die zeitschrift für menschenrechte - Amnesty International Österreich
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Oktober 2009<br />
AMNESTYJOURNAL<br />
DIE ZEITSCHRIFT FÜR MENSCHENRECHTE<br />
Kambodscha:<br />
Vertrieben aus<br />
Phnom Penh
Gedenkstätte Hohenschönhausen, Marcell Nimführ<br />
Inhalt<br />
3 Friede den Palästen Von Michael Lenz<br />
Im Zentrum von Phnom Penh wird viel gebaut. Doch<br />
wegen zweifelhafter Immobiliengeschäfte werden<br />
<strong>die</strong> armen EinwohnerInnen systematisch vertrieben<br />
und landen im Niemandsland weit außerhalb der<br />
kambodschanischen Hauptstadt<br />
7 Kleine Geschäfte mit großer Zukunft<br />
Von Jürg Keller<br />
Der 29-jährige Michael Nyangi hat in Nairobi eine<br />
Organisation <strong>für</strong> Kleinkredite aufgebaut. Seine KundInnen<br />
gehören zu den Ärmsten der Armen und leben<br />
in den Slums der kenianischen Hauptstadt.<br />
8 „Die DDR war kein Kasperltheater“<br />
Von Christine Zeiner<br />
20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer setzen<br />
BürgerrechtlerInnen sich gegen <strong>die</strong> blühende „Os -<br />
talgie“ ein. So auch Wolfgang Arndt, der interessierte<br />
BesucherInnen durch <strong>die</strong> ehemalige Stasi-Haftanstalt<br />
Hohenschönhausen führt.<br />
11 Erfolge<br />
12 Das Leid der kleinen Tabita Von Marcell Nimführ<br />
Täglich werden tausende Mädchen genitalverstümmelt.<br />
Darunter auch <strong>die</strong> vierjährige Tabita in der<br />
äthiopischen Provinz Wolayta. Eine Fotoreportage<br />
aus Äthiopien.<br />
15 Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
Von Roland Hosner, Elisabeth Reindl, Lioba<br />
Suchenwirth, Barbara Weber<br />
Auf <strong>die</strong>sen Seiten können Sie sofort aktiv werden<br />
und Appellkarten verschicken oder sich von einer<br />
der Aktionsbeschreibungen inspirieren lassen.<br />
21 Sie riefen: „Freiheit!“<br />
Von Christine Newald<br />
Mithilfe von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> und guten FreundInnen<br />
gelang einem jungen Chilenen <strong>die</strong> Flucht<br />
aus seinem Heimatland, das <strong>für</strong> ihn nach dem Sturz<br />
Salvador Allendes zu gefährlich geworden war.<br />
22 Viennale-Gewinnspiel<br />
23 Ankündigungen<br />
Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser!<br />
„Ich werde oft gefragt, was <strong>die</strong> schwerste<br />
Menschenrechtsverletzung unserer<br />
Zeit ist, und meine Antwort ist immer<br />
<strong>die</strong>selbe: extreme Armut.“ So Mary Robinson,<br />
ehemalige UN-Hochkommissarin<br />
<strong>für</strong> Menschenrechte. Damit macht<br />
sie deutlich, dass Armut nicht nur<br />
schicksalsbestimmt ist. Sie ist von Menschen<br />
gemacht, denn Armut ist <strong>die</strong> Folge<br />
von politischen und wirtschaftlichen<br />
Entscheidungen. Anlässlich des <strong>International</strong>en<br />
Tages <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beseitigung<br />
der Armut am 17. Oktober will Ihnen<br />
das vorliegende <strong>Amnesty</strong> Journal Hintergrundinformationen<br />
zu <strong>die</strong>sem wichtigen<br />
Thema liefern.<br />
Denn Menschen, <strong>die</strong> in Armut leben,<br />
leiden nicht nur unter materiellen Entbehrungen,<br />
sondern sind auch ohne<br />
Mitspracherecht, bedroht durch Gewalt<br />
und Vertreibung. Die Achtung der Menschenrechte<br />
verlangt ein Mitspracherecht<br />
der Menschen, verlangt das Recht,<br />
in Würde zu leben, das Recht auf Nahrung,<br />
Wasser, medizinische Grundversorgung,<br />
Bildung und ein Dach über<br />
dem Kopf. In Armut lebende Menschen<br />
leiden nicht nur an einem Mangel an<br />
materiellen Gütern, sondern in großem<br />
Maß auch an fehlender Sicherheit – ob<br />
sie ihre Kinder weiterhin in <strong>die</strong> Schule<br />
schicken können, ob ihr Heim nicht am<br />
nächsten Tag von Bulldozern niedergewalzt<br />
wird – und unter der sie ständig<br />
umgebenden Gewalt.<br />
Wie Sie sich wirksam gegen <strong>die</strong>se und<br />
andere Menschenrechtsverletzungen<br />
einsetzen können, erfahren Sie ab nun<br />
auch regelmäßig in den neu gestalteten<br />
Seiten „Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte“ im<br />
<strong>Amnesty</strong> Journal.<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
Ihre Redaktion<br />
Impressum: <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>. Informationen 02Z033408. Me<strong>die</strong>ninhaberin, Verlegerin, Herausgeberin: <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> <strong>Österreich</strong>, 1150<br />
Wien, Moeringgasse 10/1. Stock, Tel.: (01) 7 80 08, Fax: (01) 7 80 08-44. E-Mail: info@amnesty.at. Chefredaktion: Doris Piller <strong>für</strong> <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>;<br />
Finanz- und Spendenverwendung: Christian March; Fundraising und Spendenwerbung: Susanne Schreiber; Datenschutzbeauftragte:Susanne<br />
Schreiber, Michaela Klement (E-Mail-Newsletter); MitarbeiterInnen <strong>die</strong>ser Ausgabe: Roland Hosner, Michael Lenz, Jürg Keller, Christine Newald, Marcell<br />
Nimführ, Doris Piller, Tanja Prinz Alves, Elisabeth Reindl, Lioba Suchenwirth, Barbara Weber, Christine Zeiner. Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />
geben nicht notwendigerweise <strong>die</strong> Meinung von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> oder der Redaktion wieder. Design: Patricio Handl; Korrektur: m∞bius; Foto Cover:<br />
AP Photo/Heng Sinith Fotos: Wenn nicht anders vermerkt: ©AI. Druck: Niederösterreichisches Pressehaus, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten; <strong>Amnesty</strong>-Spendenkonto:<br />
P.S.K. 1.030.000. Vereinsregister: ZVR: 407408993<br />
2
REUTERS/Stringer<br />
Räumung einer Siedlung in Phnom Penh.<br />
Friede den Palästen Von<br />
Die Siedlung in den Reisfeldern Immerhin gibt es Strom, und <strong>die</strong> Hütten<br />
macht einen guten Eindruck. Neben<br />
den grünen Wellblechhütten lien von der Stadtverwaltung 50 Kilo<br />
sind mietfrei. Zusätzlich haben <strong>die</strong> Fami-<br />
sind eifrige Bauarbeiter damit beschäftigt,<br />
kleine Reihenhäuser aus Stein und<br />
Beton zu bauen. Die Wohnungen sind jedoch<br />
nicht <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vertriebenen aus dem<br />
Slum Borei Keila in Phnom Penh bestimmt.<br />
„Sie werden <strong>für</strong> Leute gebaut, <strong>die</strong><br />
ihre alten Häuser durch einen Erdrutsch<br />
verloren haben. Wir müssen <strong>für</strong> immer<br />
in <strong>die</strong>sen Hütten leben“, sagt Vendy. Die<br />
zierliche Frau mit den traurigen Augen<br />
gehört zu einer jener 40 Familien, <strong>die</strong> im<br />
Juli aus Borei Keila vertrieben wurden<br />
und jetzt am Rande eines Dorfes leben,<br />
das 25 Kilometer von Phnom Penh entfernt<br />
liegt. In jeder Familie ist mindestens<br />
ein Angehöriger HIV-positiv. Auch<br />
<strong>die</strong> 43-Jährige ist mit dem Virus infiziert.<br />
Vendy ist unglücklich über ihre neue<br />
Reis und 25 Dollar sowie von der Regierung,<br />
<strong>die</strong> in Borei Keila den Neubau des<br />
Tourismusministeriums betreibt, 250<br />
Dollar erhalten. Doch in dem Dorf existiert<br />
keine medizinische Versorgung,<br />
und zu Arztbesuchen in Phnom Penh<br />
können <strong>die</strong> an Aids erkrankten Menschen<br />
nur mit Hilfe der Caritas fahren.<br />
Die fünf Dollar pro Tag <strong>für</strong> eine Fahrt zur<br />
Arbeit in <strong>die</strong> Stadt und zurück kann sich<br />
niemand leisten „Als Müllsammlerin habe<br />
ich in Phnom Penh 1,25 Dollar am<br />
Tag ver<strong>die</strong>nt. Hier habe ich gar kein Einkommen<br />
mehr“, sagt Vendy.<br />
Das Schicksal von Vendy ist keine Ausnahme.<br />
Alleine in den vergangenen fünf<br />
Jahren sind nach Angaben der Kambodschanischen<br />
Liga zur Förderung und<br />
Bleibe. „In den Hütten ist es sehr heiß. Verteidigung der Menschenrechte<br />
Wir haben nur einen Brunnen, aber das<br />
Wasser können wir nur zum Waschen<br />
benutzen. Trinken können wir es nicht.“<br />
(LICADHO) in Phnom Penh mehr als<br />
30.000 Menschen aus ihren Siedlungen<br />
vertrieben worden. Nach Informationen<br />
Michael Lenz<br />
von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> sind mindestens<br />
weitere 50.000 Menschen in der<br />
Hauptstadt von Zwangsräumungen bedroht,<br />
im gesamten Land sind es Schätzungen<br />
zufolge mindestens 150.000 Personen.<br />
Allein im vergangenen Jahr kam<br />
es zu 27 Zwangsräumungen, von denen<br />
23.000 Menschen betroffen waren. Das<br />
„größte Menschenrechtsproblem in<br />
Kambodscha“ nennt <strong>die</strong> LICADHO den<br />
Landraub, der nicht nur in der Stadt geschieht,<br />
sondern auch auf dem Land. In<br />
den Provinzen seien Fischereigründe<br />
und Waldgebiete von Enteignungen betroffen,<br />
berichtet ein juristischer Berater<br />
der Organisation.<br />
LUKRATIVE GESCHÄFTE Die Filetgrundstücke<br />
im Zentrum von Phnom Penh sind<br />
besonders begehrt. Sind <strong>die</strong> EinwohnerInnen<br />
in Vierteln wie Borei Keila erst<br />
einmal vertrieben, steht das Land <strong>für</strong> luk -<br />
rative Geschäfte zur Verfügung. Bislang<br />
führen noch größtenteils unbefestigte<br />
Wege durch das Gewirr armseliger Hüt-<br />
3
REUTERS/Stringer<br />
NachbarInnen helfen einer von Bulldozern verletzten Frau in Phnom Penh.<br />
ten aus Holz und Pappe. Frauen jeglichen<br />
Alters, Handkarren vor sich herschiebend,<br />
sind in dem Slum unterwegs. Wie<br />
Vendy ver<strong>die</strong>nen sie ihren Lebensunterhalt<br />
damit, wiederverwertbare Dinge wie<br />
Plastik oder Metall zu sammeln. In Borei<br />
Keila schießen bereits <strong>die</strong> ersten schicken<br />
Mietshäuser in <strong>die</strong> Höhe. Nach den<br />
Vereinbarungen zwischen der Stadtverwaltung,<br />
dem Investor und den BewohnerInnen<br />
sollten in der Gegend vor allem<br />
