegen <strong>kein</strong>e<br />

ausreichenden Stu<strong>die</strong>nergebnisse vor.<br />

Lediglich <strong>die</strong> deutsche BESD-Skala wurde<br />

in einer Reliabilitätsstu<strong>die</strong> bei Patienten<br />

in geriatrischen Abteilungen getestet<br />

(Basler et al. 2006). BESD, <strong>aber</strong> vor<br />

allem BISAD setzen darauf, dass <strong>die</strong> Pflegefachkraft<br />

den Betroffenen kennt. Das<br />

ist eine Bedingung, <strong>die</strong> im Krankenhaus<br />

nicht immer erfüllt ist, etwa wenn <strong>der</strong><br />

Patient neu aufgenommen o<strong>der</strong> verlegt<br />

wird. Bezugspflegesysteme sind in <strong>der</strong><br />

Praxis häufig nicht umgesetzt, sodass <strong>die</strong><br />

kontinuierliche Einschätzung des Patientenverhaltens<br />

erschwert ist. Auffällige<br />

Verhaltensweisen des Patienten können<br />

auch durch <strong>die</strong> ungewohnte Krankenhausumgebung<br />

und fremde Menschen<br />

ausgelöst werden. Krankenhäuser sind<br />

<strong>der</strong>zeit kaum an den Bedarf von Menschen<br />

mit Demenz angepasst (vgl. Archibald<br />

2007). Vermutlich wird es dadurch<br />

komplizierter zu erkennen, ob eine Verhaltensweise<br />

durch Schmerz o<strong>der</strong> durch<br />

*Die „Serial Trial Intervention“ (STI), ein strukturiertes<br />

Verfahren zum Umgang mit herausfor<strong>der</strong>nden<br />

Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz, das<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch Schmerzen berücksichtigt und<br />

den Einsatz von Psychopharmaka auf ein Mindestmaß<br />

reduzieren soll, wird in <strong>der</strong> nächsten Ausgabe<br />

<strong>der</strong> Pflegezeitschrift (7/2007) vorgestellt.<br />

Schmerzerfassung, Demenz, Altenpflege<br />

an<strong>der</strong>e Faktoren ausgelöst wird. Solange<br />

zu <strong>die</strong>sem Bereich <strong>kein</strong>e Forschungsergebnisse<br />

vorliegen, ist es empfehlenswert,<br />

BESD und BISAD im Krankenhaus<br />

nur zurückhaltend einzusetzen und <strong>die</strong><br />

ermittelten Skalenwerte kritisch zu hinterfragen.<br />

Beson<strong>der</strong>e Priorität sollte <strong>der</strong><br />

personellen Kontinuität eingeräumt werden.<br />

Angehörige o<strong>der</strong> Pflegefachkräfte<br />

aus dem Heim des Patienten sollten gezielt<br />

danach befragt werden, wie sich<br />

Schmerzen bei dem Betroffenen typischerweise<br />

äußern und welche Schmerzen<br />

bzw. Schmerzursachen bereits bekannt<br />

sind.<br />

Derzeit sind international <strong>kein</strong>e <strong>Beobachtung</strong>sinstrumente<br />

bekannt, mit denen<br />

Schmerzen bei alten Menschen mit<br />

schwerer Demenz im Krankenhaus zuverlässig<br />

und valide eingeschätzt werden<br />

können. In Frankreich wird jedoch<br />

an einem solchen Instrument (Algoplus)<br />

gearbeitet. Algoplus soll bei allen kommunikativ<br />

eingeschränkten alten Menschen<br />

im Krankenhaus Hinweise auf<br />

Schmerzen liefern, unabhängig von <strong>der</strong><br />

Ursache <strong>der</strong> Spracheinschränkung. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

für den Bereich von Notaufnahmen<br />

und Akutstationen soll so ein<br />

deutlich besseres Schmerzmanagement<br />

möglich werden. Die Arbeitsgruppe Pflegerische<br />

Versorgungsforschung <strong>der</strong> Charité<br />

– Universitätsmedizin Berlin kooperiert<br />

mit den französischen Entwicklern,<br />

um eine deutsche Fassung des Algoplus<br />

zu erarbeiten und zu testen.<br />

Ausblick<br />

Zum Autor:<br />

2. Internationaler Palliative Care Kongress am Bodensee<br />

International und auch in Deutschland<br />

beschäftigen sich verschiedene Fachleute<br />

und Institutionen mit <strong>der</strong> Schmerzeinschätzung<br />

bei Menschen mit schwerer<br />

Demenz. Dennoch scheint für <strong>die</strong> kommenden<br />

Jahre ein umfassen<strong>der</strong> Durchbruch<br />

nicht realistisch zu sein. Ein Instrument,<br />

das in allen Lagen und Situationen<br />

zuverlässig Schmerzen bei den Betroffenen<br />

zu erfassen vermag, ist nicht in Sicht.<br />

Für Pflegefachkräfte bleibt es deshalb<br />

wichtig, das für den jeweiligen Patienten<br />

o<strong>der</strong> Betroffenen am besten geeignete<br />

Verfahren o<strong>der</strong> Instrument für <strong>die</strong> jeweilige<br />

Situation auszuwählen. Mit ihrer<br />

fachlichen Kompetenz und vor allem ihrer<br />

Kenntnis des Patienten und <strong>der</strong> Situation<br />

muss <strong>die</strong> Pflegekraft <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Instrumente kritisch reflektieren<br />

und bewerten. Auch in Zukunft gilt: Der<br />

Einsatz eines Erhebungsinstrumentes<br />

unterstützt <strong>die</strong> Pflegende in ihrer Fachlichkeit,<br />

ersetzt eigene fachliche Überlegungen<br />

<strong>aber</strong> nicht.

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