Dissertation Nadja Germann PRo - Universität St.Gallen
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Faktoren des Kundenempfindens von <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
gegenüber den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
- Darstellung aus der Sicht der bei den RAV Lugano<br />
und Solothurn registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
DISSERTATION<br />
der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde einer<br />
Doktorin der <strong>St</strong>aatswissenschaften<br />
vorgelegt von<br />
<strong>Nadja</strong> Carola <strong>Germann</strong><br />
von<br />
Schönenbaumgarten (Thurgau); Illighausen (Thurgau);<br />
und Erlen (Thurgau)<br />
Genehmigt auf Antrag der Herren<br />
Prof. Dr. Kuno Schedler<br />
und<br />
Prof. Dr. Elio Borgonovi<br />
<strong>Dissertation</strong> Nr. 2875<br />
Novidea di Luigi Hofmann, Riazzino 2004
Die Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und<br />
Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der<br />
vorliegenden <strong>Dissertation</strong>, ohne damit zu den darin ausgesprochenen<br />
Anschauungen <strong>St</strong>ellung zu nehmen.<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, den 13. Januar 2004<br />
Der Rektor:<br />
Prof. Dr. Peter Gomez
Inhaltsverzeichnis<br />
I Einleitung 1<br />
1 Einführung und Begründung der Fragestellung 1<br />
1.1 Ansatzpunkt der vorliegenden Arbeit 2<br />
1.2 Schwankende Arbeitslosenquote in den letzten Jahren 3<br />
2 <strong>St</strong>ellensuchende als Untersuchungssubjekte 10<br />
2.1 Tatsächliche Zusammensetzung der Interviewpartner:<br />
stellensuchende Personen RAV Lugano 12<br />
2.2 Tatsächliche Zusammensetzung der Interviewpartner<br />
stellensuchende Personen RAV Solothurn 14<br />
2.3 Mitarbeiterinterviews zum Vergleich 16<br />
3 RAV Lugano und RAV Solothurn als Untersuchungsobjekte 17<br />
3.1 Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Lugano -<br />
das “konventionelle” RAV 17<br />
3.1.1 Gesetzliche Grundlagen der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren 20<br />
3.1.2 Die Wirkungsvereinbarung 20<br />
3.1.3 Aufgaben und Leistungen der AVIG-Vollzugsstellen 24<br />
3.1.4 Zusammenarbeit von RAV und privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern 29<br />
3.1.5 Arbeitsmarktliche Massnahmen 30<br />
3.1.6 Revision des AVIG 35<br />
3.2 Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Solothurn -<br />
das spezielle RAV 38<br />
3.3 Kulturunterschiede Tessin/Deutschschweiz 43<br />
3.3.1 Vier klassische Kulturdimensionen 45<br />
3.3.2 Vorgehen bei der Ermittlung der Kulturunterschiede 47<br />
3.3.3 Kollektivismus/Individualismus in der italienischen und in der<br />
deutschen Schweiz an den Beispielen Tessin und Solothurn 48<br />
3.3.4 Machtdistanz in der italienischen und in der deutschen<br />
Schweiz an den Beispielen Tessin und Solothurn 49<br />
3.3.5 Vermeidung von Unsicherheit in der italienischen und in der<br />
deutschen Schweiz an den Beispielen Tessin und Solothurn 50<br />
iii
3.3.6 Feminin/Maskulin: Umgang mit der Trennung der<br />
Geschlechterrollen in der italienischen und in der deutschen<br />
Schweiz an den Beispielen Tessin und Solothurn 51<br />
3.3.7 Tessin und Solothurn im Überblick der vier klassischen<br />
Kulturdimensionen nach Hofstede 52<br />
3.4 Tessin und Solothurn: zwei unterschiedliche Wirtschaftsräume 52<br />
3.5 Zwei stark unterschiedliche Kantone als Referenzobjekte 56<br />
II Theoretischer Teil 57<br />
4 Ziele und Forschungsfragen 57<br />
5 <strong>St</strong>and der Forschung 59<br />
5.1 Die Kundenorientierung als Element des New Public Management 74<br />
5.2 Qualität in der öffentlichen Verwaltung 76<br />
5.2.1 Qualität der öffentlichen Verwaltung im Spannungsfeld<br />
verschiedener Dimensionen 77<br />
5.2.2 Qualitätsmanagement 80<br />
5.2.3 Kundenzufriedenheit als Massstab für Dienstleistungsqualität 84<br />
5.3 Der Bürger als Kunde der öffentlichen Verwaltung 86<br />
5.3.1 Kundenorientierung und deren Grenzen 88<br />
5.3.2 Grad der Erfüllung der drei Aspekte des Kundenbegriffs<br />
durch den Begriff „Kunde der öffentlichen Verwaltung“ 94<br />
III Empirischer Teil 95<br />
6 Forschungsmethodik 95<br />
6.1 Qualitative oder quantitative Forschungslogik 96<br />
6.1.1 Die Einzelfallstudie in der quantitativen Forschungslogik 97<br />
6.1.2 Die Einzelfallstudie in der qualitativen Forschungslogik 97<br />
6.2 Die Einzelfallstudie im qualitativen Forschungsprozess 98<br />
6.2.1 Prüfung der Interviewformen 104<br />
6.2.2 Untersuchungssituation 110<br />
6.2.3 <strong>St</strong>andardisierungsgrad des Interviews und Art der Fragen 112<br />
6.2.4 Die Auswertung des Materials 115<br />
6.3 Die Forschungsmethodik in Zusammenfassung 116<br />
7 Ergebnisse der Empirie 117<br />
7.1 Faktoren des Kundenempfindens aus der Sicht der beim<br />
RAV Lugano eingeschriebenen <strong>St</strong>ellensuchenden, ermittelt<br />
aus der Auswertung der Befragungen 118<br />
7.1.1 Einflussfaktoren im Überblick 130<br />
iv
7.2 Faktoren des Kundenempfindens aus der Sicht der beim<br />
RAV Solothurn eingeschriebenen <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
ermittelt aus der Auswertung der Befragungen 131<br />
7.2.1 Einflussfaktoren im Überblick 141<br />
8 Interpretation der Ergebnisse 143<br />
8.1 Emotionale Faktoren des Kundenempfindens 145<br />
8.2 Sachlich-institutionelle Faktoren des Kundenempfindens 145<br />
8.3 Emotionale und sachlich-institutionelle Faktoren des<br />
Kundenempfindens am Beispiel des RAV Lugano 145<br />
8.4 Emotionale und sachlich-institutionelle Faktoren des<br />
Kundenempfindens am Beispiel des RAV Solothurn 146<br />
8.5 Vergleich mit Herzbergs Zweifaktoren-Theorie 147<br />
IV Schlussfolgerungen 149<br />
9 Erkenntnisse für die Praxis 149<br />
10 Erkenntnisse für die Forschung 161<br />
10.1 Weiterer Forschungsbedarf 168<br />
V Anhänge 169<br />
Prozesse innerhalb der RAV 169<br />
Altes Finanzierungsmodell 170<br />
Grober Leitfaden zu den Gesprächen „Kulturunterschiede<br />
Tessin/Deutschschweiz“ 175<br />
Rahmenbedingungen der Wirkungsvereinbarung 178<br />
Berechnung des Wirkungsindexes 178<br />
Bewertungsbogen für die Kurse 179<br />
Fragebogen <strong>St</strong>ellensuchende 183<br />
Fragebogen Mitarbeiter 201<br />
Abkürzungsverzeichnis 221<br />
Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen und Wirkungsvereinbarungen 223<br />
Literaturverzeichnis 224<br />
Zeitungen/Zeitschriften/Konferenzbeiträge 229<br />
Verzeichnis der Websites 231<br />
Tabellenverzeichnis 232<br />
Definitionsverzeichnis 233<br />
Abbildungsverzeichnis 234<br />
v
I Einleitung<br />
1 Einführung und Begründung der Fragestellung<br />
Dem Thema Arbeitslosigkeit und damit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
wird in der Schweiz viel Interesse entgegengebracht. Dies manifestiert sich<br />
unter anderem darin, dass regelmässig Zeitungsartikel und verschiedene andere<br />
Veröffentlichungen rund um das Thema Arbeitslosigkeit und Regionale Arbeitsvermittlungszentren<br />
(RAV) erscheinen.<br />
Das besondere Interesse an den RAV liegt unter anderem darin begründet, dass es<br />
sich dabei um ein relativ neues Konstrukt handelt, das mit der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes<br />
(AVIG) 1995 ins Leben gerufen worden ist. Der<br />
Fokus der Arbeitslosenversicherung wurde bei dieser Revision vom passiven Taggeldbezug<br />
hin zur aktiven Wiedereingliederung der Arbeitslosen verlagert 1 .<br />
Ein Artikel im <strong>St</strong>. Galler Tagblatt umschreibt die Situation folgendermassen:<br />
„In den 90er-Jahren gehörte die Arbeitslosigkeit zu den politischen Dauerbrennern.<br />
Mit Beginn der Krise 1991 verzehnfachte sich die Arbeitslosigkeit und erreichte<br />
zuweilen mit 200’000 eine für unwahrscheinlich gehaltene Marke. Dabei<br />
erwies sich die ALV 2 bald als wenig reissfest. Das Sozialwerk kostete viel Geld<br />
und verursachte hohe Defizite, ohne ein Abgleiten vieler Arbeitsloser in die Invaliditätsversicherung<br />
oder in die Fürsorge zu verhindern. Bis die Politik aus der Not<br />
eine Tugend machte und die ALV 1995 radikal umbaute (Anm. d. Verf.: Einführung<br />
der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren anstelle der bisherigen Arbeitsämter):<br />
<strong>St</strong>att bloss Taggelder auszurichten, begann man, aktiv die Wiedereingliederung<br />
der Arbeitslosen zu fördern. Für den Betroffenen hiess dies, sich zu Weiterbildung<br />
und beruflicher Requalifizierung zu verpflichten. Dafür erhielt er mehr<br />
Schutz, indem die Taggelder auf 520 Tage ausgedehnt wurden.“ 3<br />
Weiter meint der Autor des Artikels, dass sich das Modell mit den Regionalen Ar-<br />
1<br />
ATAG (RAV-Evaluation), S. 3.<br />
2<br />
Anm. d. Verf.: ALV bezeichnet die Arbeitslosenversicherung, SR 837.0.<br />
3<br />
Langenegger (Krise), S. 7.<br />
1
eitsvermittlungszentren (RAV) bewähre, denn, obwohl der Wirtschaftsmotor Ende<br />
der 90er-Jahre nur zögernd angesprungen sei, ging die Arbeitslosenquote unerwartet<br />
schnell zurück. 4 Die RAV beweisen auch Flexibilität, indem sie die Zahl ihrer<br />
Personalberater der Zahl der bei ihnen registrierten stellensuchenden Personen<br />
anpassen. 5 Ob die Einführung der RAV ein Haupt- oder ein Nebengrund für die relativ<br />
rasche Verminderung der Arbeitslosenquote in der Schweiz Ende der 90er-<br />
Jahre ist, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, dass die RAV einer starken Kontrolle<br />
durch das übergeordnete <strong>St</strong>aatssekretariat für Wirtschaft (seco) ausgesetzt sind.<br />
Dieses weist denn auch in seiner Untersuchung über „Die Wirkung der Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren (RAV) im Jahr 2000“ darauf hin, dass sämtliche<br />
Kantone die vereinbarten Wirkungsziele (rasche Wiedereingliederung Arbeitsloser,<br />
Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit, Reduktion der Anzahl Aussteuerungen<br />
und Vermeidung von Wiederanmeldungen bei den Arbeitsvermittlungszentren)<br />
konsequent verfolgt und die erwarteten positiven Wirkungen erreicht haben.<br />
Insbesondere die Verminderung des Anteils der Langzeitarbeitslosigkeit von 34%<br />
(Mitte 1998) auf 16% (Ende 2000) sei zu einem grossen Teil das Verdienst der professionellen<br />
und rechtzeitigen Beratung und Vermittlung der <strong>St</strong>ellensuchenden in<br />
den RAV und des zweckmässigen Einsatzes arbeitsmarktlicher Massnahmen. 6<br />
Bei der RAV-Evaluations-<strong>St</strong>udie erfolgte die Analyse der Zusammenhänge zwischen<br />
den Vermittlungsmassnahmen der RAV und den damit erzielten Wirkungen<br />
mittels ökonometrischer Methoden. Aufgrund dieser ökonometrischen Analyse<br />
wurden in der darauffolgenden Phase des Projekts neun ausgewählte RAV einer<br />
betriebswirtschaftlichen Analyse unterzogen. Damit wurden die betriebsinternen<br />
Gründe für die Effizienzunterschiede zwischen den RAV eruiert. 7<br />
Die seco-<strong>St</strong>udie beurteilt die RAV nach quantitativen Faktoren, so zum Beispiel,<br />
wie stark die Anzahl Bezugstage von Arbeitslosentaggeld zurückgegangen ist oder<br />
in welchem Masse die Zahl der Aussteuerungen gesunken ist.<br />
1.1 Ansatzpunkt der vorliegenden Arbeit<br />
Die vorliegende <strong>Dissertation</strong> wählt einen anderen Ansatz. In dieser Arbeit werden<br />
die RAV aus der Sicht der <strong>St</strong>ellensuchenden betrachtet. Die Wirkungsorientierte<br />
Verwaltungsführung stellt den Bürger als Kunden ins Zentrum ihres Interesses.<br />
4<br />
Langenegger (Krise), S. 7.<br />
5<br />
Rietmann (Karussell), S. 33 sowie persönliche Gespräche mit Herrn Ongaro, Leiter RAV Lugano,<br />
April 2001.<br />
6<br />
seco (Wirkung).<br />
7<br />
seco (Evaluation).<br />
2
Die Leistungen, die durch die Verwaltung produziert werden sollen, so weit als<br />
möglich, die Bedürfnisse der Bürger, die sich in einer Art Kundenrolle befinden,<br />
befriedigen. 8<br />
Aus dem Blickwinkel der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung könnten somit<br />
auch die <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
betrachtet werden. Wer arbeitslos ist, unterliegt aber bis zu einem gewissen<br />
Grad dem Zwang, die Leistungen eines Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums<br />
entgegenzunehmen. Der Grund liegt darin, dass, wer nicht bei einem RAV<br />
gemeldet ist, keine Zahlungen der Arbeitslosenkasse erhält. 9 Das Aufsuchen des<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums ist daher für arbeitslose Personen nicht<br />
unbedingt freiwillig. Auch wer noch nicht arbeitslos ist, aber voraussichtlich in<br />
kürze seine <strong>St</strong>elle verlieren wird und sich daher bereits beim RAV meldet, tut dies,<br />
in der Voraussicht, in kürze Arbeitslosengelder beziehen zu müssen und nur in den<br />
seltensten Fällen aus der Idee heraus, dass einem das RAV ganz generell bei der<br />
<strong>St</strong>ellensuche helfen könnte. 10<br />
Der unfreiwillige Charakter, den das Aufsuchen eines Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums<br />
damit an sich hat, entspricht nicht unbedingt dem Bild, das man<br />
sich von einem Kunden macht. Es stellt sich daher die Frage, ob es Faktoren gibt,<br />
die dazu führen, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden (im folgenden auch „Versicherte“ genannt),<br />
welche ein RAV aufsuchen, sich trotzdem als Kunden behandelt fühlen.<br />
Dieser Frage soll in der vorliegenden <strong>Dissertation</strong> am Beispiel zweier unterschiedlicher<br />
Regionaler Arbeitsvermittlungszentren, Lugano und Solothurn, nachgegangen<br />
werden.<br />
Zu diesem Zweck wird eine Anzahl Versicherte zu ihrem Kundenempfinden befragt.<br />
Es soll herausgefunden werden, welche Faktoren bei der Erbringung der Leistungen<br />
eines RAV dazu beitragen, damit sich die <strong>St</strong>ellensuchenden so weit als<br />
möglich (oder eben nicht) als Kunden behandelt fühlen. Die Ergebnisse von Lugano<br />
und Solothurn werden anschliessend miteinander verglichen, mit dem Ziel herauszufinden,<br />
ob es über die verschiedenen RAV hinaus gemeinsame Faktoren gibt,<br />
welche das Kundenempfinden (positiv oder negativ) beeinflussen.<br />
1.2 Schwankende Arbeitslosenquote in den letzten Jahren<br />
Die Arbeitslosenquote in der Schweiz unterliegt in den letzten Jahren starken<br />
8<br />
Schedler (Ansätze), S. 70.<br />
9<br />
Zum exakten Prozedere siehe weiter unten.<br />
10<br />
Gemäss Aussagen verschiedener befragter Personalberater.<br />
3
Schwankungen. Während 1990 gesamtschweizerisch ein Jahresdurchschnitt von<br />
0.5 Prozent gemessen wurde, betrug der Höchststand im Jahr 1997 durchschnittlich<br />
5.2 Prozent (188’304 Personen). Dabei lagen 8 Kantone deutlich über diesem<br />
Wert, darunter die beiden Kantone Tessin mit 7.8 Prozent (10’864 Personen)<br />
und Solothurn mit 6.0 Prozent (7’801 Personen), aus denen die Untersuchungsobjekte<br />
für die vorliegende Arbeit stammen. 11 Mit diesen Werten bewegte man<br />
sich in der Grössenordnung der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vergangenen<br />
Jahrhunderts. Damals wurde die höchste Arbeitslosenquote 1936 mit<br />
6,4 Prozent (124’008 Personen) gemessen 12 .<br />
Seit diesem Höchststand ist die Arbeitslosenquote in der Schweiz in jüngster Zeit<br />
wieder stark gesunken. 1999 betrug sie noch 2.7 Prozent (98’602 Personen), 2001<br />
wurden 1.9 Prozent (67’197 Personen) im Jahresdurchschnitt, über alle Kantone<br />
gesehen, verzeichnet. Zur Zeit ist wieder eine Erhöhung spürbar. Während die Arbeitslosenquote<br />
im Juni 2002 im schweizerischen Mittel noch 2.5 Prozent<br />
(90’705 Personen) betrug, ist sie im Oktober auf 3.0 Prozent, beziehungsweise<br />
110’197 Personen, angestiegen. 13<br />
Ein ähnliches Bild zeichnen die Kantone Tessin und Solothurn. Nach dem<br />
Höchststand von 1997 ist die Arbeitslosenquote im Tessin kontinuierlich zurückgegangen<br />
und betrug im Jahr 2001 noch durchschnittlich 2.8 Prozent (3’907<br />
Personen). Im Kanton Solothurn erfolgte in diesem Zeitraum ebenso ein Rückgang.<br />
Die Arbeitslosenquote fiel bis 2001 im Jahresdurchschnitt auf 1.6 Prozent<br />
(1’918 Personen). In den letzten Monaten wird in beiden Kantonen wiederum ein<br />
Anstieg der Arbeitslosenquote ersichtlich. Im Juni 2002 betrug die Arbeitslosenquote<br />
im Kanton Tessin 3.1 Prozent (4’349 Personen), im Kanton Solothurn 2.4<br />
Prozent (2’872 Personen). 14 Im Oktober 2002 ist die Arbeitslosenquote im Tessin<br />
auf 3.8 Prozent (5’338 Personen) und in Solothurn auf 2.7 Prozent (3’346 Personen)<br />
gestiegen. 15<br />
Die Arbeitslosenquote berechnet sich, indem die Zahl der bei den RAV registrierten<br />
Arbeitslosen durch die Anzahl der Erwerbspersonen geteilt<br />
wird. „Als Erwerbspersonen gelten dabei alle Personen, die während min-<br />
11<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 2.8.02.<br />
12<br />
Telefonische Auskunft des BIGA.<br />
13<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 2.8.02 sowie Pressemitteilung des seco vom 18. November<br />
2002.<br />
14<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 2.8.02.<br />
15<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 18.11.02.<br />
4
destens sechs <strong>St</strong>unden pro Woche einer bezahlten Tätigkeit nachgegangen<br />
sind.“ 16<br />
17 18<br />
Definition 1: Arbeitslosenquote<br />
Obwohl bei der Untersuchung für die vorliegende Arbeit arbeitslose und nichtarbeitslose<br />
<strong>St</strong>ellensuchende befragt werden, ist nirgends von einer <strong>St</strong>ellensuchenden-Quote<br />
die Rede. Der Grund dafür ist die Anlehnung an die internationale Praxis<br />
der Arbeitsämter, welche auf die Berechnung einer Quote auf dem Gesamtbestand<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden verzichtet. Dies wird damit begründet, dass die Zahl<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden kein neues Mass für die Arbeitslosigkeit darstellt und nicht<br />
als Arbeitsmarktungleichgewicht interpretiert werden kann, auch wenn der Gesamtbestand<br />
an <strong>St</strong>ellensuchenden einen erheblichen Anteil an nichtarbeitslosen<br />
Personen einschliesst. 19 Die Publikation einer statistischen Zeitreihe zu den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
wird vom seco lediglich als Massnahme zur Wahrung der Transparenz<br />
auf dem Arbeitsmarkt betrachtet. 20 Die Arbeitslosenquote, welche dagegen als<br />
Marktungleichgewicht zwischen Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot interpretiert<br />
werden kann, ist damit die üblicherweise publizierte Quote, welche die<br />
Grundlage für die weiterführende Diskussion zu Arbeitsmarktungleichgewichten<br />
bildet.<br />
In der vorliegenden Arbeit geht es aber nicht um eine Diskussion des Arbeitsmarktungleichgewichts.<br />
Dieses wird mehr oder weniger stillschweigend hingenommen.<br />
Die Arbeitslosenquote und die Zahl der <strong>St</strong>ellensuchenden dienen hier lediglich<br />
dem Zweck, zu visualisieren wie hoch die Zahl derer ist, die von den<br />
Dienstleistungen der RAV betroffen sind.<br />
Die rund 110’000 Arbeitslosen 21 , zusammen mit den rund 50’000 nichtarbeitslosen<br />
stellensuchenden Personen 22 , die Ende Oktober 2002 bei den schweizerischen<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (im Folgenden meistens RAV genannt, ent-<br />
16<br />
„Die Zahl der Erwerbspersonen wurde in der Eidgenössischen Volkszählung 1990 festgestellt und<br />
wird während 10 Jahren als Rechnungsbasis beibehalten. Sie beträgt 3’621’716 Personen.“ Gemäss<br />
e-mail-Auskunft des Bundesamts für <strong>St</strong>atistik vom 19. November 2002 sind die Daten zu den Erwerbspersonen,<br />
basierend auf der Volkszählung von 2000, erst im Frühling 2003 verfügbar.<br />
17<br />
Ganze Definition: Website des seco, FAQ’s, Frage 2.<br />
18<br />
„Die Berechnung der Arbeitslosenquote gründet stets auf der Basis ‚Arbeitslose ohne <strong>St</strong>elle’.“ Website<br />
des seco, FAQ’s, Frage 6.<br />
19<br />
Website des seco, FAQ’s, Frage 6.<br />
20<br />
Website des seco, FAQ’s, Frage 5.<br />
21<br />
Website des seco, Pressemitteilung vom 18. November 2002.<br />
22<br />
Website des seco, Pressemitteilung vom 18. November 2002.<br />
5
sprechend der offiziell verwendeten Abkürzung) gemeldet sind, ergeben rund<br />
160’000 Personen 23 , die als arbeitslose und/oder stellensuchende Personen direkt<br />
von den Dienstleistungen der RAV betroffen sind. – Grund genug zu analysieren,<br />
ob diese Personen sich von den RAV als Kunden im positiven Sinn behandelt fühlen.<br />
Die Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und der <strong>St</strong>ellensuchenden in den letzten<br />
Jahren wird aus folgender Grafik ersichtlich:<br />
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Abbildung 1: Entwicklung der Zahl der bei den RAV registrierten Arbeitslosen<br />
24 und <strong>St</strong>ellensuchenden 25 in den vergangenen sechs Jahren (seit Bestehen<br />
der RAV) in der Schweiz 26 6<br />
23<br />
Website des seco, Pressemitteilung vom 18. November 2002.<br />
24<br />
Dabei werden als Arbeitslose alle Personen gezählt, die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registriert sind, keine <strong>St</strong>elle haben und sofort vermittelbar sind, unabhängig davon, ob ein<br />
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht oder nicht. Auch Ausgesteuerte werden in dieser<br />
<strong>St</strong>atistik erfasst. Siehe zu dieser Erklärung: Website des seco, 12.8.02.<br />
25<br />
Dabei werden als <strong>St</strong>ellensuchende alle Personen gezählt, die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registriert und arbeitslos oder nichtarbeitslos (das heisst, nicht sofort vermittelbar oder<br />
über Arbeit verfügend) sind. Siehe zu dieser Erklärung: Website des seco, 12.8.02.<br />
26<br />
Zahlen für <strong>St</strong>ellensuchende gemäss Auskunft des seco, Walter Weber, 5.8.02; Zahlen für Arbeitslose:<br />
<strong>St</strong>ichtag für die Bestände: letzter Arbeitstag des Monats, Website des seco, 8.8.02.
Abbildung 2: Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen 27 und <strong>St</strong>ellensuchenden 28<br />
in der Schweiz im Jahr 2002<br />
Für die Kantone Tessin und Solothurn stellt sich die Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen<br />
in den letzten Jahren folgendermassen dar:<br />
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Abbildung 3: Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen 29 und <strong>St</strong>ellensuchenden 30<br />
im Jahresdurchschnitt im Kanton Tessin von 1995 bis 2001 31<br />
27<br />
Website des seco, 18.11.02.<br />
28<br />
Website des seco, 18.11.02.<br />
29<br />
Mit „Arbeitslosen“ sind hier die arbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden gemeint.<br />
30<br />
Die „<strong>St</strong>ellensuchenden“ umfassen die arbeitslosen und die nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
31<br />
Zahlen gemäss Auskunft des seco, Walter Weber, 5.8.02.<br />
7
Abbildung 4 : Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen 32 und <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
33 im Jahresdurchschnitt im Kanton Solothurn von 1995 bis 2001 34<br />
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Abbildung 5: Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden 35<br />
im Jahresdurchschnitt von 1995 bis 2001 in den Kantonen Tessin und Solothurn<br />
im grafischen Vergleich 36 8<br />
32<br />
Mit „Arbeitslosen“ sind hier die arbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden gemeint.<br />
33<br />
Die „<strong>St</strong>ellensuchenden“ umfassen die arbeitslosen und die nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
34<br />
Zahlen gemäss Auskunft des seco, Walter Weber, 5.8.02.<br />
35<br />
Die „<strong>St</strong>ellensuchenden“ umfassen die arbeitslosen und die nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
36<br />
Zahlen gemäss Auskunft des seco, Walter Weber, 5.8.02.
Seit Anfang des Jahres 2002 sieht die Situation folgendermassen aus:<br />
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Abbildung 6: Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden 37<br />
im Kanton Tessin im Jahr 2002 38<br />
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Abbildung 7: Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden 39<br />
im Kanton Solothurn im Jahr 2002 40 9<br />
37<br />
Die „<strong>St</strong>ellensuchenden“ umfassen die arbeitslosen und die nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
38<br />
Website des seco, 18.11.02.<br />
39<br />
Die „<strong>St</strong>ellensuchenden“ umfassen die arbeitslosen und die nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
40<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 18.11.02.
Abbildung 8: Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden 41<br />
im Jahr 2002, in den Kantonen Tessin und Solothurn, im grafischen Vergleich<br />
42<br />
2 <strong>St</strong>ellensuchende als Untersuchungssubjekte<br />
Die Untersuchungen, die in dieser <strong>Dissertation</strong> vorgenommen werden, unterscheiden<br />
auch aus den bereits oben erwähnten Gründen, bewusst nicht zwischen<br />
arbeitslosen und nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden als Untersuchungsobjekte<br />
bei den RAV, denn sämtliche <strong>St</strong>ellensuchenden sind Empfänger von Dienstleistungen<br />
des RAV und damit als Untersuchungssubjekte zur Ermittlung von Faktoren<br />
des Kundenempfindens interessant.<br />
In der vorliegenden Arbeit werden daher bei den RAV registrierte <strong>St</strong>ellensuchende<br />
untersucht, unabhängig davon, ob sie arbeitslos sind oder nicht.<br />
Unter registrierten Arbeitslosen versteht man Personen, welche bei einem Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentrum gemeldet sind, keine <strong>St</strong>elle haben und sofort<br />
vermittelbar sind. Dabei ist es unerheblich, ob diese Personen eine Arbeitslosen-<br />
41<br />
Die „<strong>St</strong>ellensuchenden“ umfassen die arbeitslosen und die nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
42<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 18.11.02.<br />
10
entschädigung beziehen oder nicht. Ganzarbeitslose suchen eine Vollzeitstelle,<br />
Teilweise Arbeitslose eine Teilzeitstelle. 43<br />
Das seco unterscheidet zwei Arten von <strong>St</strong>ellensuchenden (die Definitionen werden so<br />
von den Kantonen übernommen) und definiert diese wie folgt 44 :<br />
Registrierte <strong>St</strong>ellensuchende: Alle arbeitslosen und nichtarbeitslosen Personen, welche<br />
beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum gemeldet sind und eine <strong>St</strong>elle suchen.<br />
Registrierte nichtarbeitslose <strong>St</strong>ellensuchende sind jene Personen, die bei einem<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum registriert, jedoch im Unterschied zu den<br />
Arbeitslosen entweder nicht sofort (d.h. in der Regel innert 30 Tagen) vermittelbar<br />
sind oder aber über eine Arbeit verfügen.<br />
Die registrierten nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden entsprechen der Differenz<br />
zwischen dem Total der registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden und den Arbeitslosen. Als<br />
Kategorien der registrierten nichtarbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden werden die Anzahl<br />
Personen in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung, in Umschulung<br />
oder Weiterbildung, im Zwischenverdienst sowie Übrige ausgewiesen.<br />
Die Fachstelle für <strong>St</strong>atistik des Volkswirtschaftsdepartements des Kantons <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
stellt die <strong>St</strong>ellensuchenden grafisch wie folgt dar:<br />
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<br />
Abbildung 9: Definition <strong>St</strong>ellensuchende 45<br />
43<br />
E-mail-Auskunft von Francesco Apa, seco.<br />
44<br />
E-mail-Auskunft von Francesco Apa, seco.<br />
45<br />
Fachstelle für <strong>St</strong>atistik des Volkswirtschaftsdepartements des Kantons <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
11
Die <strong>St</strong>ellensuchenden, mit denen sich die vorliegende Arbeit beschäftigt, sind die<br />
beim RAV registrierten arbeitslosen und nicht arbeitslosen <strong>St</strong>ellensuchenden. Terminologisch<br />
werden diese hier zumeist als „stellensuchende Personen“ oder, entsprechend<br />
der bei verschiedenen RAV-Personalberatern üblichen Bezeichnung, als<br />
„Versicherte“ 46 bezeichnet.<br />
2.1 Tatsächliche Zusammensetzung der Interviewpartner: stellensuchende<br />
Personen RAV Lugano<br />
Die folgende Tabelle enthält die Grundgesamtheit der beim RAV Lugano gemeldeten<br />
Personen, aufgeteilt in die verschiedenen Gruppen, wie sie der offiziellen RAV-<br />
Codierung entsprechen (<strong>St</strong>ichtag: 14. Mai 2001) 47 sowie die Zahl der in den Monaten<br />
Mai und Juni 2001 interviewten Arbeitslosen und stellensuchenden Personen:<br />
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<br />
46<br />
Begriff entsprechend Aussagen aus verschiedenen Personalberaterinterviews in Lugano (wo die Arbeitslosen<br />
und <strong>St</strong>ellensuchenden häufig als „gli assicurati“ bzw. „die Versicherten“ bezeichnet werden)<br />
und Solothurn („Versicherte“).<br />
47<br />
Angaben des RAV Lugano.<br />
12
48 49<br />
Tabelle 1: Interviewpartner <strong>St</strong>ellensuchende RAV Lugano<br />
<br />
Die Untersuchung konzentrierte sich (94% der Interviews) auf die Gruppe der Personen<br />
mit mittlerer und schwerer Vermittelbarkeit. Diese beiden Gruppen sind die<br />
am stärksten vertretenen im Erhebungszeitraum (1865 Personen, also rund 78%<br />
am <strong>St</strong>ichtag). Zum Vergleich: Am 19.4.01 machten diese Personengruppen ebenfalls<br />
rund 78 % der insgesamt beim RAV Lugano gemeldeten Personen aus; am<br />
19.6.01 waren es rund 82%. 50<br />
Leicht vermittelbare Personen und solche mit wenig Unterstützungsbedarf sind als<br />
Untersuchungssubjekte zudem von geringerem Interesse, da sie die Leistungen des<br />
RAV generell wenig beanspruchen. Sie sind meist nur kurze Zeit arbeitslos, sind<br />
gut qualifiziert und finden problemlos selber wieder eine <strong>St</strong>elle. Das RAV als Institution<br />
und wie sie innerhalb derselben behandelt werden, ist für sie nur von untergeordneter<br />
Wichtigkeit, was unter anderem auch zu einer geringen Bereitschaft<br />
führt, an Befragungen teilzunehmen, wie sie für diese Arbeit vorgenommen wurden.<br />
Es besteht schlicht kein Interesse. Daher wurde in der vorliegenden Arbeit auch<br />
nur eine Person – quasi aus Kontrollgründen, um festzustellen, ob dort tatsächlich<br />
kein essentiell anderer Eindruck des Kundenverständnisses durch das RAV vermittelt<br />
wird – aus der Gruppe der leicht vermittelbaren Personen befragt. Das Interview<br />
bestätigte die Vermutung: Der Eindruck von den Leistungen, die durch das<br />
RAV erbracht werden, entspricht in etwa der Beurteilung durch die übrigen Interviewpartner,<br />
wobei das RAV aber keine besonders wichtige Institution für den<br />
leicht vermittelbaren Arbeitnehmer ist. Die Ergebnisse des Interviews finden im<br />
Detail Eingang in die Gesamtauswertung der Kundeninterviews des RAV Lugano.<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
<br />
48<br />
Angaben des RAV Lugano; Prozentzahlen auf ganze Zahlen gerundet.<br />
49<br />
Nach Erstellung des Fragebogens für die <strong>St</strong>ellensuchenden wurden vor Beginn der Interviews als Pretest<br />
Gespräche mit sechs <strong>St</strong>ellensuchenden geführt. Die Interviewpartner des Pretests erscheinen<br />
nicht in der Liste der effektiv ausgewählten Interviewpartner.<br />
50<br />
Angaben des RAV Lugano; Prozentzahlen auf ganze Zahlen gerundet.<br />
13
Die Teilnahme an den Interviews war selbstverständlich freiwillig. Die Verfasserin<br />
war daher auf die Bereitschaft der arbeitslosen und stellensuchenden Personen angewiesen,<br />
sich mit ihr zu unterhalten. Neben der Bereitschaft war auch die Fähigkeit,<br />
die Fragen zu verstehen, auch wenn diese in einfachen Worten mündlich auf<br />
italienisch (beim RAV Lugano waren ausser deutsch und italienisch keine anderen<br />
Sprachen nötig) formuliert wurden, eine Voraussetzung für die Teilnahme an den<br />
Interviews. Aus diesen Gründen musste auf das Befragen von Personen aus der<br />
Gruppe „schwer vermittelbar mit Bedarf an Basisqualifikation“ verzichtet werden.<br />
2.2 Tatsächliche Zusammensetzung der Interviewpartner stellensuchende<br />
Personen RAV Solothurn<br />
Beim RAV Solothurn erfolgte die Auswahl der zu befragenden <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
nach deren Einteilung in die verschiedenen RAV-Einheiten.<br />
Die Verteilung der Personen entspricht dem Verhältnis der zum Erhebungszeitraum<br />
(August 2001) bei den verschiedenen RAV-Einheiten eingeschriebenen<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden. 51 Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt 3’518 Personen im<br />
Kanton Solothurn als <strong>St</strong>ellensuchende gemeldet. 52<br />
Auf die Befragung von Personen, welche bisher erst das RAV Check-in besucht<br />
haben, ist verzichtet worden, da dort nur ein einziger Kontakt stattfindet und die<br />
eigentliche Beratung der <strong>St</strong>ellensuchenden erst in den nachgelagerten RAV-Einheiten<br />
erfolgt. 53<br />
<br />
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<br />
54 55<br />
Tabelle 2: Interviewpartner <strong>St</strong>ellensuchende RAV Solothurn<br />
51<br />
Gemäss Auskunft des Leiters des RAV Solothurn, René Knipp, vom 7.8.01.<br />
52<br />
Gemäss Auskunft des seco, Erika Gauggel, vom 22.11.02<br />
53<br />
Dieses Vorgehen erfolgte auf Anraten und Wunsch des Leiters des RAV Solothurn, René Knipp.<br />
54<br />
Gemäss Auskunft des Leiters des RAV Solothurn, René Knipp, vom 7.8.01.<br />
14
Die Einteilung der <strong>St</strong>ellensuchenden zu den verschiedenen RAV-Einheiten entspricht<br />
theoretisch in etwa der Aufteilung auf folgende offizielle RAV-Kategorien:<br />
<br />
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<br />
Tabelle 3: Vergleich RAV-Einheiten Solothurn und offizielle RAV-Codierung 56<br />
Gemäss offiziellen RAV-Kategorien werden also in Solothurn 8 leicht vermittelbare<br />
Personen, 5 mittel bis schwer vermittelbare Personen mit Qualifikationsbedarf,<br />
5 mittel bis schwer vermittelbare Personen ohne Qualifikationsbedarf sowie<br />
zwei Spezialfälle befragt.<br />
Diese Einteilungen entsprechend den offiziellen RAV-Kategorien werden aber<br />
nicht immer eingehalten. Es kommt durchaus vor, dass eine Person, die eigentlich<br />
schwer vermittelbar ist und über Qualifikationsbedarf verfügt, zum RAV Jobma-<br />
55<br />
Nach Erstellung des Fragebogens für die <strong>St</strong>ellensuchenden wurden vor Beginn der Interviews als Pretest<br />
Gespräche mit sechs <strong>St</strong>ellensuchenden geführt. Die Interviewpartner des Pretests erscheinen<br />
nicht in der Liste der effektiv ausgewählten Interviewpartner.<br />
56<br />
In Abstimmung mit einem Personalberater des RAV Solothurn erstellte Liste.<br />
15
nagement eingeteilt wird, in der Hoffnung, es gelinge doch noch, die Person kurzbis<br />
mittelfristig für eine <strong>St</strong>elle zu vermitteln. Das RAV Solothurn hält sich damit<br />
im praktischen Gebrauch nur begrenzt an die offizielle Einteilung der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
entsprechend der offiziellen RAV-Codierung. 57<br />
Entsprechend der Verteilung der <strong>St</strong>ellensuchenden auf die verschiedenen RAV-Einheiten<br />
zum Erhebungszeitraum konzentrierte, sich die Untersuchung auf typische<br />
Fälle des RAV Jobmanagement, des RAV Qualifizierung und des RAV Integration.<br />
Im Unterschied zu Lugano waren hier auch relativ leicht vermittelbare Personen<br />
mit wenig Qualifizierungsbedarf (RAV Jobmanagement) bereit, an der Untersuchung<br />
teilzunehmen. Nicht ganz einfach gestaltete sich die Befragung der Personen<br />
aus den Bereichen RAV Soziales und RAV Workout. In diesen Fällen mussten<br />
die Fragen in sehr einfacher Form gestellt werden. Die Befragten waren trotzdem<br />
teilweise nicht in der Lage, alle Fragen zu verstehen.<br />
2.3 Mitarbeiterinterviews zum Vergleich<br />
Ziel dieser Arbeit ist die Ermittlung der Faktoren des Kundenempfindens aus Sicht<br />
der stellensuchenden Personen. Die Analyse der Ansichten der RAV-Mitarbeiter<br />
zum Thema: „Ist der <strong>St</strong>ellensuchende ein Kunde des RAV Welche Faktoren beeinflussen<br />
dessen Kundenempfinden“ dient lediglich zum Vergleich und zur besseren<br />
Visualisierung der Faktoren.<br />
Bei den für die vorliegende Arbeit befragten Mitarbeitern des RAV Lugano handelt<br />
es sich um Personalberater, die eigentlichen Ansprechpartner der <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
Jeder Personalberater ist für einen bestimmten Sektor, wie zum Beispiel Hotellerie,<br />
Baugewerbe etc. verantwortlich. Die <strong>St</strong>ellensuchenden werden damit<br />
beim RAV Lugano den Personalberatern nach Berufen zugeordnet. Mehrere Personalberater<br />
des gleichen Sektors unterstehen einem Gruppenchef.<br />
Es wurde darauf geachtet, dass Personalberater verschiedenen Alters und Geschlechts,<br />
mit unterschiedlichen angestammten Berufen ausgewählt wurden, die<br />
innerhalb des RAV für verschiedene Berufskategorien zuständig sind. Es erfolgten<br />
Interviews mit Personalberatern, Gruppenchefs sowie mit dem stellvertretenden<br />
Leiter des RAV, der teilweise auch noch als Personalberater fungiert. Auch der<br />
Gesamtleiter des RAV sowie der Chef des kantonalen Arbeitsamtes (Sezione del<br />
Lavoro) wurden befragt.<br />
Beim RAV Solothurn wurde von jeder RAV-Einheit ein Personalberater befragt.<br />
Zudem erfolgte ein ausführliches Gespräch mit dem Leiter des RAV Solothurn.<br />
57<br />
Gemäss Auskunft eines Personalberaters des RAV Solothurn vom 21.11.02.<br />
16
3 RAV Lugano und RAV Solothurn als Untersuchungsobjekte<br />
Bei der Auswahl der beiden Referenzobjekte RAV Lugano und RAV Solothurn<br />
war eines der Hauptziele, zwei möglichst unterschiedliche Untersuchungsobjekte<br />
auszuwählen, um festzustellen, ob, trotz dieser Unterschiede, Gemeinsamkeiten<br />
bei den Faktoren des Kundenempfindens bestehen.<br />
Drei Hauptgründe lagen damit der Wahl der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
Lugano und Solothurn als Referenzobjekte für die vorliegende Arbeit zu<br />
Grunde:<br />
1. die verschiedenen RAV-Modelle, die in den Kantonen Tessin und Solothurn zur<br />
Anwendung kommen.<br />
2. die Kulturunterschiede italienische/deutsche Schweiz, am Beispiel Tessin/Solothurn.<br />
3. die unterschiedlichen Wirtschaftsräume Tessin/Solothurn.<br />
Während das RAV Lugano dem “konventionellen” RAV-Modell mit vermischten<br />
Aufgaben je RAV entspricht, wie es in den meisten Kantonen zur Anwendung<br />
kommt, versucht sich Solothurn mit einem Modell, das auf verschiedenen spezialisierten<br />
RAV-Einheiten beruht.<br />
Die folgenden Unterkapitel beschreiben zuerst das “konventionelle” RAV-Modell<br />
und anschliessend das RAV-Modell Solothurn.<br />
3.1 Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Lugano - das “konventionelle”<br />
RAV<br />
Als Untersuchungsobjekte für die vorliegende Arbeit wurden die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
(RAV) gewählt. Was unter einem “konventionellen” RAV,<br />
wie dem, das in Lugano, im übrigen Tessin und üblicherweise in den anderen Kantonen<br />
zu finden ist, zu verstehen ist, wird in den folgenden Absätzen erläutert.<br />
Zum besseren Verständnis der Diskussion rund um das RAV wird als Erstes eine<br />
Anzahl Begriffe erklärt:<br />
<strong>St</strong>ellensuchende sind Personen, die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registriert und arbeitslos oder nichtarbeitslos (das heisst, die Person ist nicht<br />
sofort vermittelbar oder verfügt über Arbeit) sind. 58<br />
Eine Person gilt als arbeitslos, wenn sie ohne Arbeit und sofort vermittelbar ist. 59<br />
58<br />
Website des seco, 12.8.02.<br />
59<br />
Entsprechend den Definitionen der 13. Internationalen Konferenz der Arbeitsmarktstatistiker und Bezug<br />
nehmend auf die Richtlinien und <strong>St</strong>andards des Bureau International du Travail (BIT) in Genf,<br />
Website des seco, 12.8.02.<br />
17
Für die, für die vorliegende Arbeit relevante, seco-Arbeitslosenstatistik gilt zudem,<br />
dass die arbeitslose Person bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registriert sein muss. 60<br />
Eine Person ist vermittlungsfähig, wenn sie bereit, in der Lage und berechtigt ist,<br />
eine zumutbare Arbeit anzunehmen. 61<br />
Gemäss AVIG Art. 9 Abs. 1 und 2 bezeichnet der Begriff Rahmenfrist für den Leistungsbezug<br />
eine Zeitspanne von zwei Jahren, innert derer eine Anzahl Taggelder<br />
(nämlich höchstens 520, was der Anzahl Arbeitstage von zwei Jahren entspricht)<br />
bezogen werden können. Als Rahmenfrist für die Beitragszeit bezeichnet AVIG<br />
Art. 9 Abs. 1 und 3 ebenfalls eine zweijährige Zeitspanne (unmittelbar vor Beginn<br />
des Leistungsbezugs), innert derer (während mindestens 6 Monaten 62 ) die erforderlichen<br />
Beiträge für die Arbeitslosenversicherung bezahlt worden sind.<br />
Taggelder sind die finanziellen Leistungen, welche die Versicherten von ihrer Arbeitslosenkasse<br />
erhalten. 63<br />
Gemäss Art. 27 Abs. 2 Bst. a und b AVIG bestehen folgende Ansprüche für die Versicherten:<br />
• Höchstens 150 Taggelder bis zur Vollendung des 50. Altersjahrs.<br />
• Höchstens 250 Taggelder ab dem vollendeten 50. Altersjahr.<br />
• Höchstens 400 Taggelder ab dem vollendeten 60. Altersjahr.<br />
• Höchstens 520 Taggelder, wenn der Versicherte eine Invalidenrente der Invalidenversicherung<br />
oder der obligatorischen Unfallversicherung bezieht oder eine<br />
solche Rente beantragt hat und der Antrag nicht aussichtslos erscheint.<br />
• Besondere Taggelder gemäss AVIG Art. 59b, für Tage, an denen die Versicherten<br />
auf Weisung oder mit Zustimmung der zuständigen Amtsstelle an einer arbeitsmarktlichen<br />
Massnahme teilnehmen. Die besonderen Taggelder werden<br />
nicht an die Höchstzahl der Taggelder gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. a AVIG angerechnet.<br />
Grundsätzlich werden die besonderen Taggelder bis zum Ablauf der<br />
Rahmenfrist für den Leistungsbezug erbracht.<br />
Eine arbeitslose Person erhält, nach Ablauf einer Wartezeit von fünf Tagen kontrollierter<br />
Arbeitslosigkeit 64 , pro Woche fünf Taggelder (Montag bis Freitag). Die<br />
Höhe der Taggelder hängt vom AHV-pflichtigen Lohn ab, den die arbeitslose Person<br />
im letzten Monat vor ihrer Arbeitslosigkeit erzielt hat, was dem versicherten<br />
Verdienst entspricht. Der höchstversicherbare Verdienst beträgt dabei 8’900 Fran-<br />
60<br />
Website des seco, 12.8.02.<br />
61<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 12.8.02.<br />
62<br />
AVIG Art. 13 Abs. 1.<br />
63<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 11.8.02.<br />
64<br />
AVIG Art. 18 Abs. 1.<br />
18
ken pro Monat. 65 Eine Arbeitslosenentschädigung (bzw. auf den Arbeitstag umgerechnet<br />
ein Taggeld) in der Höhe von 80% des versicherten Verdienstes erhalten Personen: 66<br />
• die Unterhaltspflichten gegenüber ihren Kindern haben;<br />
• oder deren versicherter Verdienst 3’526 Franken nicht übersteigt;<br />
• oder die invalid sind.<br />
Alle anderen arbeitslosen Personen erhalten eine Arbeitslosenentschädigung in<br />
Höhe von 70% des versicherten Verdienstes. 67<br />
Personen, die seit über einem Jahr arbeitslos sind, gelten als langzeitarbeitslos. 68<br />
Personen werden als ausgesteuert bezeichnet, wenn sie nach wie vor arbeitslos<br />
sind, in der letzten Kontrollperiode (Eine Kontrollperiode innerhalb der Rahmenfrist<br />
beträgt 60 Tage. Danach besteht Anrecht auf 5 aufeinanderfolgende Tage ohne<br />
Kontrolle, dann beginnt eine neue Kontrollperiode.) 69 ihrer Rahmenfrist entweder<br />
ein Taggeld bezogen haben oder in einem Beschäftigungsprogramm oder einem<br />
Berufspraktikum engagiert waren, aber keinen Anspruch mehr auf<br />
Arbeitslosenentschädigung haben. 70<br />
Der Begriff „Aussteuerung“ wird seit Mai 1994 vom seco (damals BIGA) gebraucht.<br />
Es besteht kein Zusammenhang mit den eigentlichen „<strong>St</strong>euern“. 71<br />
Eine Person, die keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosenentschädigung hat, kann<br />
kantonale Arbeitslosenhilfe 72 oder Sozialhilfe beantragen. 73<br />
„Personen, welche in der letzten Kontrollperiode ihrer Rahmenfrist Ausbildungsoder<br />
Einarbeitungszuschüsse, Pendler- oder Wochenaufenthaltsbeiträge oder Vorruhestandsleistungen<br />
erhalten haben, werden nicht ausgesteuert. Dies gilt auch für<br />
diejenigen Personen, welche am Ende ihrer Rahmenfrist selbständig waren und für<br />
die der ALV-Fonds einen Bürgschaftsanteil übernommen hat.“ 74<br />
„Nicht ausgesteuert werden auch alle Personen, welche sich vor Ablauf ihrer<br />
Rahmenfrist abgemeldet haben, entweder weil sie eine <strong>St</strong>elle gefunden haben,<br />
oder weil sie aus anderen Gründen der Kontrollpflicht bzw. dem Beratungsgespräch<br />
ferngeblieben sind.“ 75 19<br />
65<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 12.8.02 und AVIG Art. 22 Abs. 1.<br />
66<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 12.8.02 und AVIG Art. 22 Abs. 1 und 2.<br />
67<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 12.8.02.<br />
68<br />
Website des seco, Arbeitsmarktstatistik, 12.8.02.<br />
69<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 23.8.02.<br />
70<br />
Gemäss Auskunft von Petra Felder, seco, Bern, 13.8.02.<br />
71<br />
Gemäss Auskunft von Petra Felder, seco, Bern, 13.8.02.<br />
72<br />
gilt für die Kantone Genf, Neuenburg, Schaffhausen, Waadt, Wallis, Zug.<br />
73<br />
Gemäss Auskunft von Petra Felder, seco, Bern, 13.8.02.<br />
74<br />
Gemäss Auskunft von Petra Felder, seco, Bern, 13.8.02.<br />
75<br />
Gemäss Auskunft von Petra Felder, seco, Bern, 13.8.02.
„Es werden nur Personen ausgesteuert, welche am Ende der Rahmenfrist kantonale<br />
Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe beanspruchen könnten/müssten, weil sie<br />
arbeitslos sind.“ 76<br />
3.1.1 Gesetzliche Grundlagen der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
„Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit, das Legalitätsprinzip, hat zu seinem Hauptanliegen,<br />
alle Verwaltungstätigkeit an das Gesetz zu binden. Das Gesetz ist Massstab<br />
und Schranke der Verwaltungstätigkeit („Vorrang des Gesetzes“). Alles Verwaltungshandeln<br />
ist nur gestützt auf das Gesetz zulässig.“ 77<br />
Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum als Teil der öffentlichen Verwaltung ist<br />
ebenfalls dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Gesetzliche Grundlage und Handlungsrahmen<br />
bilden das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG), die Arbeitslosenversicherungsverordnung<br />
(AVIV), die Verordnung über die Entschädigung der<br />
Kantone für den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, das Arbeitsvermittlungsgesetz<br />
(AVG), die Verordnung über die Verwaltungskostenentschädigung<br />
an die Kantone für den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes<br />
(VKE-Verordnung) des EVD, seit dem 1. Januar 2002 die Verordnung über die<br />
Entschädigung der Kantone für den Vollzug des Arbeistlosenversicherungsgesetzes<br />
und die Wirkungsvereinbarung.<br />
Artikel 85b AVIG 78 legt fest:<br />
„ 1 Die Kantone richten regionale Arbeitsvermittlungszentren ein. Sie übertragen<br />
ihnen Aufgaben der kantonalen Amtsstellen und der Gemeindearbeitsämter.<br />
2 Die Arbeitsvermittlungszentren können zur Erfüllung ihrer Aufgaben Private beiziehen.<br />
3 Die Kantone melden der Ausgleichsstelle die dem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
übertragenen Aufgaben und Kompetenzen.“<br />
Die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) haben dadurch mit der Revision<br />
des AVIG von 1995 die früheren Arbeitsämter abgelöst.<br />
3.1.2 Die Wirkungsvereinbarung<br />
Die Wirkungsvereinbarung, beziehungsweise die Vereinbarung für den Vollzug<br />
des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) wird zwischen der Schweizerischen<br />
76<br />
Gemäss Auskunft von Petra Felder, seco, Bern, 13.8.02.<br />
77<br />
Häfelin/Müller (Grundriss), S. 71.<br />
78<br />
Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG): SR 837.0<br />
20
Eidgenossenschaft, vertreten durch das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement<br />
(EVD) und den einzelnen Kantonen abgeschlossen. 79 Zweck der Vereinbarung<br />
ist die Regelung der Zusammenarbeit zwischen Bund (EVD und Ausgleichsstelle)<br />
und dem Kanton beim Vollzug der Artikel 85 Abs. 1 und Artikel 85b<br />
AVIG zur Verhütung drohender und zur Bekämpfung bestehender Arbeitslosigkeit.<br />
Die Vereinbarung stützt sich auf die Artikel 92 Absätze 6 und 7 AVIG, Artikel 122a<br />
und 122b AVIV, die VKE-Verordnung des EVD, die AVIG-Vollzugskostenentschädigungsverordnung<br />
sowie bezüglich der öffentlichen Arbeitsvermittlung auf<br />
die Artikel 24, 26, 27 und 28 AVG. 80<br />
Es handelt sich bei dieser Vereinbarung nicht um eine Leistungsvereinbarung, sondern<br />
um eine Vereinbarung über zu erzielende Wirkungen. Das EVD beschränkt<br />
sich darauf, Wirkungen zu vereinbaren, während die Vereinbarung von Leistungen<br />
Sache der Kantone ist. 81<br />
Da sämtliche Untersuchungen für diese Arbeit während der vom 1. Januar 2000<br />
bis zum 31. Dezember 2002 gültigen Wirkungsvereinbarung durchgeführt wurden,<br />
beschreibt die vorliegende Arbeit eben diese Vereinbarung im folgenden Text.<br />
Sämtliche weiteren Ausführungen beziehen sich ebenfalls auf die genannte Vereinbarung.<br />
Zur Wirkungsvereinbarung, welche im Jahr 2003 in Kraft tritt, erfolgen<br />
lediglich einige kurze Bemerkungen, im Anschluss an die Beschreibung der<br />
von 2000 bis 2002 gültigen Vereinbarung.<br />
Die Vereinbarung 82<br />
• „nennt die anzustrebenden Ziele und Wirkungen des AVIG-Vollzugs;<br />
• formuliert den Rahmen für die Zusammenarbeit Bund – Kantone und<br />
• will dem Kanton finanzielle Anreize für einen wirksamen Vollzug geben.“ 83<br />
AVIG-Vollzugsstellen im Sinne der Wirkungsvereinbarung sind die Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren (RAV), die Logistikstelle für arbeitsmarktliche Massnahmen<br />
(LAM-<strong>St</strong>elle) und kantonale Amtsstellen (KAST). 84<br />
Mit Ausnahme einiger Rahmenbedingungen (s. Anhang) ist der Kanton bei der<br />
Ausgestaltung der Organisation der AVIG-Vollzugsstellen autonom. 85<br />
Wenn im folgenden Text die Rede von AVIG-Vollzugsstellen ist, sind jeweils<br />
79<br />
Die Vereinbarung wird mit jedem einzelnen Kanton abgeschlossen und kann von beiden Parteien, mit<br />
einer Kündigungsfrist von drei Monaten, auf das Jahresende gekündigt werden.<br />
80<br />
EVD (Vereinbarung), S. 1.<br />
81<br />
Gemäss Auskunft von Olivier Nussbaum, seco, Bern, 16.08.02.<br />
82<br />
Gemeint ist, wie erwähnt, die Wirkungsvereinbarung, welche von Anfang 2000 bis Ende 2002 gültig<br />
ist.<br />
83<br />
EVD, (Vereinbarung), S. 1.<br />
84<br />
EVD, (Vereinbarung), S. 2 sowie Auskunft von Olivier Nussbaum, seco, Bern, 16.08.02.<br />
85<br />
EVD, (Vereinbarung), S. 3.<br />
21
die Vollzugsstellen im Sinne der Wirkungsvereinbarung gemeint.<br />
AVIG-Vollzugsstellen ausserhalb der Wirkungsvereinbarung sind beispielswiese<br />
die Arbeitslosenkassen. 86 Im Gegensatz zu RAV oder LAM-<strong>St</strong>ellen gibt es bei den<br />
Arbeitslosenkassen aber sowohl private (z.B. von GBI oder SMUV) wie auch öffentliche<br />
(kantonale) Kassen. Da die Kassen nicht primär auf Wirkung arbeiten,<br />
wurde mit diesen eine Leistungsvereinbarung (und nicht eine Wirkungsvereinbarung<br />
wie mit RAV, LAM-<strong>St</strong>ellen und KAST) abgeschlossen. 87<br />
Für den AVIG-Vollzug ergeben sich folgende Ziele:<br />
• „Verhütung von Arbeitslosigkeit;<br />
• rasche und dauerhafte Wiedereingliederung der gemeldeten <strong>St</strong>ellensuchenden;<br />
• Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit und Aussteuerungen;<br />
• effizienter Vollzug des AVIG und AVG.“ 88<br />
Mit folgenden Wirkungsindikatoren wird die Zielerreichung gemessen:<br />
<br />
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<br />
Tabelle 4: Wirkungsindikatoren 89 22<br />
86<br />
AVIG Abs. 1 sowie AVIG Abs. 1 Bst. a.<br />
87<br />
Gemäss Auskunft von Olivier Nussbaum, seco, Bern, 16.08.02.<br />
88<br />
EVD, (Vereinbarung), S. 1 f.<br />
89<br />
EVD (Vereinbarung), S.2 und EVD (Anpassung), S. 3.
