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21.01.2015 Aufrufe

Einleitung – "Basales Theater" macht Schule 6 1. Einleitung – "Basales Theater" macht Schule Nach wie vor konfrontiert die gleichbleibend hohe oder gar steigende Anzahl an SchülerInnen mit schwersten Behinderungen 1 (vgl. Kuckartz 2003, S. 299) viele Schulen für Körperbehinderte – so auch die Löchterschule in Gelsenkirchen – mit der Aufgabe, Ansätze zur Förderung und Einbeziehung dieser SchülerInnen in unterrichtliche und außerunterrichtliche Aktivitäten zu entwickeln bzw. bestehende Konzeptionen an die spezifischen schulischen Bedingungen anzupassen. In diesem Zusammenhang gewinnt der theaterpädagogische Ansatz des "Basalen Theaters" zunehmend an Bedeutung: Durch die Entwicklung dieser für jeden voraussetzungslos und uneingeschränkt produktiv wie rezeptiv zugänglichen Theaterform werden vor allem auch schwerstbehinderten SchülerInnen Möglichkeiten der aktiven (Mit-)Gestaltung kultureller Ereignisse verschafft (vgl. Bertrand/Stratmann 2002, S. 7). "Basales Theater" erhebt dazu die besonderen Handlungs-, Erlebnis- und Ausdrucksmöglichkeiten schwerstbehinderter Menschen zu ästhetischen Darstellungsformen und schafft Freiräume, in denen "grundlegende Interaktionen im gemeinsamen Erleben und Erfahren" (Hoder 1997, S. 18) jenseits jeden defizitären Denkens möglich sind. In dialogischen Prozessen mit nicht behinderten PartnerInnen 2 entsteht Theater, das "im wesentlichen von ganzheitlichen Sinneserfahrungen, Stimmungen und Gefühlen und nicht von der verbalen Sprache lebt" (Manecke 1997, S. 321) und damit "Verstehens- und Verständigungsmöglichkeiten über das gemeinsame und intensive Empfinden und Erleben" (ebd., S. 322) generiert. "Im Vordergrund steht [dabei] das lustvolle Erleben und Tätigsein in einem anregenden und zugleich freien Erlebnisraum, in dem alle Beteiligten gleichberechtigt sind." (Ebd., S. 323) Da es sich beim Basalen Theater nicht um ein vorgegebenes Konzept handelt, sondern vielmehr um einen aus einer Grundidee entwickelten, an individuelle Bedingungen anzupassenden Ansatz, entstehen derzeit an vielen Schulen 3 unterschiedlichste Umsetzungsvarianten, von denen die meisten im Rahmen langfristiger Vorhaben realisiert werden. Der o.g. Grundgedanke des Basalen Theaters – Freiräume zu schaffen, die es SchülerInnen mit schwersten Behinderungen ermöglichen, eigenaktiv und selbstbestimmt einen Prozess (mit) zu gestalten, in dem ein Theaterstück, also ein kulturell bedeutsames Produkt, entsteht – entspricht dabei weitgehend dem der Arbeit im Rahmen von Projekten. 1 Im Folgenden werden die Termini "Menschen mit schwersten Behinderungen" und "schwerstbehinderte Menschen" gleichbedeutend verwendet. Gemeint sind damit Personen, deren "emotionale, kognitive und körperliche, aber auch soziale und kommunikative Fähigkeiten" (Fröhlich 1999, S. 13) aufgrund umfassender Beeinträchtigungen erheblich eingeschränkt oder verändert zu sein scheinen und deren Interaktions- und Handlungsmöglichkeiten massiv beeinträchtigt sind. Eine umfassendere Beschreibung des Personenkreises kann im Rahmen dieser Arbeit aus Gründen des Umfangs nicht geleistet werden. Formulierungen wie "Menschen, denen eine schwere Behinderung zugeschrieben wird" (Seitz 2003), die Behinderung als gesellschaftliche Konstruktion charakterisieren, werden der Lesbarkeit halber umgangen, auch wenn sie dem Grundtenor der Ausführungen teilweise entsprechen. 2 i.S. von Interaktions-/SpielpartnerInnen; in der Regel sind dies feste Bezugspersonen bzw. BetreuerInnen 3 z.B. SfKb Dortmund-Aplerbeck, SfKb Essen, SfKb Olpe, SfKb Ludwigshafen www.fopaed.net

