EGV-SZ 2003 - Kanton Schwyz
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A. 4.4<br />
4. Mit der falschen Beurteilung der Frage nach der signalisierten zulässigen<br />
Höchstgeschwindigkeit und der allein daraus abgeleiteten Annahme,<br />
dass die Angeklagte nicht davon ausgehen musste, dass die Unfallgegnerin<br />
erheblich schneller als mit 50 km/h unterwegs war, hat die Vorinstanz materielles<br />
Recht verletzt und, wie die Staatsanwaltschaft zu Recht geltend macht,<br />
einen Nichtigkeitsgrund gesetzt. ... Aus folgenden Gründen kann indes nicht<br />
eine Rückweisung zur Verurteilung erfolgen.<br />
a) Die für die Vortrittsberechtigte signalisierte Höchstgeschwindigkeit stellt<br />
für die Beurteilung des Hauptthemas der Missachtung des Vortritts durch die<br />
Angeklagte quasi nur eine Vorfrage dar. Die entscheidende Frage, ob das Vortrittsrecht<br />
durch die Angeklagte aber nachgewiesenermassen schuldhaft verletzt<br />
wurde, wird mit der Feststellung, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit<br />
der Vortrittsberechtigten nicht auf 50 km/h beschränkt angesehen werden<br />
kann, nicht ohne weiteres erledigt. Nach Art. 32 Abs. 1 SVG ist die Geschwindigkeit<br />
nämlich stets den Umständen, namentlich den Strassen-, Verkehrs- und<br />
Sichtverhältnissen anzupassen; vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen<br />
ist langsam zu fahren. Ob die Vortrittsberechtigte mit in diesem, von<br />
der Vorinstanz nicht überprüften Sinne angepasster Geschwindigkeit gefahren<br />
ist, bestreitet die Angeklagte. Sie macht geltend, dass die vortrittsberechtigte<br />
Fahrzeuglenkerin zu schnell unterwegs gewesen sei. Aus den Akten ist zu<br />
schliessen, dass die beiden Strassen derart schmal sind, bereits das Kreuzen<br />
entgegenkommender Fahrzeuge erschwert ist und ausserdem mit der Ausübung<br />
von Freizeitaktivitäten zu rechnen ist – alles Gründe, die gegen eine Ausnützung<br />
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sprechen. Kommt hinzu, dass<br />
auch die vortrittsberechtigte Lenkerin zugegeben hat, die Überblickbarkeit der<br />
Kreuzung sei wegen des Trafohäuschens an der Unfallkreuzung beeinträchtigt,<br />
womit ein weiterer Grund zur Drosselung der Geschwindigkeit bestand. ...<br />
b) … Der erforderlichen Neubeurteilung durch die Vorinstanz bezüglich<br />
Angemessenheit der von der vortrittsberechtigten Lenkerin gefahrenen<br />
Geschwindigkeit soll nicht vorgegriffen werden; denn nach der bundesgerichtlichen<br />
Rechtsprechung muss jedenfalls eine Wartepflichtige grundsätzlich<br />
nicht mit übersetzter Geschwindigkeit eines auftauchenden Fahrzeuges<br />
rechnen (vgl. BGE 118 IV 272).<br />
c) Es ist nicht Sache der Kassationsinstanz über die Feststellung des Nichtigkeitsgrundes<br />
hinaus den Prozessstoff zu überprüfen, ausser es wäre aus<br />
andern Gründen ein Freispruch spruchreif (§ 156 Abs. 1 StPO), was vorliegend<br />
jedoch nicht der Fall ist. Das <strong>Kanton</strong>sgericht kann die Frage, ob die Vortrittsberechtigte<br />
mit angepasster oder mit einer derart übersetzten Geschwindigkeit,<br />
mit welcher die Angeklagte nicht hatte rechnen müssen, unterwegs<br />
war, aus den dargelegten Gründen nicht abschliessend beantworten. Es ist<br />
deshalb Sache des Richters vor Ort zu prüfen, ob der Angeklagten unter den<br />
gegebenen Umständen eine Vortrittsverletzung nachzuweisen ist (evtl.<br />
Augenschein mit Rekonstruktion).<br />
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