In kurzen Worten ist für die Bewertung der Wirkungen also entscheidend: Wie<br />
schnell und wie dauerhaft wird Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden eine neue <strong>St</strong>elle<br />
vermittelt, wie viele Personen werden langzeitarbeitslos und wie viele Arbeitslose<br />
werden ausgesteuert. 90<br />
Zur Beurteilung der Zielerreichung der AVIG-Vollzugsstellen im Sinne der Wirkungsvereinbarung<br />
(und somit insbesondere der RAV) wird ein Wirkungsindex ermittelt.<br />
91 92 Dieser Wirkungsindex wird pro Kanton auf Ebene der einzelnen RAV<br />
berechnet und dann zum Kantonsindex aggregiert. Dabei werden lediglich die<br />
Wirkungen der Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen berücksichtigt. Die übrigen<br />
AVIG-Vollzugsstellen (LAM-<strong>St</strong>elle und KAST) im Sinne der Wirkungsvereinbarung<br />
gelten für die Berechnung des Wirkungsindexes als eine Art „Zulieferanten“<br />
der RAV. Für ihre Tätigkeiten wird daher kein gesonderter Wirkungsindex berechnet.<br />
Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Wirkungsindices der AVIG-<br />
Vollzugsstellen sind damit direkt nur die Wirkungen der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren.<br />
93<br />
Die Wirkungen der übrigen AVIG-Vollzugsstellen im Sinne der Wirkungsvereinbarung<br />
können damit als impliziter Bestandteil der Wirkungen der RAV betrachtet<br />
werden. Wenn im Folgenden die Rede von Wirkungen beziehungsweise Wirkungsindices<br />
der AVIG-Vollzugsstellen oder von Wirkungen oder Wirkungsindices<br />
der RAV die Rede ist, dann ist diese Art der Berechnung gemeint und die<br />
Begriffe sind als Synonyme zu verstehen.<br />
Für die Finanzierung der AVIG-Vollzugsstellen gilt folgendes: Aus der Vereinbarung<br />
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Kantonen zum<br />
Vollzug des AVIG und den Anpassungen, die für die Jahre 2001 und 2002 gültig<br />
sind, geht hervor, dass es sich um eine wirkungsorientierte Vereinbarung zwischen<br />
dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement und den Kantonen, den Trägern<br />
der AVIG-Vollzugsstellen handelt. Diese aktuelle Vereinbarung ist von Anfang<br />
2000 bis Ende 2002 gültig. 94 Im Vordergrund bei dieser Vereinbarung steht<br />
die Absicht, dass nicht mehr der Mitteleinsatz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit<br />
als Indikator zur Messung der Leistungen der RAV dienen soll, sondern die am<br />
Arbeitsmarkt erzielten Wirkungen. „Um den Kantonen einen Anreiz zu bieten, die<br />
Wirkungen ihrer Vollzugsstellen zu verbessern, wurde vereinbart, dass ein Teil der<br />
finanziellen Leistungen des Bundes wirkungsbezogen entrichtet wird. Hierbei sol-<br />
90<br />
Leardini (Vermittlungsarbeit), Solothurner Zeitung, 26.08.02.<br />
91<br />
Die Berechnung des Wirkungsindexes wird im Anhang dargestellt.<br />
92<br />
EVD (Vereinbarung), S. 2.<br />
93<br />
Gemäss e-mail-Auskunft von Olivier Nussbaum, seco, 26.02.02.<br />
94<br />
seco (Wirkung), S. 1 sowie EVD (Anpassung), S. 2.<br />
23
len auf der Grundlage eines Benchmarkings die überdurchschnittlich wirksamen<br />
RAV mit einer Bonuszahlung (Anm. d. Verf.: von Seiten des Bundes) belohnt werden,<br />
während den unterdurchschnittlich erfolgreichen RAV eine Kostenbeteiligung<br />
(Anm. d. Verf.: der Kantone) auferlegt wird.“ 95<br />
Für die Jahre 2001 und 2002 (Erhebungszeitraum der Daten, die der vorliegenden<br />
<strong>Dissertation</strong> zugrunde liegen) gilt noch die “alte” Finanzierungsregelung, wie sie<br />
im Anhang beschrieben wird.<br />
Die Vereinbarung, die seit 2003 in Kraft ist, behält zwar die wirkungsorientierte<br />
<strong>St</strong>euerung bei 96 , legt aber grösseres Gewicht darauf, dass die Kantone voneinander<br />
lernen, als dass sie gegeneinander in Konkurrenz treten. Die Bonus-/Malus-<br />
Zahlungen gelten für die Vereinbarung, die von 2003 bis 2005 gültig ist, nicht<br />
mehr. 97<br />
3.1.3 Aufgaben und Leistungen der AVIG-Vollzugsstellen<br />
Die Verteilung der einzelnen Aufgaben auf die verschiedenen AVIG-Vollzugsstellen<br />
kann sich von Kanton zu Kanton etwas unterscheiden. 98 Die folgende Liste umfasst<br />
daher die Leistungen und Aktivitäten zugunsten der externen Dienstleistungsempfänger<br />
(insbesondere <strong>St</strong>ellensuchende und Arbeitgeber) 99 und Angaben<br />
darüber, welche AVIG-Vollzugsstelle die Leistungen in den Kantonen Tessin und<br />
Solothurn erbringt.<br />
95<br />
Zum ganzen Abschnitt sowie zum wörtlichen Zitat: Lenz et. al. (Vereinbarung), S. 3.<br />
96<br />
Gemäss Auskunft von Olivier Nussbaum, seco, 16.08.02.<br />
97<br />
Sheldon et al. (Vermittlungseffizienz), S. 1 ff.<br />
98<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 15.8.02.<br />
99<br />
Die Liste der Leistungen entstammt: EVD (Vereinbarung), Beilage 2.<br />
100<br />
Es erfolgt hier keine Unterscheidung zwischen den verschiedenen RAV-Abteilungen, wie sie in Solothurn<br />
vorgenommen werden.<br />
101<br />
Auskunft Einwohnerkontrolle Lugano, 16.8.02 und AVIV Art. 19 Abs. 1; bei der Einwohnerkontrolle<br />
der Gemeinde handelt es sich nicht um eine eigentliche AVIG-Vollzugsstelle, der Vollständigkeit<br />
halber wird sie aber hier trotzdem aufgeführt.<br />
24
102<br />
Website des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, 16.8.02 und AVIV Art. 19 Abs.<br />
1; beim Gemeindearbeitsamt handelt es sich nicht um eine eigentliche AVIG-Vollzugsstelle, der<br />
Vollständigkeit halber wird es aber trotzdem hier aufgeführt.<br />
103<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
104<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
105<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
106<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
107<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
108<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
109<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
110<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
25
111<br />
Die eigentliche Abmeldung erfolgt beim RAV, die Einwohnerkontrolle ist aber für eine kurze Meldung<br />
dankbar. Telefonische Auskunft Einwohnerkontrolle Lugano, 16.8.02.<br />
112<br />
Telefonische Auskunft Arbeitsamt der <strong>St</strong>adt Solothurn, 16.8.02.<br />
113<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
114<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
115<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
116<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
117<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
118<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
26
Tabelle 5: Aufgaben und Leistungen der AVIG-Vollzugsstellen 127<br />
119<br />
Deutsche Übersetzung des italienischen Originalbegriffs UMA (Ufficio delle misure attive); Website<br />
des Kantons Tessin, Sezione del Lavoro 16.8.02.<br />
120<br />
Website des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, 16.8.02.<br />
121<br />
Deutscher Begriff entsprechend Kanton Solothurn und gemäss AVIG Art. 81 Abs. 2. Italienische Originalbezeichnung:<br />
Ufficio giuridico della Sezione del lavoro; Website des Kantons Tessin, Sezione<br />
del Lavoro, 16.8.02.<br />
122<br />
Website des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, 16.8.02.<br />
123<br />
Deutscher Begriff entsprechend Kanton Solothurn und gemäss AVIG Art. 81 Abs. 2. Italienische Originalbezeichnung:<br />
Ufficio giuridico della Sezione del lavoro; Website des Kantons Tessin, Sezione<br />
del Lavoro, 16.8.02.<br />
124<br />
Gemäss AVIG Art. 81 Abs. 2 und Website des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn,<br />
16.8.02.<br />
125<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Lugano, April 2001.<br />
126<br />
Gemäss Interviews mit verschiedenen Personalberatern RAV Solothurn, August 2001 sowie Website<br />
des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, 16.8.02.<br />
127<br />
EVD (Vereinbarung), Beilage 2; Interviews mit Personalberatern RAV Lugano; Auskünfte Einwohnerkontrolle<br />
Lugano; Website des Kantons Tessin, Sezione del lavoro; Interviews mit Personalberatern<br />
RAV Solothurn, Auskünfte Arbeitsamt der <strong>St</strong>adt Solothurn; Website des Amts für Wirtschaft<br />
und Arbeit des Kantons Solothurn.<br />
27
Sowohl im Kanton Tessin als auch im Kanton Solothurn bearbeiten die Personalberater<br />
der RAV ein weitreichendes Tätigkeitsspektrum. Sie sind für sämtliche<br />
Aufgaben zuständig, welche die Führung der Versicherten betreffen, sei dies zum<br />
Beispiel Beratung, Vermittlung, Zuweisung zu offenen <strong>St</strong>ellen, Kontakt mit Unternehmungen,<br />
Zuweisung zu arbeitsmarktlichen Massnahmen, Kontrollen und<br />
Sanktionen. 128<br />
Die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren, beziehungsweise deren Personalberater,<br />
sind damit die zentralen Ansprechpartner für stellensuchende Personen.<br />
Der Vollständigkeit halber werden im Folgenden noch kurz die Amtsstellen der<br />
Wohngemeinden sowie die Arbeitslosenkassen beschrieben. Zusammen mit den<br />
RAV sind dies die drei <strong>St</strong>ellen, mit welchen die Versicherten hauptsächlich zu tun<br />
haben, wenn sie arbeitslos sind. Die Bedeutung der RAV im Kontakt mit den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
ist allerdings überragend.<br />
Die zuständigen Amtsstellen der Wohngemeinden (Tessin: Einwohnerkontrolle;<br />
Solothurn: Gemeinde-Arbeitsamt) sind im Wesentlichen lediglich für die Anmeldung<br />
im Falle von Arbeitslosigkeit zuständig. Des Weiteren haben die Versicherten<br />
während der Zeit ihrer <strong>St</strong>ellensuche nichts mit der entsprechenden Amtsstelle<br />
zu tun. 129<br />
Ähnliches wie für die Amtsstellen der Wohngemeinden gilt für die Arbeitslosenkassen<br />
130 . „In jedem Kanton besteht eine öffentliche Kasse, die allen versicherten<br />
Einwohnern des Kantons und den im Kanton arbeitenden versicherten Grenzgängern<br />
zur Verfügung steht.“ 131 Daneben existiert eine Anzahl staatlich anerkannter<br />
Verbandskassen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen von gesamtschweizerischer,<br />
regionaler oder kantonaler Bedeutung. 132 Zu Beginn der Arbeitslosigkeit<br />
wählt der einzelne Versicherte eine Arbeitslosenkasse. Des Weiteren ist<br />
für die Versicherten insbesondere die Tatsache von Interesse, dass die gewählte<br />
Kasse die Anspruchsberechtigung für finanzielle Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung<br />
abklärt und die Taggelder auszahlt. 133 Im Übrigen bestehen kaum<br />
Kontaktpunkte zwischen arbeitslosen Personen und Arbeitslosenkassen.<br />
128<br />
Text übersetzt aus dem Italienischen; Website des Kantons Tessin, Sezione del Lavoro, 15.8.02 sowie<br />
Interviews mit Personalberatern RAV Solothurn, August 2001.<br />
129<br />
Auskunft Einwohnerkontrolle Lugano, 16.8.02 und AVIV Art. 19 Abs. 1 sowie Website des Amts für<br />
Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, 16.8.02 und AVIV Art. 19 Abs. 1.<br />
130<br />
Bei den Arbeitslosenkassen handelt es sich nicht um eine eigentliche AVIG-Vollzugsstelle. Der Vollständigkeit<br />
halber und zum besseren Verständnis der Abläufe aus der Sicht der <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
sind sie trotzdem hier aufgeführt.<br />
131<br />
Gemäss AVIG Art. 77 Abs. 1.<br />
132<br />
AVIG Art. 78 Abs. 1.<br />
133<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 16.8.02 sowie AVIG Art. 81.<br />
28
3.1.4 Zusammenarbeit von RAV und privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern<br />
Die Analyse der Leistungen privater <strong>St</strong>ellenvermittler ist nicht Zweck der vorliegenden<br />
Arbeit. Der Vollständigkeit halber soll aber erwähnt werden, dass seit<br />
einigen Jahren eine Zusammenarbeit zwischen RAV und privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern<br />
existiert, mit dem Ziel, gemeinsam dazu beizutragen, die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
möglichst rasch und dauerhaft wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern.<br />
134<br />
Die Aktivitäten der RAV sollen das Angebot der privaten Arbeitsvermittler ergänzen<br />
und nicht konkurrenzieren. Dieses <strong>St</strong>reben nach Zusammenarbeit manifestiert<br />
sich im AVIG, das in den Art. 85 Abs. 1 Bst. a und Art. 85b Abs. 2 eine Zusammenarbeit<br />
mit den privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern zur Erreichung des erwähnten<br />
Ziels vorsieht. 135<br />
„Für die Realisierung dieses Zieles eignet sich eine technische Zusammenarbeit<br />
zwischen den RAV und den privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern, mit welcher den privaten<br />
<strong>St</strong>ellenvermittlern die anonymisierten Daten der durch die RAV im AVAM erfassten<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden 136 auf einem WWW.Server via Internet bereitgestellt<br />
wird.“ 137 Beim AVAM handelt es sich um das Informationssystem für die Arbeitsvermittlung<br />
und Arbeitsmarktstatistik 138 . Die privaten Arbeitsvermittler haben seit<br />
Ende Februar 1997 Zugriff auf diese Datenbank der Profile aller <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
139<br />
Für diesen Zweck haben am 15.1.97 der Schweizerische Verband der Unternehmungen<br />
für Temporärarbeit und private <strong>St</strong>ellenvermittlung (SVUTA) und der Verband<br />
der Personalberatungsunternehmen der Schweiz (VPS) mit dem BIGA 140 eine<br />
„Vereinbarung betreffend der Zusammenarbeit zwischen regionalen Arbeitsvermittlungsstellen<br />
(RAV) und privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern sowie der<br />
Zurverfügungstellung der im Informationssystem AVAM registrierten Daten 141 der<br />
134<br />
BIGA (Vereinbarung), S. 1.<br />
135<br />
BIGA (Presserohstoff), S. 2 f. sowie BIGA (Vereinbarung), S. 2 f.<br />
136<br />
Anm. der Verfasserin: Die <strong>St</strong>ellensuchenden müssen eingewilligt haben, dass ihre Daten den privaten<br />
<strong>St</strong>ellenvermittlern anonymisiert zugänglich gemacht werden (Art. 32 Abs. 4 AVG und Art. 119c<br />
Abs. 4 AVIV). BIGA (Vereinbarung), S. 7.<br />
137<br />
BIGA (Vereinbarung), S. 3.<br />
138<br />
Gemäss V-AVAM.<br />
139<br />
BIGA (Presserohstoff), S. 2 f.<br />
140<br />
Das BIGA wurde später zum BWA und ist dann im seco aufgegangen. Weitere Details dazu s. hinten<br />
im „Abkürzungsverzeichnis“. Die Aufgaben und Kompetenzen, die hier noch dem BIGA zukommen,<br />
sind durch das seco übernommen worden.<br />
141<br />
Anm. der Verfasserin: Mit Ausnahme der Datensätze mit Abmeldedaten und ohne <strong>St</strong>ellensuchende<br />
aus den Segmenten Heimarbeit, <strong>St</strong>agiaires usw. BIGA (Vereinbarung), S. 4.<br />
29
<strong>St</strong>ellensuchenden an die privaten <strong>St</strong>ellenvermittler“ 142 getroffen. Die Vereinbarung<br />
lässt die Möglichkeit offen, dass die Kantone und die RAV im Rahmen ihrer gesetzlichen<br />
Aufgaben den privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern in Einzelfällen Aufträge erteilen<br />
können. 143 Den privaten <strong>St</strong>ellenvermittlern, die zur Erfüllung von Beratungsund<br />
Vermittlungsaufgaben beigezogen werden, dürfen allerdings, gemäss AVIV<br />
Art. 19c Abs. 1, keine hoheitlichen Aufgaben wie die Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit<br />
oder die Verfügung von Sanktionen übertragen werden.<br />
SVUTA und VPS „erstatten dem BIGA einmal jährlich Bericht über die Entwicklung<br />
und die erzielten Resultate der technischen Zusammenarbeit.“ 144 Die Vereinbarung<br />
ist auf den 1. Januar 1997 in Kraft getreten. 145<br />
Seit Ende Februar 1997 haben die privaten Arbeitsvermittler nun die Möglichkeit<br />
des Zugriffs über Internet auf eine anonymisierte Datenbank der Profile aller <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
146 . Diese Daten dürfen ausschliesslich zum Zweck der Vermittlung im<br />
Rahmen der Zusammenarbeit mit dem RAV eingesetzt werden. 147<br />
Bei diesem Vorgehen wird für jeden <strong>St</strong>ellensuchenden der zuständige RAV-Personalberater<br />
angegeben. Nur über diesen kann die Kontaktaufnahme mit dem <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
erfolgen. 148<br />
3.1.5 Arbeitsmarktliche Massnahmen<br />
Die Analyse und Bewertung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen ist nicht Zweck der<br />
vorliegenden Arbeit. Die Arbeit bezieht sich aber weitestgehendst auf die Sichtweise<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden und die Aspekte, welche die <strong>St</strong>ellensuchenden interessieren im<br />
Zusammenhang mit ihrem Besuch beim RAV. Zu diesem Kontakt mit dem RAV gehören<br />
auch die Arbeitsmarktlichen Massnahmen.<br />
Die zweite Etappe der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, die Anfang<br />
1997 in Kraft trat, verpflichtet die Arbeitslosen dazu, sich aktiv für ihre Wiedereingliederung<br />
in den Arbeitsmarkt einzusetzen. Vom bisher passiven Taggeldbezug soll<br />
der Weg zur aktiven Wiedereingliederung führen. 149<br />
142<br />
„Diese Vereinbarung regelt:<br />
• die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit RAV - privater <strong>St</strong>ellenvermittler, auf deren Grundlage<br />
die nötigen vertraglichen Vereinbarungen auf <strong>St</strong>ufe Kanton/RAV zu erfolgen haben;<br />
• die Erteilung der Zugriffsberechtigung sowie die Verwaltung der ID-Nummern und Passwörter.“ BI-<br />
GA (Vereinbarung), S. 2.<br />
143<br />
BIGA (Vereinbarung), S. 1 ff.<br />
144<br />
BIGA (Vereinbarung), S. 6.<br />
145<br />
BIGA (Vereinbarung), S. 7.<br />
146<br />
BIGA (Presserohstoff), S. 2 f.<br />
147<br />
BIGA (Vereinbarung), S. 6.<br />
148<br />
BIGA (Vereinbarung), S. 1.<br />
30
„Arbeitslose haben neu während zwei Jahren Anspruch auf Taggeldentschädigung,<br />
was 520 Taggeldern entspricht. Sie sind jedoch verpflichtet an einer arbeitsmarktlichen<br />
Massnahme teilzunehmen, sofern der Kanton ihnen einen Ausbildungs- oder<br />
Beschäftigungsplatz anbieten kann. 150<br />
Die wichtigsten Ziele der AM 151 sind:<br />
• Die Versicherten sollen so rasch wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert<br />
werden.<br />
• Die Gefahr der Langzeitarbeitslosigkeit soll vermindert werden.<br />
• Fördern der beruflichen Qualifikation der <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
• Junge <strong>St</strong>ellenlose, die erst kürzlich ihre Ausbildung beendet haben, sollen Gelegenheit<br />
bekommen, erste Berufserfahrungen zu sammeln.<br />
Zu den arbeitsmarktlichen Massnahmen gehören Kurse, Programme zur vorübergehenden<br />
Beschäftigung, Praktika in der Wirtschaft oder in der Verwaltung, Übungsfirmen,<br />
Einarbeitungszuschüsse, Ausbildungszuschüsse und Förderung der Selbständigkeit.<br />
152<br />
Gemäss AVIG Art. 72b stellen die Kantone die für die arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />
notwendigen Plätze bereit. Die Kosten der Massnahmen werden vom Ausgleichsfonds<br />
der Arbeitslosenversicherung getragen, wobei sich die Kantone an den<br />
Kosten beteiligen. 153<br />
Zweck der zahlreichen arbeitsmarktlichen Massnahmen ist die Verbesserung der<br />
Vermittlungsfähigkeit und der beruflichen Wiedereingliederung. Über die Teilnahme<br />
an arbeitsmarktlichen Massnahmen einigen sich die Versicherten mit ihrem jeweiligen<br />
Personalberater wenn möglich in gegenseitigem Einvernehmen. Das RAV<br />
entscheidet allerdings in der Regel, ob eine Massnahme angebracht und sinnvoll ist.<br />
Die Versicherten sind dazu berechtigt, jederzeit aus eigener Initiative ein Gesuch einer<br />
arbeitsmarktlichen Massnahme bei ihrem RAV einzureichen. 154<br />
149<br />
BIGA (Rohstoff AM), S. 1<br />
150<br />
„Ohne an einer arbeitsmarktlichen Massnahme teilzunehmen, können 150 bzw. 250/400 „normale“<br />
Taggelder bezogen werden. Anschliessend können bis zum Ablauf der zweijährigen Rahmenfrist<br />
entweder besondere (bei der Teilnahme an einer arbeitsmarktlichen Massnahme) oder ersatzweise<br />
besondere Taggelder (falls der Kanton keine arbeitsmarktliche Massnahme bereitstellen kann) bezogen<br />
werden. Die Höchstzahl „normaler“ Taggelder hängt ab dem 1.1.1997 nicht mehr von der Beitragszeit,<br />
sondern vom Alter der Versicherten ab: Bis 50-jährige Arbeitslose erhalten bis zu 150, 50-<br />
bis 60-jährige bis zu 250, über 60-jährige bis zu 400 „normale“ Taggelder.“ BIGA (Presserohstoff<br />
AM), S. 1 sowie AVIG Art. 27 Abs. 2 Bst. a und b.<br />
151<br />
Arbeitsmarktliche Massnahmen<br />
152<br />
BIGA (Presserohstoff AM), S. 1 ff.<br />
153<br />
BIGA (Presserohstoff AM), S. 1 ff. sowie AVIG Art. 72c Abs. 1.<br />
154<br />
s. dazu Aussagen verschiedener Personalberater RAV Lugano und RAV Solothurn sowie Website des<br />
seco, Treffpunkt Arbeit, 18.08.02.<br />
31
Die arbeitsmarktlichen Massnahmen können im Überblick wie folgt dargestellt<br />
werden:<br />
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32
Tabelle 6: Arbeitsmarktliche Massnahmen 155<br />
33
Direkt nach der Arbeitsvermittlung werden die Kurse als Arbeitsmarktliche Massnahme<br />
erwähnt 156 . Eine kurze Vertiefung dieser Massnahme erscheint daher sinnvoll:<br />
„Es gibt verschiedene Arten von Kursen, die von der Arbeitslosenversicherung finanziert<br />
werden:<br />
• Kurse zur beruflichen Weiterbildung, die darauf abzielen, bereits erworbene<br />
Berufskenntnisse zu vertiefen. Die Massnahme soll es den Teilnehmenden erlauben,<br />
im selben beruflichen Sektor tätig zu bleiben wie vor dem <strong>St</strong>ellenverlust.<br />
• Kurse zur beruflichen Weiterbildung, die es Versicherten mit einer veralteten<br />
Berufsausbildung erlauben, sich dem industriellen und technischen Fortschritt<br />
anzupassen und so in ihrem angestammten Beruf tätig zu bleiben.<br />
• Kurse zur Umschulung in einen andern Beruf als den vor dem <strong>St</strong>ellenverlust<br />
ausgeübten.<br />
• Sogenannte Persönlichkeitskurse, in denen Bewerbungs- und Vorstellungstechniken<br />
vermittelt werden.<br />
• Kurse zum Erwerb von Grundqualifikationen, die Erwerbslosen mit ungenügenden<br />
Sprach- oder Grundkenntnissen der Mathematik elementare<br />
Kenntnisse vermitteln sollen. Es gibt vorläufig erst einzelne Pilotprojekte.<br />
Die Massnahme ist insbesondere für ausländische Arbeitslose konzipiert.“<br />
157<br />
Berechtigt zur Teilnahme an einem Kurs, der über die Arbeitslosenversicherung finanziert<br />
wird, sind Personen, die arbeitslos oder gefährdet sind, in Kürze ihre <strong>St</strong>elle<br />
zu verlieren und bei einem RAV gemeldet sind. 158<br />
Kursanbieter können unterschiedlichste Organisationen sein. Es existieren offizielle<br />
kantonale Listen derjenigen Ausbildungszentren, welche im entsprechenden<br />
Kanton berechtigt sind, Kurse zur Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung<br />
von Arbeitslosen anzubieten und deren Teilnehmer ihre Auslagen gemäss AVIG<br />
Art. 61 Abs. 3 ersetzt bekommen. 159 34<br />
155<br />
Info-Service ALV (AM), Website des seco, Treffpunkt Arbeit, Arbeitslosenkasse.<br />
156<br />
Auch im Gespräch mit <strong>St</strong>ellensuchenden und Personalberatern stehen die Kurse bei Erwähnung Arbeitsmarktlicher<br />
Massnahmen zumeist im Vordergrund.<br />
157<br />
BIGA (Presserohstoff AM), S. 1 f.<br />
158<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit.<br />
159<br />
Zisyadis (Ausbildungsstätten) sowie Website des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn,<br />
RAV Qualifizierung und Integration.
3.1.6 Revision des AVIG<br />
Zur Zeit (im Jahr 2002) ist eine weitere Revision des AVIG im Gange. Die vereinigte<br />
Bundesversammlung 160 beschreibt diese folgendermassen:<br />
„Die Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) soll die Finanzierung<br />
der Arbeitslosenversicherung langfristig sichern und weniger abhängig vom<br />
Verlauf der Konjunktur gestalten.<br />
Eine Revision des AVIG drängt sich auf, da die Regelungen zur Schuldentilgung<br />
mit dem auf 3% erhöhten Beitragssatz Ende 2003 auslaufen. Die Revision des<br />
AVIG hat der Bundesrat zudem in der Antwort zur Motion der Kommission für<br />
soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Nationalrats vom 6. November<br />
1998 angekündigt.<br />
Neben einer neuen Definition der Vermittelbarkeit zielt die Gesetzesrevision im<br />
Wesentlichen auf die zwei folgenden Bereiche ab: auf die Finanzierung und auf<br />
die Arbeitslosenentschädigung. Die Finanzierung der Versicherung beruht wieder<br />
auf einem Beitragssatz von 2%. Weist die Arbeitslosenversicherung hohe Schulden<br />
auf, führt das Gesetz automatisch einen Solidaritätsbeitrag für höhere Einkommen<br />
ein. Bund und Kantone beteiligen sich fest an den Kosten der Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren. Im Gegenzug brauchen Bund und Kantone nicht<br />
mehr in der heutigen Form für die Finanzierung bei ausserordentlichen Verhältnissen<br />
einzuspringen. Zudem entlastet das Gesetz die Kantone von den Kosten<br />
für arbeitsrechtliche Massnahmen. Bei der Arbeitslosenentschädigung schlägt die<br />
Revision vor, die Mindestbeitragszeit von sechs auf zwölf Monate zu verdoppeln<br />
und die Entschädigungsdauer für Arbeitslose unter 55 Jahren von 520 auf 400 Tage<br />
zu verkürzen.<br />
Der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes haben National- und <strong>St</strong>änderat<br />
am 22. März 2002 zugestimmt. Gegen diesen Beschluss ergriffen auf Initiative<br />
der Vereinigung zum Schutz der Arbeitslosen (ADC) der Schweizerische<br />
Gewerkschaftsbund und der Christlichnationale Gewerkschaftsbund der Schweiz<br />
das Referendum.“ 161 Die Inkraftsetzung dieser Revision ist für das Jahr 2003 geplant.<br />
162<br />
Das Referendum ist zustande gekommen. Der Bundesrat hat sich dafür eingesetzt,<br />
dass die Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes angenommen<br />
wird, da er der Ansicht ist, mit dem bisherigen Gesetz sei eine längerfristige Fi-<br />
160<br />
National- und <strong>St</strong>änderat.<br />
161<br />
Website der vereinigten Bundesversammlung, 9.2.02.<br />
162<br />
Dossier des seco zur Revision des AVIG. Website des seco, 9.8.02.<br />
35
nanzierung der Arbeitslosenversicherung nicht gewährleistet. 163 Anlässlich der<br />
Volksabstimmung vom 24. November 2002 wurde das revidierte Gesetz angenommen.<br />
164<br />
Gemäss Aussagen des seco sind die zwei wichtigsten Änderungen in dieser Revision<br />
das neue Finanzierungsmodell und die Änderung der Taggelder 165 :<br />
Das in der AVIG-Revision 2003 vorgesehene Finanzierungsmodell für die Arbeitslosenversicherung<br />
sieht folgendermassen aus:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
163<br />
seco (Revision), S. 1.<br />
164<br />
VSAA (Jahresbericht), S. 9..<br />
165<br />
Website des seco, 9.8.02, s. auch BBl 2002 2771.<br />
36
Tabelle 7: Das alte und das neue AVIG-Finanzierungsmodell im Vergleich 166<br />
Besonders interessant für die RAV ist bei dieser Revision die Absicht, dass Bund<br />
und Kantone sich fest an den Kosten der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
beteiligen. Im Gegenzug brauchen Bund und Kantone nicht mehr wie in der heutigen<br />
Form für die Finanzierung bei ausserordentlichen Verhältnissen einzuspringen.<br />
Die in der AVIG-Revision 2003 vorgesehene Änderung der Taggelder stellt sich<br />
folgendermassen dar:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
166<br />
Website des seco, 9.8.02.<br />
37
x<br />
<br />
Tabelle 8: Änderungen bei den Taggeldern 167<br />
3.2 Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Solothurn - das spezielle<br />
RAV<br />
Von Frühling 1999 bis Ende 2000 war im Kanton Solothurn das vom Bundesamt<br />
für Wirtschaft und Arbeit (seco) bewilligte Pilotprojekt offiziell in Betrieb, welches<br />
unter der internen Bezeichnung Kusa (Kundensegmentierung im Arbeitsmarkt)<br />
vorbereitet wurde. Der offizielle Name „RAV“ wurde beibehalten. Die<br />
Aufgabe, Beratung und Arbeitsvermittlung für <strong>St</strong>ellensuchende, ist dieselbe geblieben<br />
wie bei allen anderen RAV. Neu wurde aber nicht mehr die ganze Palette<br />
der Dienstleistungen in jedem RAV angeboten, sondern die einzelnen Dienstleistungen<br />
wurden mit dem Pilotprojekt in sechs spezialisierten RAV-Einheiten er-<br />
167<br />
Website des seco, 9.8.02.<br />
38
acht. Ziel war die Verkürzung der durchschnittlichen Dauer der <strong>St</strong>ellensuche.<br />
Dieses Ziel sollte durch Kundensegmentierung erreicht werden. Dies bedeutete,<br />
dass die <strong>St</strong>ellensuchenden nach der Anmeldung einen zentralen „Check-in“ am<br />
Sitz des Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA) in Solothurn durchlaufen sollten.<br />
„Dabei findet die Triage statt: Je nach individuellen Bedürfnissen werden die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
den (Anm. d. Verf.: dezentralen) RAV-Einheiten Jobmanagement,<br />
Qualifizierung, Integration oder Soziales zugeteilt. Wiederum zentral für den ganzen<br />
Kanton widmet sich die Einheit RAV-Workout gezielt der Missbrauchsbekämpfung.“<br />
168 169<br />
Als einer der wesentlichen Vorteile dieses Modells wurde postuliert, dass sich die<br />
RAV-Personalberater damit auf ein bestimmtes Segment von <strong>St</strong>ellensuchenden mit<br />
ihren spezifischen Bedürfnissen konzentrieren können. (Beispielsweise Personen,<br />
die während ihrer <strong>St</strong>ellensuche lediglich finanziell abgesichert sein müssen und<br />
sonst keine Ansprüche ans RAV haben gelangen mit anderen Bedürfnissen ans<br />
RAV als solche, die z.B. auch der Weiterbildung, Umschulung oder psychologischen<br />
Betreuung bedürfen.) Die RAV-Personalberater sollen dadurch einen höheren<br />
Grad an Kompetenz und Professionalisierung erreichen. Mittelfristig wurden<br />
durch die Effizienzsteigerung mit dem neuen Modell Personaleinsparungen erwartet.<br />
Kurzfristig stand der neuen RAV-<strong>St</strong>ruktur allerdings noch das gleiche Budget<br />
zur Verfügung wie zuvor. 170<br />
Die folgende Darstellung zeigt die sechs spezialisierten RAV-Einheiten, wie sie<br />
das Pilotprojekt für den Kanton Solothurn vorgesehen hat:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
168<br />
Zum ganzen Absatz sowie wörtliches Zitat: von Arx (Revolution), S. 11.<br />
169<br />
Die Einheit RAV-Workout ist in Biberist unter einem Dach mit der Polizei untergebracht, da die RAV-<br />
Mitarbeiter in diesem Bereich häufig mit Gewalt und Drohungen konfrontiert werden.<br />
170<br />
Von Arx (Revolution), S. 11.<br />
39
Tabelle 9: Die sechs spezialisierten RAV-Einheiten 171<br />
Es ist nicht Zweck dieser Arbeit, den Erfolg oder Misserfolg des Pilotprojektes zu<br />
analysieren und zu bewerten. Der Vollständigkeit halber muss aber erwähnt werden,<br />
dass das Pilotprojekt Kusa im Wesentlichen als gescheitert bezeichnet wird. 172<br />
Nach Abschluss der Pilotphase des Projekts Kusa wurde festgestellt, dass die<br />
Komplexität von Kusa wesentlich höher ist als die der klassischen RAV-Modelle.<br />
Insbesondere die Schnittstellen zwischen den Organisationseinheiten haben sich<br />
als Schwachpunkte von Kusa erwiesen. Wenn die Zusammenarbeit zwischen den<br />
einzelnen RAV-Einheiten nicht wunschgemäss funktionierte, konnte dies nach-<br />
171<br />
Leicht modifiziert übernommen von: von Arx (Revolution), S. 11, aktualisiert gem. Website des<br />
Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, August 2001.<br />
172<br />
So z.B. Mathys (Flop), S. 9a; Website der Solothurner Zeitung, Onlinearchiv.<br />
40
haltig negative Konsequenzen auf die Wirkungen aller Organisationseinheiten<br />
nach sich ziehen. 173<br />
„Zerschlagen hat sich auch die Erwartung, dass das Kusa-System sich zu einem<br />
‚Exportschlager‘ entwicklen könnte: Wohl hätten sich ‚verschiedene Komponenten<br />
des Modells bewährt und sind grundsätzlich für sämtliche Kantone zu empfehlen‘<br />
(so der Ansatz, für unterschiedliche <strong>St</strong>ellensuchendensegmente unterschiedliche<br />
Wiedereingliederungsprozesse zu verwenden). Gerade die mit der Triagestelle<br />
‚Check-in‘ gemachten Erfahrungen würden aufzeigen, ‚welche Grenzen<br />
und Möglichkeiten bestehen, die Potenziale und Defizite der <strong>St</strong>ellensuchenden zu<br />
Beginn des Wiedereingliederungsprozesses zu diagnostizieren‘. Höchstens für<br />
mittelgrosse und grosse Kantone ‚prüfenswert‘ sei die Schaffung von Spezialeinheiten<br />
für die einzelnen Segmente.“ 174 Vor einer weitgehenden Spezialisierung der<br />
Aufbauorganisation in mehrere, auf <strong>St</strong>ellensuchendensegmente ausgerichtete, Divisionen<br />
wird allerdings aufgrund der bei Kusa gemachten Erfahrungen gewarnt.<br />
Lediglich sehr grosse Kantone, deren Organisationseinheiten die kritische Grösse<br />
auch in Zeiten tiefer Arbeitslosigkeit erreichen, sollten dies ins Auge fassen. 175<br />
Entsprechend den Ergebnissen aus dem Evaluationsbericht zum Pilotprojekt Kusa<br />
wurden im Kanton Solothurn bereits ab Sommer 176 und Herbst 2001 verschiedene<br />
Umstrukturierungen vorgenommen. Es erfolgten Redimensionierungen und<br />
die zuvor zu weit getriebene Spezialisierung wurde abgebaut. 177<br />
Die klare Aufgliederung der RAV nach Funktionen sowie nach zentralisierten und<br />
dezentralisierten RAV-Einheiten existiert in der Form, wie sie im Pilotprojekt vorgesehen<br />
war, nicht mehr.<br />
Zur Zeit 178 sieht die Situation der RAV im Kanton Solothurn folgendermassen aus:<br />
173<br />
Mathys (Flop), S. 9a; Website der Solothurner Zeitung.<br />
174<br />
Mathys (Flop), S. 9a; Website der Solothurner Zeitung, Onlinearchiv, wobei die Zitate im direkten<br />
Zitat der Evaluationsstudie von Cap Gemini Ernst & Young AG entstammen.<br />
175<br />
Mathys (Flop), S. 9a; Website der Solothurner Zeitung, Onlinearchiv.<br />
176<br />
Bereits zum Zeitpunkt der Interviews für die vorliegende Arbeit (August 2001) waren die <strong>St</strong>rukturen<br />
im Umbruch.<br />
177<br />
Florian Imstepf, seco-Direktion Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung in: Mathys (Flop), S. 9a;<br />
Website der Solothurner Zeitung, Onlinearchiv.<br />
178<br />
August 2002.<br />
41
Tabelle 10: RAV im Kanton Solothurn 179<br />
Im Vergleich zum Pilotprojekt sind die einzelnen Aufgaben wieder stärker durchmischt.<br />
Die dezentralen RAV-<strong>St</strong>andorte übernehmen keine unterschiedlichen<br />
Funktionen mehr (wie zum Beispiel während der Pilotprojektphase: RAV Qualifizierung<br />
in Olten, Solothurn und Grenchen, RAV Integration in Solothurn und Olten,<br />
aber nicht in Grenchen). An allen drei <strong>St</strong>andorten werden heute die Funktio-<br />
179<br />
Angaben entnommen aus Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 26.8.02 sowie telefonische Auskünfte<br />
RAV Breitenbach, Frau Schmid, 26.8.02 sowie Herr Kuoni, RAV Olten, 26.8.02 und RAV Jobmanagement/Qualifizierung,<br />
26.8.02; <strong>St</strong>adtverwaltung Grenchen, Frau Affolter, 26.8.02.<br />
42
nen von RAV Jobmanagement, RAV Qualifizierung und Integration sowie des<br />
Check-in ausgeübt. Das zentrale RAV Check-in in Solothurn existiert in der Form,<br />
wie es das Pilotprojekt enthielt, nicht mehr. Anmeldungen und erste Vortriage erfolgen<br />
intern (also auch nicht mehr in der Form einer eigenständigen RAV-Einheit),<br />
entweder in Solothurn, Olten oder Breitenbach. 180<br />
Als einzige werden die Funktionen des RAV Soziales und Workout zentral in Solothurn<br />
ausgeübt. 181<br />
Auch die klare Trennung der Funktionen und deren Aufteilung auf gesonderte<br />
RAV-Einheiten existiert so nicht mehr. RAV Qualifizierung und RAV Integration<br />
bilden heute eine Einheit, ebenso wie RAV Soziales und RAV Workout. 182<br />
Zum RAV Solothurn ist zu bemerken, dass zahlreiche Elemente, die bei der Beschreibung<br />
des “konventionellen” RAV erfolgt sind, wie z.B. die gesetzlichen<br />
Grundlagen, das Erfordernis einer Wirkungsvereinbarung zwischen der Eidgenossenschaft<br />
und dem betreffenden Kanton, die Arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />
usw. auch für das “spezielle” RAV Solothurn gelten.<br />
Auch wenn sich das RAV Solothurn mit der Durchmischung der Aufgaben der<br />
RAV bereits zum Zeitpunkt der Interviews wieder etwas stärker dem konventionellen<br />
RAV-Modell angeglichen hat, unterscheidet sich das Modell Solothurn<br />
beim Punkt der verschiedenen RAV-Einheiten deutlich vom sonst üblichen “konventionellen”<br />
RAV-Modell, wie es z.B. im Tessin zur Anwendung kommt. Dies<br />
macht die Untersuchung interessant, ob es gemeinsame, über die unterschiedlichen<br />
RAV-Modelle hinaus gültige Faktoren gibt, die dazu beitragen, dass sich die<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten des RAV als Kunden behandelt fühlen.<br />
3.3 Kulturunterschiede Tessin/Deutschschweiz<br />
Ein weiterer Grund, der zur Wahl des RAV Lugano und des RAV Solothurn als Referenzobjekte<br />
für die vorliegende Arbeit geführt hat, ist die unterschiedliche Kultur,<br />
die in den Kantonen Tessin, als Hauptteil der italienischen Schweiz 183 und Solothurn,<br />
als Teil der Deutschschweiz, herrscht. In Anlehnung an Parsons, Noronha<br />
und Lagrosen kann gesagt werden, dass das übergeordnete (kulturelle) Wertsystem<br />
(im vorliegenden Fall einer Region) einen Einfluss hat auf die darunter lie-<br />
180<br />
Angaben entnommen aus Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 26.8.02 sowie telefonische Auskunft<br />
RAV Breitenbach, Frau Schmid, 26.8.02 sowie Herr Kuoni, RAV Olten, 26.8.02 und RAV Jobmanagement/Qualifizierung,<br />
26.8.02.<br />
181<br />
Dazu auch telefonische Auskunft von Frau Schmid, RAV Breitenbach, 26.8.02.<br />
182<br />
Website des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn.<br />
183<br />
Zur italienischen Schweiz gehören noch die italienischsprachigen Teile des Kantons Graubünden.<br />
43
genden Wertsysteme und damit auf das Qualitätsmanagement. Was als Qualität<br />
und Qualitätsmanagement empfunden wird, variiert je nach Kulturkreis, zu dem<br />
eine Organisation und die Empfänger ihrer Leistungen gehören. 184 Es ist also<br />
durchaus denkbar, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden der Kulturregion Tessin andere Faktoren<br />
als entscheidend für ihr Kundenempfinden bewerten als die Deutschschweizer<br />
aus Solothurn. Bei der vorliegenden Kulturdiskussion werden Tessin und Solothurn<br />
als unterschiedliche Regionen und weniger als Kantone betrachtet. Solothurn<br />
ist Teil der Deutschschweiz und damit der deutschschweizerischen Kultur<br />
zugehörig. Zur italienischen Schweiz gehören, nebst dem Kanton Tessin die vier<br />
Südtäler Graubündens: die Mesolcina, das Val Calanca, das Val Bregaglia und das<br />
Valposchiavo. 185 Im Kanton Graubünden leben damit rund 20’000 Personen, die<br />
Italienisch als ihre Hauptsprache bezeichnen. 186 Im Vergleich zu den rund 300’000<br />
Einwohnern des Kantons Tessin sind dies weniger als 10%. Es erscheint daher für<br />
die vorliegende Arbeit als vertretbar, die Beschreibung der Kultur der italienischen<br />
Schweiz auf die Spezifika des Kantons Tessin zu beschränken.<br />
Der Begriff „Kultur“ kann folgendermassen definiert werden:<br />
Unter Kultur versteht man „die raum-zeitlich eingrenzbare Gesamtheit gemeinsamer<br />
materieller und ideeller Hervorbringungen, internalisierter Werte und Sinndeutungen<br />
sowie institutionalisierter Lebensformen von Menschen.“<br />
Definition 2: Kultur 187<br />
Dieser sehr komplexe Kulturbegriff „kann sich auf Teile (z.B. Regionalkulturen),<br />
begrenzte Geltungsbereiche (Subkulturen) oder auf die Gesellschaft als Ganzes<br />
beziehen“ 188<br />
Um die unterschiedlichen Kulturen der deutschen Schweiz, am Beispiel des Kantons<br />
Solothurn, und der italienischen Schweiz, am Beispiel des Kantons Tessin, zu<br />
vergleichen eignet sich Hofstedes Aufteilung der Kultur in vier Kulturdimensionen,<br />
wie sie im folgenden Unterkapitel beschrieben wird.<br />
184<br />
Noronha (Culture), S. 352 ff.; Parsons (1956), S. 63 ff. sowie Lagrosen (Quality), S. 275 ff.<br />
185<br />
Website des Kantons Graubünden.<br />
186<br />
Website des Kantons Graubünden.<br />
187<br />
Klein in: Schäfers (Hrsg.) (Soziologie), S. 196.<br />
188<br />
Klein in: Schäfers (Hrsg.) (Soziologie), S. 197.<br />
44
3.3.1 Vier klassische Kulturdimensionen<br />
Hofstede unterscheidet vier klassische Kulturdimensionen:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 10:Die vier klassischen Kulturdimensionen nach Hofstede 189<br />
Unter Individualismus/Kollektivismus versteht Hofstede den Umgang der Gesellschaft<br />
mit Beziehungen zwischen dem Individuum und anderen. 190<br />
Machtdistanz umschreibt den Umgang der Gesellschaft mit Unterschieden in <strong>St</strong>atus<br />
und Reichtum. 191<br />
Vermeidung von Unsicherheit bezeichnet den Umgang der Gesellschaft mit den<br />
Risiken der Zukunft. 192<br />
Feminin/Maskulin beschreibt den Umgang der Gesellschaft mit der Trennung der<br />
Geschlechterrollen. 193<br />
Nach diesem Muster können beispielsweise Länder, Regionen oder Landesteile<br />
eingeteilt werden. In der nachfolgenden Grafik werden die kulturellen Dimensionen<br />
detaillierter beschrieben:<br />
189<br />
Hilb (Transnational), S. 23 sowie vor allem Hofstede (Consequences).<br />
190<br />
Hilb (Transnational), S. 22.<br />
191<br />
Hilb (Transnational), S. 22.<br />
192<br />
Hilb (Transnational), S. 22.<br />
193<br />
Hilb (Transnational), S. 22.<br />
45
Abbildung 11: Kulturelle Dimensionen nach Hofstede 194<br />
194<br />
Hilb (Transnational), S. 22.<br />
46
3.3.2 Vorgehen bei der Ermittlung der Kulturunterschiede<br />
Ziel dieser Arbeit ist nicht, eine wissenschaftliche <strong>St</strong>udie über Kulturunterschiede<br />
zu verfassen. Da dem Kulturaspekt bei der Auswahl der beiden Referenzobjekte<br />
RAV Lugano und RAV Solothurn jedoch einiges Gewicht verliehen wurde, sind,<br />
zur groben Beschreibung der Kulturunterschiede italienische/deutsche Schweiz,<br />
am Beispiel der Kantone Tessin und Solothurn, verschiedene Gespräche mit Experten<br />
aus dem Kanton Tessin und aus dem Kanton Solothurn geführt worden. Das<br />
Vorgehen entspricht, allerdings in weniger detailliertem Ausmass, der Methodik<br />
für die Analyse der Faktoren des Kundenempfindens, wie sie für die vorliegende<br />
Arbeit zur Anwendung kommt. Ausführliche Erklärungen zu dieser Art der Vorgehensweise<br />
erfolgen weiter unten. Zusammenfassend kann die Methodik auch<br />
für die Ermittlung der Kulturunterschiede folgendermassen umschrieben werden:<br />
Für die grobe Analyse der Kulturunterschiede kommt die qualitative Forschungslogik<br />
zur Anwendung. Es werden typische Fälle als Einzelfallstudien betrachtet.<br />
Die Datenerhebung erfolgt mittels halb-standardisierten Tiefeninterviews mit Hilfe<br />
eines Interviewer-Leitfadens 195 , der aus einer Mischung vorwiegend offener und<br />
einiger implizit geschlossener Fragen besteht. 196<br />
Zur Erhebung der Kulturunterschiede wurden je vier Personen befragt. „Die<br />
Untersuchungsobjekte sind so gewählt, dass sie ‚hinsichtlich einer gleich oder<br />
ähnlich strukturierten grösseren Menge von Phänomenen als typische Fälle oder<br />
besonders prägnante oder aussagefähige Beispiele gelten‘ 197 .“ 198 Da es sich bei der<br />
vorliegenden Arbeit nicht um eine <strong>St</strong>udie handelt, welche eine umfassende Analyse<br />
der tessiner und der deutschschweizer Kultur zum Ziel hat, erscheint es legitim,<br />
die Befragungen zu den Kulturunterschieden bei Personen aus denjenigen Bereichen<br />
durchzuführen, die für eine Analyse im Bereich „<strong>St</strong>ellensuchende bei den<br />
RAV“ relevant erscheinen. Besonders interessant für eine grobe Analyse der Kulturunterschiede<br />
für die vorliegende Arbeit erscheinen daher die Sichtweisen von<br />
öffentlicher Verwaltung, Arbeitgebern, Arbeitnehmern (mit <strong>St</strong>elle) und <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
Die Untersuchungsobjekte für diese kurze Kulturanalyse wurden daher<br />
auch entsprechend ausgewählt. Es handelt sich um je einen Leiter einer Verwaltungseinheit<br />
der kantonalen Verwaltung (Kanton Tessin und Kanton Solothurn; für<br />
195<br />
Je ein Interviewerleitfaden für die Gespräche in den verschiedenen Kantonen befindet sich im Anhang.<br />
196<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 5 ff. Die genauen Ausführungen finden sich weiter unten<br />
bei der Beschreibung der Forschungsmethodik für die Erhebung der Faktoren des Kundenmpfindens.<br />
197<br />
Hartfiel (Wörterbuch), S. 160, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 5.<br />
198<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 5.<br />
47
den Bereich „öffentliche Verwaltung“), einen ehemaligen Leiter einer höheren<br />
Fachschule (Kanton Tessin; für den Bereich „Arbeitgeber“), einen ehemaligen<br />
Personalchef einer mittleren Unternehmung (Kanton Solothurn; für den Bereich<br />
„Arbeitgeber“), einen Ingenieur einer mittleren Unternehmung im Sektor Informationstechnik<br />
(Kanton Tessin, für den Bereich „Arbeitnehmer mit <strong>St</strong>elle“) und<br />
einen technischen Leiter einer mittleren Unternehmung (Kanton Solothurn; für<br />
den Bereich „Arbeitnehmer mit <strong>St</strong>elle“) sowie um je einen <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
(Kanton Tessin und Kanton Solothurn; für den Bereich „<strong>St</strong>ellensuchende“).<br />
Die Ergebnisse der Gespräche können im Sinne der vier kulturellen Dimensionen<br />
nach Hofstede folgendermassen umschrieben werden:<br />
3.3.3 Kollektivismus/Individualismus in der italienischen und in der deutschen<br />
Schweiz an den Beispielen Tessin und Solothurn 199<br />
Der Kanton Tessin ist nach Westen, Norden und Osten durch Berge begrenzt. Im<br />
Süden ist die Landesgrenze nach Italien. Zwar sind Berge und Grenzen einigermassen<br />
problemlos passierbar, aber in den Köpfen der Menschen bilden sie – wenn<br />
auch unbewusst – Schranken. Diese werden teilweise als Schutz – im Extremfall<br />
als nahezu protektionistischer Schutzwall - gegen äussere Einflüsse, teilweise als<br />
Einschränkungen der wirtschaftlichen, kulturellen und auch politischen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
empfunden. Der Tessiner empfindet sich als anders als die<br />
übrigen Schweizer. Sein Entfaltungsgebiet erstreckt sich in vielen Bereichen im<br />
Wesentlichen von Chiasso bis Airolo. Der ganze Kanton verfügt über rund 300’000<br />
Einwohner 200 – eine Welt, in der „man sich noch kennt“. Wer im Tessin nach einer<br />
Person fragt, muss immer auch deren Vornamen kennen, denn in derselben Unternehmung<br />
oder Verwaltungseinheit arbeiten unter Umständen in ähnlicher Funktion<br />
drei Personen mit demselben Nachnamen. In diesen relativ engen Verhältnissen<br />
sind auch die Beziehungen zwischen den Individuen relativ eng. Dies wirkt sich<br />
auch bei der <strong>St</strong>ellensuche aus. Ein qualifizierter <strong>St</strong>ellensuchender weiss meistens<br />
relativ schnell, ob in der eigenen Branche innerhalb des Kantons eine <strong>St</strong>elle frei ist,<br />
die zu ihm passt, denn die Anzahl möglicher Arbeitgeber ist überschaubar und ein<br />
Ausweichen in andere Kantone oder ins Ausland de facto nicht beliebt. Das Schaffen<br />
und Pflegen relativ enger Beziehungen zwischen den Individuen wird durch die<br />
Kleinräumlichkeit des Kantons zur selbstverständlichen Notwendigkeit.<br />
199<br />
Sämtliche Ergebnisse in diesem Unterkapitel stammen aus Expertengesprächen im Tessin und im<br />
Kanton Solothurn.<br />
200<br />
Gemäss Auskunft des Amtes für <strong>St</strong>atistik (USTAT) des Kantons Tessin vom 12. November 2002.<br />
48
Bezüglich Zahl der Einwohner ist der Kanton Solothurn mit rund 240’000 Personen<br />
201 sogar noch etwas kleiner als der Tessin. Wer aber im Kanton Solothurn lebt,<br />
hat problemlos die Möglichkeit in den umliegenden Kantonen Bern, Aargau, Basel<br />
Land, Basel <strong>St</strong>adt oder eventuell im Jura zu arbeiten. Sprachgrenzen sind (ausser für<br />
den Kanton Jura: französisch) keine zu überwinden; Landesgrenzen schon gar nicht.<br />
Der Kanton, der im Schweizerischen Mittelland liegt, ist schon topographisch offener<br />
als der Tessin. Gleichzeitig beklagen die Gesprächspartner, dass dies, in Verbindung<br />
mit der hohen Mobilität, dazu führt, dass die Bindungen zwischen den Leuten<br />
nicht mehr so stark sind, wie sie es früher waren. „Man kennt sich nicht mehr.“<br />
Der Solothurner wird auch als Typ Mensch eher als, vor allem anfänglich, reserviert<br />
bezeichnet. Er braucht eine Weile, bis er sich mit Anderen anfreundet. Einer der Experten<br />
drückt dies folgendermassen aus: „Wenn sie mal warm geworden sind, dann<br />
sind sie sehr hilfsbereit, aber es dauert eine Weile.“ 202 Auch dies bestätigt, dass die<br />
Beziehungen zwischen den Individuen eher weniger eng als im Tessin sind.<br />
3.3.4 Machtdistanz in der italienischen und in der deutschen Schweiz an den<br />
Beispielen Tessin und Solothurn<br />
Aufgrund der, eher illustrativen und weniger wissenschaftlichen Beschreibungen<br />
eines Autors, dessen Aussagen durch Experten in verschiedenen Gesprächen bestätigt<br />
wurden, kann die Machtverteilung im Tessin wie folgt beschrieben werden:<br />
Der Einfluss der grossen Familien ist im Tessin nach wie vor beträchtlich, wenn<br />
auch nicht mehr so stark wie in früheren Jahrzehnenten. Einige wenige Familien<br />
bestimmten teils über Generationen die Tessiner Politik. Während einer dieser Familien<br />
die einflussreichste Tageszeitung und weitere Publikationen gehören, mit<br />
denen sie direkt auf die Öffentlichkeit einwirken kann, haben in den letzten Jahren<br />
neue Familien in der tessiner Politik stark an Gewicht gewonnen. Deren Anliegen<br />
ist besonders die <strong>St</strong>ärkung der Wirtschaft des Kantons Tessin durch Liberalisierungs-<br />
und Deregulierungsmassnahmen. 203 Eine wichtige <strong>St</strong>ellung nimmt auch<br />
Lugano, die bevölkerungsreichste Gemeinde des Kantons und deren <strong>St</strong>adtregierung<br />
ein. 204 Die <strong>St</strong>adt kann als eigentliches Wirtschaftszentrum des Kantons bezeichnet<br />
werden, was der <strong>St</strong>adtregierung ein beträchtliches Machtpotential innerhalb des<br />
Tessins einräumt. 205 49<br />
201<br />
UBS (Zahlen), 2002.<br />
202<br />
Originalzitat eines der Befragten Experten zur solothurner Kultur.<br />
203<br />
Allenbach (Clans), S. 55; dieselben Aussagen machten auch die befragten tessiner Experten.<br />
204<br />
Website <strong>St</strong>adt Lugano: www.lugano.ch.<br />
205<br />
Expertengesprächen im Tessin.