günstige Wohnungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Slumbevölkerung<br />
entstehen. Das Vorhaben hat sich<br />
jedoch mittlerweile in ein Projekt <strong>für</strong><br />
Wohlhabende verwandelt. Der ursprüngliche<br />
Plan sah vor, dass der Investor einen<br />
Teil der Fläche <strong>für</strong> private Zwecke<br />
nutzt und auf einem anderen Teil <strong>die</strong><br />
dort lebende Gemeinde neue Wohnungen<br />
erhält. Die Praxis sieht anders aus.<br />
„Korrupte Beamte vergeben <strong>die</strong> Häuser<br />
gegen ein Schmiergeld“, berichtet ein<br />
Mitarbeiter von LICADHO.<br />
„GRUPPE 78“. Auch Say Ouk leidet an<br />
den Folgen der Zwangsvertreibung. Heute<br />
lebt <strong>die</strong> Frau, <strong>die</strong> trotz aller Widrigkeiten<br />
ihre freundliche Ausstrahlung nicht<br />
verloren hat, in einem Dorf rund 20 Kilometer<br />
außerhalb von Phnom Penh. Noch<br />
vor wenigen Wochen betrieb sie eine<br />
Garküche hinter dem Naga World Hotel<br />
im Zentrum der Stadt. Damit ist seit dem<br />
15. Juli Schluss. An <strong>die</strong>sem Tag wurde<br />
<strong>die</strong> „Gruppe 78“, so <strong>die</strong> amtliche Bezeichnung<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Gegend um das Hotel,<br />
geräumt. Auf der riesigen Fläche, wo der<br />
Mekong auf mehrere Nebenflüsse trifft,<br />
sowie auf der so genannten Diamanteninsel<br />
soll <strong>die</strong> „Elite Town“ entstehen –<br />
moderne Stadt- und Hochhäuser mit Luxusapartments.<br />
Bunte Werbetafeln am<br />
Bauzaun versprechen eine heile, sorgenfreie<br />
Welt, in der man ganz in der Nähe<br />
seine Yacht vertäuen und in edlen Boutiquen<br />
shoppen kann. Es wird viel gebaut<br />
in Phnom Penh, und <strong>die</strong> Projekte<br />
tragen protzige Namen wie „Gold<br />
Tower“, der mit 42 Stockwerken Phnom<br />
Penhs erstes Hochhaus werden soll. Woher<br />
das Geld stammt, ist jedoch oft unklar.<br />
Die fehlende Transparenz ist eines<br />
der großen Probleme des Baubooms. Es<br />
gibt auch keinen Masterplan <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung<br />
der Stadt, und wenn es ihn<br />
doch geben sollte, dann ist er gut ver-<br />
Es wird viel gebaut in Phnom Penh, aber <strong>die</strong> fehlende<br />
Transparenz ist eines der großen Probleme des Baubooms.<br />
REUTERS<br />
4
steckt. Diese Heimlichtuerei legt den<br />
Verdacht nahe, dass nicht alles mit rechten<br />
Dingen zugeht.<br />
Wenn <strong>die</strong> SlumbewohnerInnen sich wehren,<br />
werden sie schikaniert, AnwältInnen<br />
und AktivistInnen von Nichtregierungsorganisationen<br />
werden bedroht. Die Einschüchterungskampagne<br />
zeigt Wirkung.<br />
Viele Organisationen, <strong>die</strong> sich <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
Landrechte einsetzen, sprechen zwar mit<br />
Me<strong>die</strong>n, aber so mancher Gesprächspartner<br />
sagt: „Sie müssen uns nicht unbedingt<br />
zitieren.“ Es sind vor allem ausländische<br />
MitarbeiterInnen der Menschenund<br />
Landrechtsorganisationen, <strong>die</strong> sich<br />
öffentlich äußern. Doch unabhängige Organisationen<br />
der Zivilgesellschaft werden<br />
von der Regierung eher als GegnerInnen<br />
und weniger als DialogpartnerInnen angesehen.<br />
Und zunehmend sehen sich<br />
kambodschanische MitarbeiterInnen von<br />
Landrechtsorganisationen der Gefahr<br />
ausgesetzt, wegen „Anstachelung zum<br />
Aufruhr“ angeklagt und zu Gefängnisstrafen<br />
verurteilt zu werden.<br />
Eine Garküche im Zentrum der Stadt.<br />
GESETZE UND VERTRÄGE. Dabei hat Kambodscha<br />
alle internationalen Menschenrechtsverträge<br />
unterschrieben, auch den<br />
Pakt über <strong>die</strong> wirtschaftlichen, sozialen<br />
und kulturellen Menschenrechte. „Aber<br />
<strong>die</strong>se Verträge sind noch immer nicht in<br />
nationales Recht übernommen worden“,<br />
sagt Lisa Lenz. Die Friedensfachkraft des<br />
Deutschen Entwicklungs<strong>die</strong>nstes (DED)<br />
klärt zusammen mit kambodschanischen<br />
Land- und Bürgerrechtsorganisationen<br />
Betroffene über ihre Rechte und den Wert<br />
ihrer Grundstücke auf. Für <strong>die</strong> Hilfsorganisationen<br />
ist es nicht einfach, sich da<strong>für</strong><br />
einzusetzen, dass Menschen ausgerechnet<br />
in einem Slum bleiben können. Lenz<br />
beschreibt das Dilemma so: „Das ist <strong>für</strong><br />
sie besser als nichts, zumal ihnen das<br />
Land ja meistens gehört. Und sie leben in<br />
der Nähe ihrer Arbeitsmöglichkeiten.“<br />
Nun werden <strong>die</strong> BewohnerInnen <strong>für</strong> potenzielle<br />
Investitionsruinen von dem<br />
Land vertrieben, auf das sie ein gesetzlich<br />
verbrieftes Anrecht haben. Nach<br />
dem Landgesetz vom 2001 ist jeder, der<br />
länger als fünf Jahre friedlich und unangefochten<br />
auf einem Grundstück gelebt<br />
hat, auch dessen Eigentümer. Aber<br />
Recht haben und Recht bekommen ist in<br />
Kambodscha, wo keine unabhängige Justiz<br />
existiert, eine schwierige Aufgabe.<br />
Die Anträge der BewohnerInnen aus Borei<br />
Keila oder von der „Gruppe 78“, <strong>die</strong><br />
ihre Besitzrechte ins Grundbuch eintragen<br />
lassen wollen, werden verzögert<br />
oder einfach nicht bearbeitet.<br />
Mit dem Landgesetz von 2001 sollte das<br />
Katasterwesen, das von den Roten Khmer<br />
komplett zerstört worden war, neu aufgebaut<br />
werden. Seitdem läuft ein gigantisches<br />
Landvermessungsverfahren, das<br />
von Geberorganisationen wie der Weltbank<br />
und Geberländern wie Deutschland<br />
finanziert wird. Von der Vermessung des<br />
Geländes und der Vergabe von Eigentums -<br />
titeln sind „strittige“ urbane Gebiete aber<br />
ausgeschlossen, also meistens <strong>die</strong> Slums<br />
auf den Filetgrundstücken im Zentrum<br />
Phnom Penhs. Lange Zeit schwiegen <strong>die</strong><br />
Geberländer und -organisationen zu den<br />
Vertreibungen. Erst als HIV-infizierte Familien<br />
weichen mussten, reagierten sie.<br />
In einem auch von der Deutschen Botschaft<br />
in Phnom Penh unterzeichneten<br />
gemeinsamen Schreiben fordern <strong>die</strong> Geberländer,<br />
Weltbank, <strong>die</strong> Vereinten Nationen<br />
und <strong>die</strong> EU <strong>die</strong> kambodschanische<br />
Regierung auf, <strong>die</strong> Vertreibungen zu stoppen,<br />
„bis ein fairer und transparenter Mechanismus<br />
zur Lösung der Landdispute<br />
eingeführt ist und eine umfassende Umsiedlungspolitik<br />
entwickelt worden ist“.<br />
DER SEE BOEUNG KAK. Ein weiteres Superprojekt<br />
mit Luxuswohnungen, Hotels<br />
und opulenten Shopping-Malls soll auf<br />
dem See von Boeung Kak entstehen, der<br />
sich in bester Lage im Zentrum von<br />
Phnom Penh befindet. Der gesamte See<br />
wird da<strong>für</strong> mit Sand aufgeschüttet, <strong>die</strong><br />
AnwohnerInnen müssen weichen. Noch<br />
sind längst nicht alle Slums am See geräumt.<br />
Hier leben zu viele Menschen,<br />
um sie – wie so häufig – in einer Nachtund-Nebel-Aktion<br />
vertreiben zu können.<br />
Der Weg zu der Siedlung Nummer 6<br />
führt zunächst durch das Backpacker-<br />
Viertel mit seinen billigen Herbergen,<br />
Bars und Internetcafés. Der Bürgerrechtsaktivist<br />
einer kambodschanischen<br />
Organisation führt <strong>die</strong> BesucherInnen<br />
immer tiefer in ein Gewirr von Gassen.<br />
Der feste Weg geht in einen Holzsteg aus<br />
verwitterten Planken über, <strong>die</strong> auf reichlich<br />
schiefen und beängstigend dünnen<br />
Pfählen ruhen. Der Steg reicht weit in<br />
den See hinaus. Rechts und links stehen<br />
Holzhütten. Kinder spielen auf der höl-<br />
REUTERS/Chor Sokunthea<br />
5
Save Boueng Kak<br />
Kinder beobachten, wie der Boeung Kak mit Sand aufgeschüttet wird.<br />
zernen Dorfstraße, Frauen in bunten,<br />
schmuddeligen Sarongs schwatzen, waschen,<br />
tragen ihre Einkäufe nach Hause.<br />
Bevor man das Viertel betritt, sei es besser,<br />
<strong>die</strong> Kamera einzupacken, warnt der<br />
Bürgerrechtler. Er <strong>für</strong>chtet keine DiebInnen,<br />
sondern AufpasserInnen der Regierung<br />
und der Investorenfirma, <strong>die</strong> gegen<br />
jeden vorgehen, der sich zu sehr <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
Geschehnisse am See interessiert. Bisher<br />
wurden „nur“ einige hundert Familien<br />
vertrieben. Aber auf den 132 Hektar<br />
Land rund um den See sind 4.252 Familien<br />
von der Zwangsräumung bedroht.<br />
Wenn man, vorsichtig geschätzt, von<br />
fünf Personen pro Familie ausgeht, sind<br />
damit fast 22.000 Menschen betroffen.<br />
Eine Zahl, <strong>die</strong> auch der Regierung Prob -<br />
leme bereiten könnte.<br />
SIEDLUNG NR. 6. Elf Personen, ein Hund<br />
und zwei Katzen teilen sich <strong>die</strong> Hütte von<br />
Kolap, einer kräftigen, selbstbewussten<br />
Frau. Der große Raum mit einer riesigen<br />
Stereoanlage und einem großen Fernseher<br />
ist Wohnzimmer, Schlafzimmer, Vorratslager,<br />
Esszimmer und Garage <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
drei Mopeds zugleich. An den Wänden<br />
hängen verblichene Poster von Stars neben<br />
Fotos der Kinder und Enkelkinder bei<br />
Hochzeiten oder bei der Schulabschlussfeier.<br />
Lücken im Dach sind mit Pappe geflickt.<br />
Gekocht wird auf einer Art Veranda,<br />
von der aus man früher einen tollen<br />
Ausblick über den See hatte. Heute sieht<br />
man fast nur noch <strong>die</strong> Bagger und Pipelines<br />
auf der Sandzunge, <strong>die</strong> sich immer<br />
weiter in den See frisst. Etwa ein Drittel<br />
des Sees ist bereits zugeschüttet.<br />
Kolap und ihr Mann sind stolz auf ihr<br />
Heim. „Das ist unser Haus. Wir haben es<br />
1990 gekauft, und seitdem leben wir<br />
hier“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir haben<br />
<strong>die</strong> Dokumente und können alles beweisen.<br />
