FINE Das Weinmagazin - 01/2014
INE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: RHEINHESSEN
INE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: RHEINHESSEN
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Wachau: Typisch für die<br />
Weinlandschaft sind die durch<br />
Trockenmauern begrenzten<br />
Steinterrassen, die zum Teil schon<br />
zu Zeiten Karls des Großen<br />
angelegt wurden. Der Grüne<br />
Veltliner zählt neben Riesling und<br />
Neuburger zu den Spezialitäten.<br />
Lucas und Franz Xaver Pichler vom Weingut F. X. Pichler<br />
2004 Wösendorfer Hochrain,<br />
in Dürnstein<br />
Weingut Rudi Pichler<br />
Franz Hirtzberger vom Weingut Hirtzberger in Spitz<br />
Vater und Sohn Emmerich Knoll vom Weingut Emmerich Knoll<br />
in Unterloiben<br />
2000 Im Weingebirge vom<br />
Weingut Nikolaihof<br />
Der Grüne Veltliner ist Zentraleuropäer. Wann genau er geboren wurde und wo, lässt sich<br />
nicht genau eingrenzen, doch Weinösterreich sieht ihn gern als Niederösterreicher. Ein<br />
Elternteil ist jedenfalls Traminer, eine paneuropäische Sorte, die – genetisch belegbar – in<br />
sehr vielen anderen ihre Spuren hinterlassen hat. Der zweite Elternteil wurde 2007 in einer<br />
Publikation der Rebforschungsanstalt Klosterneuburg dingfest gemacht: In St. Georgen<br />
am Leithagebirge im Burgenland wurde ein etwa vierhundert Jahre alter Rebstock entdeckt,<br />
dessen Genetik sich im Grünen Veltliner klar nachweisen lässt. 2<strong>01</strong>1 hatte dieser<br />
Rebstock einen Vandalenakt zu überstehen, konnte jedoch wieder aufgepäppelt werden,<br />
sodass heute an vierhundert neu pflanzten Rebstöcken weitergeforscht werden kann.<br />
Etwa ein Drittel der fünfundvierzig tausend<br />
Hektar Rebland Österreichs ist mit Grünem<br />
Veltliner bestockt. <strong>Das</strong>s diese Rebflächen trotz<br />
seines Vorzeige-Status zwischen 1999 und 2009<br />
nach den Zahlen des Statistischen Zentralamtes<br />
um etwa zweiundzwanzig Prozent geschrumpft<br />
sind, lag an der Marktsituation. Rotwein war<br />
stärker nachgefragt und besser bezahlt als Weißwein<br />
und verdrängte daher, gefördert und<br />
gestützt durch EU-Umstellungsaktionen, weiße<br />
Sorten – auch den Veltliner. In den Jahren danach<br />
hat sich allerdings die Marktsituation und damit<br />
auch der Auspflanzungstrend völlig umgekehrt.<br />
Die vielen Namen, die Grüner Veltliner in der<br />
Geschichte trug – wie etwa Grüner Muskateller<br />
oder Weißgipfler –, machten es nicht ganz leicht,<br />
ihm nachzuspüren. 1581 soll er als »Musca teller«<br />
in einem Vertrag zwischen der Hofkammer in<br />
Wien und einem Kaufmann namens Jobst Croy<br />
erstmals erwähnt worden sein. <strong>Das</strong>s die Rebe in<br />
den 1930ern den Familiennamen Velt liner erhielt,<br />
war Zufall und hatte nichts mit dem Valtellin-<br />
Tal im Norden der Lombardei an der Grenze zur<br />
Schweiz zu tun, sondern damit, dass Veltliner<br />
damals gern als Sammelbegriff für trinkbaren<br />
Wein ver wendet wurde. Mit Rotem, Früh rotem<br />
oder Braunem Veltliner ist der Grüne weder verwandt<br />
noch verschwängert.<br />
Hochburgen und<br />
Nebenschauplätze<br />
Niederösterreich und Wien gelten als Veltliner-<br />
Hochburgen. In der Wachau, dem renommiertesten<br />
Gebiet, teilen sich Veltliner und Riesling die<br />
dreihundert bis vierhundert Meter hohen Steilterrassen<br />
auf: Oben im Kargen von Kollmütz, Achleiten<br />
oder Loibenberg wächst der Riesling, an den<br />
üppigeren Hangfüßen und -ausläufern der Veltliner.<br />
Kamp- und Kremstal sind in ihren Voraussetzungen<br />
anders, aber jedenfalls ebenbürtig, was<br />
hohe Qualitäten anlangt. Im Kamptal, am südöstlichen<br />
Hangfuß des geologisch eigen willigen<br />