Politik, politische Allianzen und Beziehungen spielen im Tessin eine wichtige Rolle.<br />
Die relativ kleinräumlichen Verhältnisse fördern diese Tendenz. In einer Welt,<br />
in der „jeder jeden kennt“ kommt es zwangsläufig dazu, dass Beziehungen auch<br />
dazu genutzt werden, die eigene Machtposition zu festigen und zu verstärken. Wer<br />
nicht über die notwendigen Beziehungen verfügt, hat wenig Chancen, sich gesellschaftlich<br />
und wirtschaftlich zu verbessern. Die daraus folgenden Ungleichheiten<br />
bei der Verteilung von Macht und Reichtum werden relativ weitgehend als unabänderliche<br />
Tatsachen zur Kenntnis genommen. 206<br />
In Solothurn sieht die Situation etwas anders aus. Beziehungen erleichtern einem<br />
auch dort das Leben. Sie haben aber nicht den elementaren Charakter, der ihnen<br />
im südlichen Teil der Schweiz eigen ist. Interessant ist in Solothurn aber der wirtschaftliche<br />
und politische Einfluss, den einige grosse Unternehmungen im Kanton<br />
haben. Beispielsweise die Scintilla AG, Herstellerin von Elektrowerkzeugen, mit<br />
rund 800 Mio. Jahresumsatz und über 1’300 Mitarbeitern im Kanton Solothurn sowie<br />
die Mathys Medical Ltd., eine sich im Besitz der Familie Mathys befindliche<br />
Unternehmung der Medizinaltechnikbranche, die im Kanton Solothurn rund 850<br />
Mitarbeiter beschäftigt bestimmen in weiten Bereichen die Konditionen auf dem<br />
Arbeitsmarkt der Region. Kleinere Unternehmungen müssen sich diesen Vorgaben<br />
anpassen. Sowohl die Unternehmungen selber mit ihrem wirtschaftlichen Gewicht,<br />
als auch zum Beispiel die Besitzerfamilie der Mathys Medical Ltd. verfügen<br />
über beträchtliches politisches Gewicht. Es kann also durchaus auch im Kanton<br />
Solothurn von einer gewissen Machtkumulation auf einige Köpfe gesprochen<br />
werden, allerdings nicht so stark wie dies im Kanton Tessin der Fall ist. Gleichzeitig<br />
werden im Kanton Solothurn Ungleichheiten in den Bereichen Reichtum<br />
und Macht weniger selbstverständlich akzeptiert als im Tessin. Sie werden zur<br />
Kenntnis genommen, aber eher als ungerecht empfunden, in dem Sinne, dass man<br />
diese nicht einfach hinnehmen will. 207<br />
3.3.5 Vermeidung von Unsicherheit in der italienischen und in der deutschen<br />
Schweiz an den Beispielen Tessin und Solothurn<br />
Die Bereitschaft, Risiken einzugehen ist in der engen Welt des Tessins allgemein<br />
eher begrenzt. Es wird versucht, die eigene Identität und die bisherigen Lebensformen<br />
möglichst zu bewahren, was in gewissen Fällen auf Kosten grösserer Toleranz<br />
geht. Der Tessiner ist anders und er legt Wert darauf anders zu bleiben. 208<br />
206<br />
Expertengesprächen im Tessin.<br />
207<br />
Expertengesprächen im Kanton Solothurn.<br />
50
Folgendes Beispiel aus dem RAV Lugano dient zur Visualisierung dieser Aussagen:<br />
Die rechtlichen Vorschriften besagen, dass für einen <strong>St</strong>ellensuchenden die<br />
Annahme einer <strong>St</strong>elle mit einem Arbeitsweg von bis zu zwei <strong>St</strong>unden zumutbar ist.<br />
Es ist für einen Tessiner aber absolut undenkbar, dass ein Chef de Service, der in<br />
Lugano-Besso (nahe beim Bahnhof) lebt, eine <strong>St</strong>elle in einem Grand Hotel im Zentrum<br />
(Nähe Bahnhof) von Luzern annimmt. Dabei hält nicht nur die Wegdistanz<br />
den Tessiner von der täglichen Reise nach Luzern ab. Auch die Unsicherheit, was<br />
für ein Umfeld man jenseits des Gotthards antrifft, die Sprachbarriere und die befürchteten<br />
Kulturunterschiede schrecken den Tessiner von einem solchen Schritt<br />
ab. 209 Die Berge wirken als natürliche und mentale Grenze, die sich auch auf das<br />
Denken und Verhalten der im Tessin lebenden und arbeitenden Bevölkerung auswirkt.<br />
Die Tessiner sind es gewohnt, sich nahezu ausschliesslich in ihrem eigenen<br />
Kulturraum zu bewegen. Was jenseits dieses Kulturraums ist wird, wenn nicht mit<br />
Misstrauen, dann immerhin mit erhöhter Wachsamkeit betrachtet. 210<br />
In Solothurn sieht die Situation anders aus. Als Kanton des Mittellands ist man sich<br />
an Einflüsse von ausserhalb der Kantonsgrenzen gewöhnt. Zwar wird auch hier<br />
keine übermässige Risikofreude spürbar, aber Toleranz für andere Verhaltensund<br />
Lebensformen, die Bereitschaft, neue Ideen aufzunehmen und z.B. ins Arbeitsleben<br />
zu integrieren ist grösser als in der Südschweiz. Die Möglichkeit, beispielsweise<br />
in einem der Nachbarkantone zu arbeiten wo dieselbe Sprache gesprochen<br />
und eine vergleichbare Kultur herrscht, gibt Sicherheit und bewirkt Offenheit.<br />
211<br />
3.3.6 Feminin/Maskulin: Umgang mit der Trennung der Geschlechterrollen<br />
in der italienischen und in der deutschen Schweiz an den Beispielen Tessin<br />
und Solothurn<br />
Im Tessin sind noch relativ starke Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen<br />
Rollen der Geschlechter im Bewusstsein der Menschen verankert. Die Rolle der<br />
Frau wird, insbesondere nach erfolgter Heirat, nach wie vor stark im Haushalt gesehen,<br />
während dem Mann die Rolle eines Berufstätigen ausser Haus zugedacht<br />
wird. 212 Der Umgang der Geschlechter untereinander ist im Tessin, im Vergleich<br />
208<br />
Expertengespräche im Tessin.<br />
209<br />
Beispiel und Erläuterungen von Herrn Ongaro, Leiter RAV Lugano.<br />
210<br />
Expertengespräche im Tessin.<br />
211<br />
Expertengespräche im Kanton Solothurn.<br />
212<br />
Dies belegen einerseits die Experteninterviews, als auch eine kürzlich erschienene <strong>St</strong>udie: DECS<br />
(<strong>St</strong>udio), S. 2ff. Für den Kanton Solothurn existiert keine entsprechende <strong>St</strong>udie.<br />
51
zur Deutschschweiz bzw. zum Referenzkanton Solothurn, ein anderer. Durch die<br />
nach wie vor starke Verankerung der getrennten Geschlechterrollen im Tessin begegnen<br />
sich Männer und Frauen von zwei getrennten Positionen und versuchen,<br />
in gegenseitiger Ergänzung, die ihnen zugeschriebenen Aufgaben zu bewältigen. 213<br />
In Solothurn wird bewusst Wert darauf gelegt, dass man sich bemüht, möglichst<br />
geringe Unterschiede zwischen den Geschlechterrollen zu machen. Dadurch ergibt<br />
sich eine Vermischung der Geschlechterrollen und ein Verschwimmen der Positionen.<br />
Auch wenn das Bestreben manchmal stärker als die Realität zu sein scheint,<br />
so ist doch festzuhalten, dass in den Köpfen der Menschen die Unterschiede in den<br />
Geschlechterrollen weniger stark verankert sind als im Tessin. Berufstätige Frauen,<br />
besonders wenn sie verheiratet sind, werden sehr viel weniger als Ausnahmen<br />
oder zumindest bemerkenswerte Fälle betrachtet als dies noch im Tessin der Fall<br />
ist. 214<br />
3.3.7 Tessin und Solothurn im Überblick der vier klassischen Kulturdimensionen<br />
nach Hofstede<br />
Zwischen den Kulturen der italienischen und der deutschen Schweiz, am Beispiel<br />
der Kantone Tessin und Solothurn, bestehen beträchtliche Unterschiede: 215<br />
Im Tessin wird im Vergleich zu Solothurn ein grösseres Mass an Ungleichheit in<br />
den Bereichen Reichtum und Macht akzeptiert.<br />
Die Tendenz zur Vermeidung von Unsicherheiten ist im Tessin höher als in Solothurn.<br />
Zwischen den gesellschaftlichen Rollen der Geschlechter herrschen im Tessin<br />
grössere Unterschiede als in Solothurn.<br />
Die Beziehungen zwischen den Individuen sind im Tessin enger als in Solothurn.<br />
Im Tessin und im Kanton Solothurn herrschen damit zwei, wenn auch nicht grundlegend<br />
verschiedene, so doch recht unterschiedliche Kulturen. Dies macht die Frage,<br />
ob es über diese beiden Kulturen hinaus gemeinsame Faktoren des Kundenempfindens<br />
für <strong>St</strong>ellensuchende gibt, interessant.<br />
3.4 Tessin und Solothurn: zwei unterschiedliche Wirtschaftsräume<br />
Die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren beraten, informieren und betreuen<br />
213<br />
Expertengespräche im Tessin.<br />
214<br />
Expertengespräche im Kanton Solothurn.<br />
215<br />
Zum folgenden Text: Ergebnisse aus Expertengesprächen im Tessin und im Kanton Solothurn.<br />
52
stellensuchende Personen. Die Zahl der <strong>St</strong>ellensuchenden schwankt, je nach Kanton<br />
und Wirtschaftsraum. Der Kanton Tessin lebt die Realität eines gebirgigen<br />
Grenzkantons 216 mit - im schweizerischen Vergleich - relativ hohen Arbeitslosenzahlen.<br />
Der Kanton zeichnet sich zudem durch einen sehr grossen Anteil ausländischer<br />
Arbeitskräfte, einen verhältnismässig geringen Anteil Beschäftigter in Industrie,<br />
Gewerbe und Energiewirtschaft und dafür (im Vergleich mit dem Kanton<br />
Solothurn) relativ zahlreichen Arbeitsplätzen bei Banken, Versicherungen, Beratungsunternehmungen<br />
und in der öffentlichen Verwaltung aus. 217 Der Rückgang<br />
der Beschäftigten bei Banken, Versicherungen und Beratungsunternehmen hat in<br />
den vergangenen Jahren die Zunahme der Arbeitslosigkeit im Tessin stark mitverursacht.<br />
218 Die RAV sind vom Geschehen im jeweiligen Wirtschaftsraum abhängig,<br />
denn je mehr <strong>St</strong>ellensuchende es gibt, desto mehr Personen suchen die RAV<br />
auf. Bei den RAV herrscht, paradoxerweise, eine Art “Hochkonjunktur”, wenn es<br />
der Wirtschaft in ihrer Region schlecht geht. Dieser Zusammenhang gilt selbstverständlich<br />
nicht nur für den Tessin, sondern auch für andere Wirtschaftsräume,<br />
wie z.B. denjenigen des Kantons Solothurn.<br />
Der Kanton Solothurn verfügt über viel landwirtschaftliche Nutzflächen und<br />
gleichzeitig über einen überdurchschnittlich hohen Anteil Beschäftigter in Industrie,<br />
Gewerbe und Energiewirtschaft (zum Vergleich: der Anteil im schweizerischen<br />
Mittel beträgt 21 Prozent 219 ). Der Anteil ausländischer Arbeitskräfte liegt mit<br />
knapp 20 Prozent deutlich unter dem schweizerischen Mittel, das rund 26.5 Prozent<br />
beträgt und weit unter den rund 47.5 Prozent des Kantons Tessin. 220 Während<br />
ein Beschäftigungsrückgang bei Banken und Versicherungen keinen grossen Einfluss<br />
auf die Zahl der <strong>St</strong>ellensuchenden hätte, schlagen Krisensituationen in der<br />
Industrie im Kanton Solothurn weitaus stärker zu Buche, was wiederum die Nachfrage<br />
nach den Dienstleistungen der RAV erhöht. Die Aussage eines Personalberaters<br />
des RAV Solothurn macht das deutlich: “Wenn Scintilla hustet, krempeln<br />
wir im RAV die Ärmel hoch.” 221<br />
Die folgende Darstellung zeigt in tabellarischer Form, dass die Kantone Tessin und<br />
216<br />
Dazu auch die Aussage von Hr. Ongaro, Leiter RAV Lugano: „Il Ticino vive una realtà di frontiera.“<br />
217<br />
Zahlen aus den Jahren 1997 bis 2001, keine aktuelleren Zahlen verfügbar. Wo keine anderen Angaben:<br />
Website Bundesamt für <strong>St</strong>atistik, Kantonsprofile Tessin und Solothurn.<br />
218<br />
Gemäss Aussage von Hr. Ongaro, Leiter RAV Lugano und verschiedenen weiteren Experten.<br />
219<br />
Website Bundesamt für <strong>St</strong>atistik, Gesamtschweizerische Eckdaten; Zahlen von 1998. Es sind noch<br />
keine neueren Zahlen verfügbar.<br />
220<br />
Zahlen berechnet aus den Angaben in: UBS (Zahlen), 2002.<br />
221<br />
Originalzitat aus einem Mitarbeiterinterview, RAV Solothurn. Scintilla ist mit rund 1’300 Mitarbeitern<br />
einer der grossen Arbeitgeber in Solothurn. Die Industrieunternehmung ist im Bereich Entwicklung<br />
und Fertigung von Elektrowerkzeugen tätig.<br />
53
Solothurn nicht nur im topographischen, sondern auch im statistischen Vergleich<br />
zwei sehr verschiedene Wirtschaftsräume darstellen:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
222<br />
<br />
223<br />
<br />
224<br />
Tabelle 11: Tessin und Solothurn: einige statistische Vergleichsdaten 225<br />
222<br />
UBS (Zahlen), 2002.<br />
223<br />
UBS (Zahlen), 2002.<br />
224<br />
UBS (Zahlen), 2002.<br />
225<br />
Zahlen aus den Jahren 1997 bis 2001, keine aktuelleren Zahlen verfügbar. Wo keine anderen Angaben:<br />
Website Bundesamt für <strong>St</strong>atistik, Kantonsprofile Tessin und Solothurn.<br />
54
Für die Beschäftigten gelten folgende Vergleichszahlen:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Tabelle 12: Verschiedene Beschäftigtendaten Kantone Tessin und Solothurn 228<br />
Die unterschiedlichen Wirtschaftsräume treten besonders hervor, wenn man die<br />
Prozentsätze der Beschäftigten in Industrie, Gewerbe und Energieversorgung, bei<br />
Banken, Versicherungen und Beratung, sowie in der öffentlichen Verwaltung ein-<br />
226<br />
UBS (Zahlen), 2002.<br />
227<br />
Zahlen für Oktober 2002, Website seco.<br />
228<br />
Website Bundesamt für <strong>St</strong>atistik, Kantonsprofile Tessin und Solothurn; Zahlen von 1998. Es sind<br />
noch keine neueren Zahlen verfügbar.<br />
55
ander gegenüberstellt. Ein nahezu doppelt so grosser Prozentsatz der Beschäftigten<br />
arbeitet im Kanton Solothurn, im Vergleich zum Kanton Tessin, in den Bereichen<br />
Industrie, Gewerbe und Energieversorgung. Umgekehrt stellt sich das Verhältnis<br />
beim Prozentsatz der Beschäftigten bei Banken, Versicherungen und Beratung<br />
dar. Während im Tessin 6.5 Prozent der Beschäftigten in diesen Bereichen<br />
arbeiten, sind es im Kanton Solothurn lediglich 2.7 Prozent. Auch der Anteil Beschäftigter<br />
in der öffentlichen Verwaltung liegt mit 4.3 Prozent im Tessin deutlich<br />
höher als in Solothurn mit 2.7 Prozent. Auffallend ist auch die grosse Zahl ausländischer<br />
Arbeitskräfte im Tessin (72’000) im Vergleich zu Solothurn (21’000)<br />
sowie die Zahl der Aktiengesellschaften, die im Tessin dreieinhalb mal grösser<br />
(14’000) ist als in Solothurn (4’000). Ebenfalls von Interesse ist die landwirtschaftliche<br />
Nutzfläche, welche im Tessin lediglich 14.3 Prozent der Bodenfläche<br />
beträgt, währende es in Solothurn stattliche 43.4 Prozent sind.<br />
Zahl und Zusammensetzungen der <strong>St</strong>ellensuchenden und damit die Dienstleistungsempfänger<br />
der jeweiligen RAV hängen vom Wirtschaftsraum ab, in dem sie<br />
sich befinden. Der Vergleich von Regionalen Arbeitsvermittlungszentren, die sich<br />
in unterschiedlichen Wirtschaftsräumen befinden, zum Zweck des Herausfindens,<br />
ob gemeinsame Faktoren des Kundenempfindens bei den <strong>St</strong>ellensuchenden im<br />
Kontakt mit dem RAV existieren, wird durch die unterschiedlichen Wirtschaftsräume<br />
noch interessanter.<br />
3.5 Zwei stark unterschiedliche Kantone als Referenzobjekte<br />
Die Ausführungen zu den Kulturunterschieden und zu den Wirtschaftsräumen zeigen,<br />
dass es sich bei den Kantonen Tessin und Solothurn um zwei Kantone handelt,<br />
die sich stark voneinander unterscheiden. Dazu kommt, dass zum Untersuchungszeitpunkt<br />
in den beiden Kantonen verschiedene RAV-Modelle zur Anwendung<br />
gekommen sind. Dies ist Grund genug, um ein Interesse dafür zu wecken, ob<br />
es trotz dieser zahlreichen Unterschiede gemeinsame (oder gegebenenfalls auch<br />
unterschiedliche) Faktoren gibt, welche das Kundenempfinden von <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
die das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum aufsuchen, beeinflussen<br />
und welche Faktoren dies sind.<br />
56
II Theoretischer Teil<br />
4 Ziele und Forschungsfragen<br />
Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, ob sich die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten des RAV als Kunden<br />
behandelt fühlen und welche Faktoren dazu beitragen.<br />
Mit Hilfe einer Ist-Analyse wird gezeigt, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten<br />
des RAV als Kunden behandelt fühlen und wenn ja, welche Faktoren dies bewirken.<br />
Eine Soll-Analyse zeigt, welche Faktoren – im Fall, dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
von Seiten des RAV nicht oder nur unzureichend als Kunden behandelt<br />
fühlen - dazu beitragen würden, damit sich die <strong>St</strong>ellensuchenden vermehrt als<br />
Kunden des RAV behandelt fühlen.<br />
Zur Ermittlung dieser Ergebnisse werden die Aussagen von <strong>St</strong>ellensuchenden der<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentren von Lugano und Solothurn miteinander<br />
verglichen. Die beiden RAV sind in unterschiedlichen wirtschaftlichen, sprachlichen<br />
und kulturellen Gegenden der Schweiz beheimatet und basieren zum Zeitpunkt<br />
der Erhebung 229 auf zwei unterschiedlichen RAV-Modellen.<br />
Diese Konstellation von zwei sehr unterschiedlichen Untersuchungsräumen soll es<br />
ermöglichen, herauszufinden, ob es über die verschiedenen RAV hinaus Faktoren<br />
gibt, die dazu beitragen, dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten der RAV als<br />
Kunden behandelt fühlen und welche Faktoren dies sind.<br />
Gleichzeitig kann festgestellt werden, wo eventuelle gegenseitige Lernpotentiale<br />
liegen können, die dazu beitragen, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden sich in Zukunft vermehrt<br />
als Kunden behandelt fühlen.<br />
Die Beschreibung einiger Handlungsempfehlungen am Ende der Arbeit soll Ideen<br />
vermitteln, in welcher Art und Weise die RAV und ihre Mitarbeiter den bei ihnen<br />
eingeschriebenen <strong>St</strong>ellensuchenden begegnen sollen, damit diese sich in Zukunft<br />
weiterhin oder vermehrt als Kunden behandelt fühlen. Damit soll den stellensuchenden<br />
Personen der Gang zum RAV in Zukunft erleichtert werden.<br />
229<br />
Im Jahr 2001.<br />
57
Es wird Wert auf praxisrelevante Lösungsansätze gelegt, die, wenn möglich, mit<br />
wenig Aufwand und ohne umfassende politische Entscheide oder Gesetzesänderungen<br />
umgesetzt werden können.<br />
Die Ist-/Soll-Analyse erfolgt in erster Linie mit Hilfe einer Befragung von <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
die bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren Lugano und Solothurn<br />
registriert sind. Zum besseren Verständnis der Ergebnisse wird zusätzlich<br />
eine Befragung von Mitarbeitern (insbesondere Personalberater) der jeweiligen<br />
RAV durchgeführt.<br />
Aus der Zielsetzung ergeben sich folgende Forschungsfragen:<br />
Die vorliegende Arbeit untersucht <strong>St</strong>ellensuchende von zwei Regionalen Arbeitsvermittlungszentren,<br />
die in sehr unterschiedlichen Realitäten beheimatet sind. Die<br />
Hauptfragen lauten:<br />
Kundenfrage: Fühlen sich die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten des RAV als Kunden behandelt<br />
Faktorfrage: Gibt es Faktoren, die, unabhängig davon, um welches Regionale Arbeitsvermittlungszentrum<br />
es sich handelt, dazu beitragen, dass sich eine stellensuchende<br />
Person von Seiten des RAV als Kunde behandelt fühlt<br />
Aus den Hauptfragen ergeben sich folgende Teilfragen:<br />
• Fühlen sich die beim RAV Lugano registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten<br />
des RAV Lugano als Kunden behandelt<br />
• Gibt es Faktoren, die dazu führen, dass sich die beim RAV Lugano registrierten<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen Wenn ja, welche Faktoren sind<br />
dies<br />
• Fühlen sich die beim RAV Solothurn registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten<br />
des RAV Solothurn als Kunden behandelt<br />
• Gibt es Faktoren, die dazu führen, dass sich die beim RAV Solothurn registrierten<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen Wenn ja, welche Faktoren<br />
sind dies<br />
• Gibt es Faktoren, die, über beide RAV hinaus (Lugano und Solothurn) dazu beitragen,<br />
dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten der entsprechenden RAV als<br />
Kunden behandelt fühlen Wenn ja, welche Faktoren sind dies<br />
58
5 <strong>St</strong>and der Forschung<br />
Dieses spezifische Thema – die qualitative Analyse der Faktoren des Kundenempfindens<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden der RAV Lugano und Solothurn sowie der anschliessende<br />
Vergleich der Ergebnisse über die beiden RAV hinaus - ist praktisch<br />
unerforscht. Es existiert keine <strong>St</strong>udie, die besagt, ob sich die stellensuchenden Personen,<br />
die bei diesen beiden RAV gemeldet sind, als Kunden behandelt fühlen oder<br />
nicht und durch welche Faktoren dies beeinflusst wird. Auch bei Analyse der internationalen<br />
Literatur ist keine Publikation zu finden, welche die Frage stellt, ob sich<br />
die <strong>St</strong>ellensuchenden von den öffentlichen Arbeitsvermittlungsdiensten als Kunden<br />
behandelt fühlen. Der Kundenzufriedenheit wird eine Schlüsselrolle attribuiert,<br />
denn ohne zu wissen, was der Kunde will, sei das Überleben einer privatwirtschaftlichen<br />
oder einer öffentlichen Organisation nicht möglich. 230 Eine empirische<br />
Untersuchung bei profitorientierten und nicht-profitorientierten Anbietern<br />
von beruflichen Weiterbildungsmöglichkeiten hat ergeben, dass die Leistungen<br />
beider Untersuchungsgruppen deutlich besser waren, wenn bereits in den Leistungsaufträgen<br />
Leistungsmessgrössen eingeschlossen wurden. 231 Eine Möglichkeit<br />
zur Leistungsmessung von Dienstleistungsorganisationen ist die Messung der<br />
Kundenzufriedenheit. Solche Analysen werden mittlerweile in zahlreichen Ländern<br />
durchgeführt. In Neuseeland werden regelmässig 500 <strong>St</strong>ellensuchende telefonisch<br />
befragt, ob ihre Erwartungen gegenüber dem staatlichen Arbeitsvermittlungsdienst<br />
erfüllt wurden, welches Image der Dienst ganz allgemein bei ihnen<br />
hat, wie die Qualität der vermittelten Informationen ist und wie sie den direkten<br />
Kontakt mit der Organisation beurteilen. 232<br />
In der Europäischen Union werden in folgenden Ländern Ziele bezüglich der<br />
Leistungen der staatlichen Arbeitsvermittlungsorganisationen gesetzt, deren Erreichung<br />
dann auch systematisch gemessen wird: Frankreich, Schweden, Grossbritannien,<br />
Österreich, Flandern (als Teil von Belgien), Dänemark, Norwegen,<br />
die Niederlande, Deutschland, Finnland. 233 Dies bedeutet aber nicht, dass in allen<br />
diesen Ländern eine Kundenzufriedenheitsanalyse der <strong>St</strong>ellensuchenden erfolgt.<br />
Während sich die Kundenzufriedenheitsanalyse in Frankreich darauf beschränkt,<br />
Arbeitgeber schriftlich zu befragen 234 , werden in Schweden auch die <strong>St</strong>ellensu-<br />
230<br />
Rampersad (Customer), S. 341.<br />
231<br />
Heinrich (Performance), S. 233.<br />
232<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
233<br />
Mosley et al. (Objectives), iii.<br />
234<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
59
chenden jährlich telefonisch lokal und national zum Beispiel darüber befragt, ob<br />
das Angebot der staatlichen <strong>St</strong>ellenvermittlungsdienste ihren Bedürfnissen entspricht<br />
und ob ihnen qualifizierte <strong>St</strong>ellenangebote von Seiten der Organisation gemacht<br />
wurden. Ebenso werden die schwedischen <strong>St</strong>ellensuchenden danach gefragt,<br />
ob sie dem staatlichen <strong>St</strong>ellenvermittlungsdienst und dessen Mitarbeitern<br />
Vertrauen entgegen bringen. 235 Im internationalen Vergleich hat Schweden schon<br />
früh, nämlich Mitte der 80er Jahre, mit der Qualtiätsmessung der Dienstleistungen<br />
ihrer staatlichen Arbeitsvermittlungsagenturen begonnen. 236 In Grossbritannien erfolgt<br />
jedes Jahr eine Kundenzufriedenheitsanalyse zu den staatlichen Arbeitsvermittlungsinstitutionen<br />
im Allgemeinen und zu den einzelnen lokalen <strong>St</strong>ellen im<br />
Besonderen. Dabei wird eine grosse Zahl von Kriterien abgefragt, so zum Beispiel<br />
die Vor- und Nachteile von Informationssystemen, welche die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
selbständig benutzen können, die Qualität der erhaltenen Informationen und die<br />
gemachten Erfahrungen anlässlich der Beratungsgespräche. 237 Die Kundenzufriedenheit<br />
(der <strong>St</strong>ellensuchenden) ist auch ein wichtiges Kriterium innerhalb des Balanced<br />
Score Card Systems, das in Österreich zur Anwendung kommt. 238 Kundenzufriedenheit<br />
von Seiten der <strong>St</strong>ellensuchenden gegenüber den staatlichen Arbeitsvermittlungsinstitutionen<br />
wird ebenfalls in Belgisch-Flandern, Dänemark und<br />
Norwegen thematisiert. 239 In den Niederlanden erfolgt eine eigentliche Messung<br />
des Zufriedenheitsgrades der <strong>St</strong>ellensuchenden. 240 In Deutschland müssen die Arbeitsämter<br />
nebst ihrer Tätigkeit als öffentliche Arbeitsvermittlungsinstitutionen<br />
auch zahlreiche weitere Verantwortungen übernehmen, wie zum Beispiel die Vergabe<br />
von Arbeitsbewilligungen und die Bekämpfung illegaler Anstellungsverhältnisse.<br />
241 Im Bereich der Arbeitsvermittlung ist die Befragung der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit ebenfalls aktuell. 242 In Finnland ist seit<br />
1998 die Reform des Systems der Beschäftigungspolitik im Gange. 243 Im Rahmen<br />
der Entwicklung von sogenannten Service-Charter’s wurde seit 1998 die Kundenorientierung<br />
und die Analyse der Kundenzufriedenheit bei den finnischen Arbeitsämtern<br />
eingeführt. 244 60<br />
235<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
236<br />
AMS (1995), in: Mosley et al. (Objectives), S. 77.<br />
237<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
238<br />
Hugh et al. (Objectives), S. 48 ff.<br />
239<br />
Hugh et al. (Objectives), S. 105 f.<br />
240<br />
Hugh et al. (Objectives), S. 31.<br />
241<br />
Hugh et al. (Objectives), S. 114.<br />
242<br />
Website Europäisches Beschäftigungsobservatorium, <strong>St</strong>and: 9.2.04.<br />
243<br />
European Commission (Finland), S. 12 f.<br />
244<br />
Website public management initiatives in Finland, <strong>St</strong>and: 9.2.04.
Martínez-Tur, Peiró und Ramos kommen in ihrer <strong>St</strong>udie, welche den Zusammenhang<br />
von struktureller Komplexität einer Organisation und Kundenzufriedenheit<br />
untersucht, zum Schluss, dass öffentliche Organisationen weniger in der Lage<br />
sind, die Kundenzufriedenheit aufrecht zu erhalten, je diversifizierter die Dienstleistungen<br />
(die Autoren bezeichnen dies als strukturelle Komplexität) sind, welche<br />
von der Organisation angeboten werden. 245 Dem widersprechen Webster / Harding,<br />
welche die Effizienz von staatlicher und nicht-staatlicher Betreuung und Vermittlung<br />
von <strong>St</strong>ellensuchenden, am Beispiel der australischen Auslagerung von<br />
Dienstleistungen der öffentlichen Arbeitsvermittlung untersuchen. Sie kommen<br />
zum Schluss, dass die staatlichen Organisationen nicht weniger effizient, bei Betrachtung<br />
von Einzelfällen sogar effizienter sind, als die nicht-staatlichen Organisationen.<br />
Spezialisierung und Auslagerung sind keine Gründe für Produktivitätsgewinne<br />
und für besseren Kundenservice. 246 In dieselbe Richtung geht Sinha, der<br />
sich entschieden gegen den Mythos der schlechteren Dienstleistungsqualität im öffentlichen<br />
Sektor, im Vergleich mit dem privaten Sektor ausspricht und das mit den<br />
Resultaten einer kanadischen <strong>St</strong>udie bei 35’000 Haushalten begründet. 247<br />
Das Interesse für die Untersuchung bei zwei unterschiedlichen RAV-Modellen<br />
wird, besonders durch die erwähnte Spezialisierungsdiskussion, durch diese Aussagen<br />
gefördert. Beim konventionellen RAV-Modell, wie es in Lugano zur Anwendung<br />
kommt, werden nämlich verschiedenste Dienstleistungen in einem RAV<br />
angeboten, während in Solothurn die verschiedenen Dienstleistungen nach wie vor<br />
teilweise an unterschiedlichen, auf die entsprechenden Leistungen spezialisierten,<br />
<strong>St</strong>andorten angeboten werden. Die strukturelle Komplexität, um bei der Terminologie<br />
der Autoren Martínez-Tur et al. zu bleiben, ist daher in Lugano grösser als in<br />
Solothurn. Wenn man den Aussagen von Martínez-Tur et al. Folge leistet, müsste<br />
dies heissen, dass die Kundenzufriedenheit in Lugano tiefer ist als in Solothurn<br />
oder dass es zumindest in Lugano schwieriger ist, die Kunden zufrieden zu stellen<br />
als in Solothurn. Die Kundenzufriedenheit kann ein Ansatz sein, um das Kundenempfinden<br />
zu eruieren. Als Untersuchungskriterien für die vorliegende <strong>Dissertation</strong><br />
wird daher ursprünglich von Kriterien ausgegangen, die zur Messung der<br />
Dienstleistungsqualität und der Kundenzufriedenheit herangezogen werden. Die<br />
Besonderheiten der Qualität in der öffentlichen Verwaltung werden im Kapitel<br />
5.2.ff. eingehender geschildert.<br />
Zu den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren sowie zur Qualität der von ihnen<br />
245<br />
Martínez-Tur et al. (Diversity), S. 295.<br />
246<br />
Webster et al. (Outsourcing), S. 231 ff.<br />
247<br />
Sinha (Perspectives), S. 416.<br />
61
erbrachten Leistungen wurden in den letzten Jahren verschiedene Artikel und einige<br />
<strong>St</strong>udien verfasst. Die rechtlichen Grundlagen, wie zum Beispiel das AVIG<br />
(Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />
und die Insolvenzentschädigung) oder die Wirkungsvereinbarung für den<br />
Vollzug des AVIG 248 bilden eine wichtige Basis für die RAV und damit auch für die<br />
vorliegende <strong>Dissertation</strong>. Bei den Publikationen ist insbesondere die vom Bund<br />
selbst in Auftrag gegebene <strong>St</strong>udie zur Messung der Leistungen der schweizerischen<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentren von Bedeutung. Mit dieser RAV-<br />
Evaluationsstudie wird primär untersucht, inwieweit mit der Errichtung der RAV<br />
die gemäss AVIG Art. 72b Abs. 2 zu erzielenden Wirkungen erreicht wurden, die<br />
lauten:<br />
• Bewirken einer raschen und dauerhaften Wiedereingliederung der Versicherten.<br />
• Vermindern der Gefahr der Langzeitarbeitslosigkeit.<br />
Die <strong>St</strong>udie zeigt zudem auf, welche Faktoren die Effizienz der RAV positiv beziehungsweise<br />
negativ beeinflussen. „Die zwischen den RAV vorliegenden Effizienzunterschiede<br />
werden beschrieben und (soweit möglich) quantifiziert. Als Ergebnis<br />
dieser Analyse werden darauf aufbauend betriebswirtschaftliche Verbesserungsmöglichkeiten<br />
aufgezeigt und konkretisiert. Schliesslich wird das<br />
vorhandene Verbesserungspotential geschätzt.“ 249<br />
Die Resultate dieses Messmodells des seco für die Messung der RAV-Effizienz der<br />
einzelnen Kantone dient im für diese <strong>Dissertation</strong> gültigen Erhebungszeitraum als<br />
Grundlage für leistungsbezogene Bonus- und Maluszahlungen des Bundes an die<br />
Kantone. 250 Für das Jahr 2001 sind die Kantone frei sind zu entscheiden, ob sie den<br />
erreichten Wirkungsindex ihrer RAV veröffentlichen möchten oder nicht. (Bisher<br />
wurden die Zahlen vom seco publiziert.) 251 Der Kanton Solothurn hat die Zahlen<br />
veröffentlicht. Der Kanton Tessin hat darauf verzichtet. Für den Kanton Tessin<br />
sind zwar die Informationen des Jahres 2000 erhältlich. Diese können sich aber<br />
von Jahr zu Jahr stark ändern. Die konkreten Angaben zu den Wirkungsindices der<br />
beiden Kantone finden daher für die vorliegende Arbeit nur begrenzte Verwendung.<br />
Mit der Leistungsvereinbarung, die 2003 in Kraft getreten ist, wurde das System<br />
der Bonus- Maluszahlungen abgeschafft, mit der Idee, die Kantone sollten<br />
arbeitsmarktpolitisch voneinander lernen anstatt gegeneinander in Konkurrenz zu<br />
treten. 252 62<br />
248<br />
EVD (Vereinbarung).<br />
249<br />
Zum ganzen Abschnitt: ATAG (RAV-Evaluation), S. 7.<br />
250<br />
Kneubühler (RAV-Effizienz), S. 36 sowie seco (RAV-Evaluation), Website des seco.<br />
251<br />
Gemäss e-mail-Auskunft von Olivier Nussbaum, seco, 26.08.02.<br />
252<br />
Sheldon et al. (Vermittlungseffizienz), S. 1 f.
Ende August 2003 ist eine <strong>St</strong>udie veröffentlicht worden, die im Auftrag des <strong>St</strong>aatssekretariats<br />
für Wirtschaft (seco) die Performance der öffentlichen Arbeitsvermittlung<br />
der Schweiz im Zeitraum zwischen 1998 und 2001 darstellt. Die Leistung<br />
eines RAV wird an seiner Fähigkeit gemessen, die von ihm betreuten <strong>St</strong>ellenlosen<br />
schnell und dauerhaft zu vermitteln. Problem des bisherigen Messverfahrens war,<br />
dass nur die relative Performance eines RAV ermittelt werden konnte und nicht<br />
dessen absolutes Leistungsniveau. Das bisherige Messmodell konnte zwar feststellen,<br />
ob das Leistungsgefälle zwischen den RAV von Jahr zu Jahr grösser oder<br />
kleiner geworden ist, aber nicht, ob die RAV insgesamt leistungsfähiger geworden<br />
sind. Das eigentliche Ziel der Leistungsvereinbarung, die Performance der öffentlichen<br />
Arbeitsvermittlung zu verbessern, konnte mit der bisherigen Methode nicht<br />
gemessen werden. Diese neue <strong>St</strong>udie verwendet ein Verfahren, die sogenannte Data<br />
Envelopment Analysis, die es ermöglicht, die Veränderungen der relativen als<br />
auch der absoluten Performance der RAV zu ermitteln.) 253<br />
Zwischen November 1997 und Januar 1998 wurde, ebenfalls im Auftrag des seco<br />
(damals BWA), eine Untersuchung (im Folgenden meist M.I.S. <strong>St</strong>udie genannt)<br />
durchgeführt, die zum Ziel hatte, vertiefte Informationen über die Qualität der erbrachten<br />
Dienstleistungen der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren und der Arbeitsmarktlichen<br />
Massnahmen zu beschaffen. Mit der telefonischen Repräsentativbefragung<br />
bei rund 3’800 <strong>St</strong>ellensuchenden und rund 2’000 Personalverantwortlichen<br />
Schweizerischer Unternehmungen sollte gezeigt werden inwieweit die<br />
Wirkungsvereinbarung erfüllt wird und wo diesbezüglich Differenzen zwischen<br />
den Kantonen bestehen und inwieweit die unterschiedlichen Interpretationen der<br />
Wirkungsvereinbarung in den Kantonen sich auf die Qualität der erbrachten<br />
Dienstleistungen für <strong>St</strong>ellensuchende und Arbeitgeber auswirken und wo signifikante<br />
Differenzen bestehen. Des weiteren sollte die Zufriedenheit der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
mit verschiedenen arbeitsmarktlichen Massnahmen wie Kurse, <strong>St</strong>ages<br />
und Beschäftigungsprogramme gemessen werden. 254<br />
Die Ergebnisse dieser Umfrage dienten dem Zweck, statistische Kenndaten pro<br />
Kanton zu erhalten, um einen Vergleich mit den Zahlen des quantitativen Controllings<br />
(aus der RAV-Evaluationsstudie) zu ermöglichen. 255 Es wurden zahlreiche<br />
Kriterien untersucht, die teilweise auch für die vorliegende Arbeit einer, allerdings<br />
vertieften, Betrachtung unterzogen werden. Die M.I.S. <strong>St</strong>udie wählt einen anderen<br />
Ansatz als die vorliegende <strong>Dissertation</strong>. Die <strong>St</strong>udie befasst sich mit Qualitäts-<br />
253<br />
Sheldon et al. (Vermittlungseffizienz), S. 1 f.<br />
254<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit sowie M.I.S. (Qualität), S. 7 ff.<br />
255<br />
M.I.S. (Qualität), S. 12.<br />
63
aspekten, welche telefonisch relativ einfach abgefragt werden können, wie zum<br />
Beispiel die Gesprächsdauer des Erstgesprächs im RAV oder die Termineinhaltung<br />
durch die Personalberater. 256 Solche leicht quantifizierbare Faktoren sagen einiges<br />
über die Qualität der Dienstleistungen selber aus. Sie geben aber keinen Aufschluss<br />
darüber, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten des RAV als Kunden behandelt<br />
fühlen. Für die Auswahl der Untersuchungskriterien für die vorliegende<br />
<strong>Dissertation</strong> diente die M.I.S. <strong>St</strong>udie trotzdem teilweise als Referenzstudie. Die<br />
<strong>St</strong>udie befasst sich ebenfalls mit <strong>St</strong>ellensuchenden und deren Zufriedenheit als<br />
Dienstleistungsempfänger der RAV. Forschungsansatz und Ziel der vorliegenden<br />
<strong>Dissertation</strong> ist aber ein anderer. <strong>St</strong>ephanie Deese, welche sich, unter Anwendung<br />
quantitativer Forschungsmethoden, mit der Messung der Kundenzufriedenheit der<br />
in den Vereinigten <strong>St</strong>aaten vor rund neun Jahren geschaffenen One-stop-shops -<br />
sogenannten JobLink Career Centers 257 - für die Beratung und Vermittlung von<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden, am Beispiel von North Carolina beschäftigt, legt ihrer Untersuchung,<br />
die in Form von schriftlichen Kundenbefragungen durchgeführt wurde,<br />
teilweise dieselben Kriterien zu Grunde, wie sie in der M.I.S. <strong>St</strong>udie und für die<br />
vorliegende <strong>Dissertation</strong> verwendet werden. 258<br />
In der telefonisch durchgeführten M.I.S. <strong>St</strong>udie beurteilen über zwei Drittel der<br />
befragten <strong>St</strong>ellensuchenden die Begrüssung durch die Mitarbeiter am Empfang<br />
und durch die Personalberater beim Erstgespräch als sehr freundlich. 259 Auch Deese<br />
untersucht das Kriterium “Freundlichkeit / Höflichkeit der Mitarbeiter” 260 ; ebenso<br />
fragt die Kundenzufriedenheitsanalyse in Neuseeland danach, wie die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
den direkten Kontakt mit der staatlichen Arbeitsvermittlungsorganisation<br />
empfinden 261 . Es ist davon auszugehen, dass das Kriterium “Freundlichkeit /<br />
Höflichkeit der Mitarbeiter” auch einen Einfluss darauf hat, ob sich ein <strong>St</strong>ellensuchender<br />
als Kunde behandelt fühlt oder nicht, denn wer einem unfreundlichen Verwaltungsangestellten<br />
gegenübersteht, der zwar vielleicht juristisch korrekte, aber<br />
unhöflich hingeworfene Antworten erteilt, wird kaum den Eindruck haben, er werde<br />
als Kunde behandelt. Die M.I.S. <strong>St</strong>udie gibt keinen konkreten Aufschluss darüber,<br />
wie die <strong>St</strong>ellensuchenden die Freundlichkeit und Höflichkeit der Personalberater<br />
im Laufe der Gespräche und bei weiteren Kontakten mit dem RAV beurteilen.<br />
Da die Dienstleistungsbeziehung zwischen RAV und <strong>St</strong>ellensuchendem<br />
256<br />
M.I.S. (Qualität), S. 23 ff.<br />
257<br />
Dazu auch: Gross (New), S. 3 ff.<br />
258<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 76 f.<br />
259<br />
M.I.S. (Qualität), S. 21 f..<br />
260<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 76.<br />
261<br />
Walwei (Evaluation), S. 52 f.<br />
64
jedoch über das Erstgespräch fortdauert und da die eigentliche Leistungserbringung<br />
durch die Personalberater während des Gesprächs und nicht nur bei der Begrüssung<br />
erfolgt, ist es wichtig, diesem Kriterium auch bezüglich der weiteren<br />
Kontakte zwischen <strong>St</strong>ellensuchendem und RAV nachzugehen. Für die vorliegende<br />
Arbeit wird daher das Kriterium “Freundlichkeit / Höflichkeit der Mitarbeiter<br />
des RAV” 262 mittels der Kundenbefragung genauer untersucht.<br />
Die M.I.S. <strong>St</strong>udie sagt aus, dass 79% der Befragten die administrativen Formalitäten<br />
vor Beginn des Erstgesprächs mit dem RAV als sehr einfach oder ziemlich<br />
einfach beurteilen. Rund ein Fünftel der Befragten erachtet diese Formalitäten als<br />
ziemlich oder sehr kompliziert. Hauptgründe seien der hohe administrative Aufwand<br />
und unklare oder schwierige Fragestellungen. 263 Die <strong>St</strong>udie macht keine<br />
Aussage darüber, wie die <strong>St</strong>ellensuchenden die Formalitäten im weiteren Verlauf<br />
ihrer Beziehungen zum RAV empfinden und wie sich das Schwierigkeitsempfinden<br />
bezüglich des administrativen Aufwands auf das Kundenempfinden auswirkt.<br />
Es ist anzunehmen, dass sich ein <strong>St</strong>ellensuchender weniger als Kunde behandelt<br />
fühlt, wenn er Schwierigkeiten hat, die administrativen Anforderungen zu erfüllen,<br />
die im Verkehr mit dem RAV an ihn gestellt werden. Oder einfacher formuliert:<br />
Das Kundenempfinden wird höchstwahrscheinlich negativ beeinflusst,<br />
wenn man die Formulare nicht versteht, die man ausfüllen sollte. Dem Kriterium<br />
“Schwierigkeitsempfinden bezüglich administrative Anforderungen im Verkehr<br />
mit dem RAV” wird deshalb in den Gesprächen mit den <strong>St</strong>ellensuchenden vertieft<br />
nachgegangen.<br />
Gemäss Aussagen der M.I.S. <strong>St</strong>udie werden die <strong>St</strong>ellensuchenden grösstenteils<br />
pünktlich zu ihren Beratungsterminen empfangen. 5% der Befragten empfinden<br />
eine Wartezeit beim Erstgespräch von weniger als einer Viertelstunde als unpünktlich.<br />
264 Auch Deese stellt die Frage nach den Wartezeiten im Center. 265 Es<br />
fragt sich, ob sich Wartezeiten - und wenn ja, von welcher Dauer - negativ auf das<br />
Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden auswirken, denn diese haben ja eigentlich<br />
relativ viel Zeit zur Verfügung. Die “Wartezeiten” stellen daher ein Untersuchungskriterium<br />
für die vorliegende Arbeit dar.<br />
Laut M.I.S. <strong>St</strong>udie dauert das Erstgespräch mit den meisten <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
fünfzehn bis dreissig Minuten. 266 Die folgenden Beratungsgespräche dauern für<br />
262<br />
Wenn in der vorliegenden Arbeit von “Mitarbeitern der RAV” die Rede ist, sind üblicherweise die<br />
Personalberater gemeint.<br />
263<br />
M.I.S. (Qualität), S. 22.<br />
264<br />
M.I.S. (Qualität), S. 23.<br />
265<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 76.<br />
266<br />
M.I.S. (Qualität), S. 24.<br />
65
die Hälfte der <strong>St</strong>ellensuchenden zwischen 16 und 30 Minuten, bei rund einem Viertel<br />
der Befragten höchstens eine Viertelstunde und bei einem Viertel über eine halbe<br />
<strong>St</strong>unde. 267 Die <strong>St</strong>udie macht keine Aussagen darüber, ob die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
diese Dauer als ausreichend oder nicht empfinden. Auch Deese fragt in ihrer <strong>Dissertation</strong><br />
nicht nach der Angemessenheit der Dauer der Gespräche sondern lediglich<br />
nach der Schnelligkeit, mit der die Dienstleistungen erbracht wurden. 268 Da<br />
anzunehmen ist, dass <strong>St</strong>ellensuchende verschiedene Probleme haben, die sie mit<br />
ihrem Personalberater besprechen möchten, erscheint die Dauer der Beratungsgespräche,<br />
beziehungsweise “die Zeit, welche die Personalberater zur Verfügung der<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden haben”, als ein äusserst relevantes Untersuchungskriterium -<br />
wichtiger als die Schnelligkeit, mit der die Dienstleistungen erbracht werden. Die<br />
vorliegende Arbeit wird sich daher in der Befragung der <strong>St</strong>ellensuchenden mit dem<br />
Kriterium der zur Verfügung stehenden Zeit beschäftigen.<br />
Während die M.I.S. Trend <strong>St</strong>udie für die Gesprächsbedingungen beim Erstgespräch<br />
danach fragt, ob weitere (bekannte oder fremde) Personen beim Gespräch<br />
zugegen waren, ob das Gespräch durch Klingeln des Telefons oder durch ein- und<br />
austretende Personen gestört wurde und ob das Gespräch am Schreibtisch des Personalberaters<br />
oder an einem Extratisch stattgefunden hat usw. und ob sich die Befragten<br />
dadurch gestört fühlten 269 , geht die vorliegende Arbeit in ihrer Untersuchung<br />
etwas weiter. Es ist anzunehmen, dass nicht nur die konkrete Beratungssituation<br />
zum Kundenempfinden beiträgt, sondern auch das örtliche “Drumherum”.<br />
Ein <strong>St</strong>ellensuchender befindet sich zumeist in einer schwierigen Lebenssituation.<br />
Wenn er dann noch in unfreundlichen Warteräumen auf seinen Termin beim RAV<br />
warten oder an einem Schalter anstehen muss, wird sich dies wahrscheinlich auf<br />
sein Kundenempfinden auswirken. Daher werden die <strong>St</strong>ellensuchenden auch dazu<br />
befragt, ob sie sich in den Räumen des RAV selber wohl fühlen, wie sie die (logistische)<br />
Erreichbarkeit des RAV einschätzen, was sie zur Existenz oder Inexistenz<br />
von Schaltern (und nicht nur zum freundlichen Empfang am Schalter) meinen. Das<br />
“örtliche Wohlbefinden im RAV” im soeben beschriebenen Sinne ist daher ein weiteres<br />
Untersuchungskriterium. Deese bestätigt die Wichtigkeit dieses Kriteriums,<br />
indem sie in ihrer Untersuchung ebenfalls nach der logistischen Erreichbarkeit des<br />
Centers, dem Aussehen und der Angemessenheit des Centers selbst, den Öffnungszeiten<br />
sowie nach dem ausreichenden Vorhandensein von Privatsphäre<br />
innerhalb des Centers fragt. 270<br />
267<br />
M.I.S. (Qualität), S. 30.<br />
268<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 77.<br />
269<br />
M.I.S. (Qualität), S. 26.<br />
270<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 76.<br />
66
Die M.I.S. <strong>St</strong>udie spricht von erstaunlich seltenen Verständigungsschwierigkeiten<br />
wegen der Sprache. 271 Es ist sinnvoll, das Kriterium “Verständlichkeit der von Seiten<br />
des RAV verwendeten Sprache” für die vorliegende Arbeit weiter zu verfolgen.<br />
Nicht nur, weil sich ein <strong>St</strong>ellensuchender wahrscheinlich kaum als Kunde behandelt<br />
fühlt, wenn er gar nicht versteht, was ihm von Seiten des RAV (mündlich oder<br />
schriftlich) mitgeteilt wird; es könnte auch sein, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden aus Respekt<br />
vor der “Behörde RAV” teilweise lediglich vorgeben, alles zu verstehen, was<br />
ihnen von Seiten des RAV mitgeteilt wird. Dies hätte negative Auswirkungen auf<br />
das Kundenempfinden.<br />
Gut ein Drittel der Befragten (35%) ist gemäss M.I.S. <strong>St</strong>udie mit den während des<br />
Erstgesprächs erhaltenen Informationen sehr zufrieden ist. Etwas weniger als die<br />
Hälfte der Befragten (45%) zeigte sich mehr oder weniger zufrieden. Besonders<br />
bemängelt werden unzureichende Hilfe, unklare Informationen und mangelnde<br />
Qualifikation der Personalberater. 272 Die mangelnde Kompetenz der Berater, insbesondere<br />
bezüglich Kenntnis der Gesetze, der verschiedenen Branchen und Berufe,<br />
bleibt auch in den folgenden Gesprächen ein Problem. 273 Diese Resultate sind<br />
ein klares Indiz für das Vorhandensein eines Qualitätsproblems innerhalb der RAV.<br />
Die korrekte und ausreichende Information und Beratung der <strong>St</strong>ellensuchenden ist<br />
eine der Hauptaufgaben des RAV und seiner Mitarbeiter. Es ist unumgänglich in<br />
der weiteren Arbeit zu überprüfen, welchen Einfluss das Kriterium “Fachlich<br />
kompetente Beratung durch die RAV-Mitarbeiter: Vorhandensein von ausreichender<br />
und rechtssicherer Beratung / Information (Problemlösung) von Seiten des<br />
RAV und dessen Mitarbeiter” auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden hat.<br />
Auch Deese fragt für ihre Analyse ausführlich danach, ob die fachliche Beratung<br />
und Information von Seiten der Mitarbeiter korrekt, ausreichend und nützlich war. 274<br />
Die Qualität der vermittelten Informationen ist auch ein Thema bei der Kundenzufriedenheitsanalyse<br />
in Neuseeland 275 sowie in Grossbritannien. 276 Für die vorliegende<br />
Arbeit interessiert besonders herauszufinden, ob die <strong>St</strong>ellensuchenden diesem<br />
Kriterium ebenfalls ein solch starkes Gewicht beimessen. Ist die ausreichende<br />
und korrekte Information und Beratung aus Sicht der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
tatsächlich eine der wichtigsten Leistungen des RAV oder fühlen sich die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
auch dann als Kunden behandelt, wenn die Informationen, die ihnen<br />
271<br />
M.I.S. (Qualität), S. 26.<br />
272<br />
M.I.S. (Qualität), S. 27.<br />
273<br />
M.I.S. (Qualität), S. 31 ff.<br />
274<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 77.<br />
275<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
276<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
67
durch das RAV und dessen Mitarbeiter übermittelt werden, nicht ganz korrekt und<br />
vollständig sind Möglich wäre nämlich, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden stärkeres Gewicht<br />
auf die “Persönliche Beratung und Betreuung durch die RAV-Mitarbeiter”<br />
legen als auf die korrekte Informationsvermittlung. Es ist durchaus vorstellbar,<br />
dass <strong>St</strong>ellensuchende in ihrer besonderen Lebenssituation andere Kriterien als<br />
wichtig für ihr Kundenempfinden sehen als solche, die von aussen zur Messung<br />
der Qualität der Dienstleistungen herbeigezogen werden (wie z.B. die korrekte Informationsvermittlung).<br />
Weder die M.I.S. <strong>St</strong>udie noch die Arbeit von Deese befassen<br />
sich explizite mit dem Thema der persönlichen Beratung und Betreuung<br />
und wie diese von den <strong>St</strong>ellensuchenden empfunden wird. Es ist anzunehmen, dass<br />
sich ein <strong>St</strong>ellensuchender eher im persönlichen Gespräch zu Fragen der persönlichen<br />
Beratung und Betreuung äussern wird. Die telefonische oder schriftliche<br />
Befragung, wie sie für die M.I.S. <strong>St</strong>udie beziehungsweise für die Analyse von Deese<br />
verwendet wurden, erscheinen nicht als die geeigneten Methoden um nach persönlicher<br />
Beratung und Betreuung zu fragen.<br />
Zu diesen Themen gehört auch die Frage “wie Reklamationen durch das RAV behandelt<br />
werden”. Damit ist nicht das Rekurs- und Beschwerdewesen gegen Verfügungen<br />
gemeint, die von Seiten des RAV und anderer Verwaltungsbehörden erlassen<br />
werden. Bei der Frage nach den Reklamationen soll herausgefunden werden<br />
was passiert, wenn die <strong>St</strong>ellensuchenden beispielsweise bemängeln, sie seien<br />
unzureichend informiert worden oder ein Personalberater sei zuwenig freundlich.<br />
Es soll im Gespräch untersucht werden, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden überhaupt<br />
trauen zu reklamieren und ob sie glauben, dass sich etwas ändert aufgrund einer<br />
Reklamation. Die Antworten zu diesen Fragen werden Hinweise darauf geben, ob<br />
sich die <strong>St</strong>ellensuchenden eher als Kunden oder eher als hierarchisch untergeordnete<br />
Bittsteller im Kontakt mit dem RAV empfinden. Sowohl die M.I.S. <strong>St</strong>udie als<br />
auch die Arbeit von Deese verzichten auf die m.E. wichtigen Fragen nach dem Reklamations-<br />
und Beschwerdewesen.<br />
Um die Diskussion zu den Themen Information und Beratung zu beginnen, wird<br />
im persönlichen Gespräch mit den <strong>St</strong>ellensuchenden als Erstes die Frage nach dem<br />
“Nutzen der RAV-Dienstleistungen im Allgemeinen” gestellt. Auch Deese analysiert<br />
dieses Kriterium. 277 In Neuseeland wird bei der Analyse der Zufriedenheit der<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden ganz allgemein gefragt, ob ihre Erwartungen durch den staatlichen<br />
Arbeitsvermittlungsdienst erfüllt wurden und welches Image dieser bei den<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden hat. 278 Für die vorliegende <strong>Dissertation</strong> wird die Frage im per-<br />
277<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 77.<br />
278<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
68
sönlichen Interview mit <strong>St</strong>ellensuchenden in etwa wie folgt formuliert: “Welchen<br />
Nutzen ziehen Sie aus den Dienstleistungen des RAV Bringt Ihnen das etwas, was<br />