Wir wollen bleiben, und das wollen<br />
alle hier.“ Kolap muss das wissen,<br />
denn sie ist der Community-Leader, eine<br />
Art Bürgermeisterin der Siedlung Nummer<br />
6. Kolap versucht, hier den Zusammenhalt<br />
zu organisieren. Die Erfahrungen<br />
aus früheren Vertreibungen aber haben<br />
gezeigt, dass <strong>die</strong> InvestorInnen <strong>die</strong><br />
Betroffenen geschickt gegeneinander<br />
ausspielen. Es gibt keine einheitlichen<br />
Standards bei den Entschädigungen. Oft<br />
gilt: Wer gut pokert, bekommt mehr. Wer<br />
zu hoch pokert, bekommt nichts. Say<br />
Ouk aus der „Gruppe 78“ hat am Abend<br />
vor der Vertreibung 8.000 Dollar akzeptiert.<br />
Ein paar Familien, <strong>die</strong> ausharrten,<br />
bis der Bagger kam, erhielten bis zu<br />
22.000 Dollar. „Das klingt nach viel<br />
Geld. Ist es aber nicht“, meint Kolap.<br />
„Rechtlich müsste den Menschen der<br />
Marktpreis bezahlt werden, und der<br />
liegt bei mindestens 1.300 Dollar pro<br />
Quadratmeter. Da kommt selbst bei einer<br />
Hütte von 20 Quadratmetern eine ordentliche<br />
Summe zustande.“<br />
Vielleicht wären Kolap und <strong>die</strong> anderen<br />
in Siedlung Nummer 6 doch bereit, dem<br />
„Fortschritt“ zu weichen, wenn <strong>die</strong> Entschädigung<br />
akzeptabel wäre. „Sie haben<br />
uns zwei Millionen Riel geboten – 8.000<br />
Dollar – oder alternativ ein Haus in einem<br />
Dorf außerhalb von Phnom Phen.<br />
Aber <strong>für</strong> das Geld können wir uns kein<br />
neues Haus kaufen, und in dem Dorf<br />
gibt es keine Arbeit“, entrüstet sich <strong>die</strong><br />
Mutter von sechs Kindern, <strong>die</strong> als Verkäuferin<br />
an einem Getränkestand arbeitet,<br />
während ihr Mann ein Mopedtaxi betreibt.<br />
Aufgeben kommt <strong>für</strong> Kolap jedenfalls<br />
nicht infrage. „Wir haben keine<br />
Chance, aber <strong>die</strong> nutzen wir“, meint sie.<br />
„Wer weiß, vielleicht erreichen wir doch<br />
was, wenn wir zusammenstehen.“<br />
Michael Lenz ist Journalist und Südostasienkorrespondent.<br />
6
Ich habe nicht vorgehabt, in Kibera<br />
zu leben“, betont Michael Nyangi.<br />
Er war 19 Jahre alt, als er 1999 nach<br />
Nairobi kam. Dort war er auf der Suche<br />
nach Arbeit und hoffte wie zehntausende<br />
andere, sie in der kenianischen Met -<br />
ropole zu finden. Drei Jahre lang schlug<br />
sich Nyangi mit Gelegenheitsjobs durch,<br />
dank der Unterstützung eines Bauunternehmers,<br />
<strong>für</strong> den er gelegentlich arbeitete,<br />
konnte er sich in <strong>die</strong>ser Zeit zum<br />
Buchhalter ausbilden.<br />
Kibera ist nach dem südafrikanischen<br />
Soweto der zweitgrößte Slum Afrikas.<br />
Fast 1,5 Millionen Menschen leben hier<br />
dicht gedrängt auf einer Fläche von 2,5<br />
Quadratkilometern. Die Armut in Kibera<br />
ist enorm: Die meisten Menschen müssen<br />
mit einem Dollar am Tag auskommen,<br />
<strong>die</strong> Arbeitslosigkeit liegt bei 75<br />
Prozent, fast niemand hat <strong>die</strong> Mittel, sich<br />
etwas aufzubauen. Das ist einer der<br />
Gründe, warum Nyangi 2003 <strong>die</strong> Organisation<br />
Lomoro Microfinance gründete.<br />
Nyangi gehört zur ethnischen Gruppe<br />
der Luo – „wie der Vater des US-Präsidenten<br />
Barack Obama“, erzählt er lachend.<br />
„Lomoro“ bedeutet in seiner<br />
Sprache „ausgegrenzt, unterdrückt“. Gegen<br />
Ausgrenzung und Unterdrückung<br />
will Nyangi ankämpfen, indem er Kleinkredite<br />
an SlumbewohnerInnen vergibt,<br />
damit sie ein „small business“, ein kleines<br />
Geschäft, aufziehen können, um<br />
sich den Lebensunterhalt zu ver<strong>die</strong>nen.<br />
Für den ersten Kredit von 2.000 Kenia-<br />
Schilling (18 Euro) hat er fast seine gesamte<br />
Barschaft eingesetzt. Mit dem<br />
Geld konnte eine Witwe mit drei Kindern<br />
einen Gemüsestand eröffnen. „Natürlich<br />
hat es sich herumgesprochen,<br />
dass da einer Geld verleiht“, erzählt Nyangi.<br />
„Plötzlich kamen viele, <strong>die</strong> einen<br />
Kleinkredit wollten.“ Aber da<strong>für</strong> hatte<br />
Nyangi nicht das nötige Geld. „Deshalb<br />
habe ich angefangen, von allen, <strong>die</strong> Kredite<br />
wollten, kleine Beträge zu leihen.“<br />
Mit <strong>die</strong>sen Spareinlagen vergab er Kleinkredite<br />
an <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> am dringendsten<br />
darauf angewiesen waren. Lomoro<br />
ist also eine Art Spar- und Leihkasse, Michael<br />
Nyangi wurde zum Slumbanker,<br />
der seinen KundInnen auch beibringen<br />
will, dass es Sinn hat, Geld zu sparen.<br />
Aus den anfänglich vier KundInnen sind<br />
inzwischen über 500 Mitglieder geworden.<br />
Lomoro Microfinance ist eine „community-based<br />
organization“, eine aus<br />
Kleine Geschäfte<br />
mit großer Zukunft<br />
Von Jürg Keller<br />
den Bedürfnissen der Gemeinschaft gewachsene<br />
Organisation, geworden.<br />
Aber mit dem Geldverleihen ist es nicht<br />
getan. „Hier sind alle arm, viele haben<br />
keine gute Schulbildung genossen“, erklärt<br />
Nyangi. Deshalb bringt er den KreditnehmerInnen<br />
auch gleich bei, wie sie<br />
ihr Geschäft führen müssen. „Wer einen<br />
Kredit will, muss einen Businessplan<br />
vorlegen.“ Nyangi wird bei der Ausbildung<br />
und bei der Betreuung der KundInnen<br />
von Stu<strong>die</strong>renden unterstützt, den<br />
„field officers“, <strong>die</strong> – wie er selbst – ohne<br />
Lohn arbeiten.<br />
Die meisten Lomoro-Mitglieder sind StraßenhändlerInnen,<br />
<strong>die</strong> Gemüse, Fruchtsäfte,<br />
Milch und Brot oder Mais verkaufen.<br />
Eine Gruppe von Jugendlichen stellt<br />
aus Tierknochen Schmuck her. Die gute<br />
und intensive Betreuung – <strong>die</strong> Mitglieder<br />
von Lomoro werden wöchentlich von einem<br />
Mitarbeiter besucht – zahlt sich<br />
aus. Michael Nyangi erklärt stolz, dass<br />
98 Prozent der Kredite zurückbezahlt<br />
werden.<br />
Jürg Keller ist Redakteur des Schweizer<br />
<strong>Amnesty</strong>-Magazins.<br />
Fabrice Praz<br />
7
ANLÄSSLICH DES 20. JAHRESTAGES DES FALLS DER BERLINER MAUER AM 9. NOVEMBER 1989<br />
„Die DDR war kein Kasperltheater“<br />
Von Christine Zeiner<br />
Erich Honecker hängt in jedem<br />
Zimmer. „Sie können mit dem<br />
Bild aber machen, was Sie wollen“,<br />
sagt <strong>die</strong> Rezeptionistin des Berliner<br />
„Ostels“. „Sie können es unters Bett legen<br />
oder in den Mülleimer tun – haben<br />
wir alles schon gehabt.“ 20 Jahre nach<br />
dem Ende der DDR und dem Fall der Berliner<br />
Mauer ist das DDR-Design-Hotel<br />
gut gebucht, es kommen junge und ältere<br />
Gäste, Ossis und Wessis, Berlin-BesucherInnen<br />
aus der ganzen Welt. Mit deren<br />
Begeisterung <strong>für</strong> DDR-Flair können<br />
einstige DDR-BürgerrechtlerInnen und<br />
Stasi-Opfer wenig anfangen – so wie mit<br />
der gesamten „Ostalgie“, mit den Fernsehshows<br />
und Filmen wie Good Bye Lenin!,<br />
in denen Spreewaldgurken, Rotkäppchensekt<br />
und Trabi <strong>die</strong> Geschichte<br />
des Staats formen. „Die DDR war keine<br />
Spaßveranstaltung“, sagt Hubertus Knabe,<br />
Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen,<br />
des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses<br />
des Ministeriums <strong>für</strong><br />
Staatssicherheit. „Die DDR war kein Kasperltheater“,<br />
sagt Wolfgang Arndt, der in<br />
Hohenschönhausen einsaß.<br />
Die Landsberger Allee ist eine der Hauptverkehrsadern<br />
in Berlin. Sie scheint kein<br />
Ende zu nehmen, Plattenbau folgt auf<br />
Plattenbau, das Klischee des tristen Ostbezirks<br />
erfüllt sich hier. Schließlich ein<br />
Schild: „Zur Gedenkstätte Hohenschönhausen“.<br />
Eine Seitengasse führt zur<br />
Genslerstraße. Es wird beschaulicher, ein<br />
Kleingarten reiht sich an den nächsten.<br />
Eine Mauer beendet <strong>die</strong> kleine Idylle.<br />
Hier beginnt das Gelände der ehemaligen<br />
Stasi-Haftanstalt. Im Winter 1946/47<br />
mussten Gefangene der sowjetischen Besatzungszone<br />
Lager- und Kühlräume der<br />
Großküche, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Nationalsozialistische<br />
Volkswohlfahrt betrieben hatte, in Zellen<br />
umbauen. Der Keller wurde zum „U-Boot“<br />
genannten Trakt: Die hierher gebrachten<br />
Menschen waren von der Außenwelt abgeschnitten,<br />
sie waren unfreiwillig abgetaucht.<br />
Tag und Nacht brannte in jeder<br />
Zelle eine Glühbirne, gefesselt unter kaltem,<br />
tropfendem Wasser wurden Häftlinge<br />
gefoltert. 1951 übernahm das neu gegründete<br />
DDR-Ministerium <strong>für</strong> Staatssicherheit<br />
das Kellergefängnis – das gesamte<br />
Sperrgebiet war nach und nach auf<br />
einen Quadratkilometer ausgedehnt worden.<br />
Ende der 1950er-Jahre hatten Häftlinge<br />
ein neues Gefängnis mit mehr als<br />
8
Denis Apel<br />
Die Gedenkstätte Hohenschönhausen, das ehemalige Untersuchungsgefängnis des Ministeriums <strong>für</strong> Staatssicherheit.<br />
200 Zellen und Vernehmungszimmern<br />
errichten müssen. Nach Hohenschönhausen<br />
kam, wen <strong>die</strong> Stasi als Feind des Systems<br />
erachtete.<br />
TEIL DER DDR-GESCHICHTE. „Das hier war<br />
meine Zelle“, sagt Wolfgang Arndt und<br />
deutet im Vorbeigehen auf <strong>die</strong> Tür mit<br />
der Nummer 110. Arndt führt seit vergangenem<br />
Jahr durch Hohenschönhausen:<br />
„Niemand soll mehr Extremisten<br />
auf den Leim gehen.“ Deshalb ist er einer<br />
von 45 ZeitzeugInnen, <strong>die</strong> in Hohenschönhausen<br />
BesucherInnen von ihrem<br />
Leben in der DDR erzählen, von ihrer<br />
Gefangennahme, der Haft, der Folter<br />
und der Angst. Diese Geschichten sind<br />
Teil der DDR-Geschichte. Sie lösen Unbehagen<br />
aus. Mitunter bringen sie Ostdeutsche<br />
dazu, eine Art Abwehrhaltung einzunehmen:<br />
ein Gefühl, sich erklären<br />
oder gar verteidigen zu müssen, weil<br />
