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Texttafel I - wirtschaftsrecht@jku.at

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Übung Verfassungsrecht SS 2009 Bruno Binder<br />

Margit Mayr/Gerald Zabukovec<br />

Diplomstudium Rechtswissenschaften/Bachelorstudium Wirtschaftsrecht 148.009/148.019<br />

<strong>Texttafel</strong> zum Fall I: Kulturhauptstadt 2009 (unmittelbare Bescheidbeschwerde)<br />

A. Artikel 144 Abs 1 B-VG (unmittelbare Bescheidbeschwerde) (Binder/Trauner, Öffentliches<br />

Recht - Grundlagen (2008) RZ [1092], [2768]) Schrifts<strong>at</strong>zmuster siehe Andreas Hauer,<br />

Schrifts<strong>at</strong>zmuster Verwaltungs- und Verfassungsrecht, 4. Auflage (2007).<br />

B. Checklist:<br />

• Bescheid (Straferkenntnis)<br />

• Maßnahme<br />

C. Subjektive Rechte<br />

• Eigentumsfreiheit (Art 5 StGG 1867 und Art 1 erstes ZPzEMRK) (Geldstrafe, Verfall der<br />

Gegenstände) Geldstrafe: VfSlg 15.364/1998 – Zettelgedichte; VfSlg 12.161/1989 – öffentliche<br />

Erklärung; Verfall: 14.324/1995 (Binder/Trauner Rz [0299], [345], [2191])<br />

• Recht auf Persönliche Freiheit (Art 1 ff Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der<br />

persönlichen Freiheit (PersFrG) und Art 5 EMRK) (Ers<strong>at</strong>zfreiheitsstrafe) VfSlg 8762/1980<br />

(Binder/Trauner Rz [0293], [2609])<br />

• Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) (unzuständige I Instanz - Erstinstanzliche<br />

Entscheidung erfolgte durch den Magistr<strong>at</strong> und nicht durch den zuständigen<br />

Bürgermeister) VfSlg 11.061/1986 (Binder/Trauner Rz [0319], [2606])<br />

• Gleichheitss<strong>at</strong>z (Art 7 B-VG und Art 2 StGG 1867) VfSlg 16.273/2001 – Lassing (Binder/Trauner<br />

Rz [0019], [0254], [2339])<br />

• Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) (kein Ermittlungsverfahren in I und II Instanz,<br />

insbesondere keine öffentliche mündliche Verhandlung, Begründung des UVS rechtswidrig<br />

nach § 51e VStG)<br />

Art 6 EMRK: Das Recht auf ein faires Verfahren garantiert die Entscheidung durch ein „unabhängiges<br />

und unparteiisches Gericht“. Die Garantie gilt nur für zivilrechtliche Ansprüche<br />

und strafrechtliche Anklagen, darunter fällt grundsätzlich auch das Verwaltungsstrafrecht.<br />

Österreich h<strong>at</strong> gemäß Art 57 EMRK zu Art 6 EMRK den Vorbehalt abgegeben, dass durch<br />

Art 6 EMRK die in Art 90 B-VG festgelegten Grundsätze der Öffentlichkeit im gerichtlichen<br />

Verfahren nicht berührt werden. T<strong>at</strong>sächlich ermächtigt Art 90 B-VG aber den Gesetzgeber<br />

zu Ausnahmeregeln. Dafür ist der österreichische Vorbehalt jedoch zu allgemein gefasst und<br />

wurde von EGMR als ungültig qualifiziert. EGMR 3.10.2000, ÖJZ 2001, 194; VfSlg<br />

16.642/2002 (Binder/Trauner Rz [0322], [2607])<br />

D. Begründung<br />

• Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt:<br />

Abgrenzung zur Prüfung durch den VwGH: Der VfGH überprüft nur<br />

- Eingriffe ohne Gesetz<br />

- Eingriffe, die sich nur zum Schein auf ein Gesetz stützen<br />

- Denkunmögliche Gesetzesanwendung<br />

- Verfassungswidrige Interpret<strong>at</strong>ion des angewendeten Gesetzes<br />

Alle anderen Gesetzwidrigkeiten prüft der VwGH mit Ausnahme der „sensiblen Grundrechte“,<br />

die (auch) der VfGH zur Gänze überprüft. Sensible Grundrecht sind das Recht auf<br />

persönliche Freiheit bei Festnahmen (Art 1 PersFrG und Art 5 EMRK) sowie die Vereinsund<br />