das RAV für Sie macht” Ausgehend von dieser Frage ist zu erwarten, dass die<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden erste Aussagen darüber machen, ob die Dienstleistungen des<br />
RAV auch im Bereich Information, Beratung, Betreuung ihren Erwartungen entsprechen<br />
oder was sie gern anders hätten. Von dort kann die Diskussion starten zu<br />
einzelnen Kriterien, wie beispielsweise der “Angemessenheit der Art der Dienstleistungserbringung<br />
(schriftlich, mündlich, telefonisch, persönlich, Publikationen)”<br />
(ebenso: Deese 279 ) oder die bereits erwähnten Wartezeiten, die “Zeit der Mitarbeiter,<br />
die ihnen für das Gespräch mit den <strong>St</strong>ellensuchenden zur Verfügung<br />
steht” oder die “Erreichbarkeit (telefonisch, persönlich) der Mitarbeiter des<br />
RAV”. Mit dem Kriterium “Erreichbarkeit” bewegt sich die Untersuchung bereits<br />
in Richtung der Frage nach dem Vertrauensverhältnis zwischen Personalberatern<br />
und <strong>St</strong>ellensuchenden. (Deese geht hier nicht weiter, sondern beschränkt sich darauf<br />
zu fragen, wie einfach und schnell die <strong>St</strong>ellensuchenden zu Informationen und<br />
Dienstleistungen gelangen. 280 Die schriftliche Form der Befragung verunmöglicht<br />
es natürlich auch nachzufragen, wie sich die Erreichbarkeit von Personen und damit<br />
Informationen auf das Empfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden auswirkt. Auch die<br />
M.I.S. <strong>St</strong>udie äussert sich nicht zum Kriterium “Erreichbarkeit”.) Wenn ein Personalberater<br />
auch ausserhalb der offiziellen Beratungstermine, die er mit dem einzelnen<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden vereinbart hat, problemlos für dessen Anliegen und Fragen<br />
erreichbar ist, vermittelt dies dem <strong>St</strong>ellensuchenden das Gefühl von Sicherheit.<br />
Dieses Sicherheitsempfinden stärkt das Vertrauen in die Personalberater - ein interessantes<br />
Kriterium wenn es darum geht, herauszufinden, welche Faktoren das<br />
Kundenempfinden eines <strong>St</strong>ellensuchenden beeinflussen. In der M.I.S. <strong>St</strong>udie bezeichnet<br />
beinahe die Hälfte der Befragten ihre Beziehung zu den Personalberatern<br />
als sehr gut. 281 85 % der Befragten geben an, dass sie sich mit Respekt behandelt<br />
fühlen. Allerdings nur rund die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass die Personalberater<br />
ihr Möglichstes tun, um den <strong>St</strong>ellensuchenden zu helfen. Die soziale<br />
Kompetenz der Personalberater wird besonders positiv durch die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
bewertet. 282 283 Dies deutet darauf hin, dass es den Personalberatern gelingt, ein<br />
279<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 77.<br />
280<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 77.<br />
281<br />
M.I.S. (Qualität), S. 31.<br />
282<br />
M.I.S. (Qualität), S. 33.<br />
283<br />
Interessant in diesem Kontext auch: die erfreulich positive Bewertung der Mitarbeiter in einer <strong>St</strong>udie<br />
von Prabhu et al., die sich mit dem Vergleich von Dienstleistungsqualität im öffentlichen und privaten<br />
Sektor beschäftigt; Prabhu et al. (Excellence), S. 35 ff.<br />
69
gewisses Vertrauensverhältnis zu den <strong>St</strong>ellensuchenden aufzubauen. (Im Rahmen<br />
der Kundenzufriedenheitsanalyse in Schweden wird ausdrücklich nach dem Vertrauensverhältnis<br />
zwischen <strong>St</strong>ellensuchenden und staatlicher Arbeitsvermittlungsinstitution<br />
gefragt. 284 ) Es ist anzunehmen, dass “Vertrauen zu den Mitarbeitern des<br />
RAV” ein äusserst wichtiger Faktor für einen <strong>St</strong>ellensuchenden ist. Dieser wendet<br />
sich ans RAV, weil er Informationen und Beratung benötigt. Möglichst umfassende<br />
Beratung bedingt ein Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiter und <strong>St</strong>ellensuchendem.<br />
Damit Vertrauen entsteht, muss der Mitarbeiter und insbesondere der<br />
Personalberater nicht nur freundlich sein, der <strong>St</strong>ellensuchende muss “sich verstanden<br />
fühlen (Problemverständnis) von Seiten der Mitarbeiter des RAV”. Er soll<br />
merken, dass er ernst genommen wird von den RAV-Mitarbeitern. Dann wird er<br />
sich auch wohl fühlen im Umgang mit den Mitarbeitern, wird den Beratern gegenüber<br />
seine Probleme formulieren und wird Informationen und Beratung, die durch<br />
die Personalberater erbracht werden, eher akzeptieren, als wenn kein, oder nur ein<br />
unzulängliches Vertrauensverhältnis zwischen Personalberater und <strong>St</strong>ellensuchendem<br />
vorhanden ist.<br />
Die vorliegende <strong>Dissertation</strong> geht daher in vertieftem Masse darauf ein, ob zwischen<br />
Personalberatern und <strong>St</strong>ellensuchenden ein Vertrauensverhältnis zustande<br />
kommt und wie sich dieses auf das Kundenempfinden auswirkt. Die Vermutung ist<br />
die, dass sich ein <strong>St</strong>ellensuchender vermehrt als Kunde behandelt fühlt, wenn zwischen<br />
ihm und dem Personalberater ein Vertrauensverhältnis besteht. Dies erscheint<br />
aber nicht zwingend. Es könnte auch sein, dass sich der <strong>St</strong>ellensuchende<br />
durch das Vertrauensverhältnis in eine Art Bittstellerposition versetzt sieht, in der<br />
er sich zwar dem Personalberater mit all seinen Sorgen anvertraut, die ihm aber<br />
nicht das Gefühl gibt, als gleichwertiger Partner oder als Kunde behandelt zu werden.<br />
Um dieser Frage vertieft nachzugehen, werden in den Befragungen der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
besonders die Kriterien “Vertrauen in die Mitarbeiter des RAV”,<br />
“Sich verstanden fühlen (Problemverständnis) von Seiten der Mitarbeiter des<br />
RAV”, “Ernst genommen werden von den Mitarbeitern des RAV” und das “Wohlbefinden<br />
im direkten Umgang mit den Mitarbeitern des RAV” untersucht.<br />
Gemäss M.I.S. <strong>St</strong>udie sind zwei Drittel der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden nicht der<br />
Meinung, die Personalberater wüssten besser als sie selber, was für sie geeignet<br />
sei. 285 Dies ist verständlich, denn es ist anzunehmen, dass jeder Mensch für sich<br />
beansprucht, sich selbst und seine Bedürfnisse am besten zu kennen. Wenn es darum<br />
geht zu beurteilen, welche <strong>St</strong>elle oder welche Arbeitsmarktliche Massnahme<br />
284<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
285<br />
M.I.S. (Qualität), S. 33.<br />
70
für einen <strong>St</strong>ellensuchenden geeignet ist, möchte dieser so weit als möglich mitbestimmen.<br />
Dies erfordert eine gewisse “Flexibilität bei der Problemlösung” von<br />
Seiten der RAV. Ein <strong>St</strong>ellensuchender, der sich bevormundet fühlt, wird sich kaum<br />
als Kunde behandelt empfinden. Wie stark die Flexibilität bei der Problemlösung<br />
tatsächlich auf das Kundenempfinden einwirkt, muss für die vorliegende Arbeit<br />
untersucht werden.<br />
Arbeitsmarktlichen Massnahmen stossen gemäss Aussagen der M.I.S. <strong>St</strong>udie auf<br />
grosse Akzeptanz bei den <strong>St</strong>ellensuchenden. Dabei wird die Qualität der meisten<br />
besuchten Massnahmen von der Mehrheit der <strong>St</strong>ellensuchenden als sehr gut beurteilt.<br />
Etwas mehr Kritik erhalten dabei lediglich die Beschäftigungsprogramme<br />
und die Kurse über Bewerbungstechnik. 286 Zwischen Oktober 1999 und August<br />
2000 wurde, im Auftrag des seco, eine <strong>St</strong>udie erarbeitet, welche die betriebswirtschaftlichen<br />
Erfolgsfaktoren des Einsatzes von Arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />
untersucht und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigt. 287 Die eigentliche Analyse<br />
der Arbeitsmarktlichen Massnahmen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit.<br />
Die “Zufriedenheit der <strong>St</strong>ellensuchenden mit den Arbeitsmartklichen Massnahmen”<br />
wird allerdings als ein Kriterium unter anderen analysiert. Die <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
die sich in einer Arbeitsmarktlichen Massnahme befinden, müssen auf<br />
eine andere Art aktiv werden, als jene, die lediglich beim RAV registriert sind und<br />
regelmässig die Zahl ihrer <strong>St</strong>ellenbewerbungen nachweisen müssen. Es fragt sich<br />
daher, ob auch das Kundenempfinden in irgendeiner Art und Weise durch die Arbeitsmarktlichen<br />
Massnahmen beeinflusst wird.<br />
Der Vollständigkeit halber wird an dieser <strong>St</strong>elle auch das Westschweizer und Tessiner<br />
Beobachtungszentrum (Observatoire Romand et Tessinois de l’Emploi, OR-<br />
TE) erwähnt. Es handelt sich dabei um eine interkantonale <strong>St</strong>ruktur, die 1999 auf<br />
Veranlassung der Westschweizer und Tessiner Konferenz der kantonalen Arbeitsämter<br />
geschaffen wurde. ORTE sammelt durch wissenschaftliches Vorgehen Informationen<br />
zu Handen der kantonalen Arbeitsämter. Es werden Informationen<br />
gesammelt über: 288<br />
• Die Bedürfnisse der Unternehmen was Beruf, Kompetenzen und Modalitäten<br />
der Suche nach Personal betrifft.<br />
• Den <strong>St</strong>and von Angebot und Nachfrage im Personalbereich nach Sektor.<br />
• Die Kategorien der Arbeitssuchenden und ihr Profil.<br />
286<br />
M.I.S. (Qualität), S. 38.<br />
287<br />
Cap Gemini Ernst & Young Schweiz AG (Arbeitsmarktliche Massnahmen), S. 8 und Website des seco,<br />
Treffpunkt-Arbeit, 18.08.02. Einige der in der <strong>St</strong>udie erwähnten Handlungsempfehlungen finden<br />
Eingang in die Handlungsempfehlungen am Ende der vorliegenden <strong>Dissertation</strong>.<br />
288<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 12.11.02.<br />
71
• Die Bedürfnisse der Arbeitssuchenden nach Ausbildung, aufgrund der Schlüsselkompetenzen,<br />
welche auf dem Arbeitsmarkt verlangt werden.<br />
Letzteres sollte auch die Inhalte der angebotenen Arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />
mitbestimmen.<br />
„Das Westschweizer und Tessiner Beobachtungszentrum und die kantonalen Beobachtungszentren<br />
haben bereits eine Reihe von <strong>St</strong>udien herausgegeben“ 289 , bis<br />
dato ist aber keine dabei, welche sich mit dem Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
beschäftigt.<br />
Ein vollständig auf die Umsetzung in der Praxis ausgerichteter Ansatz ist für ein<br />
Beratungsprojekt gewählt worden, das in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe<br />
der „Sezione del Lavoro“ (diese entspricht weitgehend dem Amt für Wirtschaft<br />
und Arbeit in anderen Kantonen) im Kanton Tessin durchgeführt wird. Das Projekt<br />
hat die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und der Zufriedenheit der<br />
Dienstleistungsempfänger (<strong>St</strong>ellensuchende und Unternehmungen) der „Sezione<br />
del Lavoro“ und damit auch der RAV zum Ziel. Dafür wurden in einem ersten<br />
Schritt Produkte und Prozesse der Sezione del Lavoro definiert und ein Website errichtet,<br />
der es den interessierten Personen ermöglicht, sich über die Vorgehensschritte<br />
bei bestehender oder drohender Arbeitslosigkeit zu informieren. Zudem<br />
werden elektronische Einblicke in die Prozesse, die innerhalb der Sezione del Lavoro<br />
und der RAV ablaufen und deren Bearbeitungsdauer gewährt. 290 Die Erhebung<br />
der Daten zur Zufriedenheit der Dienstleistungsempfänger ist noch im Gange.<br />
Bis zum Zeitpunkt der Einreichung dieser <strong>Dissertation</strong> liegen noch keine Angaben<br />
dazu vor. 291<br />
Aufgrund der vorangehenden Ausführungen können die Untersuchungskriterien,<br />
die als Grundlage für die Befragung der <strong>St</strong>ellensuchenden für die vorliegende Arbeit<br />
dienen, folgendermassen zusammengefasst werden:<br />
• Freundlichkeit / Höflichkeit der Mitarbeiter des RAV;<br />
• Schwierigkeitsempfinden bezüglich administrative Anforderungen im Verkehr<br />
mit dem RAV;<br />
• Wartezeiten;<br />
• die Zeit, welche die Personalberater zur Verfügung der <strong>St</strong>ellensuchenden haben;<br />
• das örtliche Wohlbefinden im RAV;<br />
• Verständlichkeit der von Seiten des RAV verwendeten Sprache;<br />
• Fachlich kompetente Beratung durch die RAV-Mitarbeiter: Vorhandensein von<br />
289<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, 12.11.02.<br />
290<br />
Tessiner Zeitung (Arbeitsamt), S. 3.<br />
291<br />
Website des Kantons Tessin, Sezione del Lavoro, 21.11.01.<br />
72
ausreichender und rechtssicherer Beratung / Information (Problemlösung) von<br />
Seiten des RAV und dessen Mitarbeiter;<br />
• Persönliche Beratung und Betreuung durch die RAV-Mitarbeiter;<br />
• Behandeln von Reklamationen durch das RAV;<br />
• Nutzen der RAV-Dienstleistungen im Allgemeinen;<br />
• Angemessenheit der Art der Dienstleistungserbringung (schriftlich, mündlich,<br />
telefonisch, persönlich, Publikationen);<br />
• Erreichbarkeit (telefonisch, persönlich) der Mitarbeiter des RAV;<br />
• Vertrauen in die Mitarbeiter des RAV;<br />
• Sich verstanden fühlen (Problemverständnis) von Seiten der Mitarbeiter des<br />
RAV;<br />
• Ernst genommen werden von den RAV-Mitarbeitern;<br />
• Wohlbefinden im direkten Umgang mit den Mitarbeitern des RAV;<br />
• Flexibilität bei der Problemlösung;<br />
• Zufriedenheit der <strong>St</strong>ellensuchenden mit den Arbeitsmartklichen Massnahmen.<br />
Die Untersuchungskriterien hängen teilweise untereinander zusammen. Um zu<br />
zeigen, auf welche einzelnen Punkte bei den Gesprächen eingegangen wird, die<br />
mit <strong>St</strong>ellensuchenden für die vorliegende Arbeit durchgeführt werden, ist eine detaillierte<br />
Auflistung und die vorangehende Beschreibung der Untersuchungskriterien<br />
aber durchaus sinnvoll. Die vorliegende <strong>Dissertation</strong> geht in der Tiefe der Analyse<br />
weiter als die im Text betrachteten <strong>St</strong>udien, wie z.B. die M.I.S. <strong>St</strong>udie oder<br />
die <strong>Dissertation</strong> von Deese sowie die weiteren erwähnten Analysen, welche sich<br />
alle ebenfalls mit der Kundenzufriedenheit <strong>St</strong>ellensuchender in der öffentlichen<br />
Arbeitsvermittlung beschäftigen. Sie setzt sich auch andere Ziele. Die vorliegende<br />
Arbeit will nicht nur wissen, wie zufrieden die Personen mit den Leistungen der<br />
öffentlichen Institution sind, sondern ob (und bedingt durch welche Faktoren) sie<br />
sich von Seiten der Institution RAV als Kunden behandelt fühlen. Die Kundenzufriedenheit<br />
ist das Vehikel über das versucht wird, zu den Faktoren des Kundenempfindens<br />
vorzustossen.<br />
Die Zufriedenheit der <strong>St</strong>ellensuchenden mit den Dienstleistungen der Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren gehört in den Kontext der “Kundenorientierung”, bzw.<br />
der Orientierung am Empfänger der öffentlichen Dienstleistung, wie sie im Rahmen<br />
der neuen Methoden der Verwaltungsführung, des New Public Management,<br />
gefordert wird. Die folgenden Unterkapitel zeigen, hauptsächlich anhand von<br />
Lehrbuchartikeln, den Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und NPM<br />
auf.<br />
73
5.1 Die Kundenorientierung als Element des New Public Management<br />
New Public Management kann als Form der <strong>St</strong>aats- und Verwaltungsführung bezeichnet<br />
werden, „die hauptsächlich auf Ziele, Leistung und Wirkung sowie auf<br />
Kosteneinsparung und Bürgerfreundlichkeit ausgerichtet ist.“ 292<br />
Dabei ist der Begriff „Bürgerfreundlichkeit“ sehr summarisch. Konkreter wird die<br />
Diskussion, wenn es um die „Entstehung der unternehmerischen Verwaltung“<br />
geht, wie sie Osborne/Gaebler bezeichnen. Dort ist bereits die Rede von der Ausrichtung<br />
des Verwaltungshandelns auf Kundenfreundlichkeit. Die Verwaltung wird<br />
aufgefordert, erst einmal ihre Kunden zu definieren und ihr Handeln anschliessend,<br />
so weit möglich, an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten. 293<br />
„Die öffentliche Verwaltung soll sich vermehrt an den konkreten, erfragten Bedürfnissen<br />
ihrer Kundinnen und Kunden ausrichten. Die Einführung der Kundensicht<br />
soll dabei weder in Frage stellen, dass nach wie vor Gesetze und Verfahren<br />
einzuhalten sind und auch unbequeme Entscheide durchgesetzt werden müssen,<br />
noch soll es den Kunden bzw. die Kundin eindimensional zum alleinigen Mass der<br />
Dinge machen.“ 294 Das Verwaltungshandeln soll sich zudem an den Wirkungen<br />
orientieren, welche ihr Handeln auf die Kunden erzielt, da die staatliche Aufgabe<br />
erst dann erfüllt ist, wenn die erwünschte Wirkung eingetreten ist. 295 In der Schweiz<br />
spricht man denn auch weniger von New Public Management, als von Wirkungsorientierter<br />
Verwaltungsführung 296<br />
Entsprechend kann der Produktionsprozess in der Verwaltung folgendermassen<br />
dargestellt werden:<br />
292<br />
Pulitano (NPM), S. 126.<br />
293<br />
Osborne/Gaebler (Government), S. 27ff. und 141 ff.<br />
294<br />
Schedler/Proeller (New Public Management), S. 56.<br />
295<br />
Brinckmann (<strong>St</strong>rategien), S. 173 in: Schedler/Proeller (New Public Management), S. 61.<br />
296<br />
Buschor (Haushaltreform) in: Schedler/Proeller (New Public Management), S. 61.<br />
74
Abbildung 12: Der Produktionsprozess in der Verwaltung 297<br />
Das Modell setzt bei den Bedürfnissen der Kunden an. Es fragt als erstes danach,<br />
wer die Kunden der Verwaltungseinheit sind, was sie wünschen und welchen Nutzen<br />
sie aus der Leistung der Verwaltungseinheit erwarten. 298<br />
Das Ziel des Verwaltungshandelns sind die Einwirkungen der Leistungen auf die<br />
Kundschaft. Es geht darum, ob die Kunden der Ansicht sind, ihre Wünsche seien<br />
befriedigt worden und ob sie überzeugt sind, den erwarteten Nutzen aus den Leistungen<br />
zu ziehen. 299<br />
Die Frage, die zuoberst steht ist: Wer sind die Kunden 300<br />
Kunden eines Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums könnten beispielsweise<br />
die <strong>St</strong>ellensuchenden, aber auch die Arbeitgeber, die Arbeitslosenkasse oder die<br />
nach wie vor beschäftigten Arbeitnehmer, welche Beiträge an die Arbeitslosenversicherung<br />
bezahlen, sein.<br />
297<br />
Mäder/Schedler (Entwicklung), S. 58 in: Schedler (Ansätze), S. 73.<br />
298<br />
Schedler (Ansätze), S. 50.<br />
299<br />
Schedler (Ansätze), S. 70.<br />
300<br />
Dazu auch: Osborne/Gaebler (Government), S. 141 sowie <strong>St</strong>ratemann/Wottawa (Kunde), S. 69.<br />
75
Die vorliegende Arbeit interessiert sich ausschliesslich für die Sicht der <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
Es geht darum abzuklären, ob sich die beim RAV Lugano, beziehungsweise<br />
beim RAV Solothurn eingeschriebenen <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt<br />
fühlen und welche Faktoren zu diesem Kundenempfinden beitragen.<br />
Im Sinne der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung erreicht die Verwaltung<br />
ihr Handlungsziel nur dann, wenn es ihr gelingt, die Bedürfnisse der Kunden so zu<br />
befriedigen, dass diese überzeugt sind, den erwarteten Nutzen aus den Leistungen<br />
zu ziehen. 301 Der Weg zum Kunden führt also über dessen Zufriedenheit mit den<br />
Leistungen der Verwaltung.<br />
Damit wird die Diskussion um die Qualität in der öffentlichen Verwaltung eröffnet.<br />
5.2 Qualität in der öffentlichen Verwaltung<br />
„Der Begriff der Qualität in öffentlichen Institutionen wird traditionell vor allem<br />
mit Recht- und Ordnungsmässigkeit gleichgesetzt. Durch die Ausweitung auf die<br />
Benutzer- und Kundenorientierung umfasst er zum Teil völlig neue Elemente, die<br />
für viele Beteiligte ungewohnt sind: Der Leistungsabnehmer bzw. die Leistungsabnehmerin<br />
wird zum Kunden bzw. zur Kundin und darf Ansprüche an die Verwaltungsleistungen<br />
stellen. Nicht nur wie eine Leistung innerhalb der Verwaltung<br />
erbracht wird ist dann von Bedeutung, sondern auch was die KundInnen daraus<br />
nutzen können.“ 302<br />
Verbunden mit weiteren Forderungen des New Public Management wie dem Erreichen<br />
von mehr Effizienz und Effektivität bei der öffentlichen Leistungserstellung,<br />
wofür verwaltungsinterne Abläufe und <strong>St</strong>rukturen erneuert werden müssen,<br />
ergibt sich die Notwendigkeit eines umfassenden Qualitätsmanagements in der<br />
Verwaltung. 303<br />
Bevor aber von Qualitätssicherung, -planung und weiteren Aufgaben des Qualitätsmanagements<br />
gesprochen werden kann, muss definiert werden, was unter<br />
dem Begriff Qualität zu verstehen ist. In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen<br />
des Qualitätsbegriffs. Die International <strong>St</strong>andards Organization (ISO) hat<br />
Qualität folgendermassen definiert:<br />
301<br />
Schedler (Ansätze), S. 70.<br />
302<br />
Schedler/Pröller (New Public Management), S. 65.<br />
303<br />
Schedler/Pröller (New Public Management), S. 65 f.<br />
76
„Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes<br />
oder einer Dienstleistung, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung festgelegter<br />
oder vorausgesetzter Bedürfnisse beziehen.“ 304<br />
Definition 3: Die Qualität<br />
Von Qualität einer Leistung kann also dann gesprochen werden, wenn diese sich<br />
eignet, die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen.<br />
5.2.1 Qualität der öffentlichen Verwaltung im Spannungsfeld verschiedener<br />
Dimensionen<br />
Die Qualität der Leistungen der öffentlichen Verwaltung steht im Spannungsfeld<br />
verschiedener zusammenhängender und sich zum Teil zuwiderlaufender Dimensionen:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 13: Qualität im Spannungsfeld der Dimensionen 305<br />
304<br />
ISO Norm 8402.<br />
305<br />
Die Grafik wurde erstellt in Anlehnung an die in Schedler/Proeller (New Public Management), S. 65 f.<br />
zitierte klassische, für die Privatwirtschaft entwickelte Kategorisierung von Garvin, unter Beizug<br />
von Oppen (Qualitätsmanagement), S. 25 ff. Es erfolgte hier eine Erweiterung um die Dimension<br />
„Recht“.<br />
77
Im Einzelnen können die verschiedenen Dimensionen folgendermassen erklärt<br />
werden:<br />
Die produktbezogene Qualität befasst sich mit den unterschiedlichen Attributen<br />
des Produktes. „Hierzu gehören das Produkt selbst (das ‚nackte‘ Produkt), aber<br />
auch die Art, wie das Produkt gegenüber dem Kunden bzw. der Kundin erbracht<br />
wird, und die Zusatzleistungen, die damit verbunden sind, d.h. das Leistungssystem.“<br />
306<br />
Die kundenbezogene Qualität „umfasst die mit der Leistungserstellung verfolgten<br />
Ziele der Einwirkung auf die Leistungsempfänger (in der Regel der Nutzen). Hierzu<br />
gehört die Kundenzufriedenheit, aber auch eine angestrebte Veränderung im<br />
Kundenverhalten oder in Fähigkeiten der Kundinnen und Kunden.“ 307 Im Kontext<br />
des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums könnte eine angestrebte Veränderung<br />
in den Fähigkeiten der Kundinnen und Kunden die bessere berufliche Qualifikation<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden, z.B. durch Kurse, sein. Dies würde bedeuten, dass<br />
man die <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden der Arbeitsmartklichen Massnahmen betrachtet.<br />
Dies ist nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit. Eine angestrebte Veränderung<br />
im Kundenverhalten im Zusammenhang mit dem RAV könnte bedeuten,<br />
dass man analysiert, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden häufiger bewerben oder schneller<br />
wieder den Einstieg ins Berufsleben finden, je nach dem wie die kundenbezogene<br />
Qualität der Leistungen des RAV (z.B. bei der Beratung durch die Personalberater)<br />
ausfällt. Auch dies ist nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit. Die vorliegende<br />
Arbeit befasst sich mit dem Aspekt der Kundenzufriedenheit. Sie<br />
interessiert sich dafür, inwieweit leistungsbezogene Faktoren existieren, die, wenn<br />
Sie zur Zufriedenheit der <strong>St</strong>ellensuchenden erfüllt sind, dazu beitragen, dass sich<br />
die <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden und nicht nur als Leistungsempfänger oder Nutzer<br />
der Leistungen des RAV empfinden.<br />
Die Politische Qualität „beurteilt die Qualität einer Leistung nach dem Nutzen,<br />
den sie für die Politik stiftet.“ 308 Dabei geht es beispielsweise um die Angemessenheit<br />
staatlicher Massnahmen zur Erreichung gesellschaftlicher oder sozialer<br />
Ziele, welche sich die Politik gesetzt hat. 309<br />
Die Qualität aus Sicht des Rechts hält fest, dass das Produkt der Forderung nach<br />
Befolgung des Legalitätsprinzips des Verwaltungshandelns Genüge tun muss. Politische<br />
und Rechtliche Qualität hängen zwar zusammen, indem rechtliche Grund-<br />
306<br />
Zum ganzen Absatz und zum direkten Zitat: Belz et al. (Leistungssysteme), S. 12 in: Schedler/Proeller<br />
(New Public Management), S. 65.<br />
307<br />
Schedler/Proeller (New Public Management), S. 65 f.<br />
308<br />
Schedler/Proeller (New Public Management), S. 66.<br />
309<br />
Schedler/Proeller (New Public Management), S. 66 in Verbindung mit Schedler (Ansätze), S. 34.<br />
78
lagen sehr oft im Rahmen eines politischen Entscheidungsprozesses geschaffen<br />
werden; nicht jeder politische Prozess führt aber zu einem ausformulierten Rechtssatz,<br />
der dann Grundlage für das Verwaltungshandeln bildet und das Verwaltungshandeln<br />
stützt sich auch auf Rechtssätze, die nicht direkt aus der politischen Willensformulierung<br />
entstanden sind, sondern durch verwaltungsinterne Bestimmungen<br />
(Beispiel: Verordnungen). Auch wenn diese auf einer Rechtsnorm basieren,<br />
die über den politischen Willensbildungsprozess entstanden ist, drängt sich eine<br />
Unterscheidung Politik/Recht auf, da die beiden Bereiche auch in Bezug auf die<br />
qualitativen Anforderungen an die Verwaltungsleistungen nicht identisch sind. Nur<br />
die in Rechtssätzen ausformulierten Wünsche und Vorstellungen bilden Grundlagen<br />
des Verwaltungshandelns. Politische Forderungen, die nicht in Rechtssätzen<br />
formuliert werden, bleiben zwar als Forderungen auch an die Qualität der Leistungen<br />
der öffentlichen Verwaltung bestehen, bilden aber keine Grundlage für deren<br />
Handeln und dürfen von ihr auch nicht als Ziele für ihr Handeln gewertet werden.<br />
Die prozessbezogene Qualität „gibt das Ausmass der Sicherheit der Prozesse<br />
(Anm. d. Verf.: zur Leistungserstellung) (wenig Fehler) sowie deren Optimierung<br />
(Schnelligkeit, Effizienz) an.“ 310<br />
„Die innerhalb der RAV ablaufenden Prozesse können in fünf Prozesskategorien<br />
unterteilt werden: Die Führungs- und Unterstützungsprozesse, die RAV-spezifischen<br />
Leistungserbringungsprozesse – die Wiedereingliederung und die Akquisition<br />
von <strong>St</strong>ellen – sowie die Umfeldprozesse.“ 311<br />
Der Hauptprozess jedes RAV ist der Wiedereingliederungsprozess. Dieser beginnt<br />
mit der Anmeldung des <strong>St</strong>ellensuchenden im RAV und endet mit der Abmeldung<br />
des <strong>St</strong>ellensuchenden: 312<br />
• Anmeldung des <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
• Erstinformationen durch das RAV.<br />
• Periodische Beratungs- und Kontrollgespräche, Prüfung der Arbeitsbemühungen.<br />
• Prüfen und Zuweisen offener <strong>St</strong>ellen.<br />
• Planung der Vermittlungs- und aktiven Arbeitsmarktlichen Massnahmen.<br />
• Sanktionen, Einstellungen, rechtliches Gehör.<br />
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Wiedereingliederungsprozess, beziehungsweise<br />
mit den Faktoren, die sich aus dem Wiedereingliederungsprozess herausbilden<br />
und das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden beeinflussen. Es ist<br />
310<br />
Schedler/Proeller (New Public Management), S. 66.<br />
311<br />
ATAG (RAV-Evaluation), S. 14 ff.<br />
312<br />
Zu diesem Abschnitt und zu den folgenden Punkten: ATAG (RAV-Evaluation), S. 15 f.<br />
79
aber nicht Ziel der vorliegenden <strong>Dissertation</strong>, die Prozesse innerhalb eines Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentrums zu analysieren. In der vorliegenden Arbeit<br />
interessieren nur die durch die Prozesse verursachten Einwirkungen auf die <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
313<br />
Schedler/Proeller subsumieren auch die rechtmässige Erstellung der Leistung unter<br />
die prozessbezogene Qualität. 314 Dies wird m.E. der grundlegenden Bedeutung<br />
des Rechts im Zusammenhang mit dem Verwaltungshandeln nicht gerecht. Die<br />
Einhaltung des Legalitätsprinzips fliesst zwar in die korrekte (mit möglichst wenig<br />
Fehlern behaftete) Abwicklung der Prozesse innerhalb der Verwaltung mit ein.<br />
Sie stellt aber, wie beispielsweise die kundenbezogene Qualität, eine eigene Qualitätsdimension<br />
der Verwaltungsleistung dar.<br />
Die wertbezogene Qualität gibt an, „ob eine Leistung ihren Preis wert ist. Qualitätsunterschiede<br />
zeigen sich hier primär im Kosten-Leistungs- oder Kosten-Wirkungs-Verhältnis<br />
(Effizienz).“ 315 Diese Qualitätsdimension ist für die vorliegende<br />
Arbeit nicht von primärer Wichtigkeit. Im Zusammenhang damit ob, und wenn ja,<br />
unter Einfluss welcher Faktoren ein <strong>St</strong>ellensuchender sich als Kunde eines Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentrums empfindet, wird die Frage der kostendeckenden<br />
Zahlung als Grenze für den Kundenbegriff diskutiert.<br />
5.2.2 Qualitätsmanagement<br />
Das Qualitätsmanagement in der öffentlichen Verwaltung hat folgende Aufgaben: 316<br />
• Qualitätsplanung<br />
• Qualitätssicherung<br />
• Qualitätsförderung und –verbesserung<br />
• Qualitätslenkung<br />
• Qualitätsführung<br />
Die Erfassung von Kundenbedürfnissen, Kundenerwartungen und daraus abgeleiteten<br />
Qualitätsforderungen ist Zweck der Qualitätsplanung. Daraus abgeleitet<br />
wird die Definition der zu erstellenden Produkte-/Dienstleistungsgruppen. Die<br />
Ausgangslage dafür kann z.B. durch eine periodische Umfrage im für die entsprechende<br />
Produktgruppe relevanten Kundensegment geschaffen werden. Zusammen<br />
mit den formulierten Bedürfnissen der Politik dienen die Ergebnisse dieser Befra-<br />
313<br />
Der Vollständigkeit halber befindet sich im Anhang eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen<br />
Prozesskategorien eines RAV.<br />
314<br />
Schedler/Proeller (New Public Management), S. 66.<br />
315<br />
Schedler/Proeller (New Public Management), S. 66.<br />
316<br />
Gemäss Ausführungen bei Schedler (Ansätze), S. 24.<br />
80
gung der Verwaltung als Richtschnur für Qualitätsentscheide. Zudem können sie<br />
als Frühindikatoren über Veränderungen von Werthaltungen in der Bevölkerung<br />
beigezogen werden. 317<br />
Entsprechend diesen Ausführungen werden in der vorliegenden Arbeit die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
der RAV Lugano und Solothurn befragt. Dabei soll nicht nur herausgefunden<br />
werden, mit welchen Elementen der Dienstleistungen, die durch das RAV<br />
und seine Mitarbeiter erbracht werden, die <strong>St</strong>ellensuchenden zufrieden (oder weniger<br />
zufrieden) sind. Ziel der Arbeit ist es, darüber hinaus herauszufinden, welche<br />
Elemente oder Faktoren dazu beitragen, dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden als<br />
Kunden behandelt fühlen.<br />
Zur Ergänzung sei folgendes erwähnt:<br />
„Für Produkt- und Prozessentwicklung lassen sich als qualitätsrelevante Aufgaben<br />
sechs Schritte angeben (...):<br />
1. Zunächst müssen die Bedürfnisse und Erwartungen ermittelt und in der Sprache<br />
des Kunden verbal umschrieben werden (...).<br />
2. Die erfassten Bedürfnisse und Erwartungen sind anschliessend in Qualitätsforderungen<br />
an das Produkt und an die Dienstleistung umzusetzen, und zwar sind<br />
diese in der Fachsprache des Herstellers oder des Anbieters zu verfassen und in<br />
Spezifikationen (Pflichten- oder Lastenhefte) niederzulegen (...).<br />
3. Im zweifellos umfangreichsten Schritt ist das Produkt oder die Dienstleistung<br />
zu entwickeln und zu gestalten. (...)<br />
4. Die Forderungen, die an die Herstell- und Anbieterprozesse zu stellen sind,<br />
müssen formuliert werden. (...)<br />
5. Danach sind die Prozesse zu planen, zu entwickeln oder zu gestalten.<br />
6. Die entwickelten Produkte, Dienstleistungen und Prozesse sind hinsichtlich ihrer<br />
Eignung zur Erfüllung der Bedürfnisse (...) zu validieren, wie auch hinsichtlich<br />
der Erfüllung der festgelegten Qualitätsforderungen zu verifizieren.“ 318<br />
Es ist denkbar, dass nach Abschluss dieser Arbeit, wenn die Faktoren definiert<br />
sind, welche zum Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden gegen über dem RAV<br />
beitragen, die Dienstleistungen und die Herstellprozesse innerhalb der RAV so angepasst<br />
werden, dass sie die Faktoren des Kundenempfindens gegebenenfalls besser<br />
erfüllen als bisher, um der Forderung des NPM nach verstärkter Kundenorientierung<br />
319 besser nachzukommen.<br />
Mittels ihrer operativen Aktivitäten gestaltet, produziert und vertreibt eine Unter-<br />
317<br />
Schedler (Ansätze), S. 25 und Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement), S. 57 f.<br />
318<br />
Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement), S. 57 f.<br />
319<br />
Osborne/Gaebler (Government), S. 27ff. und 141 ff.<br />
81
nehmung/eine Verwaltungseinheit 320 ihre Produkte und Dienstleistungen und hält die<br />
erforderliche Infrastruktur aufrecht. Die Tätigkeiten, die diesem Zweck dienen sind<br />
miteinander zu Prozessen verknüpft. Entsprechend ist die operative Ebene des Qualitätsmanagements<br />
auf Prozesse auszurichten. 321 322 Die Prozessbeherrschung ist<br />
Zweck der Qualitätslenkung. Die vorgängig festgelegten Produkte/Dienstleistungen<br />
sollen so hergestellt werden, dass sie die definierten Toleranzbereiche einhalten. 323<br />
Die Risikoabdeckung von fehlerhaften Produkten ist Hauptzweck der Qualitätssicherung.<br />
324<br />
Als das dynamische Element der Qualitätssicherung kann die Qualitätsförderung/-verbesserung<br />
bezeichnet werden. Qualitätslenkung und Qualitätssicherung<br />
verfügen über eine stabilisierende Wirkung. Qualitätsmanagement soll aber nicht<br />
statisch betrachtet werden, sondern als Qualitätsbewegung. Durch Hinzufügen der<br />
Qualitätsförderung/-verbesserung wird das Qualitätsmanagement zu einem kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozess. 325 Denn: „Die Bedürfnisse der Kunden wie<br />
auch die Anforderungen in Gesetzen sind einem Wandel unterworfen.“ 326 Damit<br />
ändert sich die Messlatte „Bedürfnisse der Anspruchsgruppen“ an der die Qualität<br />
der Leistungen gemessen wird. Entsprechend muss die Beschaffenheit der Leistungen<br />
fortentwickelt werden, um den jeweils massgebenden Qualitätsansprüchen<br />
gerecht zu werden. 327 Auch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sollen dazu<br />
beitragen, die Qualität der Dienstleistungen der RAV im Sinne verstärkter Kundenorientierung<br />
zu verbessern.<br />
Die Qualität muss über alle Führungsstufen gefördert werden, um dem Qualitätsbewusstsein<br />
in einer Organisation zum Durchbruch zu verhelfen. 328 Die Qualitätsführung<br />
als Führungsaufgabe zieht sich daher durch alle <strong>St</strong>ufen des Managements<br />
durch, ist Bestandteil sowohl des normativen, als auch des strategischen und des<br />
operativen Managements.<br />
320<br />
Die öffentliche Verwaltung muss bei allen ihren Handlungen, so auch bei Gestaltung, Produktion<br />
und Vertrieb ihrer Leistungen dem Legalitätsprinzip Genüge tun.<br />
321<br />
„Gerade bezüglich Qualität ist dieser Einsatz des Prozessmanagements von besonderer Bedeutung,<br />
weil die Qualiätsprobleme und -fehler primär an den Schnittstellen der Prozesse und weniger innerhalb<br />
der einzelnen Bereiche eines Unternehmens entstehen.“ Die Prozessorientierung macht die<br />
Schnittstellen zu Nahtstellen und mildert die Qaulitätsprobleme. (Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement),<br />
S. 52.)<br />
322<br />
Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement), S. 52.<br />
323<br />
Schedler (Ansätze), S. 27.<br />
324<br />
Schedler (Ansätze), S. 28.<br />
325<br />
Schedler (Ansätze), S. 29 und Haist/Fromm (Qualität), S. 15 in: Schedler (Ansätze), S. 29.<br />
326<br />
Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement), S. 18.<br />
327<br />
Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement), S. 18.<br />
328<br />
Schedler (Ansätze), S. 31.<br />
82
Die vorliegende Arbeit bewegt sich im Wesentlichen im Bereich der Qualitätsplanung<br />
(dem schwergewichtig operativen Aufgabenbereich, welcher die Brücke<br />
zwischen strategischer und operativer Ebene herstellt 329 ) sowie der Qualitätsverbesserung<br />
innerhalb des Qualitätsmanagements (welches wiederum Teil des allgemeinen<br />
Managements ist).<br />
Damit das Kundenempfinden des Bürgers verstärkt wird, müssen die Einwirkungen,<br />
welche durch das Verwaltungshandeln auf den Bürger erzielt werden, so weit<br />
als möglich dessen Bedürfnissen entsprechen.<br />
Die folgende Grafik stellt dar wo die Qualität aus Kundensicht im Produktionsprozess<br />
der Verwaltung zu finden ist:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 14: Qualität aus Kundensicht im Produktionsprozess der öffentlichen<br />
Verwaltung 330 83<br />
329<br />
Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement), S. 51.<br />
330<br />
Abbildung gemäss Schedler (Ansätze), S. 73, grafisch leicht vereinfacht und ergänzt durch das Element<br />
„Qualitätsmanagement“.
Um herauszufinden, inwieweit die erbrachten Leistungen tatsächlich den Bedürfnissen<br />
der Leistungsempfänger entsprechen, kann eine (Kunden-)zufriedenheitsanalyse<br />
gemacht werden.<br />
5.2.3 Kundenzufriedenheit als Massstab für Dienstleistungsqualität<br />
Bei zahlreichen Dienstleistungen ist hohe Anpassungsflexibilität und Improvisationsfähigkeit<br />
der Mitarbeiter Grundvoraussetzung für die Leistungserstellung.<br />
Dies hat zur Folge, dass eine Vielzahl einzelner Leistungsfaktoren von Dienstleistungen<br />
aufgrund ihrer Immaterialität und teilweise mehrfachen Individualität<br />
(Mitarbeiter und Kunde) nicht oder nur schwer standardisierbar sind. Die Qualität<br />
kann dabei nicht zu 100 Prozent garantiert werden. Dazu kommt, dass besonders<br />
bei persönlichen Dienstleistungen das Vertrauen bzw. Empfinden des Nachfragers<br />
als Indikatoren zur Qualitätsbeurteilung herangezogen werden. 331 „Zentraler gemeinsamer<br />
Massstab für die vom Nachfrager wahrgenommene Qualität, sowohl<br />
der materiellen als auch der immateriellen Teilqualitäten der unterschiedlichsten<br />
Leistungsfaktoren, und somit für das erzielte Qualitätsniveau, ist deshalb die über<br />
geeignete Verfahren gemessene Kundenzufriedenheit. Ein Focus, der auch bei<br />
zahlreichen öffentlichen <strong>St</strong>ellenvermittlungsdiensten mittlerweile im Zentrum<br />
steht. 332 Sie ist das Ergebnis individueller Abgleichprozesse zwischen den Erwartungen<br />
und Ansprüchen der Nachfrager an bestimmte Leistungen mit den tatsächlich<br />
erhaltenen Leistungen, wie sie der einzelne Kunde subjektiv wahrgenommen<br />
hat. Sowohl die Erwartungen als auch die Wahrnehmung der erhaltenen Leistungen<br />
können dabei von einer Reihe von Faktoren beeinflusst werden.“ 333<br />
„Die Erwartungen entstehen über das individuelle Anspruchsniveau bzw. Anspruchsmix<br />
des Nachfragers in seiner jeweiligen Nachfragesituation.“ 334<br />
Anbieterbezogen können insbesondere Kommunikationsmassnahmen z.B. über<br />
Mitarbeiter im Kundenkontakt und über Öffentlichkeitsarbeit und die ausgesprochenen<br />
Leistungsversprechen (z.B. Serviceversprechen: „Sie haben jederzeit die<br />
Möglichkeit mit Ihrem RAV-Personalberater einen Extratermin, ausserhalb des<br />
monatlichen Beratungsgesprächs zu vereinbaren“) sowie der mit dem Angebot<br />
verbundene monetäre und nicht-monetäre Aufwand (z.B. das Bezahlen von<br />
Weiterbildungskursen) auf die Erwartungen Einfluss nehmen. 335<br />
331<br />
Meyer (Dienstleistungs-Marketing), S. 24 in: Bruhn/<strong>St</strong>auss (Dienstleistungsqualität), S. 432.<br />
332<br />
Undrum et al. (Quality), S. 2ff.<br />
333<br />
Meyer/Dornach (Barometer), bei: Bruhn/<strong>St</strong>auss (Dienstleistungsqualität), S. 432.<br />
334<br />
Meyer/Dornach (Barometer), bei: Bruhn/<strong>St</strong>auss (Dienstleistungsqualität), S. 432.<br />
335<br />
Meyer/Dornach (Barometer), bei: Bruhn/<strong>St</strong>auss (Dienstleistungsqualität), S. 433.<br />
84
„Das Image des Anbieters wirkt sowohl auf die Erwartungshaltung des Nachfragers<br />
als auch über die speziell bei Dienstleistungen bedeutende Filterfunktion auf<br />
die subjektive Wahrnehmung und Bewertung von Leistungen durch den Kunden<br />
ein. Die Wahrnehmung der Leistung kann darüber hinaus durch bereits vorliegende<br />
Erfahrungen bzw. Vergleiche des Kunden in der Nutzung der Leistung sowie<br />
durch die subjektive Empfindung durch den Kunden in der jeweiligen Leistungssituation<br />
beeinflusst werden. Des Weiteren kann vom Kunden die jeweilig erhaltene<br />
individuelle Problemlösung zur Qualitätswahrnehmung herangezogen werden.“<br />
336 Dies ist ein wichtiges Argument für die <strong>St</strong>ellensuchenden im Verkehr mit<br />
dem RAV. Was genau die <strong>St</strong>ellensuchenden unter „Problemlösung“ verstehen und<br />
welches die Interpretation des RAV ist, zeigt die Auswertung der verschiedenen<br />
Gespräche.<br />
Die Fokussierung auf hohe oder totale Kundenzufriedenheit bedeutet somit die<br />
Ausrichtung der aus Nachfragersicht relevanten Leistungsprozesse und Handlungen<br />
eines Anbieters auf die Erwartungen der Kunden. Entscheidend dafür ist nicht<br />
die aus Anbietersicht tatsächlich gebotene Leistungsqualität, sondern die Wahrnehmung<br />
und Bewertung der Qualität durch den Kunden. 337<br />
Die Forderung nach Ausrichtung der Dienstleistungsqualität an den Bedürfnissen<br />
und Erwartungen 338 , den Wahrnehmungen und der Bewertung durch den Kunden<br />
erfährt bei der öffentlichen Verwaltung verschiedene Einschränkung, beispielsweise<br />
durch die Forderung des Legalitätsprinzips.<br />
Die Befragungen der <strong>St</strong>ellensuchenden, welche für die vorliegende Arbeit vorgenommen<br />
wurden, erfüllen unter anderem auch den Zweck herauszufinden, wie zufrieden<br />
die <strong>St</strong>ellensuchenden mit verschiedenen Faktoren der Leistungserbringung<br />
durch die RAV sind. Gleichzeitig haben die Befragungen zum Ziel herauszufinden,<br />
welche Faktoren im Sinne der Bedürfnisse des leistungsempfangenden Bürgers<br />
(für die vorliegende Arbeit: des <strong>St</strong>ellensuchenden) erfüllt sein müssen, damit<br />
sich dieser (verstärkt) als Kunde (in der vorliegenden Arbeit: des RAV) behandelt<br />
fühlt.<br />
Damit ist die Diskussion eröffnet, welche Faktoren einen Einfluss auf das Kundenempfinden<br />
des Bürgers, bzw. für die vorliegende Arbeit des <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
haben.<br />
336<br />
Meyer/Dornach (Barometer), bei: Bruhn/<strong>St</strong>auss (Dienstleistungsqualität), S. 433.<br />
337<br />
Meyer/Dornach (Barometer), bei: Bruhn/<strong>St</strong>auss (Dienstleistungsqualität), S. 433.<br />
338<br />
Siehe dazu auch Seghezzi (Integriertes Qualitätsmanagement), S. 19ff.<br />
85
5.3 Der Bürger als Kunde der öffentlichen Verwaltung<br />
Im RAV Solothurn wird der Begriff „Kunde“ für die <strong>St</strong>ellensuchenden nur mit Zurückhaltung<br />
verwendet. Gebräuchlicher ist, wie in anderen Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
der Deutschschweiz, der Begriff „Klienten“. Auch die Bezeichnungen<br />
„Versicherte“ oder einfach „<strong>St</strong>ellensuchende“ werden im Gespräch<br />
von Leiter und Personalberatern des RAV Solothurn häufig verwendet. 339<br />
Anders liegt der Fall im Tessin: Auf dem Website der Sezione del Lavoro wird der<br />
Begriff „Kunde“ (englisch: customer) versteckt genannt, indem am Rande von<br />
„Customer focus“ die Rede ist. Gleichzeitig wird der Kundenbegriff durch die Bezeichnung<br />
„Utente“, also „Benutzer“ umgangen. 340 Im persönlichen Gespräch mit<br />
dem Leiter der Sezione del Lavoro, dem Leiter des RAV Lugano und mit verschiedenen<br />
Personalberatern desselben RAV wird der Begriff „Kunde“ in Bezug<br />
auf die <strong>St</strong>ellensuchenden zwar mit Begeisterung und Überzeugung verwendet.<br />
Gleichzeitig wird eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit dem Begriff spürbar.<br />
Die italienische Konstruktion „cliente/utente“, die so viel heisst wie „Kunde/Nutzer“,<br />
wird im mündlichen Sprachgebrauch häufig als Ausweg aus diesem Dilemma<br />
verwendet. Es wird das Bestreben spürbar, den <strong>St</strong>ellensuchenden vollumfänglich<br />
als Kunden zu behandeln, gleichzeitig ist man sich von Seiten der Verwaltung<br />
bewusst, dass es Einschränkungen gibt, welche den Bürger doch nicht ganz zum<br />
Kunden werden lassen, wie er in der Privatwirtschaft erscheint. 341<br />
Die Frage, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein Bürger als Kunde<br />
der Verwaltung bezeichnet werden kann, wird in Literatur und Praxis diskutiert.<br />
Sinha bezeichnet das Erkennen des Bürgers als Kunden als, im positiven Sinne,<br />
ausserordentlichen Fortschritt der öffentlichen Verwaltung. 342 Einzelne Autoren<br />
umgehen den Kundenbegriff, indem sie beispielsweise von „<strong>St</strong>akeholders“ sprechen<br />
343 . Auch der Begriff „Nutzer“ wird gern verwendet für jene Personen, welche<br />
öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen. 344 Andere sprechen zwar von Kunden,<br />
ohne jedoch genau zu definieren, was im Hinblick auf die öffentliche Verwaltung<br />
darunter zu verstehen ist. 345<br />
Eine stark vereinfachte Definition des Kunden gibt Palupski, indem er dem Kun-<br />
339<br />
Ergebnisse aus verschiedenen Gesprächen mit Personalberatern des RAV Solothurn sowie mit dem<br />
Leiter des RAV. Dazu auch: Schedler/Proeller (New Public Management), S. 57.<br />
340<br />
Website des Kantons Tessin, Sezione del Lavoro, 21.11.01.<br />
341<br />
Ergebnisse aus verschiedenen Gesprächen mit dem Leiter der Sezione del Lavoro, dem Leiter des<br />
RAV Lugano und mehreren Personalberatern des RAV Lugano.<br />
342<br />
Sinha (Perspectives), S. 415.<br />
343<br />
So z.B. Theuvsen (Marktsteuerung), S. 420.<br />
344<br />
Promberger/Niederkofler/Bernhart (Dienstleistungscharters), S. 73.<br />
345<br />
So z.B. Osborne/Gaebler (Government), S. 141ff.<br />
86
den zwei relevante Dimensionen zuordnet: „zum einen kann ein Kunde als eine<br />
Person aufgefasst werden, die etwas kundtut, zum anderen ist ein Kunde eine Person,<br />
die von einer Institution gekannt wird (werden sollte). Kunde kann jeder<br />
Tauschpartner einer Verwaltung sein. Der Kunde hat eine zentrale Bedeutung für<br />
den Erfolg und das langfristige Bestehen von Institutionen. Dies gilt insbesondere<br />
auch für Verwaltungen.“ 346 Positiv an dieser Definition ist zu vermerken, dass<br />
sie, mit etwas Interpretation, auf die Kenntnis der Bedürfnisse des Kunden abzielt<br />
(siehe: die Institution sollte die Person Kunde kennen. Es ist anzunehmen, dass damit<br />
nicht nur gemeint ist: „Wer sind meine Kunden“ sondern auch: „Was wünschen<br />
meine Kunden“). Wenn der Autor aber von der zentralen Bedeutung des<br />
Kunden für den Erfolg und das langfristige Bestehen der leistungserbringenden Institution<br />
spricht, dann berücksichtigt er nicht, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen<br />
der Bürger nicht frei wählen kann, ob er die Institution Verwaltung als Leistungserbringerin<br />
berücksichtigen will oder nicht. In solchen Fällen besteht die<br />
Verwaltung auch weiter, wenn der Kunde nicht zufrieden mit ihren Leistungen<br />
ist. 347<br />
Dem Kundenbegriff können drei Aspekte zugeordnet werden:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Tabelle 13: Die drei Aspekte des Kundenbegriffs 348<br />
346<br />
Palupski (Marketing), S. 180f.<br />
347<br />
Dazu auch: Perry (Public), S. 11.<br />
348<br />
<strong>St</strong>ratemann/Wottawa (Kunde), S. 68 f. In Anlehnung an eine, in einer Ausarbeitung der <strong>St</strong>adtverwaltung<br />
Solingen vorgenommene, Differenzierung der Kundenrolle können dem Begriff „Kunde“<br />
diese drei Aspekte zugeordnet werden.<br />
87
Die Verbindung zwischen „Adressat“ einer Leistung und „Kunde“ findet man bei<br />
verschiedenen Autoren. So sprechen beispielsweise Kissler/Bogumil/Wiechmann<br />
von einer Aufwertung der Adressatenrolle, wenn Kundenorientierung als Ziel formuliert<br />
wird. 349 Von anderen Autoren wird der Kunde als „Person, welche die von der<br />
Verwaltung erbrachten Leistungen empfängt“ 350 definiert. Diese Umschreibung des<br />
Kunden als Leistungsempfänger erfährt eine Vertiefung und leichte Veränderung,<br />
wenn der Kunde als Person bezeichnet wird, welche die, von der Verwaltung gelieferten,<br />
Leistungen nutzt, während die Verwaltung gleichzeitig versucht, die Wünsche<br />
der Person zu berücksichtigen, da diese nicht mehr lediglich als zu verwaltende Einheit<br />
betrachtet wird. 351 Somit wird der Adressat und Empfänger einer Leistung zum<br />
interessierenden Objekt, an dem sich die Erbringung der Leistung orientieren soll,<br />
was wiederum den Forderungen des New Public Management entspricht.<br />
Bogumil/Kissler sind der Ansicht, dass eine Rollenzuschreibung, die den Adressaten<br />
einer öffentlichen Leistung als Kunden begreift, einen deutlichen Fortschritt<br />
in der verwaltungsinternen Einschätzung des Interaktionspartners bringt. Der<br />
Kunde sei dank dieser Betrachtungsweise kein Untertan mehr und könne einen<br />
besseren Service als bisher erwarten. „An die <strong>St</strong>elle der Regel- und Hierarchiefixiertheit<br />
traditioneller Verwaltungsorganisationen soll ein kooperatives und auf die<br />
optimale Problemlösung bezogenes Handeln treten.“ 352 Hierbei stellt sich aber die<br />
Frage, ob die stärkere Kundenorientierung lediglich heisst, dass der Bürger, der<br />
Adressat der staatlichen Leistung ist, freundlicher und schneller bedient wird. 353<br />
5.3.1 Kundenorientierung und deren Grenzen<br />
Kundenorientierung kann folgendermassen definiert werden:<br />
Kundenorientierung ist der „Grundsatz, wonach dem Bedürfnis der Bürger durch<br />
qualitativ gute Dienstleistungen, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, aktive Mitbeteiligung<br />
und Schwergewicht auf Empfang und Kommunikation vermehrt Rechnung<br />
zu tragen ist.“<br />
Definition 4: Kundenorientierung 354 88<br />
349<br />
Kissler/Bogumil/Wiechmann 1994, in: Bogumil/Kissler (Untertan), S. 15.<br />
350<br />
Pulitano (NPM), S. 114.<br />
351<br />
Pulitano (NPM), S. 114; Übersetzung aus dem Italienischen.<br />
352<br />
Zum ganzen Abschnitt sowie zum direkten Zitat: Bogumil/Kissler (Untertan), S. 16 f.<br />
353<br />
Dazu auch: <strong>St</strong>ratemann/Wottawa (Kunde), S. 67.<br />
354<br />
Pulitano (NPM), S. 115.