man überhaupt in <strong>die</strong>sem Staat gelebt<br />
hat. „Ostalgie“ kann dabei helfen. Die<br />
Debatte, ob <strong>die</strong> DDR ein Unrechtsstaat<br />
gewesen sei, hat vor ein paar Monaten,<br />
knapp 20 Jahre nach dem Mauerfall, neu<br />
angehoben. Schlussstrich unter <strong>die</strong> Aufarbeitung<br />
wolle man zwar keinen ziehen,<br />
beeilten sich manche wie Brandenburgs<br />
Ministerpräsident Matthias Plat -<br />
zek zu sagen, es sei aber „klar, dass <strong>die</strong>se<br />
Diskussion <strong>die</strong> Leute anwidert“. Viele<br />
Ostdeutsche seien entnervt, weil es immer<br />
nur darum gehe, ob jemand da<strong>für</strong><br />
oder dagegen gewesen sei, TäterIn oder<br />
Opfer. Für andere wie den Historiker August<br />
Heinrich Winkler ist dagegen klar,<br />
dass der Begriff „Unrechtsstaat“ nichts<br />
damit zu tun hat, Regime und Menschen<br />
in einen Topf zu werfen. Hier müsse unterschieden<br />
werden: „Das Regime war eine<br />
menschenverachtende Diktatur. Persönlich<br />
konnte man anständig bleiben,<br />
wenn man es wagte, nach dem eigenen<br />
Gewissen zu handeln und sich Spitzel<strong>die</strong>nsten<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Stasi zu verweigern. Das<br />
haben <strong>die</strong> allermeisten getan.“<br />
Arndt trägt eine Army-Hose, ein T-Shirt,<br />
auf dem von der Unantastbarkeit der<br />
Würde jedes Menschen zu lesen ist, und<br />
eine Mala, eine buddhistische Gebetskette.<br />
1980 wird er verhaftet. „Ich war wie<br />
vom Donner gerührt, was <strong>die</strong> bei meiner<br />
ersten Vernehmung alles wussten“, sagt<br />
er. Wie heute in Akten der Stasi nachzulesen<br />
ist, vermerkte <strong>die</strong>se jede Kleinigkeit,<br />
wie lange man etwa <strong>für</strong> den Weg<br />
zur U-Bahn-Station brauchte, wohin man<br />
fuhr, wo man ausstieg – der Alltag in seiner<br />
Banalität, auch in den eigenen vier<br />
Wänden: „‚Verflucht, <strong>die</strong> hatten mir <strong>die</strong><br />
Bude mit Wanzen zugekleistert‘, dachte<br />
ich mir“, erzählt Arndt. Nach einem 36-<br />
stündigen Dauerverhör brachte man<br />
Arndt ins Untersuchungsgefängnis.<br />
Kreuz und quer ging es durch Berlin, <strong>die</strong><br />
Angst sollte wachsen, bis in Hohenschönhausen<br />
„Raus!“ gebrüllt wurde.<br />
„Nehmen Sie den Kopf runter! Senken<br />
Sie den Blick!“ Arndt stolperte. „Auf!“,<br />
wurde er angeschrien. „Meine Nerven<br />
spielten vollkommen verrückt“, erinnert<br />
sich Arndt. Er wurde in einen Untersuchungsraum<br />
gebracht. „Ich musste mich<br />
9
ausziehen, stand verdattert nackt da und<br />
dachte mir: ‚Irgendwann müssen <strong>die</strong> Demütigungen<br />
doch ein Ende haben.‘ Dann<br />
erst aber wurde mir in alle Körperöffnungen<br />
geschaut.“ Es folgte „Friedhofsruhe“,<br />
wie Arndt <strong>die</strong> Zeit nach der Leibesvisitation<br />
in seiner Zelle nennt. „Man<br />
hat nur noch geweint.“<br />
Gedenkstätte Hohenschönhausen<br />
Zellengang im „U-Boot“-Trakt.<br />
Zelle im „U-Boot“-Trakt.<br />
ARNDTS SCHICKSAL. Was hatte der damals<br />
21-Jährige getan Arndt hatte <strong>die</strong> DDR<br />
verlassen wollen. Er berief sich auf <strong>die</strong><br />
Vereinbarungen über Menschenrechte<br />
und Grundfreiheiten in der Helsinki-<br />
Schlussakte der Konferenz über Sicherheit<br />
und Zusammenarbeit in Europa von<br />
1975. Und er berief sich auf den UN-Menschenrechtspakt<br />
von 1966. Seine Ausreiseanträge<br />
wurden mehrmals abgelehnt.<br />
Schließlich wollte Arndt illegal ausreisen.<br />
Seine Pläne machte seine Frau zunichte:<br />
Er hatte eine IM, eine inoffizielle<br />
Mitarbeiterin der Stasi, geheiratet.<br />
Schon vor seiner Beziehung war <strong>die</strong> Stasi<br />
auf Arndt aufmerksam geworden. Als Jugendlicher<br />
hatte er sich geweigert, der<br />
Freien Deutschen Jugend beizutreten.<br />
Arndt begann stattdessen, sich in der<br />
Bürgerrechtsbewegung zu engagieren,<br />
zu der er über <strong>die</strong> evangelische Gemeinde<br />
der Gethsemanekirche in Prenzlauer<br />
Berg gekommen war. Am 9. November<br />
1978 nahm er an dem Gedenken zum 40.<br />
Jahrestag der Reichspogromnacht teil.<br />
Nach dem Gottes<strong>die</strong>nst in der Sophienkirche<br />
folgte ein Schweigemarsch zur Synagoge<br />
in der Oranienburgerstraße.<br />
„Über Megafon hörten wir: ‚Wir fordern<br />
Sie auf, <strong>die</strong> Versammlung sofort aufzulösen!‘<br />
Doch das dauerte denen zu lange.<br />
Wir wurden durch <strong>die</strong> Gassen getrieben,<br />
eine Knüppelei ging los.“ Arndt wurde<br />
verhaftet. „Ich dachte mir: ‚Wenn ein<br />
Staat, der sich antifaschistisch nennt, so<br />
mit Menschen umgeht, ist das nicht<br />
mehr mein Staat, dann muss ich weg.‘“<br />
Leben im Westen hieß außerdem: lesen<br />
und hören zu können, worauf man Lust<br />
hatte. „Es war immer so unsicher, was<br />
man durfte und was nicht. Rolling Stones<br />
hören Um Gottes willen! Dann ging ich<br />
eines Tages spazieren und sah Schlangen<br />
vorm Plattenladen. Wir scherzten: ‚Gibt’s<br />
da jetzt Bananen zu kaufen‘ Nee, es gab<br />
Rolling Stones.“ Was Arndt wollte, da<strong>für</strong><br />
demonstrierten Jahre später Massen: Am<br />
4. November 1989 versammelten sich<br />
hunderttausende auf dem Alexanderplatz<br />
und forderten Freiheit und Demokratie.<br />
„Setzen Sie sich ruhig“, sagt Arndt in einer<br />
der Zellen und deutet auf <strong>die</strong> Pritsche<br />
mit der Matratze. Arndt berichtet<br />
von den Verhören in der Nacht, dreimal<br />
hintereinander, und der Qual des Schlafentzugs:<br />
Tagsüber waren Ruhen und Sitzen<br />
nicht gestattet. Arndt verweigerte<br />
<strong>die</strong> Aussage. Zweimal kam er ins „U-<br />
Boot“: Arrest <strong>für</strong> jeweils 21 Tage. Zurück<br />
in seiner Zelle, erzählt er, ging das Grübeln<br />
weiter, nichts gab es zu tun, nichts<br />
zu lesen, nur warten, hin und wieder<br />
konnten ein paar Schritte im „Tigerkäfig“<br />
gemacht werden. Die Freigangszelle<br />
löst Beklemmung aus: Eingeschlossen<br />
von kahlen Mauern, ist <strong>die</strong> frische Luft,<br />
<strong>die</strong> durch das Gitter von oben kommt,<br />
kaum wahrzunehmen. Wegen „Vorbereitung<br />
zum ungesetzlichen Grenzübertritt<br />
im besonders schweren Fall“ und „Beeinträchtigung<br />
staatlicher Organe in ihren<br />
Tätigkeiten“ wurde Arndt schließlich<br />
„Das Regime war eine menschenverachtende<br />
Diktatur. Persönlich<br />
konnte man anständig bleiben,<br />
wenn man es wagte, nach dem eigenen<br />
Gewissen zu handeln und<br />
sich Spitzel<strong>die</strong>nsten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stasi<br />
zu verweigern. Das haben <strong>die</strong> allermeisten<br />
getan.“ Wolfgang Arndt<br />
zu sechs Jahren Haft verurteilt. Knapp<br />
zwei Jahre verbrachte er in Haft, in Berlin-Rummelsburg,<br />
Frankfurt an der<br />
Oder, Cottbus, Karl-Marx-Stadt/Chemnitz,<br />
dann kaufte ihn <strong>die</strong> BRD frei – als<br />
einen von mehr als 30.000 Menschen,<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>die</strong> DDR insgesamt 3,5 Milliarden<br />
D-Mark erhalten hat. „Menschenhandel“<br />
nennt Arndt das, was ehemalige SED-<br />
Funktionäre heute noch als „finanziellen<br />
Ersatz <strong>für</strong> Ausbildungskosten und Sozialleistungen“<br />
bezeichnen.<br />
Von Chemnitz ging es ins Notaufnahmelager<br />
Gießen, nach wenigen Wochen zog<br />
Arndt nach Westberlin. Arndt spricht ruhig,<br />
er lässt sich von niemandem der BesucherInnengruppe<br />
aus der Fassung<br />
bringen, von keinem, der noch einmal<br />
schnell eine Zelle fotografieren möchte<br />
und deshalb in <strong>die</strong> Erzählung über <strong>die</strong><br />
Vernehmung hereinplatzt, und von keinem,<br />
der laut darüber nachdenkt, ob <strong>die</strong><br />
WärterInnen nicht gezwungen worden<br />
seien, so zu handeln, wie sie es eben getan<br />
haben. Am Ende der Führung bedankt<br />
sich Arndt <strong>für</strong> <strong>die</strong> Aufmerksamkeit.<br />
Er habe allen vergeben, erklärt er<br />
noch, „einschließlich meiner Ex“. „Ich<br />
hasse keinen. Die eine oder andere Frage<br />
hätte ich dem einen oder anderen<br />
aber schon zu stellen“, sagt er. „Nicht als<br />
Ankläger, sondern aus Neugier.“<br />
Christine Zeiner ist Journalistin in Berlin.<br />
10
Erfolge<br />
REUTERS/Danny Moloshok<br />
REUTERS/Gonzalo Fuentes<br />
IRAN > Aus der Haft entlassen<br />
Roxana Saberi ist wieder frei. Am 11. Mai konnte <strong>die</strong> 32-jährige<br />
Journalistin mit US-amerikanischer und iranischer Staatsbürgerschaft<br />
das Gefängnis verlassen. Allerdings ist ihre Strafe<br />
nur auf Bewährung ausgesetzt, und sie darf <strong>die</strong> nächsten fünf<br />
Jahre im Iran nicht journalistisch arbeiten. Saberi war am 31.<br />
Januar 2009 festgenommen worden. Man beschuldigte sie zunächst<br />
des Kaufs von Alkohol, der im Iran verboten ist. Unter<br />
Ausschluss der Öffentlichkeit verurteilte sie das Revolutionsgericht<br />
in Teheran schließlich wegen „Zusammenarbeit mit einem<br />
feindlichen Staat“ zu acht Jahren Haft. Das Berufungsgericht<br />
wandelte das Urteil jedoch um. In einem Dankesbrief an<br />
<strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> schrieb Saberi: „Ich möchte <strong>Amnesty</strong><br />
<strong>International</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unterstützung <strong>für</strong> mich und meine Familie<br />
danken. Ohne <strong>die</strong>se Hilfe befände ich mich noch immer in<br />
Haft. Ich danke Ihnen herzlich <strong>für</strong> Ihr Engagement.“<br />
KOLUMBIEN > Zwangsräumung verhindert<br />
Laura Ling und Euna Lee bei ihrer Rückkehr in <strong>die</strong> USA.<br />
NORDKOREA > Journalistinnen begnadigt<br />
Die beiden US-Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee<br />
wurden begnadigt und konnten das Land Anfang August<br />