Einleitung – "Basales Theater" macht Schule 7 Nicht zuletzt diese Parallele führte zu der Konkretisierung der schon vor längerer Zeit seitens einer Kollegin aus dem Bereich der Unterstützten Kommunikation geäußerten Idee, den Ansatz des Basalen Theaters auch an der Löchterschule (Schule für Körperbehinderte in Gelsenkirchen) aufzugreifen. Im Rahmen der diesjährigen Projektwoche bot sich die Gelegenheit, ein entsprechendes Angebot für schwerstbehinderte SchülerInnen zu erproben. In diesem Zusammenhang stellte sich jedoch die Frage, inwieweit die spezifischen Rahmenbedingungen einer Projektwoche überhaupt für die – eigentlich langfristig zu realisierende – Umsetzung eines basalen Theaterstücks geeignet sind, bzw. ob und in welcher Form die Grundidee hierfür zu modifizieren ist. Die hieraus resultierenden Vorüberlegungen und Adaptionen gilt es in dieser Arbeit darzustellen und anhand der Beschreibung und Reflexion des tatsächlichen Projektverlaufs zu konkretisieren. Hierzu erfolgt zunächst eine differenzierte Darstellung des Ansatzes "Basales Theater", werden ideale Rahmenbedingungen für die Umsetzung definiert und allgemeine Umsetzungsmöglichkeiten in unterrichtlichen Prozessen beschrieben (Kap. 2). Ergänzend werden die Zusammenhänge zwischen Basalem Theater und Unterstützter Kommunikiation erläutert und die Möglichkeiten und Vorteile der Einbeziehung von Methoden und Hilfsmitteln aus dem Bereich der Unterstützten Kommunikation für die Erarbeitung eines basalen Theaterstücks beschrieben (Kap. 3). Anschließend werden die zuvor definierten "idealen" Rahmenbedingungen mit den real existierenden Bedingungen während einer Projektwoche verglichen und die organisatorischen und methodisch-didaktischen Konsequenzen für die Umsetzung des Basalen Theaters im Rahmen einer Projektwoche dargelegt (Kap. 4). Konkretisiert werden diese theoretischen Vorüberlegungen in der ausführlichen Darstellung eines im Rahmen der diesjährigen Projektwoche an der Löchterschule durchgeführten basalen Theaterprojektes. Besondere Berücksichtigung finden hierbei die eingesetzten Methoden der Unterstützten Kommunikation (Kap. 5). Eine Reflexion des Projektes anhand der Fragestellung, inwieweit die grundlegenden Prinzipien Basalen Theaters auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen angemessen berücksichtigt werden konnten (Kap. 6) sowie die abschließende Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse (Kap. 7) beschließen die Arbeit. Die vorliegende Arbeit bezieht vor allem die folgenden Lehrerfunktionen ein, wobei diese nicht explizit angesprochen werden, sondern in die Abhandlung der einzelnen Kapitel einfließen: • Innovieren (erstmalige Umsetzung des Ansatzes "Basales Theater" an der Löchterschule; Adaption des Ansatzes an die Bedingungen im Rahmen einer Projektwoche), • Unterrichten/Fördern (methodisch-didaktische Gestaltung des Theaterprojektes unter Einbeziehung von Methoden der Unterstützten Kommunikation), • Kooperieren (Treffen von Absprachen vor und während der Projektwoche; Analyse individueller Fähigkeiten, Bedürfnisse, Vorstellungen innerhalb des Teams), • Organisieren (zeitliche, räumliche, finanzielle Organisation; Beschaffung von Materialien, Medien; Organisation der Aufführung am "Tag der offenen Tür") • Evaluieren (Reflexion des Projektverlaufs). www.fopaed.net

Einleitung – "Basales Theater" macht Schule 6<br />

1. Einleitung – "Basales Theater" macht Schule<br />

Nach wie vor konfrontiert die gleichbleibend hohe oder gar steigende Anzahl<br />

an SchülerInnen mit schwersten Behinderungen 1 (vgl. Kuckartz 2003, S. 299) viele<br />