Kunden- und Bürgerorientiertes Handeln wird gleichzeitig so beschrieben, dass<br />
das Leistungsangebot einer Verwaltung auf die Bedürfnisse und Verhaltensweisen<br />
von Kunden und Bürgern auszurichten ist. 355 Das bedeutet, dass die Leistungen<br />
der Verwaltung so weit als möglich in der Art und Weise zu erbringen sind, wie<br />
die Kunden dies wünschen. Die Kunden sollen involviert werden, wenn es darum<br />
geht festzulegen, welche Leistungen in welcher Art und Weise erbracht werden<br />
sollen.<br />
Der Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden stehen aber gewichtige Einschränkungen<br />
für das Handeln der öffentlichen Verwaltung gegenüber, denken wir<br />
nur schon an das Legalitätsprinzip, welches besagt, dass alles Tun der Verwaltung<br />
auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen muss. Der Freiheit der Leistungserbringung<br />
durch die öffentliche Verwaltung, sowohl was die Frage betrifft, welche Leistungen<br />
erbracht werden sollen, als auch in welcher Art und Weise diese erbracht<br />
werden, sind damit Grenzen gesetzt. Auch der Spielraum für die Leistungserbringung<br />
durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren wird so eingeschränkt.<br />
Gleichzeitig ergeben sich Schranken für den Adressaten einer öffentlichen Leistung,<br />
indem er in einigen Fällen die Leistungen der Verwaltung in Anspruch nehmen<br />
muss, ohne die Möglichkeit zu haben, den Anbieter zu wählen oder gar die<br />
Leistung abzulehnen. Dabei ist an das <strong>St</strong>ichwort „Hoheitsverwaltung“ zu denken.<br />
Ein falsch parkierender Bürger, der von der Polizei einen <strong>St</strong>rafzettel erhält, ist<br />
Adressat der Leistung, ob er will oder nicht. 356 Auch ein Arbeitsloser, der Leistungen<br />
der Arbeitslosenversicherung beziehen will, ist gezwungen, den Gang zum<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum zu unternehmen und sich den dortigen<br />
Vorschriften und Verfahren zu unterziehen. Es gibt keine Wahlmöglichkeit. Der<br />
Arbeitslose muss die staatliche Institution RAV aufsuchen, wenn er Geldleistungen<br />
beanspruchen will.<br />
Der Kundenorientierung und dem Kundenbegriff sind in der Verwaltung Grenzen<br />
gesetzt. Zumindest dort, wo es um die kostendeckende Zahlung durch den Leistungsempfänger<br />
und um die Hoheitsverwaltung geht. 357 Die Grenzen des Kundenbegriffs<br />
werden im Folgenden detailliert diskutiert.<br />
„Bei der Erledigung seiner Verwaltungsaufgaben tritt der <strong>St</strong>aat meistens hoheitlich<br />
auf.“ 358 <strong>St</strong>aatliches Handeln ist vor allem dann hoheitlich, wenn eine öffentlichrechtliche<br />
Regelung (d.h. eine Regelung des öffentlichen Rechts, jenes Rechts,<br />
welches das Verhältnis zwischen Bürger und <strong>St</strong>aat regelt) zur Anwendung gelangt<br />
355<br />
Pulitano (NPM), S. 115.<br />
356<br />
Bogumil/Kissler (Untertan), S. 17.<br />
357<br />
Dazu beispielsweise: Bogumil/Kissler (Untertan), S. 16 f., <strong>St</strong>ratemann/Wottawa (Kunde), S. 67 f.<br />
358<br />
Häfelin/Müller (Grundriss), S. 5.<br />
89
und wenn ein Subordinationsverhältnis des Bürgers gegenüber dem <strong>St</strong>aat (d.h. die<br />
Überordnung des <strong>St</strong>aates gegenüber dem Bürger) vorliegt.<br />
„Hoheitliches Verwaltungshandeln ist einseitiges staatliches Handeln, das sich<br />
aus der Überordnung des <strong>St</strong>aates gegenüber dem Bürger ergibt.“<br />
Definition 5: Hoheitliches Verwaltungshandeln 359<br />
„In diesem Sinne tritt der <strong>St</strong>aat z.B. bei der Expropriation (Anm. d. Verf.: Enteignung),<br />
im Baurecht und im Sozialversicherungsrecht hoheitlich auf.“ 360<br />
Es handelt sich auch um hoheitliches Verwaltungshandeln, wenn von Seiten des<br />
RAV Sanktionen (z.B. Sperrtage, das heisst Tage für die der <strong>St</strong>ellensuchende keine<br />
Arbeitslosenunterstützung bekommt) über einen beim RAV eingeschriebenen<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden verhängt werden (z.B. weil dieser sich mehrmals nicht bei einem<br />
Arbeitgeber gemeldet hat, bei dem eine <strong>St</strong>elle frei ist, welche nach Ansicht<br />
des RAV-Personalberaters zu den Qualifikationen des <strong>St</strong>ellensuchenden passt). 361<br />
Bogumil/Kissler sind der Meinung, es sei völlig unangebracht, den Bürger als<br />
Kunden in der Hoheitsverwaltung (z.B. im Verkehr mit der Polizei) zu betrachten.<br />
Die Autoren sind der Ansicht, die Betrachtung des Bürgers als Kunden in der Hoheitsverwaltung<br />
würde die darin Beschäftigten überfordern und die Adressaten<br />
(z.B. von <strong>St</strong>rafzetteln für falsches Parkieren) zusätzlich ärgern. „Mehr oder weniger<br />
notwendige, aber dennoch demokratisch legitimierte Eingriffe des <strong>St</strong>aates in<br />
die Freiheit und das Eigentum der Bürger sollten nicht als Dienstleistung beschönigt<br />
werden, was nicht heisst, dass es hier keinen Handlungsbedarf für ein manchmal<br />
‚besseres Benehmen‘ von Verwaltungsbeschäftigten gibt.“ 362<br />
Auch <strong>St</strong>ratemann/Wottawa sind der Ansicht, es führe „zu erheblichen Fehleinstellungen<br />
in der Öffentlichkeit und zu Irritationen bei den Angehörigen des öffentlichen<br />
Dienstes“, wenn man den Begriff der Kundenorientierung auf den Bereich<br />
der hoheitsrechtlichen Verwaltung überträgt. 363<br />
Diese Argumente erscheinen sinnvoll und unbestritten.<br />
Die Hoheitsverwaltung stellt eine Grenze für den Kundenbegriff dar.<br />
Die Analyse der Ergebnisse der Befragung <strong>St</strong>ellensuchender der RAV Lugano und<br />
359<br />
Häfelin/Müller (Grundriss), S. 5.<br />
360<br />
Häfelin/Müller (Grundriss), S. 5.<br />
361<br />
Das Beispiel stammt aus einem Interview mit einem Personalberater des RAV Lugano.<br />
362<br />
Zum ganzen Abschnitt sowie zum wörtlichen Zitat: Bogumil/Kissler (Untertan), S. 17.<br />
363<br />
<strong>St</strong>ratemann/Wottawa (Kunde), S. 68.<br />
90
Solothurn wird Hinweise darauf geben, ob es Faktoren gibt, die, wenn sie im Sinne<br />
der Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensuchenden erfüllt sind, dazu führen, dass sich die<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden trotz des hoheitlichen Charakters verschiedener Verwaltungshandlungen<br />
vom RAV und seinen Mitarbeitern zumindest kundenähnlich behandelt<br />
fühlt.<br />
Es stellt sich die Frage, ob die mangelnde Wahlfreiheit des Leistungserbringers eine<br />
Grenze für den Kundenbegriff in der Verwaltung darstellt. Ein <strong>St</strong>ellensuchender,<br />
der Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung geltend machen will, muss<br />
sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum einschreiben und sich den dortigen<br />
Prozeduren und Verfahren unterziehen.<br />
<strong>St</strong>ratemann/Wottawa sind der Meinung, dass eine Grenze des Kundenbegriffs dort<br />
erreicht ist wo der leistungsbeziehende Bürger nicht frei nach seinem eigenen Ermessen<br />
zwischen verschiedenen Anbietern entscheiden kann. 364<br />
Bogumil/Kissler sind anderer Ansicht. Sie sprechen vom Kunden und von der<br />
Kundenorientierung in der Verwaltung, „wenn man es mit marktförmigen Beziehungen,<br />
also einem Angebot/Nachfrageverhältnis und der Bereitstellung von<br />
Dienstleistungen, seien sie freiwillig oder aufgezwungen, zu tun hat. Auch in der<br />
Privatwirtschaft gibt es auf der Angebotsseite neben vielen Anbietern gelegentlich<br />
Monopolisten und auf der Nachfrageseite viele oder nur eine geringe Zahl von<br />
Nachfragern. Somit lassen sich auch Verwaltungstätigkeiten, die exklusiv angeboten<br />
werden, wie die Ausstellung von Ausweisen, durchaus als ein Angebots- und<br />
Nachfrageverhältnis deklarieren.“ 365<br />
Das Ausstellen von Ausweisen ist dabei bereits ein etwas problematisches Beispiel.<br />
Der Bürger, der einen Ausweis (z.B. Pass, Identitätskarte) möchte, hat einerseits<br />
nicht die Wahl, bei welchem Anbieter er den Ausweis beziehen will.<br />
Gleichzeitig liegt es in der alleinigen Kompetenz des <strong>St</strong>aates, Ausweise dieser Art<br />
auszustellen. Wir begeben uns mit diesem Beispiel in den Bereich der hoheitlichen<br />
Verwaltungstätigkeit.<br />
Auch das Argument, es könne ebenfalls vom Kunden und von Kundenorientierung<br />
gesprochen werden, wenn es sich um die Bereitstellung von Dienstleistungen handelt,<br />
die dem Bürger aufgezwungen werden, erscheint problematisch. Damit wird<br />
nämlich das Subordinationsverhältnis des Bürgers gegenüber dem <strong>St</strong>aat, d.h. die<br />
„Überordnung des <strong>St</strong>aates gegenüber dem Bürger“ 366 , angesprochen, womit wir<br />
uns wiederum im Bereich der hoheitlichen Verwaltungstätigkeit befinden.<br />
364<br />
<strong>St</strong>ratemann/Wottawa (Kunde), S. 67f.<br />
365<br />
Bogumil/Kissler (Untertan), S. 29.<br />
366<br />
Häfelin/Müller (Grundriss), S. 5.<br />
91
Das Problem der mangelnden Wahlfreiheit hängt damit eng mit der hoheitlichen<br />
Verwaltungstätigkeit zusammen.<br />
In jenen Fällen, in denen der <strong>St</strong>aat als Anbieter einer Leistung nicht-hoheitlich tätig<br />
wird und trotzdem eine Art Monopolstellung einnimmt, beispielsweise bei der<br />
Zurverfügungstellung bestimmter Kulturangebote, wie z.B. einem städtischen<br />
Theater, wäre es denkbar, der Argumentation von Bogumil/Kissler Folge zu leisten.<br />
<strong>St</strong>ratemann/Wottawa widersprechen dem aber auch in solchen Fällen. Sie sind der<br />
Meinung, dass auch in diesen Situationen die Gleichsetzung von „Adressat“ und<br />
„Kunde“ irrig wäre. „Sicher versteht sich jeder Theaterbesucher in seinem Vorverständnis<br />
als ‚Kunde‘, die allermeisten der Einwohner, die zwar von der Bereitstellung<br />
eines kulturellen Angebotes den Vorteil der prinzipiellen Möglichkeit haben,<br />
diesen aber nicht nutzen, sehen sich selbst nicht als ‚Kunde‘ (und sind deswegen,<br />
wie viele öffentliche Debatten zeigen, auch kaum bereit, die Bereitstellungskosten<br />
der von ihnen nicht wirklich genutzten kulturellen Einrichtungen mit zu tragen).” 367<br />
Damit entfernen sich die Autoren aber vom Kriterium der „mangelnden Wahlfreiheit“<br />
als Grenze für den Kundenbegriff und wenden sich dem Argument der Unterscheidung<br />
zwischen „Adressat“ und „Zahler“ einer Leistung zu. Die Frage, ob das<br />
Fehlen der kostendeckenden Zahlung durch den Nutzer einer Leistung eine Grenze<br />
für den Kundenbegriff bedeutet, wird im Folgenden diskutiert.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden:<br />
Die Mangelnde Wahlfreiheit des Leistungsanbieters stellt kein eigenes Kriterium<br />
zur Begrenzung des Kundenbegriffs in der Verwaltung dar. So weit die mangelnde<br />
Wahlfreiheit mit der hoheitlichen Verwaltungstätigkeit zusammenhängt, stellt sie<br />
eine Grenze für den Kundenbegriff dar, allerdings nur als Unterfunktion der Grenze<br />
„hoheitliche Verwaltungstätigkeit“.<br />
In jenen Fällen, in denen die Verwaltung nicht-hoheitlich tätig wird, stellt die mangelnde<br />
Wahlfreiheit keine Grenze für den Kundenbegriff in der Verwaltung dar. Es<br />
handelt sich in diesen Fällen um ein einfaches Angebot/Nachfrageverhältnis, wie<br />
es auch in der Privatwirtschaft existiert.<br />
Die Frage, ob das Legalitätsprinzip, welches besagt, dass alles Verwaltungshandeln<br />
nur gestützt auf das Gesetz zulässig ist 368 , eine weitere Grenze für den Kundenbegriff<br />
darstellt, muss an dieser <strong>St</strong>elle ebenfalls diskutiert werden.<br />
Das Legalitätsprinzip bewirkt unter anderem, dass die Verwaltung nicht in beliebiger<br />
Art und Weise Leistungen erstellen kann, nur weil diese den Bedürfnissen<br />
der Bürger entsprechen. Das Gesetz muss für die Leistungserstellung durch die<br />
367<br />
<strong>St</strong>ratemann/Wottawa (Kunde), S. 70.<br />
368<br />
Häfelin/Müller (Grundriss), S. 71.<br />
92
Verwaltung Raum lassen, egal, ob es um die Erstellung an sich (Was wird produziert)<br />
oder um die Ausprägungen der Leistungen (Wie wird die Leistung erbracht)<br />
geht. Für den Bürger in seiner Funktion als Kunde wirkt sich das Legalitätsprinzip<br />
besonders dann aus, wenn von der Hoheitsverwaltung gesprochen<br />
wird. Das Legalitätsprinzip an und für sich ist deshalb nicht als Grenze des Kundenbegriffs<br />
zu verstehen. Es muss präzisiert werden, welche Konsequenzen des<br />
Legalitätsprinzips (also z.B. die hoheitliche Verwaltungstätigkeit) einen Einfluss<br />
auf den Kundenbegriff haben.<br />
Einer der Aspekte des Kundenbegriffs ist dessen Zahlungspflicht (s. dazu die Ausführungen<br />
zu Beginn des Kapitels 5.3). Wenn der Bürger wie ein Kunde in der Privatwirtschaft<br />
möglichst alle Kosten einer Leistung als zahlender Kunde übernehmen<br />
müsste, dann ergäbe sich für die öffentliche Verwaltung ein Problem. Dadurch<br />
würden ureigenste Motive öffentlichen Handelns, wie die Sozialstaatlichkeit, die<br />
Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung des Allgemeinwohls beeinträchtigt. Besonders<br />
in all jenen Bereichen, in denen der <strong>St</strong>aat Aufgaben wahrnehmen muss,<br />
die nicht durch Private wahrgenommen werden (können), weil sie nicht kostendeckend<br />
oder nicht gewinnbringend erbracht werden können oder sollen und in jenen<br />
Bereichen, in denen soziale Leistungen vergeben werden, ergeben sich Grenzen<br />
für Kosten- und Leistungsrechnungen. Das Gebot der Gleichbehandlung verbietet<br />
es auch, jene Bürger vom Empfang einer Leistung auszuschliessen, die<br />
ihnen von Gesetzes wegen zusteht, nur weil sie nicht in der Lage sind, den kostendeckenden<br />
Preis für die Leistung zu bezahlen. 369<br />
Der Kundenbegriff im Verkehr mit der Verwaltung findet damit eine Grenze, wenn<br />
es um die kostendeckende Zahlung durch einen Leistungsempfänger für eine<br />
Leistung geht.<br />
Zusammenfassend widerfahren dem Kundenbegriff in der Verwaltung somit zwei<br />
gewichtige Grenzen:<br />
• die hoheitliche Verwaltungstätigkeit und<br />
• das Fehlen einer kostendeckenden Zahlung für die empfangenen Leistungen.<br />
Der Bürger kann demgemäss also nur in sehr begrenztem Ausmass als „Kunde“<br />
betrachtet werden. Interessant ist es nun, zu analysieren, wie der Bürger das sieht.<br />
Fühlt er sich ebenfalls nicht wirklich als Kunde behandelt von Seiten der Verwaltung<br />
Gibt es Faktoren, die dazu beitragen, dass sich der Bürger mehr oder weniger<br />
von der Verwaltung als Kunde behandelt fühlt Diese Fragen werden im Rahmen<br />
der vorliegenden Arbeit am Beispiel des Verhältnisses <strong>St</strong>ellensuchender zum<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum bearbeitet.<br />
369<br />
Bogumil/Kissler (Untertan), S. 17.<br />
93
5.3.2 Grad der Erfüllung der drei Aspekte des Kundenbegriffs durch den Begriff<br />
„Kunde der öffentlichen Verwaltung“<br />
Dem Kundenbegriff wurden drei Aspekte zugeordnet:<br />
• der Kunde als Auftraggeber,<br />
• der Kunde als Zahlungspflichtiger,<br />
• der Kunde als Adressat.<br />
Es ist unbestritten, dass ein Bürger Adressat einer Leistung der Verwaltung sein<br />
kann.<br />
In den wenigsten Fällen leistet er aber kostendeckende Zahlungen für die Leistungen,<br />
die er erhält.<br />
Der einzelne, leistungsempfangende Bürger kann auch nur sehr begrenzt als Auftraggeber<br />
für die Erstellung der Leistung durch die Verwaltung bezeichnet werden.<br />
Seine Rolle als Auftraggeber wird durch das hoheitliche Auftreten der Verwaltung<br />
dem Bürger gegenüber stark eingeschränkt. Der Bürger kann nicht frei darüber<br />
entscheiden, welche Leistungen die Verwaltung in welcher Form erbringen soll. Er<br />
steht zur Verwaltung in einem Subordinationsverhältnis und muss auch Leistungen<br />
in Empfang nehmen, die durch das Gesetz vorgeschrieben sind (Legalitätsprinzip),<br />
auch wenn er diese Leistungen eigentlich gar nicht möchte. Es ist nicht<br />
seine Nachfrage entscheidend dafür, welche Leistungen die Verwaltung produziert.<br />
Auch diese Ausführungen zeigen, dass dem Begriff „Kunde“ in der öffentlichen<br />
Verwaltung zahlreiche Einschränkungen widerfahren. Interessant ist es nun, herauszufinden,<br />
ob sich der Bürger selber als Kunde empfindet, oder nicht; und welche<br />
Faktoren dazu beitragen, dass sich der Bürger (in der vorliegenden Arbeit als<br />
Leistungsempfänger des RAV) als Kunde empfindet.<br />
94
III Empirischer Teil<br />
6 Forschungsmethodik<br />
In diesem Kapitel werden der zu wählende Forschungsansatz sowie die methodische<br />
Vorgehensweise für die vorliegende Arbeit diskutiert, ausgewählt und beschrieben.<br />
Die Idee hinter dieser Arbeit ist, in Zusammenarbeit mit einer Anzahl stellensuchenden,<br />
beim RAV registrierten Personen, herauszufinden, was das Kundenempfinden<br />
für einen <strong>St</strong>ellensuchenden beim RAV ausmacht. Die Mitarbeit der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
ist dabei freiwillig, die erhaltenen Informationen werden anonymisiert<br />
weiterverarbeitet. Die Tatsache, dass die Zusammenarbeit von Seiten der<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden freiwillig ist und dass sie gleichzeitig bereit sein müssen, sehr<br />
persönliche Angaben zu ihrem Empfinden und ihrer Situation als <strong>St</strong>ellensuchende<br />
im Verkehr mit dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum zu machen, bewirkt,<br />
dass nur eine kleine Zahl <strong>St</strong>ellensuchender zur Mitarbeit bereit ist.<br />
Trotzdem wird mit der vorliegenden Arbeit angestrebt, die Faktoren, welche das<br />
Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden im Verkehr mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
beeinflussen, möglichst umfassend darzustellen. Schwergewicht<br />
wird bei der Analyse auf den persönlichen Kontakt zwischen <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
und Personalberatern gelegt. Dies bedingt ebenfalls, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
welche sich der Interviewerin zur Verfügung stellen, dieser<br />
grösstmögliches Vertrauen entgegen bringen, ohne Angst vor nachfolgenden Sanktionen<br />
oder Repressalien durch den ihnen zugeordneten Personalberater haben zu<br />
müssen. Berücksichtigt wird nebenbei auch die schriftliche Kommunikation in<br />
Form von Briefen und Publikationen, die von Seiten der RAV an die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
ergehen, allerdings auch diese aus dem Blickwinkel der Empfindungen<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
Die Untersuchungsobjekte, also die <strong>St</strong>ellensuchenden, werden bei der Analyse<br />
nicht auf einige wenige Variablen reduziert. Sie sollen, im Gegenteil, so weit als<br />
möglich in ihrer Komplexität als Menschen in einer speziellen Lebenssituation (arbeitslose<br />
und/oder auf <strong>St</strong>ellensuche) im Kontakt mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
analysiert werden. Und zwar im Hinblick auf die Fragestellung,<br />
95
ob sie sich von Seiten des RAV als Kunden behandelt fühlen und welche Faktoren<br />
dazu beitragen, dass sie sich (vermehrt) als Kunden behandelt fühlen. Es ist nicht<br />
das Ziel der vorliegenden Arbeit, die Situation stellensuchender Personen in ihrer<br />
gesamten Komplexität zu analysieren. Die Arbeit bezieht sich lediglich auf den<br />
Bereich „<strong>St</strong>ellensuchende im (Kunden-)Kontakt mit den RAV“. Dieser Bereich<br />
soll aber so weit wie möglich in seiner Komplexität untersucht werden.<br />
Zur Ermittlung dieser Angaben eignet sich ausgezeichnet der Forschungsansatz<br />
der Einzelfallstudie. Dieser Ansatz hat, gemäss Lamnek, zum Ziel, „ein ganzheitliches<br />
und nur damit realistisches Bild der sozialen Welt zu zeichnen“ 370 , ohne die<br />
Untersuchungsobjekte auf einige, wenige Variablen zu reduzieren. 371 Die soziale<br />
Welt ist in diesem Fall das RAV, beziehungsweise die <strong>St</strong>ellensuchenden im Verkehr<br />
mit dem RAV.<br />
Der Sinn dieser sozialen Realität wird durch Interpretation und Bedeutungszuweisung<br />
konstruiert und nicht als objektiv vorgegeben aufgefasst. 372 „Erst die Einzelfallstudie<br />
macht Interpretation – also Nachvollzug individueller Bedeutungszuweisungen<br />
– im Einzelfall möglich. Die ausführliche und intensive Kommunikation<br />
mit der untersuchten Person (...) macht wissenschaftliche Interpretation<br />
möglich.“ 373 Die Einzelfallstudie ist damit die geeignete Vorgehensweise, um herauszufinden,<br />
was die <strong>St</strong>ellensuchenden im Verkehr mit dem RAV empfinden und<br />
welche Faktoren ihr Kundenbewusstsein beeinflussen.<br />
6.1 Qualitative oder quantitative Forschungslogik<br />
„Insbesondere in der qualitativen Methodologie wird der offene und intensiv-kommunikative<br />
Zugang zur sozialen Wirklichkeit im Wege der Analyse einzelner Fälle<br />
zum zentralen Moment. Durch die Beschäftigung mit einer einzelnen Person als<br />
Einheit sollen die alltagsweltlichen Deutungen und Interpretationen wissenschaftlich<br />
kontrolliert fremdverstanden werden. ‚Es besteht also das Bestreben, aus<br />
jedem Einzelfall eine Untersuchung für sich zu machen‘ 374 . ‚Das Ziel der Einzelfallstudie<br />
ist, genaueren Einblick in das Zusammenwirken einer Vielzahl von Faktoren<br />
... zu erhalten, wobei sie meist auf das Auffinden und Herausarbeiten typischer<br />
Vorgänge gerichtet ist‘ 375 . Diese Aussagen deuten stark auf ein qualitatives<br />
370<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 5.<br />
371<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 5.<br />
372<br />
Lamnek (Methodologie), S. 41 in Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 20.<br />
373<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 21.<br />
374<br />
Goode/Hatt (Einzelfallstudie), S. 312, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 7.<br />
375<br />
Fuchs et al. (Soziologie), S. 181, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 7.<br />
96
Vorgehen zur Ermittlung der Daten für die vorliegende Arbeit hin, obwohl der Forschungsansatz<br />
der Einzelfallstudie an sich noch keine Auskunft darüber gibt, mit<br />
welchen Techniken die interessierenden Daten erhoben werden sollen. 376 Im folgenden<br />
wird kurz diskutiert, ob für die vorliegende Arbeit besser die qualitative<br />
oder die quantitative Forschungslogik zum Einsatz kommen soll.<br />
6.1.1 Die Einzelfallstudie in der quantitativen Forschungslogik<br />
Die Vertreter des quantitativen Ansatzes bezeichnen die Einzelfallstudie häufig<br />
als unstandardisiertes und unkontrollierbares Verfahren, das offen ist für verzerrende<br />
Einflüsse aller Art. 377 Die Fallstudie hat allerdings auch in der quantitativen<br />
Forschung ihren Platz. 378 „In der traditionellen empirischen Sozialforschung<br />
werden die ausformulierten Theorien empirischen Überprüfungen durch Tests<br />
unterworfen. Dabei werden vorher aufgestellte Hypothesen entweder bestätigt<br />
oder verworfen, ohne dass diese Tests in der Lage wären, eine bessere oder angemessenere<br />
Erklärung hervorzubringen“. 379 „Um dieses Manko abzuschwächen,<br />
werden Einzelfallstudien an zwei <strong>St</strong>ellen in den quantitativen Forschungsprozess<br />
eingebaut: Die Einzelfallstudie kann zum einen in der explorativen<br />
Phase und zum anderen zur Illustration der Befunde einer quantitativen<br />
<strong>St</strong>udie im Abschlussbericht eingesetzt werden.“ 380 Diese Aussage macht allerdings<br />
deutlich, dass den Einzelfallstudien im quantitativen Ansatz lediglich ein<br />
inferiorer <strong>St</strong>atus zukommt. Für die qualitative Forschungslogik gilt dagegen folgendes:<br />
6.1.2 Die Einzelfallstudie in der qualitativen Forschungslogik<br />
„Wissenschaftliches Vorgehen – auch im interpretativen Paradigma – hat das Ziel,<br />
in irgendeiner Weise typische, als extrem-, ideal- oder durchschnittstypische<br />
Handlungsmuster zu identifizieren. Handlungsmuster, die zwar individuell festzumachen<br />
sind, aber keineswegs nur einmalig und individuenspezifisch wären.<br />
Vielmehr manifestieren sich in diesen Handlungen generellere <strong>St</strong>rukturen.“ 381 Die<br />
Einzelfallstudie erfasst nicht das Einmalige, sondern sie versucht, die für das zu<br />
376<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 7.<br />
377<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 9.<br />
378<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 8.<br />
379<br />
Hermanns et al. (Interviews), S. 148 in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 9.<br />
380<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 9.<br />
381<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 16.<br />
97
untersuchende wissenschaftliche Problem bedeutsamen Kennzeichen als Einheit<br />
aufzufassen und zusammenzuhalten. 382 Es sollen nicht individuelle Handlungsfiguren<br />
rekonstruiert werden. Unter Vermutung allgemeiner Regelmässigkeiten sollen<br />
vielmehr, auf der Grundlage von alltagsweltlichen, realen Handlungsfiguren,<br />
typische Handlungsmuster mit Hilfe der Einzelfallstudie herausgearbeitet werden.<br />
383<br />
Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass vermutet wird, dass es gemeinsame<br />
Faktoren gibt, die bei den <strong>St</strong>ellensuchenden dazu führen, dass sie sich von Seiten<br />
des RAV als Kunden behandelt fühlen. Diese gemeinsamen Faktoren sollen mit<br />
Hilfe der Einzelfallstudie herausgearbeitet werden. Aufgrund der, bereits erwähnten,<br />
Tatsache, dass die Zusammenarbeit für dieses Projekt für die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
freiwillig ist, dass sie der Befragerin sehr grosses Vertrauen entgegenbringen<br />
müssen, weil sie ihr gegenüber ihr Empfinden, das sie als <strong>St</strong>ellensuchende beim<br />
RAV haben, bekannt geben müssen und weil es zudem möglich und praktisch<br />
durchführbar ist, eine Anzahl typischer Fälle aus der Gesamtheit der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
eines RAV herauszunehmen und zu befragen, eignet sich die Einzelfallstudie<br />
in der qualitativen Forschungslogik hervorragend für die Durchführung der<br />
angestrebten Analyse.<br />
Die qualitative Forschungslogik ist damit für die vorliegende Arbeit der quantitativen<br />
vorzuziehen.<br />
6.2 Die Einzelfallstudie im qualitativen Forschungsprozess<br />
Der Forschungsprozess der Einzelfallstudie wird in drei Phasen gegliedert: 384<br />
Phase 1: Populationswahl (Wahl der Untersuchungsobjekte).<br />
Phase 2: Datenerhebung.<br />
Phase 3: Auswertung des Materials.<br />
Im Folgenden werden die drei Phasen der näheren Betrachtung unterzogen.<br />
Bei den Untersuchungsobjekten von Fallstudien handelt es sich in der Regel um<br />
Personen. 385 „Die Untersuchungsobjekte sind so gewählt, dass sie ‚hinsichtlich einer<br />
gleich oder ähnlich strukturierten grösseren Menge von Phänomenen als typische<br />
Fälle oder besonders prägnante oder aussagefähige Beispiele gelten‘ 386 .“ 387<br />
382<br />
Goode/Hatt (Einzelfallstudie), S. 302 in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 16.<br />
383<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 16 f.<br />
384<br />
entsprechend Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 21.<br />
385<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 5.<br />
386<br />
Hartfiel (Wörterbuch), S. 160, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung, S. 5.<br />
387<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 5.<br />
98
Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass aus der Gesamtheit der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
eines RAV einige wenige typische Fälle von <strong>St</strong>ellensuchenden analysiert<br />
werden, im Hinblick auf ihr Kundenempfinden. Dabei ist zu erwähnen, dass die Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren die bei ihnen registrierten Personen in verschiedene<br />
Gruppen (je nach Qualifizierungsbedarf und Grad der Vermittelbarkeit)<br />
unterscheiden. Aus diesen Gruppen werden, wo dies sinnvoll ist und so weit die<br />
Personen in der Lage sind, zum Thema dieser Arbeit Aussagen zu machen, für die<br />
vorliegende Arbeit jeweils einige typische Fälle ausgewählt und befragt. 388<br />
Diese Beschränkung auf einige wenige Personen ermöglicht es, sich mit diesen intensiver<br />
zu beschäftigen, umfassenderes Untersuchungsmaterial zu erhalten und<br />
dadurch umfangreichere und komplexere Ergebnisse zu erzielen. Dies wird allgemein<br />
als der zentrale Vorteil der Fallanalyse betrachtet. 389 Das bedeutet, dass mit<br />
diesem Ansatz die erforderlichen Ergebnisse erzielt werden können, auch wenn<br />
sich nur eine kleine Zahl <strong>St</strong>ellensuchender zur Mitarbeit bei der vorliegenden Arbeit<br />
zur Verfügung stellt.<br />
Der Einzelne wird nicht als ein eher unbedeutendes, und prinzipiell austauschbares<br />
Mitglied einer Population oder <strong>St</strong>ichprobe betrachtet, das nur Träger von durch<br />
den Forscher als wichtig definierten Merkmalen ist, sondern: Der Einzelne wird<br />
als Fachmann für die Deutungen und Interpretationen des Alltags (beziehungsweise<br />
des Kontakts mit dem RAV, in der vorliegenden Arbeit) gesehen. 390<br />
Als Untersuchungseinheit für die erste Einzelfallstudie wird eine Person ausgesucht,<br />
welche als typische Vertreterin der <strong>St</strong>ellensuchenden ihrer Gruppe bezeichnet<br />
werden kann. 391 Dabei ist die Verfasserin der vorliegenden Arbeit auf die Kenntnisse<br />
und die Zusammenarbeit der leitenden Personen in den zu untersuchenden<br />
RAV angewiesen. Diese haben die Personalberater gebeten, ihnen typisch erscheinende<br />
Fälle der verschiedenen Gruppen zu fragen, ob sie zu einer Zusammenarbeit<br />
mit der Verfasserin bereit seien.<br />
Die erste Untersuchungseinheit (der erste Einzelfall) bildet anschliessend den Ausgangspunkt<br />
für die Auswahl der weiteren Untersuchungseinheiten. 392 Damit „die<br />
ganze Bandbreite aller – in den durch die Forschungsfrage als relevant definierten<br />
Situationen – vorkommenden Handlungsfiguren“ 393 untersucht werden kann, „so<br />
werden die Erhebungs- und Analyseeinheiten nach ihrer spezifischen Andersar-<br />
388<br />
Die tatsächliche Zusammensetzung der Interviewpartner wird im Kapitel 2 beschrieben.<br />
389<br />
Witzel (Verfahren), S. 78, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 6.<br />
390<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 6.<br />
391<br />
Gemäss Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 22.<br />
392<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 22.<br />
393<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 22.<br />
99
tigkeit – bezogen auf die erste untersuchte Figur – ausgewählt.“ 394 Auch diese Auswahl<br />
erfolgt, nach Instruktion der RAV-Leitung durch die Verfasserin, durch die<br />
Personalberater und die RAV-Leitung. Konkret bedeutet dies für die Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren Lugano und Solothurn, dass aus jeder Gruppe <strong>St</strong>ellensuchender<br />
(entsprechend der offiziellen Gruppeneinteilung der RAV, wie sie im<br />
Kapitel über die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren beschrieben wird) erst ein<br />
typischer Fall ausgesucht wird, und anschliessend wird eine Anzahl möglichst<br />
unterschiedlicher Fälle aus der gleichen Gruppe <strong>St</strong>ellensuchender um Mitarbeit<br />
bei der Untersuchung gebeten.<br />
Zur Illustration seien folgende Beispiele angemerkt: In der Gruppe der Versicherten<br />
mit mittlerer Vermittelbarkeit und Qualifikationsbedarf könnte eine seit 7 Monaten<br />
arbeitslose, alleinstehende 44-jährige Krankenschwester mit zurückhaltender,<br />
fast schüchterner Art, welche ihre Kenntnisse im Bereich der neuesten Pflegetechniken<br />
dringend verbessern sollte und die vor zwei Jahren bereits einmal<br />
während 4 Monaten unverschuldet arbeitslos war, als typischer, erster Einzelfall<br />
ausgewählt werden. Als weitere Analyseeinheit, die sich möglichst stark vom ersten<br />
Einzelfall unterscheidet, wäre die Auswahl eines 35-jährigen politisch aktiven,<br />
extravertierten Architekten (Fachhochschulabschluss, etwas Qualifikationsbedarf<br />
im Bereich der neuesten Informatikapplikationen, Familienvater), der aus<br />
Gründen der schlechten Baukonjunktur arbeitslos geworden ist und mittlerweile<br />
seit rund einem Jahr ohne <strong>St</strong>elle ist, denkbar.<br />
Bei der Auswahl der Untersuchungsobjekte ergeben sich Grenzen:<br />
Personen, die kaum der Unterstützung von Seiten des RAV bedürfen, jene die<br />
leicht vermittelbar sind und wenig oder keinen Bedarf an zusätzlicher Qualifikation<br />
haben, sind an den Leistungen der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren und<br />
am Kontakt mit den RAV und seinen Mitarbeitern nur sehr begrenzt interessiert.<br />
In knappen Worten erklärt, handelt es sich dabei um jene Personen, die ihre <strong>St</strong>elle<br />
verlieren und sich beim RAV im Wesentlichen nur deshalb registrieren lassen,<br />
um während der Zeit ihrer <strong>St</strong>ellensuche Geld von der Arbeitslosenkasse zu bekommen.<br />
Diese Personen organisieren ihre <strong>St</strong>ellensuche grösstenteils selber und<br />
gehen nach einigen Wochen wieder aus der Arbeitslosigkeit ab. 395 Diese Gruppe<br />
Versicherte interessiert sich nur sehr am Rande dafür, ob sie von Seiten des RAV<br />
als Kunden behandelt werden. Ihr Interesse wächst erst, wenn sie über mehrere<br />
Monate keine <strong>St</strong>elle finden und der Gang zum RAV eine gewisse Regelmässigkeit<br />
394<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 22.<br />
395<br />
Die Erklärung folgt den Erläuterungen verschiedener Personalberater der RAV Lugano und Solothurn.<br />
100
erhält. Diese Ausführungen belegen, dass es nicht einfach und auch nicht sehr sinnvoll<br />
ist, eine grössere Zahl <strong>St</strong>ellensuchender aus der Gruppe der leicht vermittelbaren<br />
Personen oder aus jener mit wenig Unterstützungsbedarf dazu zu bewegen,<br />
sich für die vorliegende Arbeit befragen zu lassen. Die Zahl der befragten Personen<br />
aus diesen Gruppen bewegt sich daher zwischen Null und Eins.<br />
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich bei der Auswahl der Personen, die als<br />
schwer vermittelbar gelten und einen sehr hohen Qualifikationsbedarf haben. Diese<br />
Personen sind teilweise nur schwer in der Lage zu formulieren, ob sie sich vom<br />
RAV als Kunden behandelt fühlen und welche Faktoren dieses Empfinden beeinflussen.<br />
Sprachbarrieren können überbrückt werden, so lange es um Fremdsprachen<br />
geht. Wenn die Personen aber schlicht nicht in der Lage sind, sich zu artikulieren,<br />
egal in welcher Sprache, dann stösst eine Untersuchung, die von der Kommunikation<br />
lebt, an Grenzen. Auch bei dieser Gruppe bewegt sich die Zahl der<br />
befragten Personen daher zwischen Null und Eins.<br />
Damit liegt der Schwerpunkt der Untersuchungseinheiten für die vorliegende Arbeit<br />
bei Personen mit mittlerer Vermittelbarkeit, mit oder ohne Qualifikationsbedarf<br />
sowie bei Personen, die schwer vermittelbar sind, aber über keinen Qualifikationsbedarf<br />
verfügen (denkbar sind dabei gut qualifizierte Personen, deren Wissen<br />
dem neuesten <strong>St</strong>and entspricht, die aber das 60. Lebensjahr bereits<br />
überschritten haben). 396<br />
Die Erhebung der Daten der Einzelfälle aus der Sicht der qualitativen Sozialforschung<br />
geschieht dadurch, „dass der Forscher sich in ein Feld begibt und sich mit<br />
seinen bisherigen Kenntnissen dort zu informieren sucht, vertraut macht mit Praktiken,<br />
Handlungs- und Sprechweisen der dort ansässigen Menschen, an deren Wissen<br />
partizipiert und Kenntnisse von den Gegenständen und Prozessen bekommt,<br />
mit denen er im Feld zu tun hat.” 397 „Einzelfallstudien ,basieren auf Forschung in<br />
einem Feld, das heisst, einem natürlichen Bereich der Gesellschaft, der nicht zum<br />
Zwecke der Untersuchung erst erzeugt worden ist.‘ 398 “ 399 Für die vorliegende Arbeit<br />
bedeutet dies, dass die Forscherin in die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
geht und sich dort mit den <strong>St</strong>ellensuchenden unterhält. Die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
kommen, auch ohne Befragung dieser Art, jeden Monat mindestens einmal ins Regionale<br />
Arbeitsvermittlungszentrum. Das „Feld“, nämlich „<strong>St</strong>ellensuchende im<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum“ wird nicht extra für die Untersuchung<br />
erzeugt.<br />
396<br />
Die Zusammensetzung der Interviewpartner im Einzelnen wird weiter unten beschrieben.<br />
397<br />
Hermanns et al. (Interviews), S. 147 in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 23.<br />
398<br />
Hermanns et al. (Interviews), S. 147 in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 23.<br />
399<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 23.<br />
101
Die Untersuchungssituation kann im vorliegenden Fall als durchaus naturalistisch<br />
bezeichnet werden. Die <strong>St</strong>ellensuchenden werden in den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren,<br />
im Büro eines (nicht anwesenden) Personalberaters (Solothurn)<br />
beziehungsweise in einem geschlossenen Sitzungszimmer, direkt neben den Arbeitsplätzen<br />
der Personalberater (Lugano), befragt. Die Untersuchungssituation<br />
stellt sich damit für die <strong>St</strong>ellensuchenden naturalistisch, wie ein anderer Beratungstermin<br />
beim RAV, dar.<br />
„Die qualitative Sozialforschung setzt (...) auf kommunikative Erhebungstechniken<br />
und naturalistische Untersuchungssituationen. Im qualitativen Paradigma<br />
werden daher vorwiegend folgende Techniken verwandt: offene und narrative<br />
Interviews, teilnehmende (verdeckte, unentdeckte) Beobachtung, Gruppendiskussionsverfahren<br />
und die Quellenanalyse (Aktenanalyse usw.). Die Wahl der Technik<br />
richtet sich nach theoretischen Prämissen, nach den Eigenheiten der Untersuchungsobjekte<br />
und nach den spezifischen Erkenntniszielen. Je nachdem, ob die<br />
Untersuchungseinheit eine Einzelperson oder ein soziales Aggregat ist, werden<br />
Interviews und Quellenanalyse (Einzelpersonen) oder Gruppendiskussionsverfahren<br />
und Beobachtung (soziales Aggregat) bevorzugt.“ 400<br />
Zu den Techniken kann folgendes gesagt werden: Für die vorliegende Arbeit fallen<br />
Gruppendiskussionen und Quellenanalyse aus Gründen der Diskretion und des<br />
Datenschutzes weg. Quellenanalyse würde für die vorliegende Arbeit bedeuten,<br />
dass Einsicht in die beim jeweiligen RAV vorhandenen Akten der Personen (z.B.<br />
Gesprächsprotokolle von Einzelgesprächen zwischen Arbeitslosem und Personalberater)<br />
gewährt würde. Diese Einsicht kann aus Gründen des Datenschutzes nicht<br />
gewährt werden.<br />
Da für die vorliegende Arbeit Einzelpersonen und nicht soziale Aggregate untersucht<br />
werden, ist auch die Gruppendiskussion kaum noch relevant. Dazu kommt,<br />
dass Arbeitslosigkeit von den meisten Personen als unangenehme Lebenssituation<br />
401 empfunden wird. Bei einer Gruppendiskussion besteht die Gefahr, dass die<br />
beteiligten stellensuchenden Personen nicht ihre tatsächlichen Meinungen kundgeben<br />
würden, sondern sich auf das Aussprechen von Gemeinplätzen beschränken,<br />
um nicht vor den anderen Gruppenmitgliedern zu viel von ihren persönlichen<br />
Problemen preisgeben zu müssen. Dies ist eindeutig anlässlich der Pretests zur Befragung<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden, in denen die Befragten auf diese Möglichkeit hingewiesen<br />
wurden, hervorgegangen.<br />
Ähnliches gilt für die Beobachtung. Eine interessante Möglichkeit wäre zum Bei-<br />
400<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 24.<br />
401<br />
Die Befragten in den Pretests äusserten sich ausnahmslos entsprechend.<br />
102
spiel, eine Anzahl Gespräche zwischen Personalberater und <strong>St</strong>ellensuchenden zu<br />
beobachten. Die arbeitslosen und stellensuchenden Personen bevorzugen aber eindeutig<br />
die Diskretion des Einzelinterviews. Auch dies haben die Pretests, bei denen<br />
die Befragten nebenbei nach dieser Möglichkeit gefragt wurden, unter anderem<br />
ergeben. Auf Video- oder Tonbandaufzeichnungen muss daher ebenfalls verzichtet<br />
werden, um den Gesprächsfluss nicht unnötig zu hemmen. Verschiedene<br />
Interviewpartner haben sich erst zum Gespräch bereit erklärt, nachdem ihnen versichert<br />
wurde, dass weder Video-, noch Tonbandaufnahmen gemacht werden, dass<br />
die Gespräche in einem geschlossenen Raum, ohne Anwesenheit von RAV-Mitarbeitern<br />
stattfinden, dass die im Interview bekannt gegebenen Daten in anonymisierter<br />
Form verarbeitet werden und dass kein Mitarbeiter eines RAV oder einer<br />
übergeordneten <strong>St</strong>elle Einsicht in die Gesprächsprotokolle erhält.<br />
Die Methode der Beobachtung kommt aber doch noch zum Einsatz, wenn auch in<br />
eher untergeordneter Rolle. Da die Interviewsituation in den Räumen der Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren stattfinden und auch sonst den Beratungsterminen<br />
sehr ähnlich sind, können die <strong>St</strong>ellensuchenden beobachtet werden, wie sie<br />
zum Termin erscheinen (zum Beispiel selbstbewusst, zögerlich, unsicher oder sogar<br />
ängstlich). In einzelnen Fällen wird sogar das Beobachten wartender <strong>St</strong>ellensuchender<br />
aus der Gruppe der Befragten möglich, wenn sie in der Aufenthaltszone<br />
oder in den Gängen auf ihren Beratungstermin warten. Die Ergebnisse, die aus<br />
solchen Beobachtungen erarbeitet werden können, sind allerdings eher spärlich,<br />
können aber trotzdem nützliche Hinweise dazu geben, ob die Empfindungen einer<br />
Person während des Interviews in der korrekten Richtung erfasst worden sind.<br />
Damit wird der Forderung nach Methodentriangulation (Verwendung mehrerer<br />
Techniken), wenn auch in sehr beschränktem Masse, wenigstens teilweise Genüge<br />
getan. Es wird der Vorteil der Einzelfallstudie genutzt, welche es ermöglicht,<br />
verschiedene Verfahren auf dieselben Untersuchungseinheiten anzuwenden und<br />
die Ergebnisse anschliessend aufeinander zu beziehen. 402 Die Methodentriangulation<br />
trägt dazu bei, „ein möglichst geschlossenes Bild der Untersuchungseinheit<br />
zu erhalten.“ 403 „Die Methodentriangulation ermöglicht die Ausmerzung erkannter<br />
Fehler und stellt eine Prophylaxe gegen unerkannte Fehler dar.“ 404<br />
402<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 24 f.<br />
403<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 24.<br />
404<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 25.<br />
103
6.2.1 Prüfung der Interviewformen<br />
Der Begriff der Befragung, bzw. des Interviews kann folgendermassen definiert<br />
werden:<br />
„Befragung bedeutet Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen.<br />
Durch verbale <strong>St</strong>imuli (Fragen) werden verbale Reaktionen (Antworten) hervorgerufen:<br />
Dies geschieht in bestimmten Situationen und wird geprägt durch gegenseitige<br />
Erwartungen. Die Antworten beziehen sich auf erlebte und erinnerte soziale<br />
Ergebnisse, stellen Meinungen und Bewertungen dar.“<br />
Definition 6: Die Befragung 405<br />
Zur Durchführung von qualitativen (Einzel-)interviews stehen verschiedene Formen<br />
zur Verfügung. „Der Begriff des qualitativen Interviews, so wie er hier verwendet<br />
wird, umfasst eine Vielzahl ähnlicher, aber nicht identischer Erhebungsverfahren<br />
auf der Basis qualitativer Methodologie.“ 406 In der Literatur finden sich<br />
407 408<br />
zahlreiche Bezeichnungen für qualitative Interviews.<br />
Beim qualitativen Interview beschränkt sich der Interviewer darauf, eher wenige<br />
und tendenziell allgemein gehaltene Fragen zu stellen. Diese sollen dazu dienen,<br />
den Interviewten zu eigenen Ausführungen anzuregen. 409 „Dabei werden die Fragen<br />
selbstverständlich (...) nach den zunächst einmal relevant erscheinenden<br />
Aspekten, Gegenständen und den entwickelten Forschungsabsichten gestellt. Der<br />
Befragte soll seine auf die Fragen gegebenen Antworten – gemäss seinem eigenen<br />
Vorverständnis und seiner eigenen Interpretation – konkretisieren, vielleicht auch<br />
interpretieren, wobei ihm bei der Antwort ein breitest möglicher Freiraum zur Verfügung<br />
steht. Dieser Spielraum ist sowohl inhaltlich-substantiell, wie auch durch<br />
Sprachvermögen und Artikulation determiniert.“ 410<br />
Ein Beispiel dafür stellt die folgende Frage aus dem für die vorliegende Arbeit er-<br />
405<br />
Atteslander (Methoden), S. 132.<br />
406<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 68.<br />
407<br />
Entsprechend findet man bei Kohli ((Interview), S. 7) die Begriffe Intensiv-, Tiefen-, unstrukturiertes,<br />
qualitatives, detailliertes, zentriertes und offenes Interview. Diese Liste liesse sich unter Rekurs<br />
auf andere Autoren beliebig erweitern, etwa durch das narrative Interview (Schütze (Interview)), das<br />
problemzentrierte (Witzel (Verfahren) und Witzel (Interview)), das rezeptive (Kleinig (Rezeptiv))<br />
u.a.m.<br />
408<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 68.<br />
409<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 69.<br />
410<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 69.<br />
104
stellten Interviewerleitfaden dar: „Fühlen Sie sich wohl beim RAV“ Dabei wird<br />
die Frage beim Interview erst in dieser Form in den Raum gestellt. Je nach dem,<br />
wie der befragte <strong>St</strong>ellensuchende reagiert, werden, in Gesprächsform, in zurückhaltender<br />
Art und Weise, verschiedene Antwortmöglichkeiten dargestellt, die von<br />
„Ich fühle mich sehr wohl“ bis „Ich fühle mich gar nicht wohl beim RAV“ reichen<br />
und die in jedem Fall vom Interviewten automatisch mit den entsprechenden Kommentaren<br />
und Erläuterungen ergänzt werden. Die Frage ist auch ein typisches Beispiel<br />
dafür, wie Sprachvermögen und Artikulation die Möglichkeiten beschränken,<br />
genau auszudrücken, ob und weshalb beziehungsweise warum man sich nicht<br />
wohl fühlt beim RAV. Es geht dabei darum, Empfindungen in Worte zu fassen, was<br />
insbesondere für jene Personen schwierig ist, die über begrenzte Sprachkenntnisse<br />
in der Interviewsprache (deutsch oder italienisch) oder über ein sonst begrenztes<br />
Sprachvermögen verfügen.<br />
Um weiter einzugrenzen, welche Form des qualitativen Interviews für die vorliegende<br />
Arbeit sinnvollerweise zum Einsatz kommen soll, dienen die folgenden<br />
Ausführungen:<br />
Lamnek 411 unterscheidet als wichtige Formen qualitativer Interviews „Das narrative<br />
Interview“, „Das problemzentrierte Interview“, „Das fokussierte Interview“,<br />
„Das Tiefen- oder Intensivinterview“ sowie „Das rezeptive Interview“. Deren Eigenschaften<br />
können im methodologischen Vergleich folgendermassen dargestellt<br />
werden:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
411<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 70 ff.<br />
105
Tabelle 14: Methodologischer Vergleich verschiedener Formen qualitativer<br />
Interviews 412<br />
In den folgenden Absätzen werden die verschiedenen Formen kurz diskutiert und<br />
auf ihre Eignung für die Anwendung in der vorliegenden Arbeit diskutiert:<br />
„Im narrativen Interview wird der zu Befragende aufgefordert, zu dem im Gespräch<br />
benannten Gegenstand (Anm. d. Verf.: sein Kundenempfinden als <strong>St</strong>ellensuchender)<br />
zu erzählen, was natürlich voraussetzt, dass der zu Befragende eine<br />
entsprechende Kompetenz besitzt.“ 413 Die <strong>St</strong>ellensuchenden verfügen im vorliegenden<br />
Fall zweifelsohne über die Kompetenz, sich über ihr<br />
Kundenempfinden bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren zu äussern,<br />
da sie ja die direkten Empfänger der, von Seiten der RAV angebotenen, Dienstleistungen<br />
sind.<br />
Der Forscher geht beim narrativen Interview völlig ohne wissenschaftliches Konzept<br />
über die Themenbereiche des Interviews in die Datenerhebung hinein. 414 Er<br />
wird als theoretische tabula rasa, also eine Art unbeschriebenes, unvoreingenommenes,<br />
von wissenschaftlichen Vorüberlegungen unbelastetes Blatt, bezeichnet. 415<br />
„Die Entwicklung seiner theoretischen Vorstellungen erfolgt erst auf der Grundla-<br />
412<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 91.<br />
413<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 70 gemäss Schütze (Interview). Die Kursivschriftart für<br />
einzelne Begriffe im Zitat wurde für die vorliegende Arbeit gewählt und entspricht nicht dem Originalzitat.<br />
414<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 74.<br />
415<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 90.<br />
106
ge der Äusserungen des Alltagshandelnden auf der Basis des Erhebungsprotokolls,<br />
des Transkriptes etc.“ 416<br />
Dadurch, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden aufgefordert werden, „einfach mal zu erzählen“,<br />
ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie sehr viele Details 417 rund um ihre<br />
persönliche Situation, ihr Verhalten und Empfinden im Kontakt mit dem RAV, aber<br />
auch mit Arbeitgebern, Arbeitslosenkasse, Familienangehörigen, ehemaligen Arbeitskollegen<br />
usw. preisgeben. Dies haben auch die Pretests gezeigt: So bald die<br />
Befragten „einfach reden“, kommen verschiedenste Aspekte, teilweise sehr detailliert,<br />
rund ums Thema Arbeitslosigkeit zur Sprache. Das Ziel dieser Arbeit ist<br />
aber nicht so weit gefasst. Es interessieren für die vorliegende Analyse lediglich<br />
die Empfindungen, die Hinweise auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
im Verkehr mit dem RAV geben können. Eine derart offene und unvoreingenommene<br />
Art der Befragung, der keinerlei wissenschaftliches Konzept zugrundeliegen<br />
sollte, wie sie das narrative Interview darstellt, ist daher für die vorliegende Arbeit<br />
nicht geeignet.<br />
Beim problemzentrierten Interview tritt der Forscher bereits mit einem theoretisch-wissenschaftlichen<br />
Vorverständnis in die Erhebungsphase ein. Wie im narrativen,<br />
wird aber auch im problemzentrierten Interview das Erzählprinzip in den<br />
Vordergrund gestellt: „Die Bedeutungsstrukturierung der sozialen Wirklichkeit<br />
bleibt dem Befragten allein überlassen. Mit den völlig offenen Fragen wird lediglich<br />
der interessierende Problembereich eingegrenzt und ein erzählgenerierender<br />
<strong>St</strong>imulus angeboten.“ Das theoretische Konzept soll nicht bekannt werden und entsprechend<br />
sollen dadurch keine verzerrenden Wirkungen auftreten können. 418<br />
Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass die Forscherin zwar Vorstellungen<br />
darüber haben darf, was Probleme der <strong>St</strong>ellensuchenden im Verkehr mit den RAV<br />
sein könnten und in welcher Richtung die Faktoren, welche das Kundenempfinden<br />
beeinflussen, gesucht werden könnten. Die Interviews müssen aber völlig offen<br />
geführt werden, dürfen nicht direkt auf das Herausfinden der gesuchten Faktoren<br />
abzielen.<br />
Auch wenn das Verfahren des problemzentrierten Interviews einen standardisierten<br />
Kurzfragebogen zur Einleitung ins Thema und einen Leitfaden für die Befragung<br />
selber erlaubt, 419 besteht die Gefahr, dass die Antworten zu weit gefasst, zu wenig<br />
zielgerichtet für diese Analyse und gegebenenfalls zu oberflächlich ausfallen.<br />
Das problemzentrierte Interview möchte zudem eine Vielzahl von Methoden (wie<br />
416<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 90.<br />
417<br />
Auch Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 72 äussert sich in dieser Art.<br />
418<br />
Zum ganzen Abschnitt sowie zum direkten Zitat: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 75.<br />
419<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 76 f.<br />
107
zum Beispiel Gruppendiskussionen, biographische Methoden, Inhaltsanalysen<br />
usw.) der Datenerhebung praktizieren. 420 Es wurde aber bereits diskutiert, dass die<br />
Möglichkeit der Anwendung verschiedener Erhebungsmethoden für die vorliegende<br />
Arbeit nur sehr beschränkt möglich ist und dass aus diesen Gründen das<br />
Hauptgewicht zur Erhebung der Daten auf Interviews gelegt wird.<br />
Das problemzentrierte Interview ist aus den dargelegten Gründen für die Erhebung<br />
der Daten für die vorliegende Arbeit nicht ideal und kommt daher nicht zur Anwendung.<br />
Beim fokussierten Interview handelt es sich in gewissem Sinne um eine Kombination<br />
von unentdeckter Beobachtung und qualitativem Interview. 421 „Ausgangspunkt<br />
des fokussierten Interviews ist die Tatsache, dass die zu Befragenden eine<br />
spezifische, konkrete, keineswegs experimentell konstruierte, sondern ungestellte<br />
Situation erfahren und erlebt haben (...)“ 422 „Diese realen Feldsituationen hat der<br />
Forscher beobachtet und er versucht über eine Analyse der Situationen, die hypothetisch<br />
bedeutsamen Elemente und Muster herauszufiltern, indem er sich mit der<br />
Situation auseinandersetzt und die Reaktionen der in dieser Situation Beobachteten<br />
ermittelt.“ 423<br />
Für die vorliegende Arbeit würde dies bedeuten, dass die Forscherin beobachtend<br />
an Beratungsgesprächen zwischen <strong>St</strong>ellensuchenden und Personalberatern anwesend<br />
sein kann. Dies ist, wie bereits diskutiert wurde, aus Gründen der Diskretion<br />
und des Datenschutzes nicht möglich. Das fokussierte Interview fällt damit als<br />
Möglichkeit zur Datenerhebung für die vorliegende Arbeit weg.<br />
Tiefen- oder Intensivinterview: Beim narrativen, beim problemzentrierten und<br />
beim fokussierten Interview erfolgt die Bedeutungszuweisung allein durch den Befragten<br />
in der Interviewsituation. Es geht dabei darum, die Bedeutungsstrukturierungen<br />
des Befragten nachzuvollziehen. 424 „Im Tiefeninterview wird nun dieses<br />
Ziel gerade nicht anvisiert, denn es gibt Tatbestände, die der Befragte nicht artikulieren<br />
kann, weil sie ihm nicht bewusst sind. Im Tiefeninterview ist der Forscher<br />
vielmehr auf der Suche nach solchen Bedeutungsstrukturierungen, die dem Befragten<br />
möglicherweise nicht bewusst sind.“ 425 Beim Tiefen- oder Intensivinterview<br />
werden die Äusserungen der Befragten (im vorliegenden Fall der <strong>St</strong>ellensu-<br />
420<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 74 und 76.<br />
421<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 79.<br />
422<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 79.<br />
423<br />
Merton/Kendall (Interview), S. 171, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 79.<br />
424<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 81.<br />
425<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 81; die kursive Schriftart wurde für die vorliegende Arbeit<br />
ergänzt.<br />
108
chenden) vor dem Hintergrund einer bestimmten theoretischen Vorstellung (in<br />
diesem Fall dem Kundenkonzept) betrachtet. 426 So weit eignet sich das Tiefeninterview<br />
gut für die Ermittlung der für die vorliegende Arbeit relevanten Daten. Es<br />
soll nämlich herausgefunden werden, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden der RAV Lugano<br />
und Solothurn als Kunden behandelt fühlen und welche Faktoren dieses Kundenempfinden<br />
beeinflussen. Dabei geht es darum, herauszufinden, was die Befragten<br />
tatsächlich empfinden, ohne dass sich diese zwingend bewusst sein müssen,<br />
ob überhaupt und wenn ja, weshalb sie sich als Kunden behandelt fühlen bzw.<br />
weshalb nicht. Die Pretests haben gezeigt, dass nicht nur das Bewusstsein des<br />
Kundenempfindens bei zahlreichen <strong>St</strong>ellensuchenden fehlt, sondern dass, so bald<br />
das Thema „Kunde“ im Zusammenhang mit dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
angesprochen wird, die Reaktionen häufig erst einmal negativ ausfallen.<br />
Bereits wenn der Sinn des Gesprächs erklärt wird und die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
den Begriff „Kunde“ zum ersten Mal hören, reagieren viele a priori negativ,<br />
indem sie dazu meinen, als Kunden würden sie ja sowieso nicht behandelt. Dabei<br />
ist es wichtig, von Seiten der Interviewerin auf diese ersten Vorab-Voten nicht weiter<br />
einzugehen, sie lediglich zur Kenntnis zu nehmen und mit einem verständnisvollen,<br />
aber nicht wertenden Blick zu quittieren. Im weiteren Verlauf der Interviews<br />
ergibt sich dann häufig ein komplett anderes Bild des Kundenempfindens<br />
der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden. Es kommt vor, dass sich <strong>St</strong>ellensuchende während<br />
des Interviews bewusst werden, dass sie sich durchaus als Kunden von Seiten<br />
des RAV behandelt fühlen, dass sie sich bis anhin dazu lediglich noch keine<br />
vertieften Gedanken gemacht haben. Genau so gibt es Fälle, in denen deutlich klar<br />
wird, dass sich die Befragten zwar als Kunden behandelt fühlen, sich aber dessen<br />
nach wie vor nicht bewusst sind. Mittels des Tiefeninterviews kann die Forscherin<br />
also Bedeutungsstrukturen herausfinden, die den Befragten teilweise gar nicht<br />
bewusst sind.<br />
„Das Tiefeninterview vollzieht sich in der Form eines freien Gespräches, bei welchem<br />
dem Interviewer im Prinzip die Erhebungsgesichtspunkte vorgeschrieben<br />
sind, Aufbau des Gesprächs und Auswahl der Fragen jedoch ins freie Ermessen gestellt<br />
werden“ 427 . Die Befragten werden auch im Tiefen- oder Intensivinterview dazu<br />
angehalten, die subjektiven Bedeutungszuweisungen weitergehend zu erklären.<br />
428 Um die Befragung in ausreichendem Masse in die Richtung zu lenken, damit<br />
tatsächlich die Faktoren des Kundenempfindens ermittelt werden können, wird<br />
426<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 81.<br />
427<br />
Scheuch (Methoden), S. 206, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 81. Die kursive Schriftart<br />
wurde für die vorliegende Arbeit ergänzt.<br />
428<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 81.<br />
109
in der vorliegenden Arbeit das Tiefeninterview etwas stärker strukturiert als es<br />
Scheuch fordert. Nebst dem Festhalten der Erhebungsgesichtspunkte soll ein eigentlicher<br />
Interviewerleitfaden (s. dazu die Ausführungen im Kapitel 5 und der<br />
Interviewerleitfaden für Gespräche mit <strong>St</strong>ellensuchenden im Anhang) helfen, das<br />
Gespräch in die interessierende Richtung zu führen.<br />
Gemäss diesen Ausführungen kann das Tiefeninterview als geeignete Form zur Erhebung<br />
der Daten für die vorliegende Arbeit bezeichnet werden.<br />
„Das rezeptive Interview (ist) die offenste Form der Befragung: Der Forscher stellt<br />
weder Fragen mit Vorgaben von Antwortmöglichkeiten, wie bei quantitativen Erhebungen,<br />
noch Fragen ohne genau festgelegte oder überhaupt nicht vorgegebene<br />
Antwortarten, wie bei mehr oder weniger strukturierten qualitativen Interviews,<br />
sondern lässt nicht nur die Antworten, sondern sogar die Fragen offen. Die Mitteilungen<br />
des rezeptiven Interviews sind deswegen am meisten befragtenzentriert,<br />
stammen ganz aus seiner Lebenswelt“ 429 . Diese Form der Befragung ist für die vorliegende<br />
Arbeit nicht geeignet, da sie mit dieser sehr offenen <strong>St</strong>ruktur zuwenig auf<br />