verlassen. Sie waren am 8. Juni 2009 wegen einer nicht näher<br />
definierten „schweren Straftat“ gegen das Land zu<br />
zwölf Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt worden.<br />
Sie waren im März an der Grenze zu China festgenommen<br />
worden, wo sie zu Menschenrechtsverletzungen an<br />
nordkoreanischen Frauen recherchierten. Häftlinge in<br />
Nordkorea sind starken körperlichen Belastungen ausgesetzt.<br />
Sie müssen oft mehr als zehn Stunden am Tag Bäume<br />
fällen oder in Steinbrüchen arbeiten. Hinzu kommen<br />
minderwertiges Essen, Misshandlungen und unhygienische<br />
Lebensbedingungen.<br />
Nur wenige Tage vor dem geplanten Termin konnte Ende Juni<br />
<strong>die</strong> Zwangsräumung der afrokolumbianischen Gemeinschaft Caracolí<br />
verhindert werden. Die über 100 Mitglieder der Gemeinde<br />
leben in der Region Curvaradó. Der Räumungsbefehl wurde erst<br />
ausgesetzt, als <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>, <strong>die</strong> Europäische Union<br />
und andere gegen <strong>die</strong> Räumung protestierten. Ein Bezirksrichter<br />
hatte <strong>die</strong> Zwangsräumung durch <strong>die</strong> Polizei angeordnet, obwohl<br />
<strong>die</strong> Zentralregierung wiederholt klarstellte, dass <strong>die</strong> AfrokolumbianerInnen<br />
<strong>die</strong> rechtmäßigen EigentümerInnen sind.<br />
TOGO > Abschaffung der Todesstrafe<br />
Das Parlament entschied am 23. Juni 2009 einstimmig,<br />
<strong>die</strong> Todesstrafe abzuschaffen. Der<br />
westafrikanische Staat ist damit weltweit das<br />
94. Land, das <strong>die</strong> Todesstrafe <strong>für</strong> alle Verbrechen aus den Gesetzen<br />
gestrichen hat. „Dieses Land hat beschlossen, ein gesundes<br />
Rechtssystem zu etablieren, das Justizirrtümer begrenzt<br />
und <strong>die</strong> grundlegenden Rechte des Individuums garantiert“,<br />
begründete Justizminister Kokou Tozoun <strong>die</strong> historische<br />
Entscheidung. <strong>Amnesty</strong> begrüßt das Votum der Abgeordneten,<br />
das den weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe<br />
weiter stärkt.<br />
11
Tabitas Mutter:<br />
„Ohne Beschneidung findet meine Tochter keinen Mann.“<br />
Fotos: Marcell Nimführ
Beschneiderin: Sie versprach, eine neue Rasierklinge zu verwenden.<br />
Das Leid der kleinen Tabita<br />
Von Marcell Nimführ<br />
Die vierjährige Tabita aus der<br />
südlichen äthiopischen Provinz<br />
Wolayta läuft verstört zu ihrer<br />
Mutter. Das Mädchen mit den süßen<br />
Zöpfen und dem schmutzigen, zerrissenen<br />
Wollkleid hat noch Schwierigkeiten,<br />
schmerzfrei zu gehen. Denn vor einer<br />
Woche wurde ihr in einer schrecklichen<br />
Zeremonie <strong>die</strong> Klitoris abgeschnitten.<br />
Deshalb nimmt <strong>die</strong> Mutter Tabita auf<br />
den Arm und tröstet sie. Zum Glück begreift<br />
<strong>die</strong> Kleine nicht, dass es <strong>die</strong> Mutter<br />
war, <strong>die</strong> sie in <strong>die</strong> Obhut einer alten<br />
Beschneiderin gegeben hatte.<br />
Die Genitalverstümmelung, auch FGM<br />
(„female genital mutilation“) genannt, ist<br />
eine Menschenrechtsverletzung, <strong>die</strong> in<br />
28 Ländern Afrikas, in Südostasien, bei<br />
einigen indigenen Völkern in Südamerika<br />
und sogar hier in Europa passiert.<br />
Weltweit sind etwa 135 Millionen Frauen<br />
davon betroffen. „Alle Frauen in Wolayta<br />
sind beschnitten. Das ist unsere Tradition.<br />
Außerdem würde meine Tochter ohne<br />
Beschneidung später keinen Mann finden“,<br />
erzählt <strong>die</strong> Mutter. „Die Beschneiderin<br />
hat uns versprochen, dass sie eine<br />
frische Rasierklinge verwenden würde“,<br />
erinnert sich <strong>die</strong> Mutter.<br />
FGM birgt eine Reihe gesundheitlicher<br />
13
FGM-Aufklärungstreffen: Nur wenn Frauen ihre Rechte kennen, können sie <strong>die</strong>se wahrnehmen.<br />
Risiken: Infektionen, Wundstarrkrampf<br />
und HIV. Klinische Untersuchungen lassen<br />
darauf schließen, dass eine Entfernung<br />
der Klitoris das Lustempfinden<br />
stark beeinträchtigt. Dazu berichten viele<br />
Frauen von Angst, Demütigung und<br />
dem Trauma, von der eigenen Mutter<br />
„verraten“ worden zu sein. Die Genitalverstümmelung<br />
<strong>die</strong>nt auch dazu, den sexuellen<br />
Trieb der Frauen zu mindern, sie<br />
damit gefügig zu machen. In vielen Völkern<br />
glaubt man(n), <strong>die</strong> „lüsterne Frau“<br />
würde den „braven Familienvater“ außerehelich<br />
verführen. Somit ist FGM ein<br />
Mittel, 50 Prozent der Bevölkerung systematisch<br />
zu unterdrücken. In patriarchalischen<br />
Gesellschaften, wo Frauen oft<br />
nur als Besitz von Männern wahrgenommen<br />
werden, fehlt es einfach an Bewusstsein<br />
<strong>für</strong> Frauenrechte. So erklärt<br />
Mulu Haile, Leiterin der gemeindebasierten<br />
Frauenrechtsorganisation MCDP<br />
in Addis Abeba: „Nur wenn <strong>die</strong> Frauen<br />
ihre Rechte kennen, können sie <strong>die</strong>se<br />
wahrnehmen. Deshalb ist es unser wichtigstes<br />
Ziel, ihnen und den Männern <strong>die</strong><br />
gesellschaftlichen und gesundheitlichen<br />
Konsequenzen von FGM klar zu machen.“<br />
Die Methoden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Frauen von MCDP<br />
dazu anwenden, sind ebenso kreativ wie<br />
ungewöhnlich. Um vor allem AnalphabetInnen<br />
zu erreichen, greift MCDP auf<br />
das so genannte „unsichtbare Theater“<br />
zurück: SchauspielerInnen stellen sich<br />
auf den Dorfmarkt und beginnen ein inszeniertes<br />
Streitgespräch über das Thema<br />
Frauenrechte. PassantInnen werden<br />
in das Gespräch einbezogen und durch<br />
<strong>die</strong> rhetorisch geschulten AkteurInnen<br />
informiert. Erst dann werden <strong>die</strong> Informierten<br />
aufgeklärt und eingeladen, sich<br />
zu engagieren. „Klar können wir <strong>die</strong> Genitalverstümmelung<br />
nicht von heute auf<br />
morgen abschaffen“, schließt Mulu Haile.<br />
„Doch wir sollten daran denken, dass<br />
FGM in Äthiopien bis vor ein paar Jahren<br />
ein absolutes Gesprächstabu war.<br />
Dank der Aufklärungsarbeit kann jetzt<br />
darüber in der Öffentlichkeit diskutiert<br />
werden. Und das ist der erste Schritt.“<br />
Marcell Nimführ ist Fotograf und Journalist<br />
in Wien.<br />
WÜSTENBLUME<br />
Als <strong>die</strong> junge Somalierin<br />
Waris Dirie in London<br />
als internationales Model<br />
entdeckt wird, ahnt<br />
niemand, dass sich hinter<br />
der glamourösen<br />
Fassade ein bewegendes Schicksal verbirgt.<br />
Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere erzählt sie<br />
in einem Interview von der grausamen Tradition<br />
der Frauenbeschneidung, deren Opfer sie<br />
selbst als kleines Mädchen wurde. Waris Dirie<br />
entschließt sich, ihr Leben dem Kampf gegen<br />
<strong>die</strong>ses Ritual zu widmen. Sie war UN-Sonderbotschafterin<br />
gegen Genitalverstümmelung<br />
und erhielt zahlreiche Preise <strong>für</strong> ihr menschenrechtliches<br />
Engagement.<br />
Waris Diries autobiografisches Buch Wüstenblume<br />
wurde nun von Sherry Hormann mit<br />
Liya Kebede in der Hauptrolle verfilmt. Das<br />
AI-Netzwerk Frauenrechte ist Kooperationspartnerin<br />
des Films, da er neben dem Thema<br />
FGM vielfältige Bezüge zu Menschenrechtsverletzungen<br />
an Frauen enthält – etwa<br />
Zwangsheirat, Ausbeutung als Hausarbeiterin<br />
oder <strong>die</strong> Lebensbedingungen illegaler<br />
Migrantinnen. Wüstenblume ist ab 9. Oktober<br />
2009 in den österreichischen Kinos zu sehen.<br />
14
Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
„Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte“ sind ab jetzt <strong>die</strong> Seiten im <strong>Amnesty</strong> Journal, <strong>die</strong> Möglichkeiten<br />
darestellen, sich bei <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> zu engagieren. Sie können sofort<br />
aktiv werden und <strong>die</strong> Appellkarten verschicken oder sich von einer der Aktionsbeschreibungen<br />
inspirieren lassen. Mit Ihrer Unterstützung können wir im Einsatz <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Menschenrechte noch mehr bewegen und gegen Unrecht auftreten.<br />
Gegen Jugendliche, <strong>die</strong> zur Tatzeit<br />
unter 18 Jahre alt sind, dürfen<br />
weder <strong>die</strong> Todesstrafe noch lebenslange<br />
Gefängnisstrafen verhängt<br />
werden. Dies ist ganz klar in der UNO-<br />
Kinderrechtskonvention geregelt. Dazu<br />
haben sich alle Staaten mit Ausnahme<br />
der USA und Somalias verpflichtet.<br />
Trotzdem werden noch immer Minderjährige<br />
hingerichtet. Derzeit warten alleine<br />
im Iran mindestens 140 Jugendliche<br />
darauf, vom Staat getötet zu werden.<br />
<strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> ist Mitglied der<br />
World Coalition Against the Death Penalty<br />
(WCADP). Gemeinsames Ziel ist eine<br />
Welt ohne Todesstrafe.<br />
Unterstützen Sie <strong>die</strong> Bemühungen<br />
der WCADP<br />
und appellieren Sie an all jene Staaten,<br />
<strong>die</strong> nach wie vor Minderjährige<br />
zum Tode verurteilen, ihren Verpflichtungen<br />
nachzukommen und alle<br />
Hinrichtungen an Jugendlichen zu<br />
beenden.<br />
Lesen Sie mehr und unterschreiben<br />
Sie <strong>die</strong> Petition: www.amnesty.at<br />
AMNESTY INTERNATIONAL<br />
BRIEFMARATHON<br />
DEZEMBER 2009<br />
Zasebno<br />
Der junge Patrick Okoroafor.<br />
PATRICK OKOROAFOR<br />
„Wenn ich manche eurer Briefe lese, machen<br />
sie mich so glücklich, dass ich <strong>die</strong><br />
betrüblichen Lebensbedingungen hier im<br />
Aba-Gefängnis vergesse. Ich bin sehr optimistisch,<br />
dass ich eines Tages <strong>die</strong> Ehre haben<br />
werde, einigen von euch <strong>die</strong> Hand zu<br />
schütteln, und ich werde euch in <strong>die</strong> Augen<br />
schauen und zu euch sagen: ,Vielen,<br />
