21.01.2015 Aufrufe

Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...

Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...

Theoretische und erkenntnistheoretische Konsequenzen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

13<br />

(3) Analysen der internationalen Politik zielen nicht nur auf eine differenzierte<br />

persönliche Welterkenntnis, sondern auf einen wissenschaftlichen Diskurs, der seinen<br />

spezifischen Beitrag zur gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit leistet. Indem<br />

der soziologische Sozialkonstruktivismus aber genau diese gesellschaftliche<br />

Konstruktion der Wirklichkeit <strong>und</strong> ihren Wandel in den Blick nimmt, wird der<br />

politologische Diskurs über die Analyse der internationalen Politik zugleich Gegenstand<br />

unserer eigenen sozialkonstruktivistischen Analysen, denn die Wissenschaft leistet<br />

einen besonderen Beitrag dazu, welche Wirklichkeit gesellschaftlich anerkannt wird. 8<br />

Zugleich sind unsere Beobachtungsinstrumente auch bei sozialkonstruktivistischen<br />

Analysen nicht gr<strong>und</strong>sätzlich verschieden von jenen, die den vornehmlich handelnden<br />

Akteuren in der internationalen Politik zur Verfügung stehen: Diese wie wir sind auf<br />

Texte, Bilder <strong>und</strong> Deutungen angewiesen, die andere unter ganz bestimmten<br />

Beobachtungsbedingungen gemacht haben. Nur auf diesem vermittelten Wege<br />

gewinnen Gesellschaften <strong>und</strong> PolitikerInnen wie WissenschaftlerInnen Einblicke in ein<br />

globales Geschehen, welches sich unseren unmittelbaren Beobachtungen entzieht. 9<br />

Können wir davon absehen, diese zwei Aspekte unseres eigenen Beitrags zur<br />

Konstruktion „unserer“ Welt in unsere Analysen einzubeziehen<br />

Diese Frage verweist auf die <strong>erkenntnistheoretische</strong> Dimension des Konstruktivismus<br />

(vgl. dazu ausführlich Mayer 2003) <strong>und</strong> auf die mangelnde Reflexivität des IB-<br />

Sozialkonstruktivismus, was natürlich im gleichen Maße auch den<br />

Staatskonstruktivismus betrifft (vgl. Smith 2000: 162f). Wenn wir als Forscherinnen<br />

<strong>und</strong> Forscher Konstruktionen der Wirklichkeit – sei es die kognitive Verarbeitung<br />

materieller Gegebenheiten oder Ideen, Normen, Werte, Gender, Leitbilder, Kultur,<br />

Identität, Wissen, Argumente etc. – analysieren, auf deren Gr<strong>und</strong>lage Akteure handeln,<br />

tun wir dies auf der Basis unserer eigenen Weltkonstruktion, die sich in der Regel nicht<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich von der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit unterscheidet<br />

<strong>und</strong> somit von ähnlichen Ideen, Normen, Werten <strong>und</strong> Wissen bevölkert ist wie jene, die<br />

wir analysieren. Unser analytischer Blick ist in den prinzipiell gleichen kognitiven<br />

8<br />

9<br />

Ohne weiteres sichtbar wird dies in der Regel erst dann, wenn wissenschaftliche Einsichten revidiert<br />

werden, die zum Zeitpunkt ihrer Geltung zu gesellschaftlichen oder politischen <strong>Konsequenzen</strong> geführt<br />

haben. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Prognose vom Waldsterben, die heute als widerlegt gilt. Vgl.<br />

dazu Heike Faller: „Schon in den nächsten Jahren werden in Deutschland großflächig Wälder absterben“:<br />

Das glaubten Anfang der achtziger Jahre viele Menschen. Auslöser war die Prognose eines Göttinger<br />

Bodenk<strong>und</strong>lers, in: Die Zeit 2, 31.12.2003, 47-48.<br />

„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die<br />

Massenmedien. Das gilt auch für Soziologen, die ihr Wissen nicht mehr im Herumschlendern <strong>und</strong> auch<br />

nicht mit bloßen Augen <strong>und</strong> Ohren gewinnen können“ (Luhmann 1996: 9), <strong>und</strong> erst recht für die<br />

Internationalen Beziehungen (vgl. Weller 2002).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!