das eigentliche Ziel, das Herausfinden von Faktoren des Kundenempfindens, zielt.<br />
6.2.2 Untersuchungssituation<br />
„Das Untersuchungsfeld der qualitativen Sozialforschung ‚ist die natürliche Welt,<br />
die mit naturalistischen Methoden erfasst und beschrieben werden soll’ 430 . Die<br />
Kommunikation, die wissenschaftlich betrachtet wird, sollte möglichst naturalistisch<br />
sein. Verfremdende Einflüsse durch eine ungewöhnliche, unnatürliche Kommunikationssituation<br />
während der Erhebung führen auch zu verfremdeten und unnatürlichen<br />
Interpretationen und Deutungen der untersuchten Personen. Die<br />
Untersuchungssituation soll daher dem Lebensalltag des zu Untersuchenden nicht<br />
fremd sein.“ 431 Die Datenerhebung soll in einer Umgebung stattfinden, die dem Befragten<br />
vertraut ist. 432 Die vorliegende Arbeit wird dieser Forderung dadurch gerecht,<br />
dass für die einzelnen Interviews ein Raum innerhalb des jeweiligen RAV gewählt<br />
wird und Interviewerin und Befragter dabei an einem Tisch einander gegenüber<br />
sitzen. Die Situation gleicht damit jener eines Beratungstermins zwischen<br />
429<br />
Kleining (Rezeptiv), S. 3, in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 84. Die Kursivschriftart für<br />
einzelne Begriffe im Zitat wurde für die vorliegende Arbeit gewählt und entspricht nicht dem Originalzitat.<br />
430<br />
Lamnek (Methodologie), S. 41 in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 20; die kursive Schriftart<br />
wurde für die vorliegende Arbeit ergänzt.<br />
431<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 20.<br />
432<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 95.<br />
110
stellensuchender Person und Personalberater des RAV. Auch bei einem Beratungstermin<br />
sitzen sich die beiden Personen gegenüber, der Personalberater stellt<br />
Fragen, die stellensuchende Person antwortet, stellt bei Bedarf Gegenfragen und<br />
es entwickelt sich ein Dialog. Es handelt sich um die gleichen Räumlichkeiten mit<br />
einheitlicher Möblierung, dieselbe Aussicht aus dem Fenster, dieselbe Atmosphäre,<br />
wie bei einem Beratungstermin. Die Situation ist der befragten Person also<br />
durchaus bekannt, was aber gleichzeitig die Gefahr der Asymmetrie der Erhebungssituation<br />
im Interview begründen kann. Diese kann einerseits dadurch entstehen,<br />
dass, gerade durch die Ähnlichkeit der Gesprächssituation mit einem Personalberatergespräch<br />
eine Art Autoritätsgefälle entsteht, indem die befragten Personen<br />
die Interviewerin in gewissem Sinne mit den Personalberatern gleichsetzen<br />
und diese als Autoritätsperson anerkennen. Das kann dazu führen, dass die Befragten<br />
geneigt sind,Antworten zu geben, von denen sie annehmen, dass sie im Sinne<br />
der RAV-Autoritäten sind. Eine ähnliche Gefahr besteht bei Personen, die über<br />
eine geringere kommunikative Kompetenz verfügen als die Interviewerin selber.<br />
Diese könnten versucht sein, Angaben zu machen, von denen sie annehmen, dass<br />
sie die Interviewerin erwartet, anstatt ihre tatsächliche Meinung darzustellen. 433<br />
Der Gefahr der Asymmetrie der Erhebungssituation im Interview wird dadurch begegnet,<br />
dass in der Erhebungssituation selber in individueller Weise auf die untersuchte<br />
Person eingegangen wird. Es kann nachgefragt werden, die Befragten können<br />
zu freiem Erzählen angeregt werden oder es werden Gegenfragen gestellt. Je<br />
geringer dabei der Grad der <strong>St</strong>andardisierung der Befragung ist, desto besser stehen<br />
die Chancen für eine natürliche und realitätsnahe Kommunikation. Der Befragte<br />
kann seine Antworten frei und in ihrer ganzen Komplexität vortragen und<br />
muss sie nicht in vorgefasste Schemata von Indikatoren zwängen. 434 Für die Befragungen<br />
bei der vorliegenden Arbeit bedeutet dies, dass den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
zwar eine Frage nach der andern gestellt wird, sie diese aber nicht unmittelbar und<br />
in kurzen, knappen Sätzen beantworten müssen. Sie können abschweifen, ihre<br />
Ausführungen mit Hintergrundinformationen ergänzen. Die Interviewerin kann<br />
auf einzelne Aspekte eingehen, wenn dies sinnvoll erscheint, sich auch vom eigentlichen<br />
Thema „Fühlen Sie sich als Kunde behandelt und wodurch“ entfernen<br />
und auf Teile der Hintergrundinformationen eingehen. Dadurch entsteht ein hoher<br />
Grad an Naturalistizität. Die Besonderheit einer Untersuchungssituation verschwindet<br />
und es entwickelt sich ein Alltagsgespräch von Mensch zu Mensch.<br />
Damit ist dem Erfordernis der qualitativen Sozialforschung, dass die natürliche<br />
433<br />
Zu diesem Problem: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 20.<br />
434<br />
Vgl. dazu Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 20.<br />
111
Welt mit naturalistischen Methoden erfasst und beschrieben werden soll 435 und die<br />
Kommunikation, welche wissenschaftlich betrachtet wird, möglich naturalistisch<br />
sein soll, 436 Genüge getan.<br />
6.2.3 <strong>St</strong>andardisierungsgrad des Interviews und Art der Fragen<br />
Als eine mögliche Dimension der Klassifikation von Befragungen kann die <strong>St</strong>andardisierung<br />
des Interviews herausgegriffen werden. „Bei der standardisierten Befragung<br />
wird die asymmetrische Kommunikationssituation dadurch verschärft,<br />
dass – geradezu gleichgültig, welche Antwort der Befragte gegeben hat – der Interviewer<br />
mit der nächsten Frage des Fragebogens fortfährt. Eine Potenzierung dieses<br />
Problems der Asymmetrie tritt weiter dadurch ein, dass der Befragte mit seinen<br />
Antworten in das Korsett der vorgegebenen Antwortkategorien gepresst wird.<br />
Und fragt der Befragte – aus welchen Gründen auch immer – einmal nach, so hat<br />
der Interviewer in vielen Fällen die Anweisung, die Frage in der gleichen Formulierung<br />
zu wiederholen (Paraphrasierungen sind verboten) oder die Antwort (etwa<br />
auf die Frage nach seiner eigenen Meinung) zu verweigern, um nicht suggestiv zu<br />
beeinflussen. Dass diese <strong>St</strong>rategien alle an der Situation eines Alltagsgesprächs<br />
vorbeigehen und keineswegs einer Kommunikation förderlich sind, braucht nicht<br />
besonders herausgestellt zu werden.“ 437<br />
Im qualitativen Interview geht der Interviewer auf das Gesagte ein und formuliert<br />
danach seine weiteren Fragen. Der Befragte kann seine Gedanken mit seinen eigenen<br />
Worten formulieren. Der Interviewer hat die Möglichkeit eines ausführlichen<br />
Gesprächs. Dabei kann er auch Fragen, die ihm selber gestellt werden, in<br />
akzeptabler Art und Weise beantworten. Durch diese offenere und freiere Gestaltung<br />
des Interviews wird wiederum die Asymmetrie zwischen Fragendem und<br />
Antwortendem gemildert. Es handelt sich lediglich noch um eine Asymmetrie, wie<br />
sie auch in Alltagsgesprächen zu finden ist. 438<br />
Die <strong>St</strong>andardisierung kann zu einem wesentlichen Differenzierungskriterium zwischen<br />
qualitativer und quantitativer Sozialforschung gemacht werden. 439 Dabei kann die standardisierte<br />
Befragung vorwiegend der quantitativen Sozialforschung und die nichtstandardisierte<br />
Befragung der qualitativen Sozialforschung zugeordnet werden. 440<br />
435<br />
Lamnek (Methodologie), S. 41 in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 20.<br />
436<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 20.<br />
437<br />
Ganzer Abschnitt und wörtliches Zitat: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 40.<br />
438<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 40.<br />
439<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 40.<br />
440<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 40 ff.<br />
112
„’Bei der standardisierten Befragung wird ein detailliert ausgearbeiteter Fragebogen<br />
verwendet, in dem sowohl die Formulierung der einzelnen Fragen wie auch<br />
die Reihenfolge der Fragen fixiert ist. Jedes Abweichen davon ist unzulässig und<br />
würde die Reizstandardisierung und damit die Akkumulierung der Daten und die<br />
Generalisierung der Dateninterpretation problematisch machen.’“ 441<br />
„Der standardisierten Befragung steht auf der anderen Seite die nicht-standardisierte,<br />
offene oder qualitative Befragung gegenüber. Sie ist dadurch zu charakterisieren,<br />
dass sie ohne Fragebogen oder festes Frageschema durchgeführt wird. Weder<br />
die Formulierung der einzelnen Fragen noch der Ablauf der Befragung ist vorab<br />
festgelegt. In der Regel gibt es nur ein bestimmtes Rahmenthema, über das man<br />
sich frei unterhält, wobei der Interviewer lediglich durch Zwischenfragen weiterhilft,<br />
zur Präzisierung auffordert, durch Paraphrasierung Klarheit schafft usw. 442<br />
„Zwischen diesen beiden Extremtypen lässt sich die halb-standardisierte Befragung<br />
ansiedeln, bei der dem Forscher ein Interviewerleitfaden vorgegeben ist, es<br />
dem Interviewer jedoch überlassen bleibt, Reihenfolge und Formulierung der Fragen<br />
im wesentlichen selbst zu bestimmen.“ 443<br />
Die standardisierte Befragung eignet sich für die vorliegende Arbeit schlecht, da<br />
sie den Befragten keinen Raum lässt, ihre Empfindungen, über die Beantwortung<br />
der eigentlichen Fragen hinaus, auszudrücken. Ziel der Arbeit ist es aber gerade,<br />
herauszufinden, ob sich die Befragten als Kunden der RAV empfinden. Die offene<br />
Befragung dagegen birgt die Gefahr in sich, dass zuwenig konkrete Aspekte angesprochen<br />
werden, dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden in Ausführungen über ihre aktuelle<br />
Lebenssituation in Arbeitslosigkeit und in Details im Verkehr mit den Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren verlieren.<br />
Aus diesem Grund kommt für die vorliegende Arbeit die halb-standardisierte Befragung<br />
mit Interviewerleitfaden zur Anwendung, um herauszufinden, ob sich die<br />
stellensuchenden Personen der RAV Lugano und Solothurn als Kunden behandelt<br />
fühlen und welche Kriterien dazu beitragen, dass sie sich (vermehrt) als Kunden<br />
behandelt fühlen.<br />
Für die Charakterisierung qualitativer Interviews ist auch die Art der gestellten<br />
Fragen wichtig. Die quantitative Sozialforschung hat die Differenzierung zwischen<br />
geschlossener und offener Frage eingeführt. 444 „Geschlossene Fragen sind<br />
dabei solche, bei denen implizit in der Frageformulierung selbst oder durch die<br />
441<br />
Lamnek (Arbeitsmethoden), S. 134 in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 40.<br />
442<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 43.<br />
443<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 47; die kursive Schriftart wurde für die vorliegende Arbeit<br />
ergänzt<br />
444<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 58, dazu auch Friedrichs (Methoden), S. 198.<br />
113
Vorgabe von Antwortkategorien ausserhalb der Fragestellung die möglichen Antworten<br />
vorgegeben sind. Der Befragte entscheidet sich für eine oder mehrere Antwortkategorien,<br />
nämlich jene, die seiner tatsächlichen Einstellung, seinem Verhalten<br />
etc. entsprechen oder am nächsten kommen.“ 445 Man unterscheidet dabei „implizit<br />
geschlossene Fragen“, auf die der Antwortende von sich aus zum Beispiel<br />
mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann und „explizit geschlossene Fragen“, deren<br />
Antworten bereits vorgegeben sind und bei welchen der Antwortende nur noch ankreuzen<br />
muss, welche Antwort er bevorzugt. 446<br />
„Offene Fragen sind dagegen solche, bei denen die Antworten des Befragten nicht<br />
in ein vorgegebenes Antwortschema eingeordnet werden müssen. Die Antworten<br />
werden vielmehr in der vom Befragten gebrauchten Formulierung und mit den von<br />
ihm erwähnten Fakten und Gegenständen, insbesondere aber auch seinen Bedeutungsstrukturierungen,<br />
aufgezeichnet.“ 447 Ein Beispiel für eine offene Frage wäre:<br />
„Wie fühlen Sie sich im RAV behandelt“<br />
Geschlossene Fragen werden von der Interviewerin exakt zum Voraus formuliert<br />
und entspringen daher eher ihren Vorstellungen als jenen der zu Befragenden.<br />
Durch den Einsatz geschlossener Fragen würde eine Prädeterminierung der Forschungsergebnisse<br />
durch die Forscherin erfolgen, welche durch die qualitative Sozialforschung<br />
abgelehnt wird. 448<br />
Während der Befragte bei geschlossenen Fragen lediglich etwas wiedererkennen<br />
muss, wird bei offenen Fragen eine Erinnerungsleistung von ihm verlangt. 449 Es<br />
werden damit im qualitativen Interview mit ausschliesslich offenen Fragen deutlich<br />
höhere Anforderungen an das Sprachvermögen der Befragten gestellt. 450<br />
Bei der Befragung der bei den RAV registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden kann nicht<br />
durchwegs vorausgesetzt werden, dass sie diese besonderen Anforderungen an das<br />
Sprachvermögen erfüllen. Nicht alle <strong>St</strong>ellensuchenden sind in der Lage, sich in<br />
dem hierbei geforderten Masse zu artikulieren, damit ihr <strong>St</strong>andpunkt hinreichend<br />
klar zum Ausdruck kommt. Es ist daher für die vorliegende Arbeit davon abzusehen,<br />
ausschliesslich ganz offene Fragen zu verwenden.<br />
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass für die vorliegende Arbeit weder rein<br />
geschlossene, noch ausschliesslich offene Fragen verwendet werden können. Am<br />
445<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 58.<br />
446<br />
Abgeleitet aus den Beispielen in: Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 58 f.<br />
447<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 59; die kursive Schriftart wurde für die vorliegende Arbeit<br />
ergänzt.<br />
448<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 59.<br />
449<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 69.<br />
450<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 69.<br />
114
Sinnvollsten erscheint eine Mischung aus offenen und (implizit und explizit) geschlossenen<br />
Fragen.<br />
6.2.4 Die Auswertung des Materials<br />
Als allgemeine Handlungsanweisung für die Auswertung des Materials aus den<br />
qualitativen Interviews, können folgende vier groben Phasen umschrieben werden:<br />
451<br />
Phase 1: Die Transkription.<br />
Phase 2: Die Einzelanalyse.<br />
Phase 3: Die generalisierende Analyse.<br />
Phase 4: Die Kontrollphase.<br />
In der Auswertungsphase der Transkription wird das umfangreiche Material, das für<br />
die vorliegende Arbeit in handschriftlicher Form vorhanden ist, abgetippt und situation-<br />
und inhaltsgetreu zu Papier gebracht. Auch die Randbemerkungen oder eventuelle<br />
Zeichungen, Wellenlinien usw. werden in das Transkript aufgenommen, damit<br />
bei der Interpretation der Daten ein wahrheitsgetreues Bild der Antworten entsteht.<br />
Die Transkripte werden nach dem Abschreiben nochmals durchgelesen und mit<br />
den handschriftlichen Originalen verglichen.<br />
In der Phase der Einzelanalyse werden dem Transkript die prägnantesten Textstellen<br />
entnommen, wodurch ein neuer, gekürzter und auf das Wesentliche konzentrierter<br />
Text entsteht. „Dieser Text wird nun – unter Berücksichtigung der Gesamtheit<br />
der zu einem Interview vorliegenden Informationen, also auch des ursprünglichen<br />
vollständigen Transkripts – kommentiert und bewusst wertend<br />
integriert zu einer ersten Charakterisierung des jeweiligen Interviews. Dabei wird<br />
einerseits die Besonderheit des jeweiligen Interviews herausgearbeitet, wie schon<br />
in einem Vorgriff auf die Phase 3 die mögliche Allgemeingültigkeit der Besonderheiten<br />
oder anderer Befunde mitbedacht wird.“ 452 Daraufhin wird eine Charakteristik<br />
jedes einzelnen Interviews in Form einer Verknüpfung der wörtlichen Passagen<br />
bzw. der sinngemässen Antworten mit den Wertungen und Beurteilungen der<br />
Forscherin, welche sich auf die Besonderheiten und das Allgemeine des Interviews<br />
beziehen, erstellt.<br />
In Phase 3, der Phase der generalisierenden Analyse, erfolgt die Suche nach Gemeinsamkeiten,<br />
die in allen oder in einigen Interviews aufgetreten sind. Allfällige<br />
451<br />
Die folgenden Ausführungen zu den vier Phasen entstammen Lamnek (Qualitative Sozialforschung),<br />
S. 108 ff.<br />
452<br />
Lamnek (Qualitative Sozialforschung), S. 109.<br />
115
inhaltliche Differenzen sollen ebenfalls herausgearbeitet werden. Durch dieses Vorgehen<br />
lassen sich möglicherweise Grundtendenzen herauslesen, die für alle oder<br />
zumindest für einen Teil der Befragten als typisch erscheinen. Wenn man unterschiedliche<br />
Typen von Befragten, Aussagen bzw. Informationen erhält, dann werden<br />
diese unter Bezugnahme auf die konkreten Einzelfälle dargestellt und interpretiert.<br />
Kontrollphase: Damit Verkürzungen und Fehlinterpretationen vermieden werden,<br />
sollen zu Kontrollzwecken bei der Interpretation der Daten immer wieder die vollständigen<br />
Transkripte der Interviews zu Rate gezogen werden.<br />
6.3 Die Forschungsmethodik in Zusammenfassung<br />
Auf Grund der in den vorangehenden Kapiteln gemachten Aussagen kann die Forschungsmethodik,<br />
welche für die vorliegende Arbeit (sowohl für die Befragung<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden, als auch für die, zum Zweck des Vergleichs erfolgte, Befragung<br />
der Mitarbeiter) zur Anwendung kommt, zusammenfassend folgendermassen<br />
beschrieben werden:<br />
Für die vorliegende Arbeit kommt die qualitative Forschungslogik zur Anwendung.<br />
Es werden typische Fälle als Einzelfallstudien analysiert. Die Datenerhebung erfolgt<br />
mittels halb-standardisierten Tiefeninterviews mit Interviewer-Leitfaden, der<br />
aus einer Mischung vorwiegend offener und einer Anzahl (implizit und explizit) geschlossener<br />
Fragen besteht.<br />
Grundlage für die Entwicklung des Fragebogens bilden die in Kapitel 5 definierten<br />
Untersuchungskriterien.<br />
Die Interviewerin hält die Antworten während des Interviews handschriftlich und<br />
für die Befragten gut einsehbar fest. 453 Dieses Vorgehen erhöht das Vertrauen der<br />
Befragten. Sie können jederzeit sehen, was die Interviewerin aufschreibt und wenn<br />
es ihnen notwendig erscheint, können die Befragten jederzeit eingreifen und die<br />
festgehaltenen Antworten korrigieren, im Sinne von: „So habe ich das nicht gemeint,<br />
sondern...“. Es sollen, aus Gründen der Diskretion, keine Video- oder Tonbandaufnahmen<br />
gemacht werden.<br />
Die vorgesehene Dauer eines Gesprächs beträgt mindestens eine <strong>St</strong>unde und fünfzehn<br />
Minuten.<br />
Die Auswertung des Materials erfolgt mittels Transkription, Einzelanalyse und generalisierender<br />
Analyse, und ständigem Kontrollblick auf das vollständige Transkript<br />
und nötigenfalls auf die Originalnotizen.<br />
453<br />
Ein Fragebogen für die <strong>St</strong>ellensuchenden und ein Fragebogen für die Mitarbeiter befindet sich im<br />
Anhang.<br />
116
7 Ergebnisse der Empirie<br />
Zur Illustration und für ein besseres Verständnis der praktischen Abläufe in einem<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum aus Sicht eines <strong>St</strong>ellensuchenden, wird<br />
im Folgenden am Beispiel von Lugano beschrieben, wie man sich einen Besuch<br />
beim RAV vorstellen kann. Ein Besuch beim RAV Solothurn spielt sich in ähnlicher<br />
Weise ab. 454<br />
Einleitend ist anzumerken, dass sich das RAV Lugano in einem repräsentativen<br />
Gebäude aus <strong>St</strong>ein und Glas, an verkehrstechnisch ausgezeichneter Lage, direkt<br />
beim Bahnhof befindet. Unmittelbar vor dem Haus befinden sich zahlreiche Parkplätze<br />
und in nächster Nähe sind mehrere Bushaltestellen. Der Eingangsbereich ist<br />
grosszügig gestaltet. Die Personalberater sitzen nicht in abgeschlossenen Büros,<br />
sondern in Grossraumbüros mit rund 10 hellen Arbeitsplätzen in akzeptabler Grösse.<br />
Die Beratungsgespräche finden ebenfalls nicht in geschlossenen Räumen statt,<br />
sondern direkt am Arbeitsplatz des Beraters. Die Arbeitsplätze in Lugano sind weit<br />
genug auseinander, dass bei etwas gedämpftem Gesprächston die Konversation<br />
zwischen Personalberater und <strong>St</strong>ellensuchendem nicht durchwegs mitgehört werden<br />
kann. Im Gegensatz dazu verfügen die Personalberater in Solothurn über Einzelbüros,<br />
in denen auch die Beratungsgespräche stattfinden, was die Wahrung der<br />
Privatsphäre zusätzlich fördert. Die Gebäude in Solothurn sind weitaus weniger<br />
repräsentativ und verkehrstechnisch teils schwierig zu erreichen und wenn, dann<br />
bevorzugtermassen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, da kaum Parkplätze in<br />
der Nähe vorhanden sind. Eines der definierten Untersuchungskriterien für die Befragung<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden befasst sich mit dem örtlichen Wohlbefinden im<br />
RAV, ein weiteres mit der logistischen Erreichbarkeit. Es fragt sich, wie die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
auf diese unterschiedlichen Örtlichkeiten reagieren. Wird ihr Kundenempfinden<br />
dadurch beeinflusst Oder hat ein <strong>St</strong>ellensuchender beispielsweise<br />
ohnehin zuviel Zeit zur Verfügung, dass es ihm nichts ausmacht, mit den öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln zum RAV zu gelangen Gibt es dabei Unterschiede zwischen<br />
Tessinern und Deutschschweizern, die so stark sind, dass sie einen Einfluss<br />
auf das Kundenempfinden haben<br />
Bereits die Anmeldung beim RAV erfolgt persönlich. Die <strong>St</strong>ellensuchenden begeben<br />
sich zum Schalter im Parterre des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums<br />
und füllen die notwendigen Formulare aus.<br />
Nach erfolgter Anmeldung werden die <strong>St</strong>ellensuchenden zu einem Einführungs-<br />
454<br />
Die Angaben beruhen auf eigenen Beobachtungen sowie Eläuterungen von Personalberatern und<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden der RAV Lugano und Solothurn.<br />
117
nachmittag eingeladen, anlässlich dessen sie über ihre Rechte und Pflichten sowie<br />
über die korrekte Vorgehensweise im Kontakt mit dem RAV informiert werden.<br />
Auch diese Leistung erfolgt persönlich, durch wechselnde Personalberater, in Seminarform.<br />
Daraufhin sind die RAV-Personalberater verpflichtet, jede arbeitslose Person einmal<br />
pro Monat zu einem persönlichen Gespräch im RAV zu empfangen. Diese,<br />
auch für die Arbeitslosen obligatorischen Gespräche (Dauer: 15 bis 30 Minuten)<br />
dienen unter anderem der Feststellung, wie weit die Anstrengungen der einzelnen<br />
Arbeitslosen zur <strong>St</strong>ellensuche gediehen sind (in Solothurn erfolgt diese „Kontrolle<br />
der Arbeitsbemühungen“ anlässlich eines vom Beratungsgespräch getrennten<br />
Termins am Schalter). Bei den Beratungsgesprächen steht nicht nur der Kontrolleffekt<br />
im Vordergrund, sondern auch die Beratung selbst, das Gespräch mit den<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden über das weitere Vorgehen. Die Personalberater setzen Ziele,<br />
wie viele <strong>St</strong>ellenbewerbungsnachweise im folgenden Monat erbracht werden müssen<br />
und besprechen mit den <strong>St</strong>ellensuchenden, welche Massnahmen für eine eventuelle<br />
Verbesserung ihrer Qualifikation ergriffen werden sollen. Die Personalberater,<br />
im Gespräch mit den <strong>St</strong>ellensuchenden, entscheiden dabei, welche Personen<br />
an Kursen oder arbeitsmarktlichen Massnahmen teilnehmen sollen.<br />
Wenn ein Personalberater eine mögliche <strong>St</strong>elle für eine stellensuchende Person gefunden<br />
hat, wird diese schriftlich angewiesen, sich innert drei Tagen beim entsprechenden<br />
Arbeitgeber zu melden und ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren.<br />
7.1 Faktoren des Kundenempfindens aus der Sicht der beim RAV Lugano<br />
eingeschriebenen <strong>St</strong>ellensuchenden, ermittelt aus der Auswertung der Befragungen<br />
Die Tatsache, ob sich die Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano als<br />
Kunden empfinden, wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Diese werden<br />
im Folgenden geschildert und bei Bedarf in Beziehung zu den Ergebnissen aus der<br />
Analyse der Personalberaterinterviews gesetzt, die als Vergleichsgrössen dienen: 455<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden, welche das RAV Lugano aufsuchen, erwarten vom RAV und<br />
seinen Mitarbeitern, dass diese für sie einen neuen Arbeitsplatz finden. Es wird angenommen,<br />
dass das RAV jene Dienstleistungen erbringt, die von privaten <strong>St</strong>ellenvermittlungsbüros<br />
erbracht werden, mit dem einzigen Unterschied, dass das<br />
455<br />
Sämtliche Ergebnisse in diesem Kapitel und den Unterkapiteln entstammen der Auswertung der Befragungen,<br />
die mit stellensuchenden Personen des RAV Lugano geführt wurden. Die Ergebnisse der<br />
Mitarbeiterbefragung dienen lediglich zum besseren Verständnis der Thematik.<br />
118
RAV eine staatliche und keine private Institution ist. Dank des staatlichen Charakters<br />
dieses vermeintlichen <strong>St</strong>ellenvermittlungsbüros, erhoffen sich die Versicherten,<br />
dass das RAV über mehr Kontakte und Möglichkeiten zur <strong>St</strong>ellenvermittlung<br />
verfügt, als eine private Organisation. 456<br />
Die Aufgabe des RAV ist aber, nebst der Abwicklung der mit der Arbeitslosigkeit<br />
zusammenhängenden verschiedenen Formalitäten und der Kontrolle der Arbeitsbemühungen,<br />
die Hilfe zur Selbsthilfe. Das RAV hilft den <strong>St</strong>ellensuchenden, damit<br />
sie selber (wieder) in die Lage versetzt werden, eine <strong>St</strong>elle für sich zu suchen.<br />
Diese Hilfe erfolgt mittels Unterstützung bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen,<br />
mittels Kontrolle, Zuspruch und Beratung bei den Besprechungsterminen<br />
mit den Personalberatern, durch Kurse, Beschäftigungsprogramme usw.<br />
Die eigentliche Vermittlung von <strong>St</strong>ellen ist ebenfalls eine Aufgabe des RAV, sie gehört<br />
aber lediglich zum Katalog der verschiedenen Dienstleistungen und ist nicht<br />
Hauptzweck der Organisation. 457<br />
Es wird offensichtlich, dass hier ein Kommunikationsproblem zwischen dem RAV<br />
und den <strong>St</strong>ellensuchenden besteht. Von Seiten des RAV wird den Versicherten<br />
nicht klar genug mitgeteilt, was diese vom RAV und seinen Mitarbeitern erwarten<br />
können und was nicht.<br />
Das RAV ist kein staatliches <strong>St</strong>ellenvermittlungsbüro.<br />
Leider wissen das die <strong>St</strong>ellensuchenden nicht.<br />
Einflussfaktor 1: Das RAV ist kein staatlicher <strong>St</strong>ellenvermittler<br />
Dieses Missverständnis beeinflusst die Antwort auf die Frage, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
des RAV Lugano als Kunden behandelt fühlen in erheblichem Masse<br />
negativ.<br />
Durch diesen Faktor werden die Faktoren “Mangelndes Problemverständnis”,<br />
“Zuwenig ernst genommen werden” und “Mangelhafte Problemlösungen” begründet,<br />
wie sie in den folgenden Absätzen geschildert werden.<br />
Mangelndes Problemverständnis: Mehr als die Hälfte der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
des RAV Lugano glaubt, dass das RAV und seine Mitarbeiter ihr eigentliches<br />
Hauptproblem, die Arbeitslosigkeit beziehungsweise die Suche nach einer<br />
456<br />
Ergebnis aus der Auswertung der Fragebogen für <strong>St</strong>ellensuchende des RAV Lugano. Alle befragten<br />
Personen äusserten diese Meinung.<br />
457<br />
Vgl. dazu die Ausführungen von Hr. Ongaro (Leiter des RAV Lugano) sowie verschiedener Personalberater<br />
anlässlich der persönlichen Interviews und verschiedener informeller Gespräche.<br />
119
neuen <strong>St</strong>elle, nicht verstehen. Aussagen wie die folgende sind häufig zu finden:<br />
„Warum findet das RAV keine <strong>St</strong>elle für mich Bin ich denen gleichgültig und ist<br />
es ihnen auch egal, dass ich arbeitslos bin Es ist schon recht, wenn sie mich in einen<br />
Kurs schicken, aber ich brauche eine <strong>St</strong>elle!“ 458<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden sind der Meinung, das RAV, beziehungsweise dessen Mitarbeiter,<br />
müssten für sie eine <strong>St</strong>elle finden. Wenn dies nicht erfolgt, schliessen sie<br />
daraus, dass von Seiten des RAV ihr wahres Problem, nämlich die Tatsache, dass<br />
sie eine neue <strong>St</strong>elle benötigen, nicht verstanden wird.<br />
Etwas vom Wichtigsten für eine stellensuchende Person ist das Gefühl, von den<br />
Mitarbeitern des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums ernst genommen zu<br />
werden. Die Personalberater des RAV Lugano sind sich dessen bewusst. 459 Gleichzeitig<br />
stellen sie aber fest, dass in diesem Punkt Verbesserungsbedarf besteht. In<br />
der Tat fühlt sich ein grosser Teil der Versicherten nur teilweise oder überhaupt<br />
nicht ernst genommen durch das RAV und seine Mitarbeiter. Der Grund dafür liegt<br />
aber nicht in mangelnder Seriosität der Mitarbeiter, sondern in folgender Überlegung,<br />
die wiederum im oben erwähnten Einflussfaktor 1 begründet liegt: „Warum<br />
muss ich hierher kommen, wenn die mir dann keine <strong>St</strong>elle finden Nehmen die<br />
mich denn nicht ernst Sind sie sich bewusst, dass es für mich ein schwerwiegendes<br />
Problem ist, keine <strong>St</strong>elle zu haben Warum helfen sie mir nicht“ 460<br />
Die Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden sind der Ansicht, die Mitarbeiter des RAV<br />
müssten für sie eine neue <strong>St</strong>elle finden. Erfolgt dies nicht, dann schliessen sie daraus,<br />
dass sie von Seiten des RAV und seiner Mitarbeiter nicht ernst genommen<br />
werden.<br />
Mangelhafte Problemlösungen: Die <strong>St</strong>ellensuchenden definieren als ihr grösstes<br />
Problem die Tatsache, dass ihnen eine neue <strong>St</strong>elle fehlt. Da sie annehmen, dass die<br />
Hauptaufgabe des RAV sei, für sie eine neue <strong>St</strong>elle zu finden - was aber nicht dem<br />
Hauptzweck des RAV entspricht - sind sie der Ansicht, das RAV und seine Mitarbeiter<br />
helfe ihnen nicht, ihr Problem zu lösen.<br />
Unter dem Titel „persönliche Beratung, Betreuung“ wurden die Versicherten gefragt,<br />
ob sie von den Personalberatern genügend Unterstützung und persönliche<br />
458<br />
Übersetztes Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person. Der italienische Originaltext<br />
lautet: „Perché l’URC non trova un posto di lavoro per me Ma questi se ne fregano di me e del mio<br />
problema di essere disoccupato Va bene se mi fanno fare un corso, ma io ho bisogno d’un posto di<br />
lavoro!“<br />
459<br />
Dies geht klar aus allen Gesprächen mit Personalberatern des RAV Lugano hervor.<br />
460<br />
Übersetztes Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person. Der italienische Originaltext<br />
lautet: „Perché devo venire qui se poi non mi trovano loro un posto di lavoro Ma questi mi prendono<br />
sul serio Si rendono conto che per me la mancanza d’un posto di lavoro è un problema grave<br />
Perché non mi aiutano“<br />
120
Betreuung in ihrer schwierigen Lebenssituation erhalten. Die Personalberater wurden<br />
gefragt, ob sie der Meinung seien, den Versicherten genügend persönliche Betreuung<br />
zu gewähren. Verschiedene Personalberater äusserten daraufhin ausdrücklich,<br />
dass sie keine Psychologen seien. Sie möchten aber trotzdem ein Bezugspunkt<br />
für die Versicherten sein, auf deren Weg, sich wieder in die Arbeitswelt zu<br />
integrieren.<br />
Der Wille zur persönlichen Betreuung durch die Personalberater ist zwar da, allerdings<br />
nur, so weit es darum geht, die Versicherten wieder ins Arbeitsleben zurückzuführen.<br />
Nahezu die Hälfte der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden wünscht sich aber<br />
eine persönliche Betreuung, die über die Arbeitssuche hinaus geht. Sie möchten<br />
intensivere menschliche Unterstützung. Ein Grossteil der Versicherten wünscht,<br />
dass die Personalberater sich in einer freundschaftlichen Atmosphäre die verschiedenen<br />
Sorgen der <strong>St</strong>ellensuchenden anhören und sie in sämtlichen Bereichen<br />
beraten. Diesem Wunsch können die Personalberater aber nur begrenzt<br />
nachkommen, da ihre Beratungs- und Betreuungsaufgabe auf den Bereich der<br />
Wiedereingliederung in die Arbeitswelt beschränkt ist und beispielsweise die<br />
psychologische oder psychotherapeutische Beratung und Betreuung nicht zu ihren<br />
Aufgaben gehört.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden wünschen sich eine intensivere persönliche Betreuung.<br />
Diese Art der Betreuung ist aber nicht Aufgabe der Personalberater.<br />
Einflussfaktor 2: Der Wunsch nach intensiverer persönlicher Betreuung<br />
Der unerfüllte Wunsch der <strong>St</strong>ellensuchenden nach intensiverer persönlicher Betreuung<br />
beeinflusst die Antwort auf die Frage, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des<br />
RAV Lugano als Kunden behandelt fühlen negativ.<br />
Sowohl die Versicherten, als auch die Personalberater halten es für sehr wichtig,<br />
dass von Seiten des RAV stets korrekte und rechtssichere Informationen erteilt<br />
werden. Beide Seiten bemängeln jedoch die Tatsache, dass dies nicht immer der<br />
Fall ist. Informationen werden teilweise nicht richtig oder unvollständig von den<br />
Personalberatern an die Versicherten übermittelt. Dies ist ein schwerwiegendes<br />
Qualitätsproblem, denn das Legalitätsprinzip und damit das Erfordernis nach<br />
rechtssicheren Informationen ist eines der wichtigsten Prinzipien des Verwaltungshandelns.<br />
Es scheint aber, dass die Personalberater des RAV Lugano nicht immer zu 100%<br />
kompetent sind, was die Kenntnisse der Gesetze und der verschiedenen Informa-<br />
121
tionen betrifft, welche von Seiten des <strong>St</strong>aates an die Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
übermittelt werden sollen.<br />
Zu denselben Ergebnissen ist bereits 1998 eine gesamtschweizerische <strong>St</strong>udie gekommen.<br />
Der Mangel an fachlichen Kompetenzen wird dort bereits als schwerwiegendes<br />
Qualitätsproblem bezeichnet. 461<br />
Der Informationsnachmittag, an dem die Versicherten kurz nach ihrer Anmeldung<br />
beim RAV über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden sowie die verschiedenen<br />
Informationsblätter, die den Versicherten in Papierform und in elektronischer<br />
Form 462 zur Verfügung stehen, reichen nicht aus, um das Informationsbedürfnis<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden ausreichend zu stillen. Dies liegt unter anderem daran,<br />
dass der Informationsnachmittag kurz nach Anmeldung beim RAV besucht<br />
wird, also zu einem Zeitpunkt, da sich zahlreiche Versicherte noch gar nicht bewusst<br />
sind, welche Fragen auf sie zukommen könnten im Verlaufe ihrer Arbeitslosigkeit.<br />
Die Aufmerksamkeit der Teilnehmer ist von daher nicht immer optimal.<br />
Die Informationsblätter sind zwar durchaus aufschlussreich, erinnern aber in ihrer<br />
Erscheinungsform (Format A5, sehr dünnes Papier, wenige Blätter pro Broschüre)<br />
eher an ein Wegwerf-Flugblatt als an ein amtliches Informationspapier. Zudem<br />
existieren zahlreiche Einzelbroschüren an <strong>St</strong>elle eines Informationshandbuchs.<br />
Die Interviews haben ergeben, dass ein grosser Teil der Versicherten gar nichts mit<br />
den Informationsblättern anfangen kann und ihnen, nicht zuletzt wegen der lockeren<br />
Erscheinungsform derselben, nicht den Wert beimisst, der ihnen im Verkehr<br />
mit RAV und Arbeitslosenkasse eigentlich zukommt.<br />
Ein Teil der <strong>St</strong>ellensuchenden bekundet Mühe damit, die Verantwortlichkeiten und<br />
Zuständigkeiten der verschiedenen <strong>St</strong>ellen wie RAV, Arbeitslosenkasse, Gewerkschaften<br />
usw. zu unterscheiden. Sie wissen oft nicht, an wen sie sich mit welchen<br />
Fragen wenden sollen.<br />
Die Informationen, welche den Versicherten über Broschüren, Informationsnachmittag<br />
und Personalberater übermittelt werden sind unzureichend. Die Personalberater<br />
des RAV Lugano scheinen teilweise nicht in der Lage zu sein, sämtliche<br />
Fragen, die mit dem RAV zusammenhängen, korrekt und rechtssicher zu beantworten.<br />
Einflussfaktor 3: Unzureichende Informationen<br />
461<br />
M.I.S. (Qualität), S. 9, kantonale Ergebnisse sind nicht erhältlich.<br />
462<br />
Website des seco, Treffpunkt Arbeit, Arbeitslosenkasse.<br />
122
Die unzureichende Informationsvermittlung beeinflusst die Antwort auf die Frage,<br />
ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano als Kunden behandelt fühlen<br />
negativ.<br />
Es ist nicht Zweck der vorliegenden <strong>St</strong>udie, die arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />
der RAV Lugano und Solothurn im Detail zu analysieren. Zur umfassenden Beurteilung<br />
der Dienstleistungen, welche durch die RAV angeboten werden, gehört<br />
aber auch eine eher allgemeine Frage nach den Kursen und Beschäftigungsprogrammen,<br />
welche durch das jeweilige RAV organisiert oder vermittelt werden<br />
(wobei unter letzteren sämtliche Massnahmen zu verstehen sind, welche einer arbeitslosen<br />
Person die Möglichkeit geben, für eine befristete Zeit wieder zu arbeiten,<br />
sei dies in Form eines tatsächlichen Programms zur vorübergehenden Beschäftigung,<br />
als Berufspraktikum oder in einer Übungsfirma etc. 463 ).<br />
Je eine Frage lautete deshalb dahingehend, wie die Versicherten des jeweiligen<br />
RAV die entsprechenden Kurse und Beschäftigungsprogramme beurteilen. Zusammenfassend<br />
kann gesagt werden, dass die Beschäftigungsprogramme von den<br />
Arbeitslosen des RAV Lugano nicht sehr geschätzt werden. Sie betrachten diese<br />
mehr als Zwang, denn als Möglichkeit, sich wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren.<br />
Häufig sind Voten wie das folgende zu hören: „Es war demütigend, was<br />
ich im Beschäftigungsprogramm machen musste.“ 464<br />
Die Kurse werden leicht positiver beurteilt. Teilweise werden allerdings Vorbehalte<br />
bei der Qualität der vermittelten Kursinhalte sowie bei der Art der <strong>St</strong>offvermittlung<br />
gemacht. Einige Veranstaltungen (z.B. der Kurs „Wie bewerbe ich mich<br />
richtig“) werden von den Interviewpartnern sogar als „lächerlich“ bezeichnet.<br />
Der Nutzen der Kurse erscheint zumindest fraglich. Es entsteht der Eindruck, dass<br />
sie bei den Teilnehmern grösstenteils lediglich Enttäuschungen hervorrufen. Die<br />
befragten Personen haben oft den Eindruck, dass sie zur Teilnahme an einem Kurs<br />
eingeschrieben wurden, „um einfach mal was zu machen“ 465 .<br />
Diese negative Beurteilung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen steht im Gegensatz<br />
zum gesamtschweizerischen Ergebnis 466 , das 1998 in einer repräsentativen<br />
<strong>St</strong>udie im Auftrag des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit ermittelt wurde. Die<br />
<strong>St</strong>udie kommt zum Schluss, dass die Arbeitsmarktlichen Massnahmen bei den<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden auf grosse Akzeptanz stossen, wobei allerdings die Beschäfti-<br />
463<br />
Eine detaillierte Liste der Arbeitsmarktlichen Massnahmen befindet sich weiter oben.<br />
464<br />
Übersetztes Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person. Der italienische Originaltext<br />
lautet: „È stato umiliante quello che mi hanno fatto fare nel programma occupazionale.“<br />
465<br />
Übersetztes Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person. Der italienische Originaltext<br />
lautet: „tanto per fare qualcosa“.<br />
466<br />
Die kantonalen Daten sind nicht erhältlich.<br />
123
gungsprogramme und die Kurse über Bewerbungstechnik auf Kritik stossen, was<br />
wiederum den Ergebnissen der Befragung der <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano<br />
entspricht. 467<br />
Die Arbeitsmarktlichen Massnahmen werden von den <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV<br />
Lugano grösstenteils als negativ beurteilt.<br />
Einflussfaktor 4: Negative Beurteilung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />
Diese schlechte Bewertung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen wirkt sich auch<br />
negativ darauf aus, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano als Kunden behandelt<br />
fühlen.<br />
Die Zeit, welche die Personalberater für die <strong>St</strong>ellensuchenden zur Verfügung haben,<br />
ist häufig zu knapp. Im Untersuchungszeitraum waren jedem Berater rund<br />
100 Versichertendossiers zugeordnet. Im RAV Lugano muss jeder Berater jeden<br />
Versicherten, der ihm zugeteilt ist, einmal pro Monat persönlich zu einem Beratungsgespräch<br />
empfangen. Die durchschnittliche Dauer dieser Gespräche wird<br />
von den <strong>St</strong>ellensuchenden mit 15 bis 30 Minuten angegeben. Sie empfinden dies<br />
grösstenteils als zu knapp. Die Versicherten wünschen sich die Möglichkeit, bei<br />
Bedarf länger mit ihrem Berater sprechen zu können (z.B. eine <strong>St</strong>unde). Sie stellen<br />
aber fest, dass die Personalberater zahlreiche administrative Aufgaben erfüllen<br />
müssen, welche zeitraubend sind. Sie bedauern, dass die Berater viel Zeit in das<br />
korrekte Ausfüllen von Formularen investieren müssen und dadurch weniger Zeit<br />
für die Versicherten haben. Auch die Personalberater möchten weniger Zeit mit<br />
dem Erfassen statistikrelevanter Daten und dem Ausfüllen von Papieren verbringen,<br />
um dafür mehr Zeit zu haben, sich den Anliegen der ihnen anvertrauten <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
zu widmen.<br />
Die Versicherten bringen den Personalberatern grosses Verständnis entgegen. Sie<br />
sind sich bewusst, dass diese sich um viele problembeladene Personen kümmern<br />
müssen und zudem zahlreiche Verwaltungsaufgaben zu bewältigen haben. Die<br />
mangelnde Zeit der Personalberater wird nicht diesen persönlich angerechnet,<br />
sondern der Tatsache, dass sie sich mit zahlreichen Personen beschäftigen und<br />
gleichzeitig viele administrative Aufgaben bewältigen müssen. Das Verständnis<br />
von Seiten der Versicherten ist zwar da, aber das Bedürfnis nach mehr Zeit bleibt<br />
trotzdem bestehen.<br />
467<br />
M.I.S. (Qualität), S. 36 ff. sowie Auswertungen der Befragungen der <strong>St</strong>ellensuchenden RAV Lugano.<br />
124
Die <strong>St</strong>ellensuchenden sind der Meinung, dass die Zeit, welche die Personalberater<br />
für die Beratung und Betreuung zur Verfügung haben, häufig zu knapp ist.<br />
Einflussfaktor 5: Zuwenig Zeit<br />
Der Zeitmangel wirkt sich negativ auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
aus.<br />
Zahlreiche der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden trauen sich nicht, sich zu beschweren,<br />
weil sie mögliche Sanktionen fürchten. Nur die Hälfte der Befragten glaubt, dass<br />
es sich lohnt, zu reklamieren und dass sich auf Grund einer Beschwerde tatsächlich<br />
etwas ändern würde.<br />
Die Personalberater erklären aber in den Interviews klar und deutlich, dass jede<br />
Beschwerde ernsthaft behandelt wird, ohne dass die reklamierende Person Angst<br />
vor Sanktionen haben müsse.<br />
Es fehlt ein eigentliches transparentes Beschwerdemanagementsystem.<br />
Einflussfaktor 6: Kein transparentes Beschwerdemanagementsystem vorhanden<br />
Das Fehlen eines transparenten Beschwerdemanagementsystems wirkt sich negativ<br />
auf die Frage aus, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen.<br />
Von jeder arbeitslosen Person wird pro Monat der Nachweis einer Anzahl <strong>St</strong>ellenbewerbungen<br />
verlangt. In der Praxis werden im RAV Lugano zum Untersuchungszeitpunkt<br />
pro Person mindestens vier Bemühungen gefordert. Diese Zahl kann nach<br />
oben um ein Mehrfaches gesteigert werden, je nach Alter, Ausbildung, Berufskategorie<br />
und bisheriger Dauer der Arbeitslosigkeit der Betroffenen. 468 Diese Praxis<br />
sollte überdacht werden, denn besonders bei älteren Arbeitslosen (über 60-jährige)<br />
ist es fraglich, wie sinnvoll es ist, vier Bewerbungsnachweise pro Monat zu verlangen.<br />
Sowohl Arbeitslose, als auch Personalberater des RAV Lugano wünschen sich<br />
in diesem Bereich mehr Flexibilität und mehr Entscheidungskompetenz für die Personalberater.<br />
Diese kennen die Branche 469 und die Chancen der einzelnen Versicherten<br />
auf dem Arbeitsmarkt und sollten daher die Kompetenz haben, in begründeten<br />
Fällen weniger als vier Arbeitsbemühungen pro Monat zu verlangen.<br />
468<br />
Ergebnis aus der Befragung der Personalberater RAV Lugano.<br />
469<br />
Im RAV Lugano werden die <strong>St</strong>ellensuchenden den Personalberatern nach Branchen zugeteilt.<br />
125
Mindestens vier Arbeitsbemühungen pro Monat nachweisen zu müssen, erscheint<br />
nicht für jede versicherte Person als sinnvoll.<br />
Einflussfaktor 7: Fragwürdige Zahl der Arbeitsbemühungen<br />
Die relative Unflexibilität bei der Festlegung der verlangten Arbeitsbemühungen wirkt<br />
sich negativ auf die Frage aus, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen.<br />
Teilweise mittelbar (über die Mitarbeiter) positiv auf das Kundenempfinden wirkt<br />
sich der charismatische Führungsstil des Leiters des RAV Lugano aus. Der charismatische<br />
Führer vermittelt Visionen und beeinflusst Werte und Verhalten in<br />
grundsätzlicher Weise. Er bietet neuartige, emotional fundierte Problemlösungen<br />
an und tritt für teilweise radikale Veränderungen ein. Ein charismatischer Führer<br />
wird besonders in <strong>St</strong>ress- und Krisensituationen gesucht und kann tiefgreifenden<br />
Wandel bewirken. 470<br />
„Die Formulierung von Zielen in ideologischen Wertbegriffen bietet Identifikationsmöglichkeiten<br />
mit einem Vorbild, nährt Hoffnungen auf eine bessere Zukunft<br />
und trägt zur <strong>St</strong>ärkung des eigenen Selbstvertrauens der Geführten bei. Hierfür leisten<br />
diese ‚Gefolgschaft‘.<br />
Der Leiter des RAV Lugano pflegt einen charismatischen Führungsstil. Die Visionen,<br />
die er seinen Mitarbeitern vermittelt, zielen darauf ab, aus dem Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentrum eine Dienstleistungsorganisation zu machen, in deren<br />
Zentrum der stellensuchende Mensch als Kunde steht. Aus den Aussagen der Mitarbeiter<br />
wird erkennbar, dass der Chef eines Tages beschlossen hat, die Vision des<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden seinen Mitarbeitern zu kommunizieren, worauf diese das Konzept<br />
nahezu widerspruchslos und mit Überzeugung übernommen haben. Die Vision<br />
könnte folgendermassen formuliert werden:<br />
„Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und der unserer Tätigkeit zu Grunde<br />
liegenden Wirkungsvereinbarung tun wir unser Möglichstes, um die <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
die beim RAV Lugano eingeschrieben sind, zu unterstützen. Wir beraten<br />
und betreuen sie nach Kräften, sind uns aber bewusst, dass wir weder Psychologen,<br />
noch Psychotherapeuten sind. Jeder <strong>St</strong>ellensuchende, der das RAV Lugano<br />
aufsucht, wird als Mensch geschätzt und respektiert. Wir behandeln ihn im Sinne<br />
eines Kunden der Dienstleistungsorganisation RAV.“ 471<br />
Nicht nur die Mitarbeiter, auch die <strong>St</strong>ellensuchenden vertrauen dieser Vision des<br />
470<br />
House/Shamir (Führungstheorien) in: Wunderer (Führung), S. 277.<br />
471<br />
Die Vision stellt eine Synthese aus den Gesprächen mit den Personalberatern und dem Leiter des<br />
RAV Lugano dar.<br />
126
RAV-Leiters. Der charismatische Führungsstil dringt also de facto bis zu den Versicherten<br />
durch. Das ausserordentlich grosse Vertrauen und der Respekt, den ein<br />
Grossteil der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden dem Leiter des RAV Lugano entgegenbringt,<br />
kann nahezu als Gehorsam bezeichnet werden. Dies zeigt sich in einer Antwort<br />
auf die Frage: „Was passiert, wenn man reklamiert“ – „Das bringt der Chef<br />
des RAV in Ordnung!“ 472<br />
Der RAV-Leiter, der über einen charismatischen Führungsstil verfügt, vermittelt<br />
seinen Mitarbeitern die Vision des <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden der Dienstleistungsorganisation<br />
RAV.<br />
Einflussfaktor 8: Der charismatische Führungsstil<br />
Der charismatische Führungsstil des Leiters des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums<br />
Lugano trägt positiv zum Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden bei.<br />
Die Personalberater des RAV Lugano werden von den Versicherten im Allgemeinen<br />
als sympathisch und freundlich bezeichnet. Dabei wird spürbar, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
die Personalberater nicht als oberflächlich freundlich empfinden, sondern<br />
dass sie deren Verhalten als echte, vertrauenerweckende Sympathie empfinden.<br />
Zu denselben erfreulichen Schlussfolgerungen ist 1998 eine <strong>St</strong>udie im Auftrag des<br />
Bundes gekommen, welche den Personalberatern der schweizerischen RAV vorbildliche<br />
Freundlichkeit und Verständnis für die persönlichen Schwierigkeiten der<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden attestiert. 473<br />
Die Versicherten empfinden die Personalberater grösstenteils als sympathisch.<br />
Einflussfaktor 9: Sympathische Personalberater<br />
Die Sympathie, welche die <strong>St</strong>ellensuchenden gegenüber den Personalberatern<br />
empfinden, wirkt sich äusserst positiv auf das Kundenempfinden aus.<br />
Das Vertrauen der Versicherten in die Personalberater in Lugano kann als intakt<br />
bezeichnet werden. Die meisten Versicherten bezeichnen ihr Verhältnis zu ihrem<br />
472<br />
Übersetztes Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person. Der italienische Originaltext<br />
lautet: „Metterà a posto il capo dell‘URC!“<br />
473<br />
M.I.S. (Qualität), S. 9, kantonale Ergebnisse sind nicht erhältlich.<br />
127
Personalberater als gut. Die Berater vermitteln den <strong>St</strong>ellensuchenden den Eindruck,<br />
ihre Arbeit gern zu tun. Diesen Eindruck erhält man auch bei der Analyse<br />
der Interviews mit den Personalberatern. Diese erledigen nicht einfach ihre Arbeit,<br />
sondern befassen sich mit den Anliegen der ihnen anvertrauten Versicherten. Die<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden vertrauen sich in den meisten Fällen auch tatsächlich mit zahlreichen<br />
ihrer Sorgen und Bedürfnisse ihren Personalberatern an.<br />
Die Versicherten vertrauen den Personalberatern.<br />
Einflussfaktor 10: Intaktes Vertrauen zu den Personalberatern<br />
Das Vertrauen in die Personalberater wirkt sich durchwegs positiv auf die Frage<br />
aus, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen.<br />
Die Versicherten in Lugano sind sehr froh, dass sie sich nicht mehr jeden Monat<br />
an den Schalter begeben müssen. Die <strong>St</strong>empelkontrolle, die früher über den Schalter<br />
erfolgte, wird im RAV Lugano heute ebenfalls beim monatlichen Beratungsgespräch<br />
durch die Personalberater erledigt.<br />
Die arbeitslosen Personen empfinden die <strong>St</strong>empelkontrolle ohne Schalter als persönlicher<br />
und schätzen dies sehr.<br />
Einflussfaktor 11: Keine Schalter mehr<br />
Der weitgehende Verzicht 474 auf Schalterkontakte wirkt sich positiv auf das Kundenempfinden<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
Beim monatlichen Beratungsgespräch entstehen selten und wenn, dann nur kurze<br />
Wartezeiten. Zehn bis fünfzehn Minuten Wartezeit werden von den Versicherten<br />
problemlos akzeptiert.<br />
Es entstehen kaum Wartezeiten. Wartezeiten bis 15 Minuten werden akzeptiert.<br />
Einflussfaktor 12: Kurze Wartezeiten<br />
474<br />
Die Versicherten des RAV Lugano müssen sich nur noch bei der ersten Anmeldung kurz an den<br />
Schalter begeben.<br />
128
Die kurzen Wartezeiten wirken sich positiv auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
aus.<br />
Gemäss Aussagen der <strong>St</strong>ellensuchenden sind die Personalberater praktisch jederzeit<br />
persönlich oder telefonisch für kurze Auskünfte erreichbar. Dies vermittelt den<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden Sicherheit. Sie haben die Gewissheit, dass ihnen jederzeit jemand<br />
hilft, wenn sie Fragen oder ein Problem haben. Auch das fördert das Vertrauen<br />
zu den Mitarbeitern und in die Institution RAV.<br />
Die Personalberater sind nahezu jederzeit persönlich oder telefonisch erreichbar.<br />
Einflussfaktor 13: Rasche Erreichbarkeit der Personalberater<br />
Die rasche und unkomplizierte Erreichbarkeit der Personalberater wirkt sich positiv<br />
auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
Für die Versicherten des RAV Lugano ist der Gang zum RAV nicht unangenehm.<br />
Was schwer wiegt, ist die Tatsache, arbeitslos zu sein. Die monatlichen Besuche<br />
beim RAV werden aber nicht als Last empfunden. Auf die Frage „Fühlen Sie sich<br />
wohl beim RAV Lugano“ antwortete eine Person mit beträchtlichen persönlichen,<br />
finanziellen und gesundheitlichen Problemen, verursacht durch die längere Arbeitslosigkeit,<br />
ohne jede Ironie: „Ich fühle mich hier zu hause!“ 475<br />
Generell kann gesagt werden, dass die stellensuchenden Personen, welche ins<br />
RAV Lugano kommen, sich dort gut aufgehoben fühlen, auch wenn die Atmosphäre<br />
teilweise persönlicher sein könnte.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden fühlen sich wohl im RAV Lugano.<br />
Einflussfaktor 14: Man fühlt sich wohl im RAV Lugano<br />
Die Tatsache, dass der Gang zum RAV keine zusätzliche Last zur Arbeitslosigkeit<br />
bedeutet, wirkt sich positiv auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
475<br />
Übersetztes Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person. Der italienische Originaltext<br />
lautet: „Mi sento di casa!“<br />
129
7.1.1 Einflussfaktoren im Überblick<br />
Zusammenfassend können die Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob sich<br />
die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano als Kunden empfinden, folgendermassen<br />
dargestellt werden:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
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<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 15: Einflussfaktoren auf das Kundenempfinden RAV Lugano 476<br />
476<br />
Die Grafik stellt eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Befragung der <strong>St</strong>ellensuchenden dar.<br />
Die Faktoren sind nicht gewichtet.<br />
130
Die Frage, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano von Seiten des RAV als<br />
Kunden behandelt fühlen, kann auf Grund der Aussagen in den Interviews bejaht<br />
werden. Es entsteht dort eindeutig der Eindruck, dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
aus ihrer Sicht heraus als Kunden behandelt fühlen. Die Gründe für dieses Empfinden<br />
liegen in den positiven Einflussfaktoren, wie sie in dieser Abbildung dargestellt<br />
werden.<br />
Es geht nun darum, herauszufinden, ob es auch beim RAV Solothurn Faktoren gibt,<br />
welche dem Kundenempfinden förderlich sind.<br />
7.2 Faktoren des Kundenempfindens aus der Sicht der beim RAV Solothurn<br />
eingeschriebenen <strong>St</strong>ellensuchenden, ermittelt aus der Auswertung der<br />
Befragungen 477<br />
Im Rahmen der Interviews hat es sich gezeigt, dass eine Unterscheidung der Ergebnisse<br />
nach den verschiedenen solothurner RAV unnötig ist. Die befragten Personen<br />
äusserten sich im Trend ziemlich einheitlich, egal welches der verschiedenen<br />
RAV sie besuchen. Der Grund, warum sie „ihr“ RAV (z.B. RAV Jobmanagement,<br />
RAV Qualifizierung, RAV Integration usw.) und nicht ein anderes aufsuchen<br />
müssen, ist den meisten Befragten schleierhaft. Die Rede ist daher nur vom „RAV<br />
Solothurn“.<br />
Im folgenden werden die verschiedenen Faktoren geschildert, welche die Tatsache<br />
beeinflussen, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn als Kunden behandelt<br />
fühlen oder nicht. Die Faktoren werden gleichzeitig bei Bedarf in Beziehung<br />
zu den Ergebnissen aus der Analyse der Personalberaterinterviews gesetzt,<br />
die als Vergleichsgrössen dienen.<br />
Die stellensuchenden Personen, welche das RAV Solothurn aufsuchen, sind unisono<br />
der Meinung, es sei Aufgabe des RAV und seiner Mitarbeiter für die Versicherten<br />
neue <strong>St</strong>ellen zu finden.<br />
Die <strong>St</strong>ellenvermittlung wird als Hauptaufgabe des RAV definiert. Vom RAV wird erwartet,<br />
dass die bestehenden Beziehungen zu Unternehmungen dafür eingesetzt werden,<br />
<strong>St</strong>ellen an die beim RAV gemeldeten Personen zu vermitteln. Durch den staatlichen<br />
Charakter des RAV erhoffen sich die stellensuchenden Personen, dass dieses<br />
über ausgezeichnete Kontakte und Möglichkeiten zur <strong>St</strong>ellenvermittlung verfügt. 478<br />
477<br />
Sämtliche Ergebnisse in diesem Kapitel und den Unterkapiteln entstammen der Auswertung der Befragungen,<br />
die mit stellensuchenden Personen des RAV Solothurn durchgeführt wurden. Die Ergebnisse<br />
der Mitarbeiterbefragung dienen lediglich zum besseren Verständnis der Thematik.<br />
478<br />
Ergebnis aus der Auswertung der Befragungen für <strong>St</strong>ellensuchende des RAV Solothurn. Alle befragten<br />
Personen äusserten diese Meinung.<br />
131
Wie bereits bei der Auswertung der Befragung stellensuchender Personen des<br />
RAV Lugano erwähnt, ist aber die Aufgabe des RAV nebst der Abwicklung der mit<br />
der Arbeitslosigkeit zusammenhängenden verschiedenen Formalitäten und der<br />
Kontrolle der Arbeitsbemühungen, die Hilfe zur Selbsthilfe. Die <strong>St</strong>ellenvermittlung<br />
ist lediglich eine der verschiedenen Dienstleistungen des RAV, aber nicht dessen<br />
Hauptaufgabe.<br />
Das RAV ist kein staatliches <strong>St</strong>ellenvermittlungsbüro. Leider wissen das die arbeitslosen<br />
und stellensuchenden Personen nicht.<br />
Einflussfaktor 1: Das RAV ist kein staatlicher <strong>St</strong>ellenvermittler<br />
Die Tatsache, dass die Versicherten vom RAV eine gänzlich andere Leistung als<br />
Hauptleistung erwarten, als dieses zu erbringen in der Lage ist, beeinflusst die Frage,<br />
ob die <strong>St</strong>ellensuchenden sich als Kunden behandelt fühlen grundlegend und<br />
zwar in negativer Hinsicht.<br />
Dieser negative Faktor begründet die Faktoren “Mangelndes Problemverständnis”<br />
und “Zuwenig ernst genommen werden”, wie sie in den folgenden Absätzen geschildert<br />
werden:<br />
Mangelndes Problemverständnis: Die Mehrheit der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
ist der Ansicht, beim RAV verstünde man ihr Hauptproblem, die Tatsache, dass sie<br />
eine <strong>St</strong>elle suchen, nicht, da man ihnen ja ansonsten helfen würde, in möglichst<br />
kurzer Zeit eine neue <strong>St</strong>elle zu finden. Typisch dafür sind Aussagen wie: „Die Personalberater<br />
sollen mehr Einsatz zeigen. Die verstehen wohl nicht, dass mein Problem<br />
die Arbeitslosigkeit ist.“ 479<br />
Die Tatsache, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden vom RAV eine andere Hauptleistung erwarten<br />
als dieses zu erbringen vermag (nämlich die möglichst effiziente und effektive<br />