vielen Dank!‘“<br />
Patrick Okoroafor wurde mit 14 Jahren in<br />
Nigeria verhaftet und gefoltert. Als 16-<br />
Jähriger wurde er zum Tode verurteilt.<br />
Nach einem Gnadengesuch wurde seine<br />
Strafe in lebenslange Haft umgewandelt.<br />
Er beteuert bis heute, <strong>die</strong> Tat, <strong>die</strong> ihm vorgeworfen<br />
wird, nicht begangen zu haben.<br />
<strong>Amnesty</strong> UK<br />
WOHNEN IN WÜRDE:<br />
EINE GESCHICHTE AUS<br />
DEN SLUMS<br />
Michael Nyangi lebt in Kibera, einem<br />
großen Slum in der kenianischen Hauptstadt<br />
Nairobi. Er steht einer Mikrokreditorganisation<br />
namens Lomoro vor. Das<br />
Video zeigt, in welchem Teufelskreis von<br />
Armut und Missbrauch SlumbewohnerInnen<br />
leben.<br />
Video verbreiten –<br />
Bewusstsein bilden<br />
Verbreiten Sie <strong>die</strong>ses Video. Sie können<br />
es als Einstieg in Diskussionen zu<br />
Menschenrechten nutzen, in Ihrem<br />
Blog darüber schreiben, den Link auf<br />
Facebook und anderen sozialen Plattformen<br />
posten etc.<br />
Sie finden das Video auf:<br />
www.amnesty.at<br />
Jedes Jahr unterstützen tausende Menschen<br />
weltweit mit einer Welle des Protests<br />
Menschen in Gefahr – das ist <strong>die</strong><br />
Idee des Briefmarathons, der auch in<br />
<strong>die</strong>sem Jahr von 6. bis 13. Dezember von<br />
<strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong> organisiert wird.<br />
Melden Sie sich ab Ende Oktober auf<br />
www.amnesty.at an!<br />
Ist auch Ihre Vision eine Welt ohne<br />
Todesstrafe<br />
Das Netzwerk gegen <strong>die</strong> Todesstrafe<br />
und viele lokale Gruppen in ganz<br />
<strong>Österreich</strong> setzen sich <strong>für</strong> Menschen<br />
wie Patrick ein. Machen Sie mit!<br />
Informationen erhalten Sie unter (01)<br />
7 80 08 oder active@amnesty.at<br />
14-jährige AktivistInnen von <strong>Amnesty</strong> protestieren in<br />
London vor der nigerianischen Botschaft <strong>für</strong> Patrick<br />
Okoroafor.<br />
15
Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
SIMBABWE: Ihr Foto macht MenschenrechtsverteidigerInnen<br />
Mut<br />
In Simbabwe ist schon<br />
seit vielen Jahren Diktator<br />
Robert Mugabe an der<br />
Macht. Er ist <strong>für</strong> massive Menschenrechtsverletzungen<br />
verantwortlich,<br />
unterdrückt <strong>die</strong><br />
Opposition, lässt MenschenrechtsverteidigerInnen<br />
verfolgen.<br />
Auch der simbabwische<br />
Gewerkschaftsbund und seine<br />
Mitglieder werden von den<br />
Behörden massiv eingeschüchtert,<br />
schikaniert und<br />
sogar misshandelt. Grund da<strong>für</strong><br />
ist einzig ihr Einsatz <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Rechte von ArbeitnehmerInnen.<br />
<strong>Amnesty</strong> setzt sich<br />
weltweit <strong>für</strong> sie ein.<br />
<strong>Amnesty</strong> YOUTH: Jugend im Einsatz<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Menschenrechte<br />
„Auf der Welt laufen Sachen, <strong>die</strong> nicht in Ordnung sind,<br />
und ich möchte etwas tun.“ So und ähnlich beschreiben Jugendliche<br />
ihr Engagement mit <strong>Amnesty</strong> <strong>für</strong> Menschenrechte.<br />
In <strong>Österreich</strong> sind etwa 800 Jugendliche ab 14 Jahren aktiv. In<br />
kleinen Gruppen oder als Einzelmitglieder planen sie Aktionen<br />
und machen so auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam.<br />
Häufig geben LehrerInnen den ersten Anstoß, manche gründen<br />
sogar eigene Schulgruppen. „Der Hauptanstoß kommt aber von<br />
den Jugendlichen selbst, <strong>die</strong> sich <strong>für</strong> Menschenrechte einsetzen<br />
wollen“, erklärt Lioba Suchenwirth, <strong>Amnesty</strong>-YOUTH- und<br />
STUDENTS-Koordinatorin. Die Jugendlichen veranstalten Infostände<br />
und Konzerte, organisieren Menschenrechtstage,<br />
schreiben Appellbriefe oder drehen Videos.<br />
Weitere Informationen zu <strong>Amnesty</strong> YOUTH erhalten Sie<br />
unter lioba.suchenwirth@amnesty.at oder (01) 7 80 08-60<br />
Beteiligen auch Sie sich! Schicken Sie eine Fotobotschaft<br />
<strong>für</strong> AktivistInnen in Simbabwe<br />
Machen Sie Fotos, auf denen Sie und Ihre FreundInnen<br />
oder KollegInnen den Gewerkschaftsbund grüßen. So drücken<br />
Sie Ihre Solidarität aus und machen dem Gewerkschaftsbund<br />
Mut, sich weiter <strong>für</strong> Menschenrechte von ArbeitnehmerInnen<br />
einzusetzen.<br />
Schicken Sie Ihre Fotos bis spätestens 1. Dezember 2009 an<br />
menschen-in-gefahr@amnesty.at.<br />
Wir gestalten aus allen Fotos ein YouTube-Video, das auf der<br />
<strong>Amnesty</strong>-Website und im Internet veröffentlicht wird, und leiten<br />
es an den Gewerkschaftsbund weiter. Auf <strong>die</strong>se Art können<br />
wir noch mehr Menschen erreichen und sie motivieren, Menschen<br />
in Gefahr zu unterstützen!<br />
Achtung! Wenn Sie Ihr Foto mit der Solidaritätsnachricht an<br />
uns schicken, stimmen Sie einer Veröffentlichung des Fotos in<br />
öffentlichen und <strong>Amnesty</strong>-Me<strong>die</strong>n, auf der Website von <strong>Amnesty</strong><br />
und auf YouTube zu.<br />
„Ich finde, dass es jede/n etwas angeht, wenn heutzutage<br />
noch Menschen gefoltert, politisch verfolgt, ermordet<br />
oder auf eine andere Weise menschenunwürdig behandelt<br />
werden, egal, ob das direkt vor unserer Haustüre<br />
oder auf einem anderen Kontinent geschieht. Mit einer<br />
<strong>Amnesty</strong>-YOUTH-Gruppe kann man sich gemeinsam da<strong>für</strong><br />
einsetzen, dass Menschenrechte weltweit ernst genommen<br />
und eingehalten werden.“<br />
Mitglied <strong>Amnesty</strong>-YOUTH-Gruppe GYS, Feldkirch<br />
16
Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
<strong>Amnesty</strong> STUDENTS – im Einsatz <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
Angehörigen des Massakers vom Platz<br />
des himmlischen Friedens<br />
„Was mich zu <strong>Amnesty</strong> gebracht hat, war <strong>die</strong> Unzufriedenheit<br />
mit der politischen Situation in <strong>Österreich</strong><br />
und in vielen anderen Ländern, <strong>die</strong> ich zwar<br />
nicht alleine ändern, doch auf jeden Fall beeinflussen<br />
kann. Das nimmt einem dann auch den<br />
Frust, zur Untätigkeit verdammt zu sein.“<br />
Ralf Niederhammer<br />
Jus-Student, AI-Gruppe Innsbruck<br />
<strong>International</strong>e<br />
Mitgliederversammlung von AI<br />
Mehr als 400 <strong>Amnesty</strong>-Delegierte kamen aus über 60 Ländern<br />
im August zusammen, um Wege zu definieren, wie<br />
<strong>die</strong> Menschenrechtsarbeit von AI weltweit gestärkt werden<br />
kann. Diese Versammlung ist das oberste Entscheidungsgremium<br />
von AI. 2009 bedeutete <strong>die</strong>s, dass <strong>die</strong> Delegierten<br />
einen neuen strategischen Plan <strong>für</strong> <strong>die</strong> Jahre 2010 bis 2016<br />
beschlossen, der den Rahmen <strong>für</strong> <strong>die</strong> gesamte Arbeit der<br />
Organisation bildet. Weitere Themen waren <strong>die</strong> Stärkung<br />
der Demokratie bei AI sowie ein neues Umverteilungssystem<br />
der internationalen Ressourcen von AI, um unter anderem<br />
<strong>die</strong> Menschenrechtsarbeit in Regionen des globalen<br />
Südens und Ostens zu stärken. Der <strong>International</strong>e Vorstand<br />
sowie <strong>die</strong> Generalsekretärin Irene Khan berichteten<br />
über ihre Arbeit; globale Herausforderungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Organisation<br />
wurden debattiert, und VertreterInnen anderer<br />
Menschenrechtsorganisationen erzählten von ihrer Arbeit.<br />
Weltweit erinnerte <strong>Amnesty</strong><br />
mit Aktionen an den 4. Juni,<br />
den Jahrestag des Tian’anmen-Massakers.<br />
Vor 20 Jahren<br />
gingen chinesische Truppen<br />
mit Waffengewalt gegen<br />
friedliche prodemokratische<br />
DemonstrantInnen vor. Unter<br />
den Opfern waren zumeist<br />
StudentInnen, deren<br />
Angehörigen noch immer<br />
nicht erlaubt wird, öffentlich um sie zu trauern. Den weltweiten <strong>Amnesty</strong>-Aktionen<br />
schlossen sich auch <strong>Amnesty</strong> STUDENTS aus Innsbruck<br />
und Wien an.<br />
<strong>Amnesty</strong> STUDENTS ist ein neu gegründetes AI-Netzwerk von StudentInnen,<br />
das in ganz <strong>Österreich</strong> zu Menschenrechten aktiv ist.<br />
Interessierte StudentInnen können Informationen bei AI anfordern<br />
(Tel.: [01] 7 8 008, E-Mail: active@amnesty.at) oder am 6. November<br />
zu einem Treffen im Vorfeld der <strong>Amnesty</strong>-Tagung kommen<br />
(siehe Seite 23).<br />
IRAN<br />
Wien, Barcelona, Beirut, Caracas,<br />
Chicago, Dakar, Istanbul, London,<br />
Montevideo, Ouagadougou, Prag –<br />
das sind nur einige von über 100<br />
Städten in denen tausende AktivistInnen<br />
im Rahmen eines globalen<br />
Aktionstages gegen Menschenrechtsverletzungen<br />
im Iran protestierten.<br />
Bereits Anfang des Jahres<br />
hatte <strong>Amnesty</strong> auf zahlreiche Menschenrechtsverstöße<br />
im Vorfeld<br />
der Präsidentschaftswahl hingewiesen.<br />
Die Verlautbarung, dass<br />
Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad<br />
<strong>die</strong> Wahl gewonnen habe,<br />
löste massive landesweite Proteste aus, <strong>die</strong> mit brutaler Gewalt unterdrückt<br />
wurden. Dutzende Menschen kamen ums Leben, hunderte<br />
wurden verletzt und verhaftet. <strong>Amnesty</strong> veröffentlichte laufend Informationen<br />
zur Lage vor Ort und richtete auch <strong>die</strong> Sonder-Webseite<br />
„Iran Election Unrest“ ein. Darüber hinaus startete <strong>Amnesty</strong> eine Reihe<br />
von Urgent Actions <strong>für</strong> <strong>die</strong> Inhaftierten sowie Appellmöglichkeiten<br />
an Revolutionsführer Khamenei. Auch wenn <strong>die</strong>se Aktivitäten nicht<br />
sofort zu Veränderungen führen, zeigen sie, dass <strong>die</strong> Welt nicht zuschaut,<br />