Schulen für Körperbehinderte – so auch die Löchterschule in Gelsenkirchen – mit<br />

der Aufgabe, Ansätze zur Förderung und Einbeziehung dieser SchülerInnen in unterrichtliche<br />

und außerunterrichtliche Aktivitäten zu entwickeln bzw. bestehende Konzeptionen<br />

an die spezifischen schulischen Bedingungen anzupassen. In diesem Zusammenhang<br />

gewinnt der theaterpädagogische Ansatz des "Basalen Theaters" zunehmend<br />

an Bedeutung: Durch die Entwicklung dieser für jeden voraussetzungslos und<br />

uneingeschränkt produktiv wie rezeptiv zugänglichen Theaterform werden vor allem<br />

auch schwerstbehinderten SchülerInnen Möglichkeiten der aktiven (Mit-)Gestaltung<br />

kultureller Ereignisse verschafft (vgl. Bertrand/Stratmann 2002, S. 7).<br />

"Basales Theater" erhebt dazu die besonderen Handlungs-, Erlebnis- und Ausdrucksmöglichkeiten<br />

schwerstbehinderter Menschen zu ästhetischen Darstellungsformen<br />

und schafft Freiräume, in denen "grundlegende Interaktionen im gemeinsamen<br />

Erleben und Erfahren" (Hoder 1997, S. 18) jenseits jeden defizitären Denkens möglich<br />

sind. In dialogischen Prozessen mit nicht behinderten PartnerInnen 2 entsteht<br />

Theater, das "im wesentlichen von ganzheitlichen Sinneserfahrungen, Stimmungen<br />

und Gefühlen und nicht von der verbalen Sprache lebt" (Manecke 1997, S. 321) und<br />

damit "Verstehens- und Verständigungsmöglichkeiten über das gemeinsame und intensive<br />

Empfinden und Erleben" (ebd., S. 322) generiert. "Im Vordergrund steht [da<strong>bei</strong>]<br />

das lustvolle Erleben und Tätigsein in einem anregenden und zugleich freien Erlebnisraum,<br />

in dem alle Beteiligten gleichberechtigt sind." (Ebd., S. 323)<br />

Da es sich <strong>bei</strong>m Basalen Theater nicht um ein vorgegebenes Konzept handelt,<br />

sondern vielmehr um einen aus einer Grundidee entwickelten, an individuelle Bedingungen<br />

anzupassenden Ansatz, entstehen derzeit an vielen Schulen 3 unterschiedlichste<br />

Umsetzungsvarianten, von denen die meisten im Rahmen langfristiger Vorhaben<br />

realisiert werden.<br />

Der o.g. Grundgedanke des Basalen Theaters – Freiräume zu schaffen, die es<br />

SchülerInnen mit schwersten Behinderungen ermöglichen, eigenaktiv und selbstbestimmt<br />

einen Prozess (mit) zu gestalten, in dem ein Theaterstück, also ein kulturell<br />

bedeutsames Produkt, entsteht – entspricht da<strong>bei</strong> weitgehend dem der <strong>Ar<strong>bei</strong>t</strong> im Rahmen<br />

von Projekten.<br />

1 Im Folgenden werden die Termini "Menschen mit schwersten Behinderungen" und "schwerstbehinderte<br />

Menschen" gleichbedeutend verwendet. Gemeint sind damit Personen, deren "emotionale,<br />

kognitive und körperliche, aber auch soziale und kommunikative Fähigkeiten" (Fröhlich 1999, S.<br />

13) aufgrund umfassender Beeinträchtigungen erheblich eingeschränkt oder verändert zu sein scheinen<br />

und deren Interaktions- und Handlungsmöglichkeiten massiv beeinträchtigt sind. Eine umfassendere<br />

Beschreibung des Personenkreises kann im Rahmen dieser <strong>Ar<strong>bei</strong>t</strong> aus Gründen des Umfangs<br />

nicht geleistet werden.<br />

Formulierungen wie "Menschen, denen eine schwere Behinderung zugeschrieben wird" (Seitz<br />

2003), die Behinderung als gesellschaftliche Konstruktion charakterisieren, werden der Lesbarkeit<br />

halber umgangen, auch wenn sie dem Grundtenor der Ausführungen teilweise entsprechen.<br />

2 i.S. von Interaktions-/SpielpartnerInnen; in der Regel sind dies feste Bezugspersonen bzw. BetreuerInnen<br />

3 z.B. SfKb Dortmund-Aplerbeck, SfKb Essen, SfKb Olpe, SfKb Ludwigshafen<br />

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