Vermittlung von <strong>St</strong>ellen), führt auch dazu, dass sich die Versicherten zuwenig<br />
ernst genommen fühlen.<br />
Ein <strong>St</strong>ellensuchender wird im RAV Solothurn von einem Personalberater betreut,<br />
der unter Umständen nur über sehr begrenzte Kenntnisse des Berufs oder der Branche<br />
des <strong>St</strong>ellensuchenden verfügt. In Solothurn werden die <strong>St</strong>ellensuchenden den<br />
Personalberatern nicht nach Berufsgattungen zugeteilt, wie dies beispielsweise in<br />
Lugano der Fall ist. So kommt es vor, dass ein Personalberater, der vor seiner Tätigkeit<br />
beim RAV Lastwagenchauffeur war, einen <strong>St</strong>ellensuchenden berät, der bis<br />
479<br />
Originalzitat aus einem Interview mit einem <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn.<br />
132
zum Zeitpunkt seiner Arbeitslosigkeit Personalchef in der Industrie war. Aus solchen<br />
Konstellationen ergeben sich häufig Verständigungsschwierigkeiten. Der<br />
Personalberater hat unter Umständen ganz andere Vorstellungen von den Inhalten<br />
der beruflichen Tätigkeit des Versicherten, den er beraten sollte. Die Wahrscheinlichkeit<br />
steigt auch, dass zwischen Personalberater und <strong>St</strong>ellensuchendem die Differenzen<br />
grösser werden, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche Tätigkeiten<br />
für den <strong>St</strong>ellensuchenden zumutbar sind und welche nicht.<br />
Dazu kommt die mangelnde Branchenerfahrung der Personalberater. Häufig ist es<br />
der Fall, dass ein Berater nur über sehr begrenzte Kenntnisse verfügt, was die<br />
Branche des ihm zugeordneten Versicherten betrifft. Am bereits oben erwähnten<br />
Beispiel erklärt: Ein ehemaliger Lastwagenfahrer, der für eine Transportunternehmung<br />
gearbeitet hat, verfügt mit grosser Wahrscheinlichkeit nur über sehr begrenzte<br />
Branchenerfahrung, was den Industriebetrieb betrifft, in dem der ehemalige<br />
Personalchef gearbeitet hat.<br />
Die mangelnde Branchenerfahrung führt dazu, dass der Personalberater nur<br />
schlecht abschätzen kann, wie gross die Chancen des <strong>St</strong>ellensuchenden sind, in der<br />
angestammten Branche wieder eine <strong>St</strong>elle zu finden.<br />
Gleichzeitig fehlen dem Personalberater die notwendigen Kontakte innerhalb der<br />
Branche des <strong>St</strong>ellensuchenden, damit er ihm helfen könnte, möglichst bald wieder<br />
eine <strong>St</strong>elle zu finden.<br />
Das Fehlen profunder Kenntnisse über Berufe und Branchen der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
von Seiten der Personalberater trägt auch dazu bei, dass sich die Versicherten<br />
durch ihre Berater zuwenig ernst genommen fühlen und dass bei ihnen der Eindruck<br />
entsteht, die Personalberater würden ihre Probleme nicht oder zuwenig verstehen.<br />
Auf Seiten der Personalberater sind zuwenig Berufs- und Branchenkenntnisse bezüglich<br />
der Tätigkeiten der ihnen zugewiesenen <strong>St</strong>ellensuchenden vorhanden.<br />
Einflussfaktor 2: Mangelhafte Berufs- und Branchenkenntnisse<br />
Der Mangel an Berufs- und Branchenkenntnissen auf Seiten der Personalberater<br />
wirkt sich negativ auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn wünschen sich etwas mehr persönliche<br />
Betreuung durch die Personalberater. Obwohl die Mehrheit der Befragten eine<br />
gewisse Distanz zur Institution RAV und zu deren Mitarbeitern schätzt, hätten sie<br />
es doch gern, wenn ab und zu jemand da wäre, der einem zuhört. Ein <strong>St</strong>ellensu-<br />
133
chender meinte dazu: „Man wird nur verwaltet, aber nicht begleitet.“ 480 Diese Aussage<br />
zeigt deutlich, dass der Wunsch nach mehr persönlicher Betreuung vorhanden<br />
ist. Auf die Frage aber, ob die <strong>St</strong>ellensuchenden es schätzen würden, wenn die<br />
Personalberater sie auch ausserhalb des offiziellen Beratungstermins anrufen würden,<br />
um sich nach ihnen und ihrer Situation zu erkundigen, antworteten nahezu alle<br />
Befragten (eine Ausnahme) mit einem klaren „Nein“. Beweggrund für diese klare<br />
Antwort ist eindeutig die Tatsache, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden keine zu starke<br />
Einmischung der Personalberater in ihr Leben wünschen. Die Distanz soll gewahrt<br />
werden. Bei Bedarf sollte man zwar die Möglichkeit haben, etwas mehr persönliche<br />
Betreuung, wenn möglich auch in psychologischer Hinsicht, in Anspruch zu<br />
nehmen, diese wird aber nicht im Übermass gefordert.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden wünschen sich etwas mehr persönliche Betreuung.<br />
Einflussfaktor 3: Der Wunsch nach etwas mehr persönlicher Betreuung<br />
Das unerfüllte Bedürfnis der <strong>St</strong>ellensuchenden nach etwas mehr persönlicher Betreuung<br />
wirkt sich tendenziell negativ auf deren Kundenempfinden aus.<br />
Rund die Hälfte der Befragten <strong>St</strong>ellensuchenden beklagt sich, dass die Personalberater<br />
teilweise über mangelhafte Kenntnisse verfügen, was den Verkehr mit dem<br />
RAV und der Arbeitslosenkasse betrifft. Häufig sind die Personalberater nicht in<br />
der Lage, den Versicherten genau zu erklären, mit welchen Angelegenheiten diese<br />
sich an das RAV wenden können und womit sie zur Arbeitslosenkasse gehen müssen.<br />
Aber auch was die verschiedenen Verfahren innerhalb des RAV betrifft, ist die<br />
Information von Seiten der Personalberater nicht immer korrekt und ausreichend.<br />
Auch eine gesamtschweizerische <strong>St</strong>udie von 1998 ist bereits zu diesen Ergebnissen<br />
gekommen. Der Mangel an fachlichen Kompetenzen wurde damit schon vor<br />
Jahren als schwerwiegendes Qualitätsproblem erkannt. 481<br />
Der Informationsanlass zu Rechten und Pflichten, welchen die Versicherten kurz<br />
nach der Anmeldung beim RAV besuchen, dauert rund zwei <strong>St</strong>unden und wird einstimmig<br />
als unzureichend bewertet. Zu diesem Zeitpunkt sind sich die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
häufig noch gar nicht bewusst, welche Fragen sie interessieren könnten.<br />
Die Aufmerksamkeit ist daher begrenzt. Die Informationsblätter bringen ebenfalls<br />
nicht den erhofften Nutzen, da sie entweder nicht verstanden werden oder da ih-<br />
480<br />
Originalzitat aus einem Interview mit einem <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn.<br />
481<br />
M.I.S. (Qualität), S. 9.<br />
134
nen, wegen der Flugblatt-ähnlichen Erscheinungsform, nicht der Wert beigemessen<br />
wird, der ihnen zukäme.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden würden eindeutig die korrekte, fachlich kompetente Information<br />
durch die Personalberater bevorzugen. Bedauerlicherweise ist dies nicht<br />
immer gewährleistet. Dessen sind sich einige der befragten Personalberater bewusst.<br />
Die Informationen, welche den Versicherten über die Personalberater vermittelt<br />
werden, sind teilweise unzureichend und nicht immer korrekt. Auch Informationsnachmittag<br />
und abgegebene Broschüren befriedigen das Informationsbedürfnis<br />
der Versicherten bezüglich Umgang mit dem RAV zu wenig.<br />
Einflussfaktor 4: Unzureichende Informationen<br />
Die Tatsache, dass Informationen teilweise unzureichend oder nicht korrekt an die<br />
Versicherten vermittelt werden, wirkt sich deutlich negativ auf deren Kundenempfinden<br />
aus.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden wünschen sich etwas mehr Zeit von den Personalberatern.<br />
Der Beratungstermin, der ungefähr einmal im Monat stattfindet und rund 30 Minuten<br />
dauert, wird als zu kurz empfunden. Die Versicherten bringen grosses Verständnis<br />
dafür auf, dass die Personalberater zahlreiche Dossiers von <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
betreuen müssen und daneben noch relativ viel administrativen Aufwand<br />
zu bewältigen haben. Sie möchten aber das Gefühl haben, nicht einfach „abgefertigt<br />
und verwaltet“ 482 , sondern als Individuum wahrgenommen zu werden. Dafür<br />
benötigen sie mehr Zeit von Seiten der Personalberater.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden sind der Ansicht, dass die Personalberater zuwenig Zeit für<br />
Beratung und Betreuung der Versicherten haben.<br />
Einflussfaktor 5: Zuwenig Zeit<br />
Die mangelnde Zeit wirkt sich negativ auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
aus.<br />
Die befragten <strong>St</strong>ellensuchenden bemängeln, dass die verwendete Sprache im Ver-<br />
482<br />
Der Ausdruck stammt aus einem Originalzitat eines <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn.<br />
135
kehr mit dem RAV teilweise zu kompliziert ist, sei dies in Briefen, auszufüllenden<br />
Formularen oder verteilten Broschüren, teilweise auch bei den Beratungsterminen.<br />
Jene Befragten, die nicht deutscher Muttersprache sind, wünschen sich zudem,<br />
dass die Personalberater über einige wenige Fremdsprachenkenntnisse in der<br />
Sprache der Versicherten verfügen. Es werden keine fliessenden Sprachkenntnisse<br />
verlangt. „Ein paar Worte würden schon genügen. Das gäbe Sicherheit.“ 483<br />
Die Versicherten beurteilen die vom RAV verwendete Sprache als teilweise zu<br />
schwierig.<br />
Einflussfaktor 6: Schwierige Sprache<br />
Die Sprachprobleme wirken sich negativ auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
aus.<br />
Nebst dem Beratungsgespräch, das im Büro des jeweiligen Personalberaters stattfindet,<br />
müssen sich die <strong>St</strong>ellensuchenden einmal pro Monat (der Termin ist von<br />
demjenigen des Beratungsgesprächs getrennt) zum Schalter des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums<br />
begeben um zu <strong>St</strong>empeln und die Beweise für ihre Arbeitsbemühungen<br />
zu erbringen.<br />
Diesen Gang zum Schalter empfinden die <strong>St</strong>ellensuchenden durchwegs als unpersönlich<br />
und unangenehm. Dabei geht es nicht nur darum, dass sie damit zweimal<br />
pro Monat das RAV aufsuchen müssen. Der Hauptgrund für die Aversion gegen<br />
„den Schalter“ ist, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden sich angesichts des Schalterbesuchs<br />
„verwaltet“ und zuwenig als Individuen wahrgenommen fühlen.<br />
Der Gang zum Schalter wird von den <strong>St</strong>ellensuchenden als sehr unangenehm empfunden.<br />
Einflussfaktor 7: Der unangenehme Gang zum Schalter<br />
Die Wartezeiten anlässlich der Beratungstermine werden von den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
als deutlich zu lang beurteilt. Zehn Minuten würden problemlos akzeptiert.<br />
Teilweise entstehen aber Wartezeiten von über fünfzehn Minuten bis zu einer <strong>St</strong>unde.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden sind mehr oder weniger gezwungen, diese Wartezeiten<br />
483<br />
Originalzitat aus einem Interview mit einer stellensuchenden Person, RAV Solothurn.<br />
136
vor Ort zu akzeptieren, da sie verpflichtet sind, ihren Beratungstermin, zu dem sie<br />
aufgeboten wurden, einzuhalten.<br />
Durch die teilweise sehr langen Wartezeiten entstehen Schlangen vor den Büros<br />
der Personalberater. Auch dies wird von den <strong>St</strong>ellensuchenden als höchst unangenehm<br />
empfunden und fördert ihren Eindruck des „Verwaltet-werdens“ an <strong>St</strong>elle<br />
der „Dienstleistung am Individuum“.<br />
Für wartende Personen steht kein Aufenthaltsraum zur Verfügung. Die Wartenden<br />
drängen sich auf den Gängen, was eine für alle Beteiligten (auch ein Teil der befragten<br />
Personalberater äusserte sich entsprechend) unangenehme Atmosphäre erzeugt.<br />
Das lange Warten auf den Gängen wird von den <strong>St</strong>ellensuchenden als höchst unangenehm<br />
empfunden.<br />
Einflussfaktor 8: Lange Wartezeiten auf den Gängen<br />
Die teilweise langen Wartezeiten auf den Gängen des RAV wirken sich deutlich<br />
negativ auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
Der überwiegende Teil der befragten <strong>St</strong>ellensuchenden traut sich nicht, sich zu beschweren,<br />
da sie sich vor eventuellen Sanktionen fürchten. Die Hälfte der befragten<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden glaubt, dass sich durch eine Beschwerde ohnehin nichts ändern<br />
würde. Sie sind der Ansicht, dass ihre Reklamation wahrscheinlich ungehört<br />
in einer Schublade verschwinden würde.<br />
Einige der Befragten haben schon einmal reklamiert, sind aber mit der Behandlung<br />
ihrer Beschwerde und dem Ergebnis eher unzufrieden.<br />
Ein transparentes Beschwerdemanagementsystem fehlt.<br />
Einflussfaktor 9: Kein transparentes Beschwerdemanagementsystem vorhanden<br />
Das Fehlen eines transparenten Beschwerdemanagementsystems wirkt sich negativ<br />
auf die Frage aus, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn halten die Forderung einer Mindestzahl<br />
von Arbeitsbemühungen pro Person und Monat als einigermassen sinnlose Auflage.<br />
Einige der <strong>St</strong>ellensuchenden, die sich ehrlich bemühen, die geforderten Ar-<br />
137
eitsbemühungen zu erbringen, kommen ab und zu in Bedrängnis, weil die Unternehmungen<br />
nicht gewillt sind zu bestätigen, dass sich ein <strong>St</strong>ellensuchender persönlich<br />
bei ihnen beworben hat. (Dies gilt für jene Fälle mit relativ wenigen<br />
Deutschkenntnissen, welche es bevorzugen, direkt bei der Unternehmung vorzusprechen,<br />
anstatt eine schriftliche Bewerbung einzureichen.) Gleichzeitig geben<br />
andere <strong>St</strong>ellensuchende unumwunden zu, dass es für sie ein leichtes ist, die geforderten<br />
Bewerbungsnachweise zu erbringen, auch wenn sie sich gar nicht für die<br />
entsprechende <strong>St</strong>elle oder für den Arbeitgeber bei dem sie sich „bewerben“ interessieren.<br />
Die Arbeitsbemühungen verkommen dadurch zur Farce.<br />
Problematisch sind zudem Fälle, in denen die Aussichten in der Branche oder für<br />
die entsprechenden Berufskategorien so schlecht sind, dass nahezu keine Möglichkeit<br />
auf eine kurzfristige Rückkehr ins Arbeitsleben besteht. Dort kommt das<br />
Problem der mangelnden Berufs- und Branchenkenntnisse der Personalberater<br />
zum Tragen, indem sie in zahlreichen Fällen eine Anzahl Arbeitsbemühungen vorschreiben,<br />
die durch die <strong>St</strong>ellensuchenden sinnvollerweise gar nicht erbracht werden<br />
können. Damit ihnen keine Sanktionen widerfahren, sind die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
dann aber trotzdem gezwungen, Bewerbungen zu schreiben, bei denen von<br />
vornherein klar ist, dass sie keine Aussicht auf Erfolg haben.<br />
Die Festlegung einer Mindestzahl geforderter Arbeitsbemühungen ist in verschiedenen<br />
Fällen problematisch.<br />
Einflussfaktor 10: Fragwürdige Zahl der Arbeitsbemühungen<br />
Nicht nur bei der Festlegung der Zahl der geforderten Arbeitsbemühungen, sondern<br />
auch in allem andern Handeln von Seiten des RAV wünschen sich die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
mehr Flexibilität. Das Ausnutzen des „menschlichen Entscheidungsspielraums“<br />
wird von den <strong>St</strong>ellensuchenden unisono vermisst. Das Gefühl,<br />
„verwaltet zu werden“, ohne die Möglichkeit, auch nur ein Minimum von individueller<br />
Problemlösung zu erhalten, ist bei den <strong>St</strong>ellensuchenden der vorherrschende<br />
Eindruck. Ein <strong>St</strong>ellensuchender meinte dazu: „Oft ist nur gut, was der<br />
Computer sagt. Mehr Flexibilität wäre wichtig; nicht so starr!“<br />
Es mangelt an Flexibilität bei der Suche nach Problemlösungen.<br />
Einflussfaktor 11: Mangel an Flexibilität<br />
138
Der Mangel an Flexibilität wirkt sich negativ auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
aus.<br />
Ein Teil der <strong>St</strong>ellensuchenden bemängelt die logistisch schlechte Erreichbarkeit<br />
des RAV Solothurn. Bushaltestellen sind nicht in unmittelbarer Nähe zu finden und<br />
Parkplätze fehlen.<br />
Schlechte logistische Erreichbarkeit des RAV.<br />
Einflussfaktor 12: Schlechte Erreichbarkeit des RAV<br />
Die schlechte Erreichbarkeit wirkt sich zusätzlich negativ auf das Kundenempfinden<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden fühlen sich eindeutig nicht besonders wohl im RAV Solothurn.<br />
Der Gang zum RAV wird weitestgehend als unangenehme Last empfunden.<br />
Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Gespräche mit den Personalberatern.<br />
Diese sind zwar bemüht, ihr bestes zu geben, merken aber ebenfalls, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
sich nicht wohl fühlen beim RAV.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden fühlen sich nicht wohl im RAV Solothurn.<br />
Einflussfaktor 13: Man fühlt sich nicht wohl im RAV Solothurn<br />
Die Tatsache, dass der Gang zum RAV als unangenehm empfunden wird, wirkt<br />
sich deutlich negativ auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
Die Personalberater des RAV Solothurn werden von den <strong>St</strong>ellensuchenden als<br />
freundlich, aber in ihrem Verhalten teilweise zu unpersönlich beurteilt. Es wird ihnen<br />
durchwegs attestiert, dass sie sich grosse Mühe geben, ihre Arbeit gut zu machen.<br />
Die Ergebnisse dieser Bemühungen empfinden die <strong>St</strong>ellensuchenden aber<br />
häufig als unbefriedigend. Einer der Befragten äusserte sich folgendermassen:<br />
„Ich komme mir vor wie ein Mannsgöggeli in einer Reihe. Es fehlt nur noch, dass<br />
man ein Nümmerli ziehen müsste.“ 484<br />
484<br />
Originalzitat aus einem Interview mit einem <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn.<br />
139
Die Personalberater werden als freundlich, aber zu unpersönlich beurteilt.<br />
Einflussfaktor 14: Freundliche, aber unpersönliche Personalberater<br />
Die Tatsache, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden die Personalberater zwar als freundlich,<br />
aber unpersönlich empfinden, wirkt sich auf das Kundenempfinden im Endeffekt<br />
weder positiv noch negativ aus. Die Freundlichkeit wäre als positiver Faktor des<br />
Kundenempfindens zu werten, während die Unpersönlichkeit ein negatives Element<br />
darstellt. Im Gespräch mit den <strong>St</strong>ellensuchenden entstand der Eindruck, dass<br />
letztere zwar froh sind, dass die Personalberater freundlich zu ihnen sind, dass diese<br />
Freundlichkeit aber weitestgehend von der herrschenden Unpersönlichkeit wieder<br />
zunichte gemacht wird.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden hegen grösstenteils eine Art sachliches (und weniger persönliches)<br />
Vertrauen in die Personalberater. Die Versicherten gehen davon aus,<br />
dass die Personalberater ihre Tätigkeit nach bestem Wissen und Gewissen und im<br />
Sinne des Gesetzgebers erfüllen, auch wenn sie von deren Informationen nicht immer<br />
überzeugt sind.<br />
Das sachliche Vertrauen in die Personalberater ist grösstenteils intakt.<br />
Einflussfaktor 15: Intaktes sachliches Vertrauen in die Personalberater<br />
Das Vorhandensein eines sachlichen Vertrauens in die Personalberater wirkt sich<br />
positiv auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden aus.<br />
Zu den Arbeitsmarktlichen Massnahmen meinen die <strong>St</strong>ellensuchenden mehrheitlich,<br />
dass sie den Zwangscharakter, der diesen Massnahmen teilweise anhaftet,<br />
zwar nicht besonders schätzen, dass sie aber die Inhalte derselben recht positiv bewerten<br />
können.<br />
Dies geht in Richtung der Ergebnisse einer repräsentativen <strong>St</strong>udie im Auftrag des<br />
Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit von 1998, welche die Qualität der Arbeitsmarktlichen<br />
Massnahmen gesamtschweizerisch 485 unter die Lupe genommen<br />
hat. Sie ist zum Ergebnis gekommen, dass die Arbeitsmarktlichen Massnahmen<br />
bei den <strong>St</strong>ellensuchenden auf grosse Akzeptanz stossen und dass deren Qualität<br />
zumeist als sehr gut beurteilt wird. 486<br />
485<br />
Die kantonalen Ergebnisse sind nicht erhältlich.<br />
486<br />
M.I.S. (Qualität), S. 36ff.<br />
140
Während allerdings die soeben erwähnte <strong>St</strong>udie zum Schluss kommt, dass die Beschäftigungsprogramme<br />
und die Kurse über Bewerbungstechnik auf Kritik stossen<br />
487 , bezeichnen die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn besonders die Kurse<br />
(ohne Ausnahme) bezüglich Inhalten und Art der <strong>St</strong>offvermittlung als durchaus<br />
passabel.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden beurteilen die Arbeitsmarktlichen Massnahmen einigermassen<br />
positiv.<br />
Einflussfaktor 16: Einigermassen positive Beurteilung der Arbeitsmarktlichen<br />
Massnahmen<br />
Die relativ gute Beurteilung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen durch die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
des RAV Solothurn wirkt sich positiv auf deren Kundenempfinden<br />
aus.<br />
7.2.1 Einflussfaktoren im Überblick<br />
Zusammenfassend können die Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob sich<br />
die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn als Kunden empfinden, folgendermassen<br />
dargestellt werden:<br />
487<br />
M.I.S. (Qualität), S. 38.<br />
141
Abbildung 16 : Einflussfaktoren auf das Kundenempfinden RAV Solothurn 488<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden, welche das RAV Solothurn aufsuchen fühlen sich mehr verwaltet<br />
als beraten. Den Personalberatern gelingt es nicht, diesem Gefühl mit dem<br />
488<br />
Die Grafik stellt eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Befragung der <strong>St</strong>ellensuchenden dar.<br />
Die Faktoren sind nicht gewichtet.<br />
142
Aufbau eines persönlichen Vertrauensverhältnisses und so weit als möglich auf die<br />
Bedürfnisse der Versicherten ausgerichteten Dienstleistungen entgegenzuwirken.<br />
Die Atmosphäre im RAV Solothurn erscheint unpersönlich, unflexibel und nicht<br />
sehr kundenfreundlich. Die <strong>St</strong>ellensuchenden empfinden sich dementsprechend<br />
auch in keiner Art und Weise als Kunden behandelt.<br />
Dieses negative Empfinden wird verstärkt durch Mängel in der Leistungserbringung<br />
wie lange Wartezeiten, unzureichende oder rechtlich nicht ganz korrekte Informationen.<br />
Der Gesamteindruck kann mit folgendem Zitat eines Versicherten wiedergegeben<br />
werden: „Die machen nichts für uns. Ich helfe mir selbst, aber die andern, die das<br />
nicht können, haben ein Problem.“ 489<br />
Die Frage, ob sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn als Kunden behandelt<br />
fühlen, muss auf Grund der Interviews verneint werden. Allerdings gibt es auch<br />
hier Faktoren, die darauf hinweisen, dass so etwas wie ein Kundenempfinden in<br />
den <strong>St</strong>ellensuchenden entstehen könnte. Gemeint sind damit die Freundlichkeit<br />
der Personalberater und das Vertrauen, das in sie gesetzt wird von Seiten der Personalberater.<br />
8 Interpretation der Ergebnisse<br />
Wenn die Faktoren verglichen werden, die das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
im RAV Lugano und im RAV Solothurn beeinflussen, finden sich die folgenden<br />
gemeinsamen Einflussfaktoren:<br />
• Kommunikation der Aufgaben eines RAV<br />
• Persönliche Betreuung<br />
• Umfang und Grad der Korrektheit der Informationen<br />
• Für die <strong>St</strong>ellensuchenden zur Verfügung stehende Zeit<br />
• Beschwerdemanagementsystem<br />
• Zahl der Arbeitsbemühungen<br />
• Freundlichkeit und Sympathie von Seiten der Personalberater<br />
• Vertrauen zu den Personalberatern<br />
• Arbeitsmarktliche Massnahmen<br />
• Schalter<br />
• Wartezeiten<br />
• Allgemeines Gefühl des Wohlbefindens<br />
489<br />
Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person.<br />
143
Dabei hängt das Gefühl des allgemeinen Wohlbefindens stark von der Freundlichkeit<br />
und dem vertrauenserweckenden Verhalten der Personalberater ab 490 und wird<br />
daher im Folgenden nicht mehr als eigener Faktor gewertet.<br />
Die Zahl der Arbeitsbemühungen wird zwar in den Gesprächen immer wieder erwähnt<br />
und auch kritisiert. Die Personalberater beider analysierter RAV bemühen<br />
sich aber, den <strong>St</strong>ellensuchenden zu erklären, weshalb sie von ihnen eine bestimmte<br />
Anzahl Bewerbungen (bzw. Arbeitsbemühungen) pro Monat verlangen. Die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
akzeptieren dies letztlich. Entscheidend ist auch hier wieder das Verhältnis<br />
zum Personalberater. Wenn es diesem gelingt, bei den ihm anvertrauten <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
Vertrauen zu wecken und er die Forderung verständlich formuliert, beeinflusst<br />
die Zahl der geforderten Arbeitsbemühungen das Kundenempfinden nicht<br />
mehr direkt und wird daher im folgenden nicht mehr als eigener Faktor erwähnt.<br />
Die Faktoren, welche die Entwicklung eines Kundenempfindens beeinflussen<br />
können in emotionale und sachlich-institutionelle Faktoren aufgeteilt und grafisch<br />
folgendermassen dargestellt werden:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
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<br />
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<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildung 17: Faktoren zur Entwicklung eines Kundenempfindens durch die<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden eines RAV<br />
490<br />
Dies zeigen die Interviews mit den <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
144
8.1 Emotionale Faktoren des Kundenempfindens<br />
Die emotionalen Faktoren sind jene Faktoren, welche die Grundlage bilden, ob der<br />
<strong>St</strong>ellensuchende überhaupt beginnt, ein Kundenempfinden zu entwickeln.<br />
Die emotionalen Faktoren sind: „Freundlichkeit und Sympathie der Personalberater“,<br />
„Persönliche Betreuung“ und „Vertrauen zu den Personalberatern“.<br />
Diese drei Faktoren müssen im Sinne der Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensuchenden, erfüllt<br />
sein, damit diese überhaupt beginnen, ein Kundenempfinden zu entwickeln.<br />
8.2 Sachlich-institutionelle Faktoren des Kundenempfindens<br />
Unter sachlich-institutionellen Faktoren des Kundenempfindens sind jene Faktoren<br />
zu verstehen, die, sofern die emotionalen Faktoren im Sinne der Bedürfnisse<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden erfüllt sind, das Kundenempfinden in positiver Hinsicht entwickeln.<br />
Es handelt sich dabei um Faktoren, die mit der Institution RAV, deren Organisation<br />
und Verfahren zusammenhängen. Zu den sachlich-institutionellen Faktoren<br />
gehören z.B. der Umfang und der Grad der Korrektheit der vermittelten Informationen,<br />
die Wartezeiten, das Vorhandensein (oder eben nicht) eines Beschwerdemanagementsystems<br />
usw. Es handelt sich dabei um jene Faktoren, bei denen relativ<br />
einfach überprüft werden kann, ob sie, im Sinne der Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
vorhanden sind oder nicht, beziehungsweise in welchem Masse sie den<br />
Bedürfnissen der <strong>St</strong>ellensuchenden entsprechen.<br />
Je stärker die sachlich-institutionellen Faktoren im Sinne der Bedürfnisse und<br />
Wünsche der <strong>St</strong>ellensuchenden ausgeprägt sind, desto mehr empfinden sich diese<br />
als Kunden. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die emotionalen Faktoren den<br />
Bedürfnissen der <strong>St</strong>ellensuchenden entsprechen.<br />
Es ist denkbar, dass die sachlich-institutionellen Faktoren je nach Ausgestaltung<br />
der Organisation eines einzelnen RAV auch erweitert werden können. Die drei definierten<br />
emotionalen Faktoren bilden aber auch dann die Basis auf welcher ein<br />
Kundenempfinden erst entwickelt werden kann.<br />
Am Beispiel des RAV Lugano können die emotionalen und die sachlich-institutionellen<br />
Faktoren des Kundenempfindens folgendermassen erläutert werden:<br />
8.3 Emotionale und sachlich-institutionelle Faktoren des Kundenempfindens<br />
am Beispiel des RAV Lugano<br />
Die Ergebnisse aus der Analyse der Interviews mit den <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV<br />
Lugano haben ergeben, dass zahlreiche Faktoren die Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensu-<br />
145
chenden nicht oder nicht ausreichend erfüllen. So bemängeln sie unter anderem<br />
die unzureichenden und nicht immer korrekten Informationen, das Fehlen eines<br />
transparenten Beschwerdemanagementsystems oder den Mangel an Zeit, welche<br />
die Personalberater für die <strong>St</strong>ellensuchenden zur Verfügung haben.<br />
Gleichzeitig wird in den Interviews klar, dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV<br />
Lugano von Seiten des RAV und seiner Mitarbeiter als Kunden behandelt fühlen.<br />
Aus den Gesprächen geht eindeutig hervor, dass die Grundlage für dieses Empfinden<br />
in der Erfüllung der emotionalen Faktoren im Sinne der Bedürfnisse der<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden zu finden ist.<br />
Darüber hinaus sind die Personalberater rasch und unkompliziert erreichbar, es<br />
gibt keine Schalter für die <strong>St</strong>empelkontrolle mehr und die Wartezeiten zu den Beratungsgesprächen<br />
werden als kurz empfunden. Diese sachlich-institutionellen<br />
Faktoren bewirken, auf der Basis der Erfüllung der emotionalen Faktoren, dass die<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano sich als Kunden behandelt fühlen.<br />
8.4 Emotionale und sachlich-institutionelle Faktoren des Kundenempfindens<br />
am Beispiel des RAV Solothurn<br />
In Solothurn hat die Analyse der Interviews mit den <strong>St</strong>ellensuchenden ergeben,<br />
dass sehr viele Faktoren die Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensuchenden nicht erfüllen. Unter<br />
anderem gehören dazu nebst den teilweise unzureichenden und nicht immer<br />
korrekten Informationen der Zeitmangel der Personalberater, die langen Wartezeiten,<br />
der Mangel an Flexibilität bei der Suche nach Problemlösungen usw.<br />
Das Vorhandensein eines gewissen, wenn auch eher sachlichen als menschlichen,<br />
Vertrauens in die Personalberater und der freundliche, leider oft etwas unpersönliche<br />
Umgangston derselben wird von den <strong>St</strong>ellensuchenden in positivem Sinne<br />
vermerkt. Es entsteht der Eindruck, dass wenn diese Faktoren ausgebaut würden,<br />
sich eine Basis für ein Kundenempfinden entwickeln könnte. Dazu kommt der<br />
Wunsch nach intensiverer persönlicher Betreuung, der in dieselbe Richtung zielt.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden möchten sich „aufgehoben fühlen“ vom RAV und dessen<br />
Personalberatern. Sie benötigen eine <strong>St</strong>ruktur, die ihnen nicht nur fachliche Hilfe<br />
bietet, sondern bereit ist, sie als Individuen wahrzunehmen und ihnen menschliches<br />
Entgegenkommen zu gewähren.<br />
In den Interviews wird deutlich klar, dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn<br />
von Seiten des RAV und seiner Mitarbeiter nicht als Kunden behandelt fühlen.<br />
Aus den Gesprächen geht eindeutig hervor, dass die Grundlage für dieses Empfinden<br />
in der mangelhaften Erfüllung der emotionalen Faktoren im Sinne der Bedürfnisse<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden zu finden ist.<br />
146
Auch die relativ positive Beurteilung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen kann<br />
daran nichts ändern. Es wäre denkbar, dass verschiedene weitere Faktoren ebenfalls<br />
positiv beurteilt würden. Dies würde durch die <strong>St</strong>ellensuchenden zwar akzeptiert,<br />
sie würden es aber als Erfüllung staatlicher Aufgaben durch eine Institution<br />
und ihre Mitarbeiter anerkennen, ohne sich dabei als Kunden behandelt zu<br />
fühlen. Ohne die Erfüllung der emotionalen Faktoren im Sinne der Bedürfnisse der<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden wäre auch dann keine Entwicklung des Kundenempfindens von<br />
Seiten der <strong>St</strong>ellensuchenden denkbar. Dies haben die Interviews mit den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
deutlich gezeigt.<br />
8.5 Vergleich mit Herzbergs Zweifaktoren-Theorie<br />
Ein kurzer Vergleich mit Herzbergs „Zweifaktoren-Theorie“ der Motivation von<br />
Mitarbeitern kann an dieser <strong>St</strong>elle angeführt werden. Herzberg definiert darin die<br />
sogenannten „Hygienefaktoren“ als jene Faktoren, deren Vorhandensein zwar<br />
noch keine Leistungsmotivation bewirkt, deren Fehlen oder ungenügendes Vorhandensein<br />
aber bei den Mitarbeitern Unzufriedenheit zur Folge hat. Das bedeutet,<br />
dass ohne ausreichendes Vorhandensein der Hygienefaktoren (z.B. Gehalt) gar<br />
keine Arbeitszufriedenheit, geschweige denn Motivation zur Leistung der Mitarbeiter<br />
zustande kommen kann. 491<br />
Ähnlich verhält es sich mit den emotionalen Faktoren des Kundenempfindens.<br />
Wenn diese nicht vorhanden sind oder nicht im Sinne der Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
erfüllt sind, bewirkt dies eine grundlegende Unzufriedenheit und die<br />
Basis für die Entwicklung eines Kundenempfindens fehlt.<br />
Wenn also beispielsweise die Personalberater nicht freundlich sind oder die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
kein Vertrauen zu ihnen entwickeln, dann können die von Seiten des<br />
RAV an die <strong>St</strong>ellensuchenden vermittelten Informationen noch so korrekt sein, die<br />
Wartezeiten minimal und die zur Beratung zur Verfügung stehende Zeit so grosszügig<br />
wie nur möglich bemessen sein: Die <strong>St</strong>ellensuchenden werden sich nicht als<br />
Kunden behandelt fühlen.<br />
Des Weiteren spricht Herzberg von „Motivatoren“. Erst das Vorhandensein von<br />
Motivatoren (z.B. Aufstiegschancen, Entfaltungsmöglichkeiten innerhalb der<br />
Unternehmung) bewirkt, dass ein Mitarbeiter zu Leistung motiviert wird. 492<br />
Ähnlich verhält es sich mit den sachlich-institutionellen Faktoren des Kundenempfindens.<br />
Ein <strong>St</strong>ellensuchender fühlt sich noch nicht als Kunde behandelt, wenn<br />
491<br />
Wunderer (Führung), S. 122f.<br />
492<br />
Wunderer (Führung), S. 122f.<br />
147
nur die emotionalen Faktoren entsprechend seinen Bedürfnissen erfüllt sind. Diese<br />
legen nur die Basis. Erst die Erfüllung sachlich-institutioneller Faktoren bewirkt,<br />
dass sich der <strong>St</strong>ellensuchende tatsächlich als Kunde behandelt fühlt.<br />
148
IV Schlussfolgerungen<br />
9 Erkenntnisse für die Praxis<br />
Die Ergebnisse aus der vorliegenden <strong>St</strong>udie bedeuten für die Praxis, dass die Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren in Zukunft beim Einsatz und bei der Aus- und<br />
Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, insbesondere der Personalberater, noch mehr Gewicht<br />
darauf legen sollen, dass diese in der Lage sind, ein freundliches, vertrauensvolles<br />
Klima für die <strong>St</strong>ellensuchenden schaffen. Die Betreuung sollte zudem<br />
verstärkt in den Vordergrund rücken.<br />
Für die RAV Lugano und Solothurn ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen:<br />
Zweck dieser Empfehlungen ist, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden sich in Zukunft (noch)<br />
mehr als bisher als Kunden behandelt fühlen. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass<br />
es sich bei den Handlungsempfehlungen, wenn möglich, um einfach realisierbare<br />
und kostengünstige Massnahmen handelt.<br />
Kommunikation von Sinn und Zweck des RAV: Das Hauptproblem eines <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
der ein RAV aufsucht, ist es, eine neue <strong>St</strong>elle zu finden. Dies ist aus<br />
den Analysen, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen, ganz klar hervorgegangen.<br />
So lange die <strong>St</strong>ellensuchenden der Meinung sind, das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum<br />
sei eine Art staatlicher <strong>St</strong>ellenvermittler, werden sie den Eindruck<br />
haben, beim RAV verstehe man ihr Problem nicht und man sei dort auch<br />
nicht willens oder in der Lage, die Probleme der <strong>St</strong>ellensuchenden zu lösen. Es sei<br />
denn, von Seiten der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren wird ganz klar kommuniziert,<br />
dass die <strong>St</strong>ellenvermittlung eine von vielen, aber nicht die Hauptaufgabe<br />
eines RAV und seiner Mitarbeiter ist, sondern dass vielmehr die „Hilfe zur<br />
Selbsthilfe“ die eigentliche Aufgabe der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
ist.<br />
Die RAV Lugano und Solothurn sollten so bald als möglich die eingeschriebenen<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden, aber auch die Arbeitnehmer, welche noch eine <strong>St</strong>elle haben,<br />
darüber informieren, was eigentlich die Aufgaben eines Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums<br />
sind. Die Meinung, das RAV sei eine Art staatliches <strong>St</strong>ellen-<br />
149
vermittlungsbüro scheint weit verbreitet (für beide RAV (Lugano und Solothurn)<br />
haben sich bei der Analyse für die vorliegende Arbeit vergleichbare Resultate ergeben).<br />
Dem muss dringend begegnet werden.<br />
Ideal wäre, wenn das seco zu bewegen wäre, eine einfache Aufklärungskampagne<br />
darüber zu starten, dass die RAV <strong>St</strong>ellen sind, welche Hilfe zur Selbsthilfe<br />
geben und keine staatlichen <strong>St</strong>ellenvermittler. Damit würden die aktuellen<br />
und zukünftigen <strong>St</strong>ellensuchenden mit anderen Erwartungen den Gang zum<br />
RAV antreten. Sie wären nicht mehr enttäuscht, wenn das RAV nicht binnen kurzer<br />
Zeit eine <strong>St</strong>elle für sie findet. Dadurch würden die Leistungen der Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren mit grösster Wahrscheinlichkeit positiver beurteilt.<br />
Es wäre denkbar, auf den Informationsblättern jeweils auf den Frontseiten den<br />
Slogan „Das RAV – Hilfe zur Selbsthilfe“ aufzudrucken. Derselbe Satz sollte sich<br />
im Internet und auf <strong>St</strong>elleninseraten (wenn ein RAV Personalberater oder Administrationspersonal<br />
sucht) wiederholen.<br />
Für ein einzelnes RAV, wie jenes von Lugano oder Solothurn, könnte die Kommunikation<br />
von Sinn und Zweck der Institution sehr einfach im Verlaufe des Einführungskurses<br />
über die Rechte und Pflichten stattfinden. Diesen Kurs muss jeder<br />
Arbeitslose, der sich beim RAV eingeschrieben hat, besuchen. Die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
werden schon bisher anlässlich dieses Kurses über die Aufgaben des RAV informiert.<br />
Wie die Analyse zur vorliegenden Arbeit zeigt, wird die Information aber<br />
noch viel zuwenig klar und verständlich vermittelt. Es ist grosser Wert auf eine einfache,<br />
verständliche Sprache und mehrmaliges Wiederholen des Arguments „Hilfe<br />
zur Selbsthilfe“ zu legen.<br />
Die Personalberater sollten zusätzlich darauf hingewiesen werden, den ihnen zugeordneten<br />
Versicherten während der ersten Besuche und wenn nötig auch später<br />
ganz klar und deutlich den Sinn und Zweck des RAV darzulegen.<br />
Diesem Hauptanliegen „Klare Kommunikation von Sinn und Zweck der Regionalen<br />
Arbeitsvermittlungszentren“ könnte damit ohne allzu grossen finanziellen Aufwand<br />
Genüge getan werden.<br />
Persönliche Betreuung: Dem Wunsch der <strong>St</strong>ellensuchenden nach intensiverer persönlicher<br />
Betreuung kann nicht durch die Personalberater nachgekommen werden.<br />
Deren Beratungs- und Betreuungsaufgabe beschränkt sich auf den Bereich der<br />
Wiedereingliederung in die Arbeitswelt. Die psychologische oder psychotherapeutische<br />
Beratung und Betreuung ist nicht Aufgabe der Personalberater im RAV.<br />
Die Analyse zeigt aber, dass ein entsprechendes Angebot von etlichen <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
gewünscht wird.<br />
Eine Möglichkeit, um diesem Wunsch entgegen zu kommen wäre, dass ein ein-<br />
150
zelnes RAV oder verschiedene Regionale Arbeitsvermittlungszentren eines Kantons<br />
eine psychologisch und/oder psychotherapeutisch geschulte Person (Volloder<br />
Teilzeit, je nach Bedarf) einstellen, welche kostenlos oder gegen einen kleinen<br />
Unkostenbeitrag den Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden auf Anfrage zur Verfügung<br />
steht. Dieses Angebot würde allerdings die bereits bestehenden privaten<br />
und öffentlichen <strong>St</strong>ellen zur psychologischen und psychotherapeutischen Unterstützung<br />
in gewissen Bereichen konkurrenzieren. Trotzdem sollte die Möglichkeit<br />
durchdacht werden, da ein Arbeitsloser unter Umständen andere Bedürfnisse an<br />
die entsprechenden Betreuungsstellen hat als z.B. Personen mit familiären Problemen.<br />
Dasselbe Argument gilt auch für eine Zusammenarbeit mit bestehenden<br />
psychologischen und psychotherapeutischen Betreuungsinstitutionen. Eine spezielle<br />
<strong>St</strong>elle für die psychologische und psychotherapeutische Betreuung von Arbeitslosen<br />
und <strong>St</strong>ellensuchenden sollte damit zumindest überdacht werden.<br />
Die korrekte und rechtssichere Übermittlung von Informationen von den Personalberatern<br />
an die <strong>St</strong>ellensuchenden ist zwingend notwendig. Wie die Untersuchung<br />
gezeigt hat, wird dieses Kriterium im RAV Lugano nicht immer erfüllt. Diesem<br />
Problem muss dringend mit Schulung der Mitarbeiter begegnet werden. Ziel<br />
dieser Schulung muss es sein, dass die Personalberater die Rechtsgrundlagen und<br />
Verfahrensvorschriften und -vorgehensweisen, welche sie den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
übermitteln müssen, nicht nur selber verstehen, sondern auch in der Lage sind, diese<br />
in verständlicher Art und Weise zu kommunizieren. Sie sollten zudem sensibilisiert<br />
werden, bei Anzeichen von Unsicherheiten auf Seiten der <strong>St</strong>ellensuchenden,<br />
allfällige rechtliche Grundlagen und Vorgehensweisen mehrfach zu wiederholen<br />
und auf einfache und verständliche Art zu erklären.<br />
Der Grad der Korrektheit der Informationsvermittlung von Seiten der Personalberater<br />
an die <strong>St</strong>ellensuchenden sollte regelmässig (beispielsweise einmal pro Halbjahr<br />
oder einmal pro Jahr) durch die Gruppenleiter oder durch die Direktion des<br />
RAV überprüft werden. Diese Überprüfung kann kostengünstig erfolgen, indem<br />
zum Beispiel alle sechs Monate sämtliche Personalberater zu einer Klausurtagung<br />
zusammengerufen werden, anlässlich derer jeder Berater ein Problem aus der Praxis<br />
mündlich präsentiert, das in seiner Beratertätigkeit aufgetaucht ist, erläutert<br />
und beschreibt, wie er dem <strong>St</strong>ellensuchenden geholfen hat das Problem zu lösen,<br />
auf welche rechtlichen Grundlagen er ihn hingewiesen hat und in welcher Art und<br />
Weise er ihm die notwendigen Verfahren erklärt hat. Dadurch kann nicht nur überprüft<br />
werden, ob die Personalberater in der Lage sind, Rechtsgrundlagen und Verfahren<br />
korrekt anzuwenden und zu erklären; eine entsprechende Klausurtagung<br />
würde auch den Erfahrungsaustausch unter den Personalberatern verstärken.<br />
Ein Hilfsmittel zum besseren Verständnis von rechtlichen Grundlagen und Ver-<br />
151
fahren rund um den Verkehr mit dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum wäre<br />
auch die Zusammenfassung der verschiedenen Informationsblätter in Buchform.<br />
Die dünnen A5-Broschüren, welche derzeit durch die RAV abgegeben werden,<br />
erwecken schon in ihrer physischen Form den Eindruck von Unwichtigkeit.<br />
Schon der Druck auf festeres Papier würde zwar die Kosten, aber auch die Beachtung<br />
der Broschüren erhöhen. Die Abgabe der Informationen als eine Art Nachschlagewerk<br />
in Buchform sollte geprüft werden, zumal es sich weitgehend um Informationen<br />
handelt, welche über einige Zeit gleich bleiben. Ein solches Buch<br />
wurde auch ausdrücklich von verschiedenen befragten <strong>St</strong>ellensuchenden gewünscht.<br />
Zur besseren Information der <strong>St</strong>ellensuchenden würde auch eine Wiederholung<br />
des Informationsnachmittags, an dem die Versicherten über ihre Rechte und<br />
Pflichten aufgeklärt werden, beitragen. Denkbar wäre ein zweiter Nachmittag für<br />
die <strong>St</strong>ellensuchenden, welche seit mindestens drei Monaten beim RAV eingeschrieben<br />
sind. Dabei müssten die Inhalte der ersten Informationsmöglichkeit lediglich<br />
in Kurzfassung wiederholt werden. Themen, von denen beim RAV bekannt<br />
ist, dass sie häufig zu Schwierigkeiten und Missverständnissen führen, könnten bei<br />
dieser Gelegenheit vertieft und Fragen, die seit dem letzten Informationsnachmittag<br />
aufgetaucht sind, könnten beantwortet werden. Sogar die Möglichkeit von<br />
regelmässig wiederkehrenden Informationsnachmittagen sollte durchdacht werden.<br />
Wenn ein <strong>St</strong>ellensuchender z.B. alle drei Monate zu einem entsprechenden<br />
Anlass aufgeboten wird, bedeutet dies zwar einen zusätzlichen Aufwand für beide<br />
Seiten und eine weitere Pflicht für die Versicherten. Gleichzeitig hätte aber der<br />
einzelne <strong>St</strong>ellensuchende die Sicherheit, Fragen auch ausserhalb seiner Besuche<br />
beim Personalberater stellen zu können und korrekte und rechtssichere Auskünfte<br />
darauf zu erhalten.<br />
Website für bessere und transparentere Informationsvermittlung: Die „Sezione del<br />
Lavoro“ des Kantons Tessin (sie entspricht im Wesentlichen dem Amt für Wirtschaft<br />
und Arbeit des Kantons Solothurn) verfügt seit einigen Monaten über einen<br />
Website, der speziell danach ausgerichtet ist, die Öffentlichkeit und die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
über die Arbeit des Amtes und der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren<br />
zu informieren. Ein <strong>St</strong>ellensuchender kann sich auf dem Site unter anderem<br />
schrittweise darüber informieren, wie er bei drohender oder bereits bestehender<br />
Arbeitslosigkeit vorzugehen hat. Es finden sich Adressen, Formulare und Erläuterungen<br />
zu den Prozessen, die innerhalb des RAV und des Amtes für Wirtschaft und<br />
Arbeit ablaufen. Dadurch entsteht für den <strong>St</strong>ellensuchenden Klarheit und Transparenz<br />
im Verkehr mit dem RAV und den übergeordneten <strong>St</strong>ellen. Der Website ist<br />
Teil eines Projekts zur Organisationsentwicklung, das die kontinuierliche Verbes-<br />
152
serung der Prozesse und der Zufriedenheit der Dienstleistungsempfänger (<strong>St</strong>ellensuchende<br />
und Unternehmungen) der „Sezione del Lavoro“ und damit auch der<br />
RAV zum Ziel hat. 493 494 Was auch in diesem Website nicht klar genug kommuniziert<br />
wird, ist der Hauptzweck der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren, die Hilfe<br />
zur Selbsthilfe. Im Übrigen ist der Site ein erfreulicher Schritt in Richtung verbesserter<br />
Befriedigung der Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensuchenden und trägt positiv<br />
zum Kundenempfinden derselben bei.<br />
Ein Website in dieser Art stellt ein gutes Mittel zur Informationsverbesserung dar.<br />
Auch im Kanton Solothurn sollte man sich überlegen, einen Website zu gestalten,<br />
der mehr auf die Bedürfnisse der <strong>St</strong>ellensuchenden ausgerichtet ist, der die Prozesse<br />
erklärt, die für den <strong>St</strong>ellensuchenden unsichtbar im RAV und im Amt für<br />
Wirtschaft und Arbeit ablaufen und der in einfacher Sprache das Vorgehen bei drohender<br />
oder bestehender Arbeitslosigkeit erläutert.<br />
Mehr Zeit für Beratung: 15 bis 30 Minuten Zeit für ein Beratungsgespräch sind in<br />
manchen Fällen zuwenig. Zahlreiche Versicherte wünschen sich mehr Zeit mit ihrem<br />
Personalberater. Diese könnte geschaffen werden durch eine Reduktion der<br />
administrativen Belastungen oder durch eine kleinere Zahl der pro Personalberater<br />
zu betreuenden Dossiers <strong>St</strong>ellensuchender. – Beides Massnahmen, die in der<br />
Praxis eher schwierig umsetzbar sind. Der administrative Aufwand ist vorwiegend<br />
bundesweit vorgegeben. Die Zahl der Dossiers pro Personalberater lässt sich ebenfalls<br />
nicht beliebig verändern. Eine Reduktion der Anzahl Dossiers pro Berater<br />
würde eine Erhöhung der benötigten Personalberater und damit des Personalaufwands<br />
innerhalb des RAV bedeuten, welcher ebenfalls nicht beliebig gesteigert<br />
werden kann.<br />
Eine Möglichkeit wäre, einen speziellen Personalberater einzusetzen, der sich der<br />
Fälle mit erhöhtem Zeitbedarf annimmt. Denkbar wäre auch der Einsatz einer Person,<br />
welche eine Kombination aus Personalberater und psychologisch/psychotherapeutisch<br />
geschultem Berater darstellt. Diese Person könnte denjenigen Versicherten<br />
mit besonderen und/oder zeitaufwendigen Anliegen zur Seite stehen.<br />
Durch diese Lösung würden die übrigen Personalberater davon entlastet, jene Personen<br />
mit deutlich höherem Beratungsbedarf (im Vergleich zu anderen Versicherten)<br />
zu betreuen. Da aber oft nicht von Vornherein klar ist, wer einen höheren Betreuungsbedarf<br />
hat, müssten die betreffenden Versicherten im Bedarfsfall den Berater<br />
wechseln. Dies bringt den Nachteil mit sich, dass das Vertrauensverhältnis,<br />
493<br />
Die ersten Ergebnisse des Projekts (Produkt- und Prozessdefinitionen, Website) wurden im Juni 2002<br />
veröffentlicht. Die Erhebung der Daten zur Zufriedenheit der Dienstleistungsempfänger ist noch im<br />
Gange. Bis 21. November 2002 liegen noch keine Angaben dazu vor.<br />
494<br />
Website des Kantons Tessin, Sezione del Lavoro, 21.11.01.<br />
153
das Personalberater und Versicherter zueinander aufgebaut haben, zunichte gemacht<br />
wird. Der Versicherte muss zu seinem neuen Berater erst wieder ein Vertrauensverhältnis<br />
aufbauen, was Zeit braucht. Zudem kann der erhöhte Beratungsbedarf<br />
nur ein vorübergehendes Phänomen sein, indem der <strong>St</strong>ellensuchende<br />
„einfach mal jemanden zum Reden“ 495 braucht. Die Zuweisung zu einem neuen<br />
Berater, der mehr Zeit hat, wäre damit eine übertriebene Massnahme und könnte<br />
sich, wegen des erst noch aufzubauenden Vertrauensverhältnisses, sogar als<br />
kontraproduktiv herausstellen, indem sich der <strong>St</strong>ellensuchende von „seinem“ Personalberater<br />
abgeschoben fühlt.<br />
Damit die Personalberater das Bedürfnis der Versicherten nach (zeitweise) mehr<br />
Beratungszeit trotzdem befriedigen können, sollten pro Berater nicht mehr als 100<br />
Dossiers betreut werden müssen. Die Personalberater sollten die Freiheit haben,<br />
problemlose Fälle in grösseren Abständen (z.B. sechs statt vier Wochen) zum Beratungsgespräch<br />
einzuladen oder bei diesen Fällen die Gesprächszeit auf ein Minimum<br />
von zehn Minuten zu begrenzen. Dadurch könnte Zeit eingespart werden,<br />
die jenen Versicherten zugute kommt, welche ab und zu das Bedürfnis verspüren,<br />
sich länger als eine halbe <strong>St</strong>unde mit ihrem Berater zu unterhalten. Dabei sollte<br />
klar kommuniziert werden, dass dieses verlängerte Gespräch nicht beliebig oft<br />
wiederholt werden kann, sondern dass es darum geht, bei besonderem Gesprächsbedarf<br />
für die Bedürfnisse des einzelnen Versicherten da zu sein. Der Personalberater<br />
sollte die Freiheit haben, in diesen Fällen selber zu bestimmen, wie lange dieses<br />
spezielle Gespräch dauert. Dabei wird eine Dauer von ein bis maximal eineinhalb<br />
<strong>St</strong>unden empfohlen.<br />
Die Interviews, welche der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen, haben gezeigt,<br />
dass jene <strong>St</strong>ellensuchenden, welche die Gelegenheit des Interviews genutzt haben,<br />
all das zu erzählen, wofür ihr Personalberater bei den Beratungsgesprächen keine<br />
Zeit hat, dafür ungefähr ein bis eineinhalb <strong>St</strong>unden benötigten. Diese Zeitdauer ist<br />
daher auch für ausserordentliche Beratergespräche zu empfehlen.<br />
Einsatz eines Beschwerdemanagers: Zahlreiche Versicherte trauen sich nicht, sich<br />
zu beschweren, weil sie Angst vor Sanktionen haben. Dem kann mit einem leicht<br />
verständlichen, transparenten Beschwerdesystem begegnet werden. Zu diesem<br />
Zweck könnte eine Art Beschwerdemanager eingesetzt werden. Dabei müsste es<br />
sich um eine Person handeln, die nicht im entsprechenden RAV arbeitet. Eine<br />
Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass ein Personalberater aus einem RAV eines anderen<br />
Kantons diese Funktion einnimmt. Ein Berater von Bern könnte zum Beispiel<br />
die Funktion des Beschwerdemanagers für ein oder mehrere RAV des Kan-<br />
495<br />
Zitat aus einem Interview mit einer arbeitslosen Person.<br />
154
tons Solothurn einnehmen, während ein Personalberater eines solothurner RAV<br />
die Funktion für die berner RAV übernimmt. Das Sprachproblem, das sich für den<br />
Kanton Tessin stellt, könnte mit einem zweisprachigen Personalberater aus dem<br />
italienischen Teil Graubündens gelöst werden.<br />
<strong>St</strong>ellensuchende, welche Beschwerden vorbringen möchten, könnten sich schriftlich<br />
an den entsprechenden Beschwerdemanager wenden. Wenn es sich um einfache<br />
Probleme handelt (z.B. eine Beschwerde, dass der Personalberater sich unverständlich<br />
ausgedrückt hat, Verfahren zuwenig genau erklärt usw.), bearbeitet<br />
der Beschwerdemanager die Beschwerde selber oder leitet sie an die kompetenten<br />
<strong>St</strong>ellen zur Bearbeitung weiter. Er nimmt daraufhin den Kontakt mit dem <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
auf und fragt nach, ob die Beschwerde zu seiner Zufriedenheit bearbeitet<br />
wurde, bzw. ob der <strong>St</strong>ellensuchende die Antwort verstanden und akzeptiert<br />
hat. Im negativen Fall sucht er das direkte Gespräch mit dem <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
oder vermittelt beispielsweise ein Gespräch zu dritt, mit dem Personalberater des<br />
entsprechenden <strong>St</strong>ellensuchenden, im Beisein des Beschwerdemanagers. Der Leiter<br />
des RAV in welchem die Beschwerde getätigt wurde, wird kurz mit einem <strong>St</strong>andardbrief<br />
informiert, dass der Beschwerdemanager sich mit einem Fall befasst,<br />
welche den Personalberater (der Name wird genannt) betrifft. Der Name des sich<br />
beschwerenden <strong>St</strong>ellensuchenden wird nicht mitgeteilt. Dem Leiter des entsprechenden<br />
RAV wird so die Möglichkeit gegeben, einen Überblick über die Häufigkeit<br />
der Beschwerden, die unter den verschiedenen Personalberatern eingehen, zu<br />
wahren.<br />
Bei schwerwiegenderen Problemen (z.B. persönliche, verbale Auseinandersetzungen<br />
zwischen <strong>St</strong>ellensuchenden und Personalberatern; <strong>St</strong>ellensuchende, welche<br />
der Ansicht sind, ihr Personalberater verweigere ihnen bestimmte Rechte, wie zum<br />
Beispiel den Besuch eines, ihrer Ansicht nach für sie geeigneten, Kurses) sucht der<br />
Beschwerdemanager direkt das Gespräch mit dem sich beschwerenden <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
Er versucht, die Hintergründe, die zur Beschwerde geführt haben, zu klären.<br />
Daraufhin wird der Leiter des entsprechenden RAV orientiert, ohne dass der<br />
Name der sich beschwerenden Person bekannt gegeben wird. Nur, wenn die sich<br />
beschwerende Person einverstanden ist, in einer Art Mediationsgespräch den Dialog<br />
mit ihrem Personalberater zu suchen, wird der Name des Versicherten auch<br />
dem Leiter des RAV bekanntgegeben. Dieses Gespräch erfolgt im Beisein des Beschwerdemanagers<br />
und eventuell unter Teilnahme (je nach Schweregrad der Beschwerde)<br />
des Leiters des entsprechenden RAV.<br />
Der Beschwerdemanager hat die Kompetenz, Entscheide des Personalberaters diesem<br />
zur Wiedererwägung zu unterbreiten. Wenn der Eindruck entsteht, der Personalberater<br />
sei nicht willens oder in der Lage, getroffene Entscheide objektiv zu be-<br />
155
urteilen, tritt der Beschwerdemanager an seine <strong>St</strong>elle und beurteilt den Fall neu. Dem<br />
Versicherten wird daraufhin ein neuer Personalberater innerhalb des RAV zugeteilt.<br />
Wenn es darum geht, Entscheide neu zu beurteilen, die bereits Verfügungscharakter<br />
angenommen haben, ist es die Aufgabe des Beschwerdemanagers, dem Versicherten<br />
den möglichen Rechtsweg aufzuzeigen und ihm zu erklären, wie er vorgehen<br />
kann, um die Verfügung anzufechten.<br />
In allen Fällen muss sehr deutlich kommuniziert werden, dass der Beschwerdemanager<br />
von ausserhalb des entsprechenden RAV kommt. Auch die Kompetenzen<br />
des Beschwerdemanagers müssen den Versicherten bereits bei der ersten Informationsveranstaltung<br />
über ihre Rechte und Pflichten klar vor Augen geführt werden.<br />
Der Beschwerdemanager muss den Versicherten über jeden seiner Schritte auf<br />
dem Laufenden halten, damit dieser jederzeit das Verfahren stoppen kann. Dies gilt<br />
besonders für den Moment, da der Beschwerdemanager den Kontakt mit Personalberater<br />
und/oder Leiter des RAV aufzunehmen gedenkt, da dann die Anonymität<br />
des Versicherten nicht mehr bedingungslos gewährleistet ist (Rückschlüsse<br />
auf die Person des Versicherten sind aufgrund der Fallbeschreibung auch ohne direkte<br />
Namensnennung häufig möglich).<br />
Die Aufgaben des Beschwerdemanagers erfordern eine Persönlichkeit mit sicheren<br />
und umfassenden Kenntnissen des Rechts und der Verfahren, die in einem RAV<br />
zur Anwendung kommen. Wünschenswert wäre auch eine, wenigstens begrenzte,<br />
Weiterbildung im Bereich Mediation. Es wäre wünschenswert, dass ein Beschwerdemanager<br />
weiterhin als Personalberater in seinem angestammten RAV tätig<br />
ist, damit er den Kontakt zur Alltagsarbeit der Personalberater nicht verliert.<br />
Mehr Flexibilität bei der Bestimmung der Anzahl Arbeitsbemühungen: Die Personalberater<br />
sollten die Kompetenz erhalten, die Zahl der verlangten Arbeitsbemühungen<br />
in bestimmten Fällen auf eine oder zwei Bemühungen pro Monat zu reduzieren.<br />
Insbesondere bei über 60-jährigen Personen ist es fraglich, wie sinnvoll<br />
es ist, pro Monat z.B. vier oder mehr Arbeitsbemühungen zu verlangen. Ein Personalberater<br />
sollte in einem Grossteil der Fälle in der Lage sein zu beurteilen, ob<br />
ein Versicherter sich ernsthaft bemüht, eine <strong>St</strong>elle zu finden, aber praktisch kaum<br />
noch Erfolgschancen hat oder ob der betreffende Versicherte die Situation etwas<br />
zu locker sieht und nicht wirklich ernsthaft nach einer neuen <strong>St</strong>elle sucht. In den<br />
Fällen, in denen der Personalberater zum Schluss kommt, dass die <strong>St</strong>ellensuche<br />
mit mehr als ein oder zwei Arbeitsbemühungen pro Monat zur Farce verkommt,<br />
weil der entsprechende Versicherte, z.B. mit 62 Jahren objektiv gesehen kaum<br />
noch Chancen hat, eine neue <strong>St</strong>elle zu finden, sollte er die Kompetenz haben, diese<br />
Zahl auf ein Minimum zu reduzieren. Damit von dieser Kompetenz nicht exzessiv<br />
Gebrauch gemacht wird, müssten die entsprechenden Personalberater die-<br />
156
se Reduktionen umgehendst mit Begründung dem Leiter des entsprechenden RAV<br />
mitteilen. Ebenso sollten diese Reduktionen nach jeweils drei Monaten wieder neu<br />
überdacht werden, falls sich in der Zwischenzeit beispielsweise Änderungen auf<br />
dem Arbeitsmarkt oder gewichtige Änderungen bei den Qualifikationen des einzelnen<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden ergeben haben.<br />