wenn Menschenrechte verletzt werden. Die Betroffenen vor<br />
Ort werden durch weltweite Solidaritätsbekundungen gestärkt.<br />
17
Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
Sie können unmittelbar etwas bewegen: mit den Appellkarten auf den nächsten zwei Seiten. Der massive<br />
internationale Druck von Menschen wie Ihnen zeigt Wirkung: Unschuldige werden freigelassen, bedrohte Menschen<br />
werden geschützt, zum Tode Verurteilte werden nicht hingerichtet. Ihre Unterschrift macht einen Unterschied! (Bitte<br />
schicken Sie <strong>die</strong> Appelle direkt an <strong>die</strong> angegebene Adresse und nicht an das AI-Büro.)<br />
Wenn Sie sich außerdem regelmäßig gegen drohende Menschenrechtsverletzungen einsetzen möchten, werden Sie doch<br />
Teil unseres Urgent Action-Netzwerks (schreiben Sie dazu ein E-Mail an urgent.action@amnesty.at mit dem Betreff „UA-<br />
Netzwerk“)! Weitere Appelle finden Sie außerdem auf unserer Website www.amnesty.at.<br />
Japan<br />
Seit 37 Jahren in der Todeszelle<br />
Kambodscha<br />
Viele Familien von Zwangsumsiedlungen betroffen.<br />
Privat<br />
Licadho<br />
New Andong, Juni 2006.<br />
Dem 83-jährigen Okunishi Masaru droht <strong>die</strong> Hinrichtung – er<br />
wurde in den 1970-er Jahren aufgrund eines unter Folter erzwungenen<br />
Geständnisses schuldig befunden, fünf Frauen<br />
vergiftet zu haben. In einem ersten Prozess wurde er mangels<br />
Beweisen freigesprochen, bevor ihn ein höheres Gericht zum<br />
Tode verurteilte. Das Verfahren gegen ihn war unfair. Heute<br />
hat er fast 37 Jahre in der Todeszelle verbracht, wo er im Bewusstsein<br />
lebt, dass er jederzeit ohne Vorwarnung hingerichtet<br />
werden kann.<br />
Okunishi Masaru wurde zur Last gelegt, im März 1961 mehreren<br />
Menschen vergifteten Wein gegeben zu haben, von denen<br />
fünf starben (darunter seine Ehefrau) und weitere zwölf krank<br />
wurden. Beweise da<strong>für</strong> wurden allerdings nicht gefunden.<br />
Okunishi bemühte sich beständig, ein neues Verfahren zu erreichen,<br />
das ihm schließlich 2005 gewährt, dann allerdings<br />
wieder eingestellt wurde. Er hat nun alle Rechtsmittel ausgeschöpft<br />
und ist jederzeit der Gefahr der Hinrichtung ausgesetzt<br />
– wenn er nicht vom Justizminister begnadigt wird oder<br />
ein neues Verfahren erhält.<br />
Fordern Sie den japanischen Justizminister auf,<br />
Okunishi nicht hinzurichten!<br />
(Porto Standardbrief bis 20 g: EUR 1,40)<br />
Am Morgen des 6. Juni 2006 wurden 1.500 Familien aus ihren<br />
Häusern in Sambok Chab gewaltsam vertrieben. Die Menschen<br />
lebten seit 1990 in der informellen Siedlung nahe der<br />
kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh.<br />
Die BewohnerInnen wurden mit Lastwagen nach New Andong<br />
gebracht, in ein 20 Kilometer von der Hauptstadt entferntes, aufgeweichtes<br />
Feld ohne jegliche Infrastruktur: Es gibt keine Unterkünfte,<br />
kein Abwassersystem, kein sauberes Trinkwasser;<br />
Strom, Schulen, Krankenhäuser oder Geschäfte fehlen. Die Entfernung<br />
zur Stadt ist zu groß. Ein Tageseinkommen würde nicht<br />
reichen, um <strong>die</strong> Fahrt nach Phnom Penh bezahlen zu können.<br />
Die Kinder können nicht zur Schule gehen, da sie keine Geburtsurkunde<br />
vorweisen können.<br />
Auch heute gibt es in New Andong noch keine Grundversorgung<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> BewohnerInnen. Sie leben sozial ausgegrenzt und<br />
in größerer Armut als zuvor. Das Gelände von Sambok Chab<br />
liegt bis heute größtenteils brach. In Kambodscha haben zehntausende<br />
Menschen in den letzten Jahren durch widerrechtliche<br />
Zwangsräumungen ihr Zuhause verloren.<br />
Setzen Sie sich gegen widerrechtliche Zwangsumsiedlungen<br />
in Kambodscha ein!<br />
(Porto Standardbrief bis 20 g: EUR 1,40)<br />
18
Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
Sehr geehrter Herr Minister,<br />
Privat<br />
ich schreibe Ihnen aus Sorge um den 83-jährigen<br />
Okunishi Masaru, der heute 48 Jahre in Haft und 37<br />
Jahre in der Todeszelle verbracht hat, im Wissen, jederzeit<br />
hingerichtet werden zu können. Er wurde <strong>für</strong><br />
den Mord an fünf Frauen im Jahr 1961 zum Tod verurteilt,<br />
obwohl er gefoltert wurde, um zu gestehen,<br />
und einen unfairen Prozess erhielt. Heute hat er alle<br />
Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft und könnte<br />
jederzeit hingerichtet werden. Ich bin zutiefst besorgt<br />
über <strong>die</strong> möglicherweise bevorstehende Hinrichtung<br />
von Hrn. Okunishi Masaru und fordere Sie<br />
auf, da<strong>für</strong> zu sorgen, dass er keinesfalls hingerichtet<br />
wird. Ich bitte Sie dringend, alle Exekutionen in Japan<br />
auszusetzen und alle bestehenden Todesstrafen<br />
umzuwandeln.<br />
Hochachtungsvoll<br />
Sehr geehrter Herr Minister,<br />
ich schreibe ihnen, weil ich <strong>die</strong> widerrechtlichen Zwangsräumungen in Kambodscha scharf verurteile.<br />
Zehntausende Menschen im ganzen Land haben in den letzten Jahren ihr Zuhause verloren.<br />
Ich fordere sie auf, widerrechtliche Zwangsräumungen sofort zu beenden und sicherzustellen,<br />
dass alle Opfer von Zwangsräumungen effektiven Zugang zu Rechtsmitteln und eine angemessene<br />
Entschädigung in Form von Geldzahlungen oder Ersatzwohnraum erhalten.<br />
Ich fordere sie außerdem auf, BewohnerInnen von informellen Siedlungen an allen Entscheidungen<br />
zu beteiligen, <strong>die</strong> ihre Lebens- und Wohnsituation betreffen, und ihnen dabei Rechtsschutz<br />
nach internationalen Standards zu gewähren.<br />
Zum Schluss appelliere ich noch an Sie, dass allen Menschen, <strong>die</strong> zukünftig von Umsiedlungen<br />
aufgrund von Bebauungsplänen betroffen sein werden, Schutz nach internationalem Recht eingeräumt<br />
wird, dass sie benachrichtigt und in den Prozess miteingebunden werden sowie alternative<br />
Wohnmöglichkeiten erhalten.<br />
Ich danke <strong>für</strong> ihre Aufmerksamkeit.<br />
✃ ✃<br />
19
Aktiv <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
Name<br />
Dear Minister,<br />
Fax: 00-81-3 5511 7200<br />
Adresse<br />
EISUKE Mori<br />
Minister of Justice<br />
Ministry of Justice<br />
1-1-1 Kasumigaseki<br />
Chiyoda-ku<br />
Tokyo 100-8977, Japan<br />
I am writing out of concern for Okunishi Masaru, aged<br />
83, who has spent 48 years in custody and almost 37<br />
years on death row, knowing that he could be executed<br />
at any time. He was sentenced to death for poisoning<br />
five women in 1961, although he was tortured to<br />
confess and his trial was unfair. Today, he has exhausted<br />
his appeals and is at risk of being ex ecuted any time.<br />
I am deeply concerned about the risk of an immediate<br />
execution of Mr. Masaru and I call on you to ensure<br />
that he will not face execution. In general I call<br />
for a halt to all executions in Japan, and for the sentences<br />
of all those currently on death row to be commuted.<br />
Yours sincerely,<br />
✃<br />
Fax: + 855 23 212708<br />
Name<br />
Adresse<br />
Sar Kheng<br />
Deputy Prime Minister and Minister of<br />
Interior,<br />
# 75 Norodom Blvd. Khan<br />
Chamkarmon<br />
Phnom Penh, Cambodia<br />
Dear Minister,<br />
I am writing to tell you that I condemn the forced evictions<br />
in Cambodia. Tens of thousands of people lost their<br />
home in the last years all over the country.<br />
I call on you to immediately end all forced evictions<br />
and to ensure, that all past victims of forced evictions<br />
receive an effective remedy, including access to justice<br />
and adequate compensation or housing alternative.<br />
I also call on you to ensure that people living in deprived<br />
areas and informal settlements have equal access to<br />
public services and can participate in developing and<br />
implementing solutions to ensure adequate housing.<br />
Finally, I call on you to ensure that all people who may<br />
be affected by land development are accorded the legal<br />
protections to which they are entitled under international<br />
standards, including adequate notice, consultation,<br />
due process and assurance of adequate alternative<br />
accommodation.<br />
I thank you for your attention.<br />
✃<br />
20
AMNESTY<br />
INTERN<br />
Associated Press<br />
Salvador Allende nach gewonnener Wahl am 3. November 1970.<br />
Sie riefen: „Freiheit!“<br />
Von Christine Newald<br />
José (Name von der Redaktion geändert)<br />
war Bürgermeister von Quilicura,<br />
einer verschlafenen Kleinstadt<br />
am Rande von Santiago de Chile. Er war<br />
ein sehr junger Bürgermeister, noch keine<br />
30 Jahre alt, und er kämpfte mit Enthusiasmus<br />
und viel Herz erfolgreich <strong>für</strong><br />
Sozialreformen unter Salvador Allende,<br />
dem damaligen chilenischen Präsidenten.<br />
José hatte eine vierjährige Tochter,<br />
und seine Frau war schwanger.<br />
Am 11. September 1973 sollte sich sein<br />
Leben jedoch mit einem Schlag ändern,<br />
denn unter Augusto Pinochet putschte<br />
das Militär, und Salvador Allende starb.<br />
José wusste, dass <strong>die</strong> Lage <strong>für</strong> ihn nach<br />
dem Militärputsch nicht mehr sicher<br />
war, und er flüchtete nach Santiago. Gemeinsam<br />
mit vier Freunden saß er im<br />
Auto, als sie angehalten, entdeckt und<br />
allesamt festgenommen wurden. Der<br />
Kommissar, der ihm im Gefängnis gegenübersaß,<br />
war ein Freund aus früheren<br />
Tagen. Seine einzigen Worte waren<br />
eine Drohung: „Du wirst hier nie wieder<br />
lebendig hinauskommen!“<br />
Nach fünf Tagen brachte man ihn und<br />
einige Mithäftlinge in eine andere Stadt,<br />
in ein anderes Gefängnis. Der Vorsteher<br />
war ein brutaler Mensch. Er hatte seine<br />
Freude daran, Leute zu schlagen und sie<br />
mit seiner Pistole zu bedrohen. 150<br />
Menschen, wie Tiere in ein einziges<br />
Zimmer gepfercht, lebten von Wasser<br />
