Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...
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kulturellen Standard oder einer kollektiven Identität – gegeben wird, über deren<br />
politische Wirkung die Untersuchung eine Aussage machen will. 1<br />
Eine politikwissenschaftliche Analyse soll vor allem dazu beitragen, politische<br />
Zusammenhänge, Ereignisabfolgen, Strukturen <strong>und</strong> Entscheidungen verständlicher oder<br />
sogar in dem Sinne erklärbar zu machen, dass Theorieaussagen möglich werden. Doch<br />
auch solche Theorieaussagen sind <strong>und</strong> bleiben in dem Sinne kontingente Deutungen<br />
bzw. Konstruktionen, als sie mit Hilfe methodisch reflektierter Analysen eine<br />
bestimmte Bedeutungszuschreibung als die politisch dominante bzw. relevante<br />
identifizieren <strong>und</strong> dafür – zumindest wissenschaftliche – Anerkennung erfahren wollen.<br />
Jede wissenschaftliche Analyse ist ein Deutungsangebot, welches seine Bedeutung<br />
darüber gewinnt, dass es im wissenschaftlichen – <strong>und</strong>/oder politischen bzw. öffentlichen<br />
– Diskurs anerkannt wird.<br />
Wird dieser Konstruktionscharakter wissenschaftlicher Untersuchungen berücksichtigt<br />
<strong>und</strong> als Resultat der empirischen Analyse sowohl aufgezeigt, dass Bedeutungen<br />
umstritten sind, als auch aufgr<strong>und</strong> welcher Mechanismen sich eine bestimmte<br />
Bedeutung politisch durchsetzen kann, also zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem<br />
angebbaren politischen Zusammenhang als dominant oder gar unumstritten erscheint,<br />
wird die intellektuelle Redlichkeit konstruktivistische WissenschaftlerInnen kaum<br />
davon abhalten können, sich selbst auch daraufhin zu befragen, was bei ihrer Analyse<br />
umstrittener Bedeutungen dazu geführt hat, diese <strong>und</strong> nicht jene Bedeutung als die<br />
politisch relevante <strong>und</strong> wirkungsmächtige zu bezeichnen. Und diese Frage, das scheint<br />
mir ein wesentliches Element der Debatte um den Konstruktivismus in den<br />
Internationalen Beziehungen zu sein, kann nicht allein methodisch beantwortet werden.<br />
Warum<br />
Der Gegenstand jeglicher Analysen umstrittener Bedeutungen ist Sprache, die<br />
gr<strong>und</strong>legende Methode folglich eine Form der Textanalyse. Ohne ein Vorverständnis<br />
der verwendeten Begriffe, Textstrukturen <strong>und</strong> Text-Kontexte lassen sich keine<br />
Textanalysen vornehmen. Diese Vorverständnisse aber gehen in die Ergebnisse von<br />
1<br />
Indem sich die Analyse für die eine <strong>und</strong> gegen andere Bedeutungen entscheidet <strong>und</strong> ihr Ergebnis als<br />
wissenschaftliches ausweist, greift sie zugleich in die politische Auseinandersetzung um die Bedeutung<br />
ein. Das Umstrittene ist nicht mehr nur umstritten, sondern wissenschaftlich wurde ein Bereich von<br />
Unumstrittenem oder zumindest von dominanter Deutung festgestellt, was möglicherweise in der<br />
öffentlichen Diskussion um das politisch Umstrittene perzipiert <strong>und</strong>/oder instrumentalisiert <strong>und</strong> darüber<br />
selbst auf den politischen Deutungsstreit mehr oder weniger stark einwirkt. Hierbei spielt wiederum der<br />
wissenschaftliche Konsens oder Dissens bei der Analyse dominanter Deutungen eine Rolle, also<br />
letztlich die – vorhandene oder fehlende – Dominanz einer bestimmten Deutung im wissenschaftlichen<br />
Diskurs (vgl. Weller 2003b).