Versammlungsfreiheit (Art 12 StGG 1867) VfSlg 17.331/2004, 14.324/1995


Übung Verfassungsrecht SS 2009 Bruno Binder<br />

Margit Mayr/Gerald Zabukovec<br />

Diplomstudium Rechtswissenschaften/Bachelorstudium Wirtschaftsrecht 148.009/148.019<br />

• Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt:<br />

- Verfassungsimmanente Schranken<br />

- Intentionalität des Eingriffs<br />

zB Verbot von Folter (Art 3 EMRK) und Kunstfreiheit (Art 17a StGG 1867) VfSlg<br />

11.567/1987 – Klavierspielerin<br />

• Gleichheitss<strong>at</strong>z:<br />

- Gegenüber Gesetzgeber: Verbot der unsachlichen Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung<br />

- Gegenüber Vollziehung: Verbot der Willkür VfSlg 16.273/2001 – Lassing<br />

• Drittwirkung der Grundrechte<br />

die Stadt Linz als Priv<strong>at</strong>eigentümerin des R<strong>at</strong>hauses kann sich zum Schutz des Hauses nicht<br />

auf das Grundrecht des Eigentums berufen<br />

E. Schrifts<strong>at</strong>z<br />

1. Deckbl<strong>at</strong>t<br />

2. Beschwerdepunkte (nur Grundrechte)<br />

3. Anträge: Aufhebungsantrag samt Nebenanträgen (aufschiebende Wirkung, Kosteners<strong>at</strong>z,<br />

mündliche Verhandlung)<br />

4. Begründung<br />

- Eigentumsfreiheit<br />

a. Geldstrafe – Wegnahme von Geld greift in die Eigentumsfreiheit ein<br />

§ 57 OÖ BauO wurde nur zum Schein als Gesetzesgrundlage herangezogen, Eingriff<br />

eigentlich gesetzlos, daher eine Gesetzwidrigkeit, die in die Verfassungssphäre ragt<br />

VfSlg 15.364/1998, VfSlg 12.161/1989<br />

b. Verfall von Gegenständen<br />

Der Verfall ist eine denkunmögliche Anwendung des § 17 VStG; § 17 VStG reicht als<br />

gesetzliche Grundlage alleine nicht aus, es würde einer weiteren Bestimmung im m<strong>at</strong>eriellen<br />

Gesetz bedürfen VwGH 99/07/0083; zB § 58 Abs 3 OÖ BauO<br />

- Recht auf persönliche Freiheit<br />

Ers<strong>at</strong>zfreiheitsstrafe greift in das Recht auf persönliche Freiheit ein VfSlg 8762/1980<br />

- Recht auf den gesetzlichen Richter<br />

Das Straferkenntnis stützt sich auf die OÖ BauO. Strafbehörde nach der OÖ BauO ist<br />

gemäß § 26 Abs 1 VStG die Bezirksverwaltungsbehörde, in den St<strong>at</strong>utarstädten also<br />

der Bürgermeister, der Magistr<strong>at</strong> der Landeshauptstadt Linz ist unzuständig. Die Entscheidung<br />

durch den UVS als gemeinsame administr<strong>at</strong>ive Berufungsbehörde von<br />

Magistr<strong>at</strong> und Bürgermeister heilt den Zuständigkeitsfehler nicht. Heilung ist nur bei<br />

örtlicher Unzuständigkeit möglich. Da bei sachlicher Unzuständigkeit eine Verkürzung<br />

des Instanzenzuges eintritt, kann diese nicht geheilt werden. VfSlg 11.061/1986<br />

- Gleichheitss<strong>at</strong>z<br />

Der UVS als belangte Behörde h<strong>at</strong> entgegen dem VStG von jedwedem Ermittlungsverfahren<br />

abgesehen – das Unterlassen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens<br />

stellt Willkür dar<br />

- Recht auf ein faires Verfahren<br />

Verwaltungsstrafverfahren sind von Art 6 MRK umfasst. Ein faires Verfahren verlangt<br />

ein Ermittlungsverfahren, insbesondere eine öffentliche mündliche Verhandlung. Die<br />

Behörde h<strong>at</strong> weder eine Ermittlungsverfahren noch eine mündliche Verhandlung abgehalten.<br />

Die vom UVS dafür angeführte Begründung widerspricht § 51e VStG und<br />

damit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren

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