und Brot. Wie lange sie dort blieben,<br />
weiß José heute nicht mehr. Irgendwann<br />
wurde er in ein Militärgefängnis weitergereicht.<br />
Dort wurden Menschen im Keller<br />
gefoltert und ermordet, ihm hat man<br />
mit einem Gewehrkolben <strong>die</strong> Füße zerschlagen.<br />
ZERRISSENE AKTEN. Zwei Monate lang<br />
blieb José dort, in <strong>die</strong>sen zwei Monaten<br />
hat er 15 Kilo abgenommen, doch irgendwie<br />
hatte er trotzdem Glück: Der<br />
Sekretär des Lagers war sein ehemaliger<br />
Schüler, der neue Kommandant ein<br />
Freund seines Vaters. Der sagte: „Nimm<br />
deine Akten und zerreiß sie vor meinen<br />
Augen – und innerhalb eines Jahres ver-<br />
21
AMNESTY<br />
INTERN<br />
Associated Press<br />
Die heutige Präsidentin Chiles, Michelle Bachelet, mit U2 bei einer Veranstaltung von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>.<br />
lass das Land!“ Wegen der zerrissenen<br />
Akten wurde José in ein „normales“<br />
Strafgefängnis überführt, er erhielt Wasser<br />
und Seife und konnte sich endlich<br />
duschen. Als er aus der Haft entlassen<br />
wurde, war seine Tochter bereits ein halbes<br />
Jahr alt.<br />
Doch José konnte sein Familienglück<br />
nicht genießen, denn <strong>die</strong> Verfolgungsjagd<br />
ging weiter. Irgendwie schaffte er<br />
es, einen Flug nach Argentinien zu ergattern:<br />
Unbemerkt stieg er ins Flugzeug,<br />
er traute sich kaum, den Blick zu<br />
heben, zu groß war <strong>die</strong> Angst, in letzter<br />
Minute entdeckt zu werden. Das Flugzeug<br />
war randvoll, niemand sprach ein<br />
Wort. Nach einer Stunde in der Luft ging<br />
ein Raunen durch <strong>die</strong> Passagiere, <strong>die</strong><br />
Leute standen auf und riefen: „Freiheit!“,<br />
sie küssten und umarmten sich. Der ganze<br />
Flieger war voll mit FreundInnen und<br />
ehemaligen WeggefährtInnen!<br />
In Argentinien stand José erst einmal auf<br />
der Straße, ohne Essen und ohne Dach<br />
über dem Kopf. Schon bald arbeitete er<br />
<strong>für</strong> eine internationale Flüchtlingsorganisation,<br />
doch schon nach einem Jahr<br />
spannte sich <strong>die</strong> Situation auch in Argentinien<br />
an. José spürte instinktiv: Hier<br />
steht eine ähnliche politische Entwicklung<br />
wie in Chile bevor, und er wollte nur<br />
mehr weg. Mit Hilfe von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong><br />
erhielt er einen Ausweis der<br />
Vereinten Nationen. Und er konnte ein<br />
Land finden, das bereit war, ihn und 150<br />
weitere Familien aufzunehmen: Rumänien.<br />
Die Liste mit den Namen der<br />
Flüchtlinge übergab er zur Sicherheit einem<br />
Vertreter von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong>.<br />
Und <strong>die</strong>se Liste hat José heute noch.<br />
<strong>Amnesty</strong> half auch bei der Ausreise seiner<br />
Frau und seiner Tochter nach Rumänien.<br />
Über zwei Jahre lang hatten sie<br />
sich nicht gesehen. Die Bedingungen in<br />
Rumänien waren damals nicht so<br />
schlecht, aber <strong>die</strong> junge Familie lebte ohne<br />
Aussicht auf Arbeit und ein normales<br />
Leben. Der Vermerk „Flüchtling“ in Josés<br />
Pass verbot Arbeit und Ausreise.<br />
Doch wieder einmal führte der Zufall Regie:<br />
Er fand einen Freund, der ihm einen<br />
chilenischen Pass besorgen konnte, und<br />
1976 landete <strong>die</strong> Familie schließlich nach<br />
mehreren Umwegen im Flüchtlingslager<br />
Traiskirchen. Nach den erforderlichen<br />
zwei Monaten zur Identitätsüberprüfung<br />
drückte ihm ein Betreuer 100 Schilling<br />
in <strong>die</strong> Hand: „Gratuliere“, sagte er, „du<br />
bist frei. Und Flüchtling.“<br />
José begann nach verschiedenen Gelegenheitsjobs<br />
als Helfer im Gesundheitswesen<br />
der Stadt Wien, er wurde Krankenpfleger,<br />
machte seinen Uni-Abschluss<br />
und wurde Qualitätsmanager eines<br />
Vorzeigeprojektes im Geriatriezent -<br />
rum am Wienerwald. Sein Herz und seinen<br />
Idealismus hat er sich bis heute bewahrt.<br />
Und seit 1984 besucht er in den<br />
Ferien auch immer wieder Chile – „aber<br />
nur mit österreichischem Pass!“<br />
GEWINNSPIEL<br />
In Kooperation mit <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong><br />
zeigt <strong>die</strong> Viennale auch<br />
heuer wieder einen Film zum Thema<br />
Menschenrechte. Zu <strong>die</strong>sem<br />
Filmabend verlosen wir dreimal<br />
zwei Karten!<br />
Lesen Sie das <strong>Amnesty</strong> Journal aufmerksam<br />
durch und beantworten<br />
Sie <strong>die</strong> folgenden Fragen. Von oben<br />
nach unten gelesen, ergeben <strong>die</strong> Anfangsbuchstaben<br />
der richtigen Antworten<br />
das Lösungswort.<br />
Wie lautet <strong>die</strong> englische<br />
Abkürzung <strong>für</strong> weibliche<br />
Genitalverstümmelung<br />
In welchem Land sind<br />
mindestens 140 Jugendliche<br />
zum Tode verurteilt<br />
Wie heißt eine der Hauptverkehrsadern<br />
in Berlin,<br />
wo sich Plattenbau an<br />
Plattenbau reiht<br />
Wie lautet der Vorname<br />
des Mannes, der sich <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Menschen in einem<br />
Slum von Nairobi einsetzt<br />
Senden Sie bis 18. Oktober 2009 ein<br />
Mail mit dem Lösungswort im Betreff<br />
an info@amnesty.at.<br />
Die GewinnerInnen werden verständigt,<br />
der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
22
AMNESTY<br />
INTERN<br />
<strong>Amnesty</strong>-Tagung<br />
„Ein Recht auf Würde“<br />
6. bis 8. November 2009<br />
„Ich werde oft gefragt, was <strong>die</strong> schwerste Menschenrechtsverletzung unserer<br />
Zeit ist, und meine Antwort ist immer <strong>die</strong>selbe: extreme Armut.“<br />
Mary Robinson, ehemalige UN-Hochkommissarin <strong>für</strong> Menschenrechte<br />
Menschen, <strong>die</strong> in Armut leben, leiden<br />
nicht nur unter materiellen Entbehrungen,<br />
sondern sie sind auch<br />
ausgeschlossen, ohne Mitspracherecht,<br />
bedroht durch Gewalt und<br />
Vertreibung. Die Achtung der Menschenrechte<br />
verlangt ein Mitspracherecht<br />
der Menschen, verlangt<br />
das Recht, in Würde zu leben, das<br />
Recht auf Nahrung, Zugang zu Gesundheitsversorgung,<br />
Bildung und<br />
ein Dach über dem Kopf.<br />
Diese <strong>Amnesty</strong>-Tagung blickt aus<br />
menschenrechtlicher Sicht auf Entwicklungszusammenarbeit,<br />
geht dabei<br />
dem Menschenrechtsansatz auf<br />
den Grund und fragt, was das in der<br />
Praxis <strong>für</strong> Menschen in Asien, Afrika<br />
oder Lateinamerika bedeutet. Armut<br />
ist aber nicht nur ein Problem<br />
der Länder des Südens. Auch in<br />
Europa, auch in <strong>Österreich</strong> gibt es Menschen, deren „Recht auf Würde“ nicht gewahrt<br />
wird. Armut in dem Land, in dem wir leben, soll daher als Thema bei <strong>die</strong>ser<br />
Tagung nicht ausgespart werden.<br />
Ein wichtiger Teil der Tagung wird auch <strong>die</strong> Beschäftigung mit Strategien und<br />
Möglichkeiten sein, was jede/r von uns tun kann, um gegen Armut aufzutreten.<br />
Armut ist kein Schicksal. Wir alle können dazu beitragen, dass Menschen ihr<br />
„Recht auf Würde“ zugestanden wird. In den Vorträgen, Workshops und Diskussionen<br />
werden wir dem nachgehen. Auch <strong>die</strong> neue Kampagne von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong><br />
wird Thema sein.<br />
Abseits des Programms gibt es in gemütlicher Atmosphäre genügend Zeit zum<br />
Kennenlernen und Austausch mit Gleichgesinnten.<br />
Das detaillierte Tagungsprogramm finden Sie unter<br />
www.amnesty-academy.at.<br />
Termin: 6. bis 8. November 2009<br />
Ort: Bildungshaus Schloss Retzhof, Dorfstraße 17, 8430 Leitring/Leibnitz<br />
Anmeldung: online: www.amnesty-academy.at; per E-Mail: academy@amnesty.at;<br />
telefonisch: +43 1 7 80 08; per Fax: +43 1 7 80 08-44<br />
Anmeldeschluss: 19. Oktober 2009<br />
Teilnahmebeitrag: Die Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tagung werden von <strong>Amnesty</strong> <strong>International</strong><br />
getragen (exklusive Anreise und Übernachtung).<br />
Aktuelle Veranstaltungen<br />
Alle Menschenrechte <strong>für</strong> alle – 2<br />
Vertiefung: Menschenrechte und Menschenrechtsschutz<br />
Dieser Workshop bietet <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
genauere Einblicke in das nationale und<br />
internationale Menschenrechtsschutzsystem<br />
zu erhalten und eigene Wahrnehmungen<br />
und Sichtweisen zu erweitern.<br />
Ebenso wird <strong>die</strong> Möglichkeit geboten,<br />
<strong>die</strong> Durchsetzbarkeit der Menschenrechte<br />
auf unterschiedlichsten Ebenen kritisch<br />
zu prüfen. Aktuelle Themen und<br />
Entwicklungen sollen anhand konkreter<br />
Fälle menschenrechtlich analysiert und<br />
diskutiert werden.<br />
Termin: Samstag, 31. Oktober 2009,<br />
10.00–17.00 Uhr<br />
Ort: Volkshochschule Zweigstelle Hernals,<br />
Rötzergasse 15, 1170 Wien<br />
Erfolg oder Scheitern<br />
Die Einklagbarkeit der Menschenrechte<br />
Seit der Verabschiedung der Allgemeinen<br />
Erklärung der Menschenrechte wurden<br />
in den letzten 60 Jahren weltweit<br />
mehr als 100 Menschenrechtsabkommen<br />
getroffen. Die Mehrheit der Staaten<br />
hat zumindest einige davon ratifiziert.<br />
Nun stellt sich allerdings <strong>die</strong> Frage: Ist<br />
das alles nur Papier oder bringen <strong>die</strong>se<br />
Verträge und Konventionen tatsächlich<br />
eine Verbesserung Wir wollen verschiedene<br />
Menschenrechtsschutzinstrumente<br />
vorstellen und gemeinsam deren Stärken<br />
und Schwächen analysieren.<br />
Termin: Samstag, 5. Dezember 2009,<br />
10.00–17.00 Uhr<br />
Ort: Volkshochschule Zweigstelle Hernals,<br />
Rötzergasse 15, 1170 Wien<br />
Nähere Informationen zu den einzelnen<br />
Veranstaltungen finden Sie unter<br />
www.amnesty-academy.at.<br />
Anmeldung:<br />
Online: www.amnesty-academy.at<br />
Telefonisch: +43 1 7 80 08<br />
23