Besonders für das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Lugano ergeben sich<br />
folgende Handlungsempfehlungen:<br />
Die Beurteilung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen fällt in Lugano deutlich negativer<br />
aus als in Solothurn. Besonders für das RAV Lugano gelten daher die folgenden<br />
Handlungsempfehlungen:<br />
Verbesserung der Arbeitsmarktlichen Massnahmen: Die negative Beurteilung der<br />
Arbeitsmarktlichen Massnahmen durch die Arbeitslosen des RAV Lugano wirkt<br />
sich auch negativ auf ihr Kundenempfinden aus. Besonders die Programme zur<br />
vorübergehenden Beschäftigung (im Folgenden: Beschäftigungsprogramme) und<br />
die Kurse, welche über die Arbeitslosenkasse finanziert werden, sollten dabei<br />
überdacht werden. Der Inhalt der Beschäftigungsprogramme sollte nicht allzu weit<br />
von den ursprünglichen beruflichen Tätigkeiten der Arbeitslosen entfernt sein. Wer<br />
beispielsweise bis anhin im Verkauf gearbeitet hat, sollte in einem Beschäftigungsprogramm<br />
nicht zum Wohnungsräumen herangezogen werden.<br />
Von Seiten des RAV müsste zudem eine regelmässige Qualitätskontrolle der vermittelten<br />
Kursinhalte und der Präsentation derselben stattfinden. Beispielsweise<br />
könnte ab und zu ein Personalberater ein paar <strong>St</strong>unden an einem Kurs teilnehmen,<br />
um sich ein Bild der Vermittlung des Lehrstoffes zu machen. Dies wäre die kostengünstigste<br />
und einfachste Variante, um die Qualität der Kurse zu bewerten.<br />
Eine weitere einfach durchführbare und kostengünstige Möglichkeit, die Qualität<br />
der gebotenen Kursinhalte und Präsentationen zu bewerten, stellen Bewertungsbogen<br />
dar, welche die Kursteilnehmer nach Abschluss eines Kurses ausfüllen und (dabei<br />
ist auch die anonyme Form denkbar), dem RAV unter dem <strong>St</strong>ichwort „Kurse“<br />
zustellen.<br />
Ein solcher Bewertungsbogen müsste Fragen zu folgenden Themen enthalten 496 :<br />
• Anforderungsniveau (vierstufige Skala: „sehr hoch“ bis „sehr niedrig“),<br />
• Engagement des Referenten und dessen Eingehen auf die Kursteilnehmer (vierstufige<br />
Skala: „sehr gut“ bis „völlig unbefriedigend“),<br />
• Inhalt (vierstufige Skala: „sehr gut“ bis „völlig unbefriedigend“),<br />
• <strong>St</strong>rukturierung, Veranschaulichung der Lerninhalte (vierstufige Skala: „sehr<br />
gut“ bis „völlig unbefriedigend“),<br />
496<br />
Entsprechend Beurteilungsbogen Intensivstudium KMU-HSG.<br />
157
• Praxisbezug (vierstufige Skala: „sehr gut“ bis „völlig unbefriedigend“),<br />
• Abstimmung der Kursinhalte auf die eigenen Fähigkeiten (vierstufige Skala:<br />
„sehr gut“ bis „völlig unbefriedigend“),<br />
• Qualität der erhaltenen Unterlagen (vierstufige Skala: „sehr gut“ bis „völlig unbefriedigend“).<br />
• Themen, die während des Kurses vermisst wurden,<br />
• besondere <strong>St</strong>ärken des Kurses,<br />
• Verbesserungsmöglichkeiten,<br />
• persönliche Folgerungen,<br />
• Gesamtbeurteilung (vierstufige Skala: „sehr gut“ bis „völlig unbefriedigend“).<br />
Ein Beispiel für einen entsprechenden Fragebogen findet sich im Anhang.<br />
Aufwändiger wäre zum Beispiel eine Überprüfung des Lernerfolgs, indem die<br />
Teilnehmer nach Abschluss eines Kurses in einem Test über ihr Wissen befragt<br />
werden. Dadurch würden die Teilnehmer sämtlicher Kurse allerdings einem Prüfungsdruck<br />
ausgesetzt, von dem es fraglich ist, ob er erwünscht ist.<br />
Die Qualität der Kurse könnte auch durch umfassende Teilnehmer-Zufriedenheitsanalysen<br />
ermittelt werden. Diese Analysen könnten quantitativ und/oder qualitativ<br />
erfolgen. Es würden unter anderem Fragen nach den Erwartungen und nach<br />
den selbst empfundenen Erfolgen gestellt. Ebenso würden Kriterien erfasst, welche<br />
den Kursteilnehmern in Bezug auf Inhalt und Art der <strong>St</strong>offvermittlung wichtig<br />
sind und sie würden nach dem Grad der Zufriedenheit mit diesen Kriterien befragt.<br />
Eine solche Zufriedenheitsanalyse sollte nicht durch RAV-interne Mitarbeiter<br />
erfolgen, insbesondere, wenn eine qualitative Analyse durchgeführt wird. Die<br />
Gefahr, dass die Kursteilnehmer aus, wenn auch unbegründeter, Angst vor Sanktionen<br />
die Kurse zu positiv beurteilen, wenn die Analyse durch Mitarbeiter des<br />
RAV durchgeführt würde, wäre zu gross. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein<br />
Team von <strong>St</strong>udenten, die in der Durchführung von Kundenzufriedenheitsanalysen<br />
geschult sind, die Untersuchungen für das RAV durchführt.<br />
Sehr wichtig ist auch eine bessere Abstimmung der Fähigkeiten eines Arbeitslosen<br />
mit den Kursinhalten eines Kurses, den er besuchen soll. Beispielsweise einen<br />
ehemaligen Personalchef in einen Kurs „Wie bewerbe ich mich richtig“ zu schikken,<br />
wird in den meisten Fällen nicht sehr sinnvoll sein. Personalchefs nehmen in<br />
ihrem Berufsalltag Bewerbungen entgegen, analysieren und bewerten sie. Ein ehemaliger<br />
Personalchef sollte also in der Lage sein, sich richtig zu bewerben. Nimmt<br />
er trotzdem an dem Kurs teil, werden seine Erwartungen aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach so hoch sein, dass er mit dem Ergebnis nur unzufrieden sein kann; die Kosten<br />
für den Kursbesuch fallen aber trotzdem an. Die Personalberater müssen deshalb<br />
in vermehrtem Masse darauf achten, dass die Kursinhalte zu den Fähigkeiten und<br />
158
Interessen der arbeitslosen Person passen, die den Kurs besuchen soll.<br />
Es müssen nicht jedes Jahr sämtliche Kurse detailliert überprüft werden. Beispielsweise<br />
könnten in erster Priorität jene Kurse mit Hilfe einer Teilnehmer-Zufriedenheitsanalyse<br />
untersucht werden, über welche sich die Teilnehmer bei ihren<br />
Personalberatern bereits verschiedentlich negativ geäussert haben. Wenn im Zeitraum<br />
von zwei Jahren alle Kurse, welche über das RAV angeboten und/oder mitfinanziert<br />
werden, mindestens einmal einer eingehenden Qualitätsprüfung unterzogen<br />
werden, sollte dies ausreichend sein.<br />
Die laufende Erfassung und Auswertung von Teilnehmerbewertungen für sämtliche<br />
Kurse ist jedoch dringend zu empfehlen. Sie ergibt zumindest einen groben<br />
Überblick über die Qualität der durchgeführten Kurse und Anhaltspunkte, wo mit<br />
vertiefter Analyse nachgehakt werden muss.<br />
Speziell für das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Solothurn gelten folgende<br />
Handlungsempfehlungen:<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn haben zahlreiche Faktoren genannt, die<br />
sich negativ auf ihr Kundenempfinden auswirken, die beim RAV Lugano nicht<br />
vorhanden sind. Die folgenden Handlungsempfehlungen, speziell für das RAV Solothurn,<br />
dienen dem Zweck, diesen Zustand zu verbessern:<br />
Branchen- und Berufskenntnisse der Personalberater: Die Personalberater im<br />
RAV Solothurn verfügen häufig über zuwenig Kenntnisse der Berufe und Branchen<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden, die sie betreuen. Dem kann, entsprechend dem Vorbild<br />
in Lugano, abgeholfen werden, indem die <strong>St</strong>ellensuchenden den Personalberatern<br />
nach Branchen zugeordnet werden. Wenn ein Personalberater beispielsweise nur<br />
noch Personen aus der Baubranche (Bauhaupt- und -nebengewerbe) betreut, fällt<br />
es ihm leichter, sich die nötigen Branchenkenntnisse zu erarbeiten und die möglichen<br />
Kontakte innerhalb der Branche zu knüpfen und zu vertiefen. Damit kann<br />
der Personalberater besser abschätzen, ob ein <strong>St</strong>ellensuchender mit den vorhandenen<br />
Qualifikationen Chancen hat, kurz- bis mittelfristig in seiner Branche wieder<br />
eine <strong>St</strong>elle zu finden und eventuell welche Massnahmen zur Verbesserung der<br />
Qualifikationen ergriffen werden müssen. Durch die besseren Kontakte innerhalb<br />
der Branche auch zu den Arbeitgebern, erfährt der Personalberater unter Umständen<br />
von freien <strong>St</strong>ellen, die nicht unbedingt offiziell beim RAV gemeldet werden.<br />
Gleichzeitig kann er die persönlichen Beziehungen innerhalb der ihm vertrauten<br />
Branche dazu nutzen, <strong>St</strong>ellensuchende an die Unternehmungen zu vermitteln.<br />
Im RAV-Jobmanagement werden die <strong>St</strong>ellensuchenden im Jahr 2002 nach branchenspezialisierten<br />
Personalberatern eingeteilt. 497 Es wäre wünschenswert, dass<br />
497<br />
Gemäss telefonischer Auskunft eines Personalberaters des RAV Solothurn vom 21.11.02.<br />
159
die Möglichkeit einer solchen Einteilung auch für andere RAV-Einheiten, z.B. für<br />
RAV Qualifizierung und Integration, überdacht wird.<br />
Die Personalberater sollten dringend darauf achten, in den Gesprächen mit <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
eine einfache, verständliche Sprache zu verwenden und schwierigere<br />
Teile des Gesprächs mehrmals zu wiederholen. Damit sollte das Sprachproblem<br />
bis zu einem gewissen Grad gemildert werden können.<br />
Die <strong>St</strong>ellensuchenden in Solothurn empfinden den Gang zum Schalter durchwegs<br />
als unpersönlich und unangenehm. Die <strong>St</strong>ellensuchenden in Lugano sind froh,<br />
dass ihnen der monatliche Besuch des Schalters erspart bleibt und sie die <strong>St</strong>empelkontrolle<br />
und das Erbringen des Nachweises der Arbeitsbemühungen anlässlich<br />
des Termins beim Personalberater erledigen können. (Verschiedene <strong>St</strong>ellensuchende<br />
erinnerten sich noch an frühere Perioden der Arbeitslosigkeit, als man auch<br />
in Lugano noch am Schalter stempeln musste. Sie haben dies einstimmig als unangenehm<br />
beurteilt.)<br />
Das Vorgehen, wie es in Lugano gehandhabt wird, ist auch für Solothurn zu empfehlen.<br />
Um die Wartezeiten zu verkürzen wäre es wünschenswert, dass die Personalberater<br />
ihre Termine noch etwas besser planen und vermehrt Zeitreserven zwischen<br />
zwei Beratungsgesprächen einplanen. Es kommt aber vor, dass ein <strong>St</strong>ellensuchender<br />
mehr Zeit beim Gespräch benötigt als vorgesehen, zum Beispiel wegen besonderer<br />
Probleme mit der <strong>St</strong>ellensuche oder momentan schlechter psychischer<br />
Verfassung. In solchen Fällen ist es richtig, dass ein Personalberater dem Versicherten<br />
eine etwas längere Gesprächszeit einräumt, auch wenn dies nicht vorhersehbar<br />
war. Damit die nachfolgenden Personen nicht auf den Gängen vor dem Büro<br />
des Personalberaters warten müssen, wäre das Einrichten eines Empfangs- oder<br />
Warteraums im Gebäude des RAV dringend notwendig. Dieser Raum sollte<br />
freundlich, mit Pflanzen, Zeitungen und einem Kaffeeautomaten ausgestattet werden.<br />
498<br />
Dem Vorwurf, das RAV Solothurn und dessen Mitarbeiter verfügen über zuwenig<br />
Flexibilität kann damit begegnet werden, dass die Personalberater den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
die einzelnen Verfahrensschritte und Massnahmen deutlich und in Ruhe<br />
erklären. Wenn ein <strong>St</strong>ellensuchender versteht, warum beispielsweise eine Massnahme<br />
ergriffen wird (z.B. die Zuweisung zu einem Beschäftigungsprogramm),<br />
wird er eher bereit sein, diese zu akzeptieren und wird nicht den Eindruck haben,<br />
er werde lediglich verwaltet und als <strong>St</strong>andardfall betrachtet.<br />
498<br />
Dies entspricht dem ausdrücklichen Wunsch verschiedener befragter <strong>St</strong>ellensuchender des RAV Solothurn.<br />
160
Bei der Suche nach Problemlösungen soll zudem stets darauf geachtet werden,<br />
dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die der Gesetzgeber erlaubt und<br />
dass nicht auf die einfachste und damit bequemste <strong>St</strong>andardlösung zurückgegriffen<br />
wird.<br />
Von einem Teil der <strong>St</strong>ellensuchenden wurde die logistisch schlechte Erreichbarkeit<br />
des RAV bemängelt. Es scheint übertrieben, an dieser <strong>St</strong>elle den Umzug in andere,<br />
verkehrstechnisch besser gelegene Gebäude zu empfehlen. Eine Möglichkeit,<br />
den Vorwurf der logistisch schlechten Erreichbarkeit zu entschärfen, liegt in<br />
der Kommunikation. Wenn ein Personalberater Verständnis dafür aufbringt, dass<br />
ein <strong>St</strong>ellensuchender fünf Minuten zu spät kommt, weil er im näheren Umkreis des<br />
RAV keinen Parkplatz gefunden hat und ihm lächelnd einen Busfahrplan in die<br />
Hand drückt, mit der Bemerkung. „Ich kenne das Parkplatzproblem. Ich fahre jetzt<br />
mit dem Velo zur Arbeit.“, dann wird dies sehr viel mehr zur gegenseitigen Verständigung<br />
beitragen als der Vorwurf: „Sie wissen, dass wir es bevorzugen, wenn<br />
Sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Beratungstermin kommen. Ich möchte<br />
nicht, dass Sie nächstes Mal wieder zu spät kommen.“ 499<br />
Das Gefühl des Wohlbefindens der <strong>St</strong>ellensuchenden im RAV sollte dringend verbessert<br />
werden. Die Versicherten wünschen sich eine menschliche, freundliche,<br />
vertrauenerweckende Umgebung. Dazu tragen die bisher beschriebenen Handlungsempfehlungen<br />
bei. Dazu kann eine solche Atmosphäre durch ein verständnisvolleres<br />
und weniger distanziertes Verhalten und Auftreten der Personalberater<br />
gefördert werden.<br />
Es fehlt nicht am Willen der Personalberater. Diese sind bemüht, ihre Arbeit korrekt<br />
und zum Nutzen der <strong>St</strong>ellensuchenden zu erledigen. Es scheint aber, dass verschiedene<br />
Berater den persönlichen Zugang zu den Versicherten zuwenig finden.<br />
Eine speziell auf die Verbesserung der Kommunikation und des persönlichen Umgangs<br />
ausgelegte Schulung der Berater könnte hierbei von grossem Nutzen sein.<br />
10 Erkenntnisse für die Forschung<br />
Ziel der Arbeit war es, herauszufinden, ob sich die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten des RAV als Kunden<br />
behandelt fühlen und welche Faktoren dazu beitragen.<br />
Die einzelnen Forschungsfragen lauteten:<br />
499<br />
Gemäss Schilderungen eines <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Solothurn entspricht diese Aussage den<br />
Kommentaren von Seiten verschiedener Personalberater.<br />
161
Kundenfrage: Fühlen sich die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten des RAV als Kunden behandelt<br />
Faktorfrage: Gibt es Faktoren, die, unabhängig davon, um welches Regionale Arbeitsvermittlungszentrum<br />
es sich handelt, dazu beitragen, dass sich eine stellensuchende<br />
Person von Seiten des RAV als Kunde behandelt fühlt<br />
Aus diesen beiden Hauptfragen haben sich folgende Teilfragen ergeben:<br />
• Fühlen sich die beim RAV Lugano registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten<br />
des RAV Lugano als Kunden behandelt<br />
• Gibt es Faktoren, die dazu führen, dass sich die beim RAV Lugano registrierten<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen Wenn ja, welche Faktoren sind<br />
dies<br />
• Fühlen sich die beim RAV Solothurn registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten<br />
des RAV Solothurn als Kunden behandelt<br />
• Gibt es Faktoren, die dazu führen, dass sich die beim RAV Solothurn registrierten<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden als Kunden behandelt fühlen Wenn ja, welche Faktoren<br />
sind dies<br />
• Gibt es Faktoren, die, über beide RAV hinaus (Lugano und Solothurn) dazu beitragen,<br />
dass sich die <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten der entsprechenden RAV als<br />
Kunden behandelt fühlen Wenn ja, welche Faktoren sind dies<br />
Das Thema wurde am Beispiel der <strong>St</strong>ellensuchenden von zwei Regionalen Arbeitsvermittlungszentren,<br />
die in sehr unterschiedlichen Realitäten beheimatet sind<br />
(Lugano und Solothurn), bearbeitet.<br />
Die Forschungsfragen können folgendermassen beantwortet werden:<br />
Die Faktorfrage, ob es über die verschiedenen RAV hinaus Faktoren gibt, die dazu<br />
beitragen, dass sich ein <strong>St</strong>ellensuchender von Seiten des RAV als Kunde behandelt<br />
fühlt, kann aufgrund der Analyse der Ergebnisse aus den Interviews mit<br />
den <strong>St</strong>ellensuchenden der RAV Lugano und Solothurn bejaht werden.<br />
Es wurden emotionale und sachlich-institutionelle Faktoren des Kundenempfindens<br />
herausgearbeitet:<br />
Sie werden übersichtsmässig in der folgenden Grafik dargestellt:<br />
162
Abbildung 18: Faktoren des Kundenempfindens<br />
Während die emotionalen Faktoren erfüllt sein müssen, damit überhaupt ein Kundenempfinden<br />
bei den <strong>St</strong>ellensuchenden entstehen kann, tragen die sachlich-institutionellen<br />
Faktoren, je mehr sie zur Zufriedenheit der <strong>St</strong>ellensuchenden erfüllt<br />
sind, dazu bei, dass diese sich verstärkt als Kunden behandelt fühlen.<br />
Die Kundenfrage, ob sich die bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum<br />
registrierten <strong>St</strong>ellensuchenden von Seiten des RAV als Kunden behandelt fühlen,<br />
muss zur Beantwortung auf die beiden Referenz-RAV bezogen werden:<br />
Im RAV Lugano sind die emotionalen und die sachlich-institutionellen Faktoren<br />
des Kundenempfindens so weit erfüllt, dass davon gesprochen werden kann, dass<br />
sich die <strong>St</strong>ellensuchenden weitgehend als Kunden behandelt fühlen.<br />
Dies ist im RAV Solothurn nicht der Fall. Dort sind auch die emotionalen Fakto-<br />
163
en des Kundenempfindens nur teilweise oder gar nicht im Sinne der Bedürfnisse<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden erfüllt.<br />
Die Behauptung von Martínez-Tur, Peiró und Ramos, dass öffentliche Organisationen<br />
weniger in der Lage sind, die Kundenzufriedenheit aufrecht zu erhalten, je<br />
diversifizierter die Dienstleistungen (die Autoren bezeichnen dies als strukturelle<br />
Komplexität) sind, welche die Organisation anbietet (vgl. dazu Kapitel 5), 500 wird<br />
in der vorliegenden Arbeit widerlegt. Die <strong>St</strong>ellensuchenden des RAV Lugano sind<br />
nämlich wesentlich zufriedener mit den Leistungen ihres RAV als diejenigen von<br />
Solothurn, obwohl in Lugano an einem Ort diversifiziertere Dienstleistungen erbracht<br />
werden als in Solothurn wo die unterschiedlichen Leistungen nach wie vor<br />
teilweise an verschiedenen, spezialisierten <strong>St</strong>andorten erbracht werden.<br />
Die vorliegende <strong>Dissertation</strong> beweist, dass das Kriterium “Freundlichkeit/Höflichkeit<br />
der Mitarbeiter” nicht nur ein wichtiges Kriterium zur Bewertung der<br />
Kundenzufriedenheit ist (sowohl die M.I.S. <strong>St</strong>udie 501 , als auch Deese 502 und weitere<br />
<strong>St</strong>udien 503 untersuchen das Kriterium ebenfalls); das Kriterium hat auch einen<br />
entscheidenden Einfluss auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
Der administrative Verkehr mit dem RAV scheint, in Übereinstimmung mit den<br />
Aussagen der M.I.S. <strong>St</strong>udie 504 , auch bei den <strong>St</strong>ellensuchenden der RAV Lugano<br />
und Solothurn kein Problem zu sein. Das Kriterium “Schwierigkeitsempfinden bezüglich<br />
administrative Anforderungen im Verkehr mit dem RAV” ist schlicht kein<br />
Thema bei den <strong>St</strong>ellensuchenden der befragten RAV.<br />
“Wartezeiten” ist zwar ein valables Kriterium zur Messung der Kundenzufriedenheit,<br />
es hat aber nur sekundären Einfluss auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
Die Vermutung, die in Kapitel 5 angestellt wurde, ist durch die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
bestätigt worden: Sie haben Zeit und zudem das Bedürfnis zu reden.<br />
Warten zu müssen - auch wenn es regelmässig vorkommt - ist daher nicht so wichtig,<br />
vorausgesetzt, dass ein vernünftiges Mass (10 bis 15 Minuten) nicht überschritten<br />
wird.<br />
Die “Zeit, welche die Personalberater zur Verfügung der <strong>St</strong>ellensuchenden haben”<br />
ist dagegen von grosser Bedeutung für die <strong>St</strong>ellensuchenden. Wie bereits vermutet,<br />
ist es für die <strong>St</strong>ellensuchenden weitaus weniger wichtig, dass sie schnell an ihre<br />
Informationen gelangen. Für ihr Kundenempfinden ist es entscheidender, dass<br />
sich ihr Personalberater Zeit nehmen kann, wenn sie das Bedürfnis haben, sich<br />
500<br />
Martínez-Tur et al. (Diversity), S. 295.<br />
501<br />
M.I.S. (Qualität), S. 21 f..<br />
502<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 76.<br />
503<br />
Walwei (Evaluation), S. 52f.<br />
504<br />
M.I.S. (Qualität), S. 22.<br />
164
auszusprechen. Dabei geht es nicht um den Wunsch nach psychologischer Beratung,<br />
sondern einfach darum, jemanden zu haben, der sich die Zeit nimmt, einen<br />
in einer schwierigen Situation anzuhören und zu betreuen.<br />
Einen nicht zu vernachlässigenden, wenn auch nicht primären Einfluss auf das<br />
Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden hat auch das “örtliche Wohlbefinden im<br />
RAV”. Wo keine Schalter sind und man nicht auf den Gängen auf seinen Beratungstermin<br />
warten muss, ist der erste Eindruck, den man von der Dienstleistungsorganisation<br />
RAV erhält schon deutlich erfreulicher.<br />
Von den <strong>St</strong>ellensuchenden in Solothurn wird die “von Seiten des RAV verwendet<br />
Sprache” teilweise als schwierig verständlich angegeben. Allerdings wirkt sich<br />
das Kriterium nur sekundär auf das Kundenempfinden aus. Daraus kann man<br />
schliessen, dass, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiter und <strong>St</strong>ellensuchendem<br />
stimmt, letzterer sich freundlich behandelt und betreut fühlt, man sich<br />
schon irgendwie verstehen wird.<br />
Interessanterweise hat auch das Kriterium “Fachlich kompetente Beratung durch<br />
die RAV-Mitarbeiter: Vorhandensein von ausreichender und rechtssicherer Beratung<br />
/ Information (Problemlösung) von Seiten des RAV und dessen Mitarbeiter”,<br />
das in verschiedensten Kundenzufriedenheitsanalysen vorkommt, 505 keinen primären<br />
Einfluss auf das Kundenempfinden der <strong>St</strong>ellensuchenden. Wie bei der Diskussion<br />
der Untersuchungskriterien vermutet, ist es für die <strong>St</strong>ellensuchenden sehr viel<br />
wichtiger, dass sie das Gefühl haben, betreut zu werden und einen Ansprechpartner<br />
zu haben, der auf sie eingeht, dem sie vertrauen können und der sie berät. Wenn<br />
dann halt mal ein Fehler passiert, ist das nicht so tragisch. Die “persönliche Beratung<br />
und Betreuung durch die RAV-Mitarbeiter” ist eines der entscheidenden Kriterien<br />
für die Entwicklung des Kundenempfindens, wie die vorliegende Arbeit<br />
zeigt.<br />
Eine gewisse Bedeutung wird dem Reklamationswesen zugemessen. Für die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
ist es wichtig zu wissen, “wie Reklamationen durch das RAV behandelt<br />
werden”. Dieser Punkt wird sowohl von der M.I.S. <strong>St</strong>udie als auch von<br />
Deese unterschätzt. Zu wissen, dass und wie man reklamieren kann, wenn einem<br />
im RAV etwas nicht passt, ohne Sanktionen befürchten zu müssen und die Gewissheit<br />
haben, dass sich etwas ändert, wenn man reklamiert hat, ist für die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
wichtig. Das Kundenempfinden wird, wenn auch nur in sekundärer<br />
Weise, verstärkt, wenn ein transparentes (einfaches) Beschwerdemanagementsystem<br />
vorhanden ist.<br />
505<br />
M.I.S. (Qualität), S. 27ff.; Deese (Customer satisfaction), S. 77; Neuseeland: Walwei (Evaluation),<br />
S. 53; Grossbritannien: Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
165
Ähnlich wie die korrekte Informationsvermittlung ist auch der “Nutzen aus Sicht<br />
der <strong>St</strong>ellensuchenden” kein elementares Kriterium für ihr Kundenempfinden. Das<br />
ist interessant, denn Kriterien dieser Art werden gern benutzt, um die Qualität von<br />
Dienstleistungen zu beurteilen 506 . Für das Kundenempfinden haben sie aber nicht<br />
den überragenden Einfluss, den man meinen könnte.<br />
Die “Art der Dienstleistungserbringung” geht letztlich in anderen Fragestellungen<br />
auf, beispielsweise betreffend den persönlichen Umgang mit den Personalberatern<br />
oder die korrekte und ausreichende Informationsvermittlung.<br />
Die “Erreichbarkeit der Mitarbeiter” ist tatsächlich ein Kriterium, das über ein<br />
gewisses Gewicht verfügt. Während es in der M.I.S. <strong>St</strong>udie gar nicht berücksichtigt<br />
wird, beschränkt sich auch Deese lediglich auf die Frage, wie einfach und<br />
schnell die <strong>St</strong>ellensuchenden zu Informationen und Dienstleistungen gelangen,<br />
ohne danach weiter auf dem Argument zu verbleiben. 507 Die Resultate der Befragungen<br />
für die vorliegende <strong>Dissertation</strong> zeigen aber, dass die Erreichbarkeit der<br />
Mitarbeiter ein Faktor ist, der ein gewisses Sicherheitsempfinden bei den <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
fördert. Zu wissen, dass jemand da ist, der einem hilft, wenn man in der<br />
schwierigen Situation der Arbeitssuche ist, gibt Sicherheit und fördert das Vertrauen<br />
und trägt damit zu den Grundlagen des Kundenempfindens bei.<br />
Das “Vertrauen zu den Mitarbeitern des RAV” ist einer der Faktoren, welche die<br />
Grundlage für das Entwickeln des Kundenmpfindens bei den <strong>St</strong>ellensuchenden legen.<br />
Auch die M.I.S. <strong>St</strong>udie 508 und die Kundenzufriedenheitsanalyse bei <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
in Schweden 509 betonen die Wichtigkeit des Vertrauensverhältnisses<br />
zwischen Personalberatern und <strong>St</strong>ellensuchenden. Die vorliegende <strong>Dissertation</strong><br />
zeigt, dass es für die <strong>St</strong>ellensuchenden wichtiger ist, ein vertrauensvolles Verhältnis<br />
zu ihrem Personalberater und damit Vertrauen in die Institution RAV zu haben<br />
als immer korrekte und ausreichende Informationen zu erhalten. Für die Entwicklung<br />
des Kundenempfindens ist der Mensch wichtiger als die Information. Dies belegen<br />
auch die Antworten auf die Untersuchungskriterien “sich verstanden fühlen<br />
von Seiten der Mitarbeiter des RAV”, “ernst genommen werden” und teilweise das<br />
“Wohlfühlen im Umgang mit den Mitarbeitern” (letzteres spielt auch bei der Frage<br />
nach der Höflichkeit und Freundlichkeit mit). Nur wenn diese Fragen detailliert<br />
diskutiert werden, findet man heraus, ob ein Vertrauensverhältnis besteht und wie<br />
wichtig dieses für das Kundenempfinden ist.<br />
Die “Flexibilität bei der Problemlösung” und die “Beurteilung der Arbeitsmarkt-<br />
506<br />
M.I.S. (Qualität), S. 27; 31ff.; Deese (Customer satisfaction), S. 77; Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
507<br />
Deese (Customer satisfaction), S. 77.<br />
508<br />
M.I.S. (Qualität), S. 31.<br />
509<br />
Walwei (Evaluation), S. 53.<br />
166
lichen Massnahmen” hängen interessanterweise relativ stark zusammen. Schon<br />
die M.I.S. <strong>St</strong>udie hat herausgefunden, dass die <strong>St</strong>ellensuchenden eher der Ansicht<br />
sind, die Personalberater wüssten nicht besser als sie selber, was für sie geeignet<br />
sei. 510 Die <strong>St</strong>ellensuchenden würden daher auch gern noch mehr mitbestimmen,<br />
wenn es darum geht, ob und in welche Arbeitsmarktliche Massnahme sie eingeteilt<br />
werden. Dabei geht es nicht nur darum, dass jede Person für sich das Recht in<br />
Anspruch nimmt, sich und ihre Bedürfnisse am besten zu kennen. Wichtig ist auch,<br />
dass die <strong>St</strong>ellensuchenden nicht das Gefühl haben wollen, in irgend einer Weise<br />
“bevormundet” zu werden. Dieses Gefühl scheint aber aufzukommen, wenn von<br />
Seiten des RAV zuwenig Flexibilität bei der Problemlösung vorhanden ist. Die<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden reagieren darauf sensibel. Wenn allerdings eine gewisse systeminhärente,<br />
durch rechtliche Grundlagen eingeschränkte Flexibilität nicht zu vermeiden<br />
ist, wird diese eher akzeptiert, wenn sie freundlich und ausführlich erklärt<br />
wird; wodurch ebenfalls wiederum das Vertrauen der <strong>St</strong>ellensuchenden zu den<br />
Mitarbeitern und in die Institution RAV gestärkt wird.<br />
Die vorliegende Arbeit zeigt, am Beispiel der Ergebnisse aus der Analyse der Interviews<br />
mit <strong>St</strong>ellensuchenden der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren Lugano<br />
und Solothurn, dass aus der Sicht des leistungsempfangenden Bürgers in der Verwaltung<br />
tatsächlich vom „Kunden“ gesprochen werden kann, auch wenn dem<br />
Kundenbegriff von theoretischer Seite gewichtige Einschränkungen (hoheitliche<br />
Verwaltungstätigkeit, keine direkte kostendeckende Zahlung durch den Leistungsempfänger<br />
und damit keine Funktion des Kunden als Auftraggeber oder Zahlungspflichtiger)<br />
widerfahren.<br />
Zu behaupten, der <strong>St</strong>ellensuchende müsse zufrieden mit den Leistungen des RAV<br />
sein, damit er sich als Kunde behandelt fühlt, vereinfacht das Thema zu sehr. Ein<br />
<strong>St</strong>ellensuchender kann mit zahlreichen Elementen der Tätigkeit des RAV und seiner<br />
Mitarbeiter zufrieden sein. Entscheidend ist aber das Vorliegen emotionaler<br />
Faktoren, die in ihrer Ausprägung den Bedürfnissen des <strong>St</strong>ellensuchenden entsprechen.<br />
Nur dann beginnt der <strong>St</strong>ellensuchende das Empfinden eines Kunden zu<br />
entwickeln. Die emotionalen Faktoren legen die Grundlage für das Kundenempfinden<br />
des <strong>St</strong>ellensuchenden. Je mehr zusätzlich die sachlich-institutionellen Faktoren<br />
des Kundenempfindens zur Zufriedenheit des <strong>St</strong>ellensuchenden erfüllt sind,<br />
desto stärker wird das Kundenempfinden des <strong>St</strong>ellensuchenden. Er fühlt sich als<br />
Kunde behandelt und nicht als Bürger verwaltet.<br />
510<br />
M.I.S. (Qualität), S. 33.<br />
167
10.1 Weiterer Forschungsbedarf<br />
Für die vorliegende Arbeit wurde, am Beispiel der RAV Lugano und Solothurn<br />
untersucht, welche Faktoren dazu beitragen, dass sich <strong>St</strong>ellensuchende als Kunden<br />
des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums empfinden. Für die weitere Forschung<br />
wäre es in einem zweiten Schritt interessant herauszufinden, ob die ermittelten<br />
Kriterien generell für das Kundenempfinden von <strong>St</strong>ellensuchenden gelten,<br />
welche die Leistungen von staatlichen Arbeitsvermittlungsinstitutionen in Anspruch<br />
nehmen. Dazu müsste die Untersuchung auch in staatlichen Arbeitsvermittlungsinstitutionen<br />
ausserhalb der Schweiz stattfinden.<br />
Die Faktoren des Kundenempfindens, welche aus der vorliegenden Arbeit resultieren,<br />
bilden zudem eine Grundlage für die Diskussion, welche Faktoren dazu<br />
führen, dass sich der Bürger als Kunde der öffentlichen Verwaltung behandelt<br />
fühlt. <strong>St</strong>ellensuchende sind Bürger in einer besonderen Lebenssituation. Es fragt<br />
sich, ob die Kriterien, die das Kundenempfinden des Bürgers massgeblich beeinflussen<br />
dieselben oder andere sind, wenn der Bürger sich an die Verwaltung wendet,<br />
ohne dass er sich in einer besonderen oder belastenden Lebenssituation befindet.<br />
Die Vermutung liegt meines Erachtens nahe, dass die Faktoren des Kundenempfindens<br />
dieselben sind, egal in welcher Situation sich der Bürger befindet. Die<br />
Verwaltung hat in gewissem Sinne immer eine hoheitliche <strong>St</strong>ellung dem Bürger<br />
gegenüber inne. Der Bürger empfindet dies - je nach Lebenssituation in der er sich<br />
befindet-mehr oder weniger. Die “emotionalen Faktoren”, welche die Grundlage<br />
für das Kundenempfinden des Bürgers legen, dürften daher bei sämtlichen Verwaltungskontakten<br />
dieselben sein, während die “sachlich-institutionellen Faktoren”<br />
je nach Art des Verwaltungskontaktes und nach Situation in der sich der Bürger<br />
befindet, variieren. Herauszufinden, ob diese Vermutung den Tatsachen entspricht,<br />
bleibt Aufgabe weiterer Forschungstätigkeit.<br />
168
V Anhänge<br />
Prozesse innerhalb der RAV<br />
„Die innerhalb der RAV ablaufenden Prozesse können in fünf Prozesskategorien<br />
unterteilt werden: Die Führungs- und Unterstützungsprozesse, die RAV-spezifischen<br />
Leistungserbringungsprozesse – die Wiedereingliederung und die Akquisition<br />
von <strong>St</strong>ellen – sowie die Umfeldprozesse.“ 511<br />
Wiedereingliederungsprozess:<br />
Der Hauptprozess jedes RAV ist der Wiedereingliederungsprozess. Dieser beginnt<br />
mit der Anmeldung des <strong>St</strong>ellensuchenden im RAV und endet mit der Abmeldung<br />
des <strong>St</strong>ellensuchenden:<br />
• Anmeldung des/der <strong>St</strong>ellensuchenden.<br />
• Erstinformationen durch das RAV.<br />
• Periodische Beratungs- und Kontrollgespräche, Prüfung der Arbeitsbemühungen.<br />
• Prüfen und Zuweisen offener <strong>St</strong>ellen.<br />
• Planung der Vermittlungs- und aktiven arbeitsmarktlichen Massnahmen.<br />
• Sanktionen, Einstellungen, rechtliches Gehör.<br />
Akquisitionsprozess:<br />
Die Akquisition offener <strong>St</strong>ellen ist für die Wiedereingliederung von <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
ein wichtiges Instrument. Der Akquisitionsprozess besteht aus folgenden<br />
Subprozessen:<br />
• Identifizierung von Arbeitgebern.<br />
• Kontaktierung von Arbeitgebern.<br />
• Akquirieren ausgeschriebener <strong>St</strong>ellen.<br />
• Bewirtschaftung offener <strong>St</strong>ellen.<br />
• Auskunftserteilung an Arbeitgeber.<br />
511<br />
Dazu und zu den folgenden Unterkapiteln: ATAG (RAV-Evaluation), S. 14 ff.<br />
169
Umfeldprozesse:<br />
Die RAV nehmen auch Aufgaben im Bereiche der Öffentlichkeitsarbeit und der<br />
Zusammenarbeit mit anderen <strong>St</strong>ellen wahr. Zu den Umfeldprozessen gehören alle<br />
Tatigkeiten, die mit Kommunikation und Betreuung des Umfelds des RAV zu tun<br />
haben. Das sind:<br />
• Aktive und passive Umfeldbetreuung (alle Aktivitäten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit,<br />
der Medienbetreuung und der allgemeinen Auskunftserteilung<br />
(ohne Arbeitgeber und <strong>St</strong>ellensuchende)).<br />
• Leistungen für Dritte (Tätigkeiten der RAV, die aus dem Kontakt mit andern<br />
<strong>St</strong>ellen entstehen, wie z.B. KIGA, BWA, Gemeinden, Weiterbildungsinstitutionen,<br />
Arbeitslosenkassen etc.).<br />
• Behandlung von Beschwerden der <strong>St</strong>ellensuchenden (Beschwerdevernehmlassung,<br />
Vollzug des Beschwerdeentscheides, Anpassung des Dossiers des/der<br />
<strong>St</strong>ellensuchenden, Datenverwaltung).<br />
Führungs- und Unterstützungsprozesse:<br />
Wie in allen Unternehmungen, laufen auch im RAV sogenannte Führungs- und<br />
Unterstützungsprozesse ab. „Führungsprozesse beinhalten alle Tätigkeiten, die<br />
übergreifend durch Planung, Entscheidung, Durchsetzung und Kontrolle die Leistungsabwicklung<br />
steuern (z.B. Führung des RAV oder von RAV-Gruppen, Personalmanagement,<br />
Controlling und Projektmanagement).<br />
Unterstützungsprozesse sind für das reibungslose Funktionieren der Gesamttätigkeit<br />
der RAV von grosser Bedeutung. Beispiele hierfür sind die Personalverwaltung,<br />
die Informatik und die Ausbildung.“ 512<br />
Altes Finanzierungsmodell<br />
Unter der bis Ende 2002 gültigen Wirkungsvereinbarung galt:<br />
Die AVIG-Vollzugsstellen (und damit auch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren)<br />
werden von den Kantonen geführt 513 und aus dem Arbeitslosenversicherungsfonds<br />
des Bundes finanziert. Die Finanzierung erfolgt teilweise leistungsbezogen,<br />
d.h. in Abhängigkeit zur Wirkung der erbrachten Leistungen 514 .<br />
„Der Finanzierungsansatz wird gestützt auf Artikel 122a Abs. 11 AVIV bzw. Arti-<br />
512<br />
ATAG (RAV-Evaluation), S. 18.<br />
513<br />
BIGA (Presserohstoff), S. 2 f. und AVIG Art. 92 Abs. 7.<br />
514<br />
BIGA (Presserohstoff), S. 2 f. und AVIG Art. 92 Abs. 7 sowie EVD, (Anpassung), S. 1f.<br />
170
kel 122b AVIV festgelegt. Der dem Kanton ausgerichtete Finanzierungsbetrag entspricht<br />
einem Prozentsatz der anrechenbaren Kosten gemäss VKE-Verordnung.<br />
Der Prozentsatz wird nach dem vom Kanton erzielten Wirkungsindex abgestuft.“<br />
515<br />
Für die verschiedenen Wirkungsindices 516 gelten folgende Finanzierungssatz-Zonen:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
95 – 100 517 <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Tabelle 15: Wirkungsindex - Finanzierungssatz 518<br />
Zur Erläuterung dieser Tabelle können folgende Beispiele angeführt werden: Ein<br />
Kanton, dessen AVIG-Vollzugsstellen (bzw. dessen RAV) einen um die exogenen<br />
Faktoren bereinigten Wirkungsindex von 97 erzielen, erhält vom Bund 100% der<br />
anrechenbaren Kosten, die zur Finanzierung sämtlicher AVIG-Vollzugsstellen nötig<br />
sind, erstattet.<br />
Erzielen dagegen die AVIG-Vollzugsstellen (bzw. die RAV) eines Kantons z.B.<br />
während drei aufeinanderfolgenden Jahren lediglich einen um die exogenen Faktoren<br />
bereinigten Wirkungsindex von 92, dann finanziert der Bund diesem Kanton<br />
im ersten und zweiten Jahr 100% der anrechenbaren Kosten, im dritten Jahr lediglich<br />
95%. Im dritten Jahr müsste der Kanton 5% der anrechenbaren Kosten seiner<br />
sämtlichen AVIG-Vollzugsstellen selber tragen.<br />
515<br />
EVD (Anpassung), S. 1.<br />
516<br />
Es handelt sich dabei jeweils um die um die exogenen Faktoren bereinigten Wirkungsindices. Die<br />
Berechnung der Wirkungsindices ist im Anhang näher beschrieben.<br />
517<br />
100 bezeichnet den schweizerischen Mittelwert, der im Rahmen eines Benchmarkings über alle<br />
schweizerischen RAV erzielt wurde. Lenz et. al. (Vereinbarung), S. 3 sowie abgeleitet aus EVD<br />
(Vereinbarung), S. 3ff.<br />
518<br />
EVD (Anpassung), S. 2.<br />
171
Einem Kanton, dessen AVIG-Vollzugsstellen (bzw. dessen RAV) einen um die<br />
exogenen Faktoren bereinigten Wirkungsindex von beispielsweise 107 erzielen,<br />
erstattet der Bund 105% der anrechenbaren Kosten. Der Kanton erhält also 5%<br />
mehr Geld, als ihn die gesamten AVIG-Vollzugsstellen im Berechnungszeitraum<br />
gekostet haben.<br />
Die Ermittlung des Wirkungsindexes zur Beurteilung der Zielerreichung der AVIG-<br />
Vollzugsstellen geschieht wie folgt: 519<br />
a) Ermittlung der AVAM/ASAL-Werte für die kantonalen Ergebnisse pro Indikator.<br />
b) Berechnung der um die exogenen Einflussfaktoren (Faktoren, die durch den<br />
Kanton nicht direkt beeinflusst werden können) korrigierten kantonalen Ergebnisse<br />
pro Indikator. Die Bereinigung der kantonalen Ergebnisse pro Indikator<br />
um die exogenen Faktoren erfolgt mittels eines ökonometrischen Modells<br />
520 .<br />
c) Berechnung des kantonalen Niveau-Indexes pro Indikator (Referenzgrösse ist<br />
der nationale Durchschnitt: CH=100).<br />
d) Aggregation der kantonalen Niveau-Indizes zum kantonalen Wirkungsindex,<br />
wobei die einzelnen Indikatoren wie folgt gewichtet werden:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Tabelle 16: Gewichtung der Indikatoren zur Berechnung der Wirkungsindices 521<br />
Das der Berechnung der Wirkungsindices zugrunde liegende ökonometrische Modell<br />
verwendet folgende exogenen Faktoren: Anteil an den Leistungsbezügern der<br />
Arbeitslosenversicherung der Frauen, der Saisoniers, der Asylbewerber, der <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
mit höherer Funktion in der letzten Beschäftigung, der Schweizer,<br />
519<br />
Die Angaben zur Ermittlung des Wirkungsindexes von Abschnitt a) bis d) sowie die Gewichtungstabelle<br />
entstammen: EVD (Vereinbarung), S. 2.<br />
520<br />
Auf die detaillierte Darstellung und Besprechung des ökonometrischen Modells wird verzichtet. Dieses<br />
ist nicht Inhalt der vorliegenden Arbeit und trägt nichts zur Beantwortung der Frage, wann sich<br />
ein <strong>St</strong>ellensuchender als Kunde behandelt fühlt oder nicht bei.<br />
521<br />
EVD (Vereinbarung), S. 2.<br />
172
der Ausländer mit Jahres- und Niederlassungsbewilligung sowie die Bezügerquote<br />
und die städtisch/ländliche <strong>St</strong>ruktur. 522<br />
Die drei Kantone, deren Wirkungsindex sich im betrachteten Jahr gegenüber dem<br />
Vorjahr am stärksten verbessert hat, erhalten einen zusätzlichen Motivations-Bonus<br />
von 2%. Dabei werden allerdings die Kantone, deren Wirkungsindex über<br />
105% liegt, nicht berücksichtigt. 523<br />
„Für Kantone mit einem Wirkungsindex von unter 95% gilt folgendes, zeitlich<br />
über drei Jahre gestaffeltes Vorgehen:<br />
• Nach dem ersten Jahr: Analyse der Resultate und Vereinbarung geeigneter<br />
Massnahmen zwischen dem Chef der kantonalen Amtsstelle und der Direktion<br />
für Arbeit des seco;<br />
• Nach dem zweiten Jahr (sofern der Wirkungsindex des Kantons immer noch unter<br />
95 liegt): Analyse der Resultate und Vereinbarung geeigneter Massnahmen zwischen<br />
dem kantonalen Volkswirtschaftsdirektor und dem Departementschef EVD;<br />
• Für das dritte Jahr (sofern der Wirkungsindex des Kantons immer noch unter 95<br />
liegt): Vergütung von 95% der anrechenbaren Kosten.“ 524<br />
Allfällige Überschüsse, die ein Kanton durch den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes<br />
AVIG erzielt (darunter sind insbesondere die Gelder des Bundes<br />
zu verstehen, die über 100% der anrechenbaren Kosten ausmachen und welche die<br />
Kantone erhalten, deren AVIG-Vollzugsstellen einen Wirkungsindex von 101 und<br />
mehr erzielt haben), sind für die Mitarbeiter der AVIG-Vollzugsstellen oder im<br />
Rahmen der Arbeitsmarktpolitik des Kantons einzusetzen. Die Ausgleichsstelle ist<br />
über den effektiven Mitteleinsatz zu informieren. 525<br />
Zum Reporting: Die Wirkungsmessung erfolgt über das Informationssystem<br />
AVAM/ASAL. Die Ausgleichsstelle stellt dem Kanton die entsprechenden Daten<br />
zur Verfügung. 526<br />
Bei der Wirkungsmessung für das Jahr 2000 erzielte der Kanton Tessin einen unkorrigierten<br />
Wirkungsindex von 104, während der korrigierte Wirkungsindex noch<br />
97 beträgt. Der unkorrigierte sowie der korrigierte Wirkungsindex für den Kanton<br />
Solothurn beträgt 98. Der korrigierte Wirkungsindex ist das Ergebnis aus dem unkorrigierten<br />
Wirkungsindex, der um die sogenannten exogenen, d.h. nicht von den<br />
RAV beeinflussbaren, Faktoren bereinigt wurde. 527<br />
522<br />
seco (Wirkung), S. 3, Anhang.<br />
523<br />
EVD (Anpassung), S. 2.<br />
524<br />
EVD (Anpassung), S. 2.<br />
525<br />
EVD (Anpassung), S. 2.<br />
526<br />
EVD (Vereinbarung), S. 5.<br />
527<br />
seco (Wirkung), S. 3, Anhang.<br />
173
Für das Jahr 2001 sind die Kantone frei darüber zu entscheiden, ob sie den erreichten<br />
Wirkungsindex ihrer RAV veröffentlichen möchten oder nicht. Das seco<br />
verzichtet ausdrücklich darauf, entsprechende Daten zu Handen Dritter zu publizieren.<br />
528 Der Verzicht auf die Veröffentlichung der sogenannten RAV-Rangliste<br />
wurde in Absprache mit den Kantonen beschlossen. Begründet wird dies damit,<br />
dass sich die Veröffentlichung der Liste in den vergangenen zwei Jahren demotivierend<br />
auf die RAV-Mitarbeiter der schlechter platzierten Kantone ausgewirkt<br />
hat. 529<br />
Der Kanton Solothurn hat sich entschlossen, seine Daten zu veröffentlichen: Im<br />
Jahr 2001 haben die RAV im Kanton Solothurn einen unkorrigierten Wirkungsindex<br />
von 104 sowie einen korrigierten Wirkungsindex von 100 erreicht. Dies entspricht<br />
einer Verbesserung von 2 Punkten im Vergleich zum vorangehenden Jahr.<br />
Die RAV des Kantons Solothurn liegen damit genau im schweizerischen Mittelwert.<br />
Entsprechend der Wirkungsvereinbarung zwischen seco und Kanton erhält<br />
Solothurn dank diesem Ergebnis eine Bonuszahlung von 171’000 Franken, die direkt<br />
den RAV-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern zukommen soll.<br />
530 531<br />
Der Kanton Tessin hat entschieden, die Daten zum erreichten Wirkungsindex seiner<br />
RAV für das Jahr 2001 nicht zu veröffentlichen. 532<br />
Damit können keine weitere Aussagen zum Vergleich der beiden Kantone gemacht<br />
werden.<br />
528<br />
Gemäss e-mail-Auskunft von Olivier Nussbaum, seco, 26.08.02.<br />
529<br />
Jonas Motschi, Leiter AWA Solothurn, in: Leardini (Vermittlungsarbeit).<br />
530<br />
Ob dies gemäss kantonalem Gesetz möglich ist, wird zur Zeit noch abgeklärt. Es ist vorgesehen, dass<br />
der Bonus dem RAV-Personal noch im Verlaufe des Jahres 2002 ausbezahlt wird. Jonas Motschi,<br />
Leiter AWA Solothurn, in: Leardini (Vermittlungsarbeit).<br />
531<br />
Leardini (Vermittlungsarbeit).<br />
532<br />
Telefonische Auskunft von Sergio Montorfani, Caposezione der Sezione del lavoro, 27.08.02.<br />
174
Referenz-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
175
176
177
Rahmenbedingungen der Wirkungsvereinbarung<br />
Die Rahmenbedingungen der Wirkungsvereinbarung zwischen EVD und Kanton<br />
lauten folgendermassen: 533<br />
„Die relevanten Geschäftsvorfälle bei der Erbringung der (...) Leistungen sind<br />
vollständig und korrekt im Informationssystem AVAM zu erfassen. Im weiteren<br />
sind die arbeitsmarktstatistisch und betriebswirtschaftlich relevanten Daten ohne<br />
Zeitverzug im AVAM zu erfassen.<br />
Erteilt der Kanton eigene Aufträge, stellt er sicher, dass diese mit dieser Vereinbarung<br />
kongruent sind. Der Kanton sorgt für einen optimalen Einsatz der personellen<br />
und finanziellen Mittel, die ihm gemäss VKE-Verordnung zustehen.<br />
Der Kanton stellt die ordnungsgemässe Buchführung sicher und rechnet mit der<br />
Ausgleichsstelle gemäss deren Weisungen ab.<br />
Der Kanton fördert die Qualifikation des Personals durch bedarfsgerechte Ausbildungs-<br />
und Weiterbildungsmassnahmen.<br />
Im weiteren ist der Kanton bei der Ausgestaltung der Organisation der AVIG-Vollzugsstellen<br />
autonom.“<br />
Berechnung des Wirkungsindexes<br />
Die Ermittlung des Wirkungsindexes zur Beurteilung der Zielerreichung der<br />
AVIG-Vollzugsstellen:<br />
e) Ermittlung der AVAM/ASAL-Werte für die kantonalen Ergebnisse pro Indikator.<br />
f) Berechnung der um die exogenen Einflussfaktoren (Faktoren, die durch den<br />
Kanton nicht direkt beeinflusst werden können) korrigierten kantonalen Ergebnisse<br />
pro Indikator. Die Bereinigung der kantonalen Ergebnisse pro Indikator<br />
um die exogenen Faktoren erfolgt mittels eines ökonometrischen Modells.<br />
g) Berechnung des kantonalen Niveau-Indexes pro Indikator (Referenzgrösse ist<br />
der nationale Durchschnitt: CH=100).<br />
h) Aggregation der kantonalen Niveau-Indizes zum kantonalen Wirkungsindex,<br />
wobei die einzelnen Indikatoren wie folgt gewichtet werden:<br />
Indikator Gewichtung<br />
1 0.50<br />
2 0.20<br />
3 0.20<br />
4 0.10<br />
533<br />
EVD (Vereinbarung), S. 3.<br />
178
Bewertungsbogen für die Kurse<br />
Die Bewertung der Kurse durch die Teilnehmer könnte mit folgendem Fragebogen<br />
vorgenommen werden: 534<br />
Sehr geehrte Teilnehmer des Kurses... (Name des Kurses)<br />
Die Kurse, die Sie während der Zeit Ihrer <strong>St</strong>ellensuche besuchen, sollen Ihnen helfen,<br />
Ihre beruflichen Qualifikationen zu verbessern. Den Kursveranstaltern und Ihrem<br />
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum ist es daher ein wichtiges Anliegen,<br />
dass die Inhalte des Kurses zu Ihren Vorqualifikationen passen und dass der <strong>St</strong>off<br />
verständlich vermittelt wird. Bitte lassen Sie uns wissen, wie Sie persönlich diesen<br />
Kurs beurteilen. Ihre Angaben werden vertraulich behandelt. Sie können den<br />
Fragebogen anonym Ihrem RAV zustellen oder, wenn Sie das möchten, bei Ihrem<br />
Personalberater im RAV abgeben.<br />
Besten Dank für Ihre Mitarbeit!<br />
Ihr Regionales Arbeitsvermittlungszentrum<br />
534<br />
Der Fragebogen wurde in Anlehnung an den Beurteilungsbogen des Intensivstudiums KMU-HSG<br />
entwickelt.<br />
179
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197
198
-<br />
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216
217
218
219
220
Abkürzungsverzeichnis<br />
ADC Vereinigung zum Schutz der Arbeitslosen bzw. Association de<br />
Défense des Chômeurs 539<br />
AHV Alters- und Hinterlassenenversicherung<br />
ALV<br />
Arbeitslosenversicherung<br />
AM Arbeitsmarktliche Massnahmen 540<br />
Anm. d. Verf. Anmerkung der Verfasserin<br />
Art.<br />
Artikel<br />
ASAL Im Verbund mit AVAM funktionierendes Informationssystem:<br />
Auszahlungssystem für die Arbeitslosenversicherung 541<br />
AVAM Informationssystem für die Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktstatistik<br />
542<br />
AVIG Arbeitslosenversicherungsgesetz<br />
AVG<br />
Arbeitsvermittlungsgesetz<br />
AWA Amt für Wirtschaft und Arbeit<br />
Bawi Bundesamt für Aussenwirtschaft<br />
BBl<br />
Bundesblatt<br />
BIGA Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit. Aus dem BIGA<br />
entwickelte sich das BWA (Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit),<br />
das wiederum 1999 mit dem Bawi (Bundesamt für Aussenwirtschaft)<br />
zusammengelegt wurde und ab dann seco (<strong>St</strong>aatssekretariat<br />
für Wirtschaft) heisst. 543<br />
Bst.<br />
Buchstabe<br />
BWA Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (heute: seco)<br />
CH<br />
Confoederatio Helvetica (Schweiz)<br />
et al.<br />
et altris (und weitere)<br />
EVD<br />
Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement<br />
EVD<br />
Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement<br />
GBI<br />
Gewerkschaft Bau und Industrie<br />
Hsg.<br />
Herausgeber<br />
539<br />
Website der Vereinigten Bundesversammlung, 9.2.02 sowie Website der <strong>St</strong>adt Genf, 26.8.02.<br />
540<br />
BIGA (Presserohstoff AM), S. 1 ff.<br />
541<br />
Website des seco, Der Leistungsbereich Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung, 18.08.02.<br />
542<br />
Gemäss V-AVAM.<br />
543<br />
Folienpräsentation seco, Website des seco, 18.8.02 sowie „Das <strong>St</strong>aatssekretariat für Wirtschaft (seco)<br />
in Kürze“, Website des seco, 18.8.02.<br />
221
Intensivstudium Intensivstudium für Führungskräfte in Klein- und Mittelunter-<br />
KMU-HSG nehmen an der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
ISO<br />
International <strong>St</strong>andards Organization<br />
KAST Kantonale Amtsstellen 544<br />
LAM-<strong>St</strong>elle Logistikstelle für arbeitsmarktliche Massnahmen<br />
m.E.<br />
meines Erachtens<br />
Mia.<br />
Milliarde<br />
Mio.<br />
Million<br />
NPM New Public Management<br />
ORTE Observatoir Romand et Tessinois; Westschweizer und Tessiner<br />
Beobachtungszentrum<br />
PB<br />
Personalberater<br />
RAV<br />
Regionales Arbeitsvermittlungszentrum<br />
seco<br />
<strong>St</strong>aatssekretariat für Wirtschaft<br />
SMUV Gewerkschaft Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen<br />
SO<br />
Solothurn<br />
TI<br />
Tessin<br />
u.a.m. und andere mehr<br />
UMA Ufficio delle misure attive (entspricht LAM-<strong>St</strong>elle)<br />
UV<br />
Unfallversicherung<br />
URC<br />
Ufficio regionale di collocamento (entspricht RAV)<br />
USTAT Ufficio di statistica<br />
VSAA Verband Schweizerischer Arbeitsämter<br />
544<br />
EVD (Vereinbarung), S. 2.<br />
222
Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen und Wirkungsvereinbarungen<br />
AVIG: Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />
und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz,<br />
AVIG), (bzw. italienische Version: LADI: Legge federale sull’assicurazione contro<br />
la disoccupazione), SR 837.0.<br />
AVG: Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den<br />
Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG), SR 823.11.<br />
AVIV: Verordnung vom 31. August 1983 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung<br />
und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsverordnung,<br />
AVIV), SR 837.02.<br />
EVD (Vereinbarung): Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft,<br />
vertreten durch das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD)<br />
und dem Kanton für den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG),<br />
gültig für die Periode vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2002.<br />
EVD (Anpassung): Anpassung der Vereinbarung zwischen der Schweizerischen<br />
Eidgenossenschaft, vertreten durch das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement<br />
(EVD) und den Kantonen für den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes<br />
(AVIG); Anpassung der Punkte 3 und 6 der Vereinbarung RAV/LAM/Amtsstelle<br />
2000, gültig für die Jahre 2002 und 2002.<br />
IVG: Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG), SR 831.20.<br />
V-AVAM: Verordnung über das Informationssystem für die Arbeitsvermittlung<br />
und Arbeitsmarktstatistik (V-AVAM) vom 14. Dezember 1992 (<strong>St</strong>and am 16. Mai<br />
2000), SR 823.114.<br />
Verordnung vom 29. Juni 2001 (<strong>St</strong>and am 18. September 2001) über die Entschädigung<br />
der Kantone für den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes<br />
(AVIG-Vollzugskostenentschädigungsverordnung), SR 837.023.3.<br />
VKE-Verordnung: Verordnung vom 30. Oktober 1998 (<strong>St</strong>and am 24. Dezember<br />
1998) über die Verwaltungskostenentschädigung an die Kantone für den Vollzug<br />
des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, SR 837.13.<br />
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Bundesamt für <strong>St</strong>atistik: www.statistik.admin.ch<br />
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http://europa.eu.int/comm/employment_social/employment_strategy/pub_empl_<br />
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Vereinigte Bundesversammlung: www.parlament.ch<br />
Kanton Graubünden: www.gr.ch<br />
Kanton Tessin: www.ti.ch<br />
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Solothurner Zeitung: www.solothurner-zeitung.ch<br />
<strong>St</strong>aatssekretariat für Wirtschaft: www.arbeitslosenkasse.ch<br />
<strong>St</strong>aatssekretariat für Wirtschaft: www.seco-admin.ch<br />
<strong>St</strong>aatssekretariat für Wirtschaft: www.treffpunkt-arbeit.ch<br />
<strong>St</strong>adt Lugano: www.lugano.ch<br />
<strong>St</strong>adt Genf: www.ville-ge.ch<br />
233
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: 12-13<br />
Interviewpartner <strong>St</strong>ellensuchende RAV Lugano<br />
Tabelle 2: 14<br />
Interviewpartner <strong>St</strong>ellensuchende RAV Solothurn<br />
Tabelle 3: 15<br />
Vergleich RAV-Einheiten Solothurn und offizielle RAV-Codierung<br />
Tabelle 4: 22<br />
Wirkungsindikatoren<br />
Tabelle 5: 25-26-27<br />
Aufgaben und Leistungen der AVIG-Vollzugsstellen<br />
Tabelle 6: 32-33<br />
Arbeitsmarktliche Massnahmen<br />
Tabelle 7: 36-37<br />
Das alte und das neue AVIG-Finanzierungsmodell im Vergleich<br />
Tabelle 8: 37-38<br />
Änderungen bei den Taggeldern<br />
Tabelle 9: 39-40<br />
Die sechs spezialisierten RAV-Einheiten<br />
Tabelle 10: 42<br />
RAV im Kanton Solothurn<br />
Tabelle 11: 54<br />
Tessin und Solothurn: einige statistische Vergleichsdaten<br />
Tabelle 12: 55<br />
Verschiedene Beschäftigtendaten Kantone Tessin und Solothurn<br />
234
Tabelle 13: 87<br />
Die drei Aspekte des Kundenbegriffs<br />
Tabelle 14: 105-106<br />
Methodologischer Vergleich verschiedener Formen qualitativer Interviews<br />
Tabelle 15: 171<br />
Wirkungsindex - Finanzierungssatz<br />
Tabelle 16: 172<br />
Gewichtung der Indikatoren zur Berechnung der Wirkungsindices<br />
235
Definitionsverzeichnis<br />
Definition 1: 4-5<br />
Arbeitslosenquote<br />
Definition 2: 44<br />
Kultur<br />
Definition 3: 77<br />
Die Qualität<br />
Definition 4: 88<br />
Kundenorientierung<br />
Definition 5: 90<br />
Hoheitliches Verwaltungshandeln<br />
Definition 6: 104<br />
Die Befragung<br />
236
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: 6<br />
Entwicklung der Zahl der bei den RAV registrierten Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
in den vergangenen sechs Jahren (seit Bestehen der RAV) in<br />
der Schweiz<br />
Abbildung 2: 7<br />
Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden in der<br />
Schweiz im Jahr 2002<br />
Abbildung 3: 7<br />
Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden im Jahresdurchschnitt<br />
im Kanton Tessin von 1995 bis 2001<br />
Abbildung 4 : 8<br />
Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden im Jahresdurchschnitt<br />
im Kanton Solothurn von 1995 bis 2001<br />
Abbildung 5: 8<br />
Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden im Jahresdurchschnitt<br />
von 1995 bis 2001 in den Kantonen Tessin und Solothurn im<br />
grafischen Vergleich<br />
Abbildung 6: 9<br />
Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden im Kanton<br />
Tessin im Jahr 2002<br />
Abbildung 7: 9<br />
Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden im Kanton<br />
Solothurn im Jahr 2002<br />
Abbildung 8: 10<br />
Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen und <strong>St</strong>ellensuchenden im Jahr 2002,<br />
in den Kantonen Tessin und Solothurn, im grafischen Vergleich<br />
Abbildung 9: 11<br />
Definition <strong>St</strong>ellensuchende<br />
237
Abbildung 10: 45<br />
Die vier klassischen Kulturdimensionen nach Hofstede<br />
Abbildung 11: 46<br />
Kulturelle Dimensionen nach Hofstede<br />
Abbildung 12: 75<br />
Der Produktionsprozess in der Verwaltung<br />
Abbildung 13: 77<br />
Qualität im Spannungsfeld der Dimensionen<br />
Abbildung 14: 83<br />
Qualität aus Kundensicht im Produktionsprozess der öffentlichen Verwaltung<br />
Abbildung 15: 130<br />
Einflussfaktoren auf das Kundenempfinden RAV Lugano<br />
Abbildung 16: 142<br />
Einflussfaktoren auf das Kundenempfinden RAV Solothurn<br />
Abbildung 17: 144<br />
Faktoren zur Entwicklung eines Kundenempfindens durch die <strong>St</strong>ellensuchenden<br />
eines RAV<br />
Abbildung 18: 163<br />
Faktoren des Kundenempfindens<br />
238
Curriculum Vitae<br />
<strong>Nadja</strong> <strong>Germann</strong><br />
Ausbildung<br />
1973 - 1978 Primarschule in <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1978 - 1985 Kantonsschule <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> (Abschluss mit Matura Typus E)<br />
1985 - 1988 Grundstudium Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1994 - 1995 Hauptstudium Wirtschaftswissenschaften Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1996 lic. oec. HSG<br />
1995 - 1997 Hauptstudium <strong>St</strong>aatswissenschaften Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1997 lic. rer. publ. HSG<br />
2004 Dr. rer. publ. HSG<br />
Praktische Tätigkeiten<br />
1986 / 1987 Verschiedene Praktika (Finanzverwaltung des Kantons <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>;<br />
UBS Lugano).<br />
1987 - 1990 Assistentin Forschungsinstitut für Absatz und Handel, Universität<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
1991 - 1995 Beratungstätigkeit für KMU, insbesondere im Bereich Qualitätsmanagement.<br />
1996 - 1999 Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Verwaltungskurse,<br />
Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
2000 Lehrauftrag Fachhochschule<br />
2001 - 2002 <strong>St</strong>udienleiterin Intensivstudium KMU, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
seit 2003 Dozentin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Büros für die<br />
Aus- und Weiterbildung der Gemeinden, Kantonale Verwaltung<br />
Tessin.