Heiligensteins, befindet sich mit der Riede Lamm<br />
eine der besten Veltliner-Lagen des Landes:<br />
Kalkhaltiger, lehmig-sandiger Schluff lagert auf<br />
einem Lösskörper. Etwas höher am Hang kommt<br />
der einzigartige vulkanische Sandstein zwischen<br />
dem Löss heraus, und der Boden wird fast kalkfrei.<br />
<strong>Das</strong> südlicher gelegene Traisental litt bis vor<br />
kurzem mehr unter der Nichtbeachtung durch die<br />
Konsumenten denn an fehlenden Voraus setzungen<br />
für Spitzen-Veltliner. Aus dem Weinviertel mit<br />
seinen Löss-, Lehm- und Schotterböden, wo auf<br />
knapp der Hälfte der dreizehntausendfünf hundert<br />
Hektar Rebfläche Veltliner wächst, kommt kontinuierlich<br />
Spannenderes, geschürt von der jungen<br />
Winzergeneration, die die Möglichkeiten des<br />
Gebiets rasant entwickelt.<br />
Alles ist möglich<br />
Einen flächenmäßigen Aufschwung erlebte der<br />
Grüne Veltliner, als sich in den Nachkriegsjahren<br />
die Lenz-Moser-Hochkultur in den Weingärten<br />
durchsetzte. Die Rebe reagierte besonders<br />
gut auf diese Erziehungsform, wenn es auch<br />
nicht die einzig passende ist. Dies bedeutete vor<br />
allem mehr und sicherere Erträge als in der davor<br />
üb lichen Stockkultur. Und stabiler Ertrag war bis<br />
in die 1980er das Zentralgestirn, um das sich alles<br />
drehte. Dem wurde auch der Geschmack untergeordnet:<br />
Bei der Selektion wurden reich tragende<br />
Stöcke höher geschätzt als jene mit dem besten<br />
Geschmack.<br />
Wunderbar für die österreichische Winzerschaft<br />
im 20. Jahrhundert war vor allem der wirtschaftliche<br />
Aspekt, dass sie mit dem Grünen Veltliner<br />
eine weit verbreitete, ertragssichere Sorte<br />
in Händen hatte, die unter verschiedensten<br />
Bedingungen gute bis sehr gute Weine brachte.<br />
Lebendige Fruchtaromen nach Apfel, Birne und<br />
Grapefruit fallen bei kräftigeren, körperreicheren<br />
Weinen deutlich exotischer aus und erinnern oft<br />
an reife Ananas. Die Würzigkeit wiederum lässt<br />
an Pfeffer in allen Farben denken. Innerhalb des<br />
Geschmacksspektrums zwischen Frucht, Würze<br />
und lebhafter Säure, die einen entscheidenden<br />
Beitrag zu Lager- und Reifefähigkeit liefert, ist<br />
der Grüne Veltliner bemerkenswert variabel. Ob<br />
jetzt noch Komponenten wie Mineralität hinzukommen<br />
oder ob die Würzigkeit komplex ist und<br />
Schwarzen oder Weißen Pfeffer, Koriander körner,<br />
Fenchelsamen und Konsorten herauskehrt oder<br />
sich mit scheinbar schlichten Pfeffer variationen<br />
begnügt und inwieweit sich die Fruchtigkeit von<br />
den Apfelnoten in die Exotik hineinbewegt, ist<br />
eine Frage des Standorts und natürlich, welche<br />
Qualitätsvorstellungen der jeweilige Winzer, die<br />
Winzerin hegt.<br />
Heute steht die stilistische Vielfalt im Fokus:<br />
Vom fruchtig-spritzigen Jungwein über Sekt und<br />
Prädikatsweine bis hin zum reifefähigen, hochkomplexen<br />
Spitzentropfen ist alles möglich. »Ob<br />
man jetzt einen jung zu trinkenden Typ anvisiert<br />
oder einen gehaltvollen Wein, kann über frühere<br />
oder spätere Lesedurchgänge sehr gut gesteuert<br />
werden. Hinzu kommt, dass der Veltliner sein<br />
Terroir sehr gut interpretieren kann«, erklärt<br />
Heinz Frischen gruber, Önologe und Technischer<br />
Direktor der Domäne Wachau, wo seit 2005, ausgehend<br />
von einem Qualitätssicherungs programm<br />
für die Traubenproduzenten der Genossenschaft,<br />
viel Entwicklungsarbeit geleistet wird.<br />
Auf schweren Böden mit hoher Wasserspeicherkapazität<br />
wie Löss wird Veltliner mächtig und<br />
kehrt seine würzige Seite in den Vordergrund. Auf<br />
leichteren Böden wird er eleganter, mit sehniger<br />
98 99<br />
F I N E 1 / 2<strong>01</strong>4 F I N E Ö s t e r r e i c h