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Neue Bauelemente durch photonische Kristalle

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Forschung<br />

Entwicklung<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Bauelemente</strong> <strong>durch</strong><br />

<strong>photonische</strong> <strong>Kristalle</strong><br />

Lange Zeit galten <strong>photonische</strong> <strong>Kristalle</strong><br />

als exotische Idee der Grundlagenforschung.<br />

Jetzt rückt die Möglichkeit,<br />

mit ihnen schwellenlos angesteuerte<br />

Laser oder Monomode-LEDs<br />

herzustellen, in greifbare Nähe.<br />

V o n R i c h a r d S i e t m a n n<br />

Relative Intensität<br />

Relative Intensität<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

1<br />

Bild 1: Die Spektralverteilung der Emission<br />

einer LED (oben) ist bei gleicher Mittenwellenlänge<br />

deutlich breiter als das Emissionsspektrum<br />

einer Laserdiode (unten). In der<br />

Abbildung verteilt sich die Energie im wesentlichen<br />

auf fünf eng benachbarte Moden. Bettet<br />

man die LED in einen <strong>photonische</strong>n Kristall<br />

ein, so gleichen sich die Spektren an<br />

76<br />

100 nm<br />

1200 1300 1400<br />

Wellenlänge [nm]<br />

0<br />

1265 1270<br />

1275 1280 1285<br />

Wellenlänge [nm]<br />

©<br />

Quelle: Richard Sietmann<br />

Elektronik und Optoelektronik beruhen<br />

auf der Tatsache, daß in Halbleitermaterialien<br />

die Beweglichkeit von Elektronen<br />

im Kristall zwar gehemmt, jedoch nicht<br />

gänzlich unterbunden ist: Zwar trennt eine<br />

Bandlücke „verbotener“ Energiezustände die<br />

im Valenzband gebundenen Elektronen von<br />

den freien Elektronen in den höheren Energiezuständen<br />

des Leitungsbandes, doch gänzlich<br />

unüberwindlich ist sie nicht. Unter Energiezufuhr,<br />

zum Beispiel <strong>durch</strong> Erwärmen, können<br />

Elektronen vom Valenz- in das Leitungsband<br />

befördert werden und der elektrische Widerstand<br />

sinkt. In umgekehrter Richtung, bei der<br />

Rekombination eines Leitungsbandelektrons<br />

mit einem „Loch“ im Valenzband, wird Energie<br />

frei.<br />

Die elektronische Bandlücke ist die wesentliche<br />

Voraussetzung für die optoelektronischen<br />

Eigenschaften von Halbleitern, denn die zum<br />

Überspringen nötige Energie kann Lichtquanten<br />

(Photonen) zugeführt oder von ihnen weggetragen<br />

werden. Photodioden beispielsweise<br />

absorbieren ein Photon, wenn ein Elektron<br />

vom Valenz- ins Leitungsband wechselt und<br />

dort zum Stromfluß beiträgt. Bei Lumineszenzdioden<br />

(LEDs) und Laserdioden (LDs) ist es<br />

umgekehrt; in ihnen setzen spontan vom Leitungs-<br />

ins Valenzband springende Elektronen<br />

Photonen frei und verursachen so den Leuchteffekt.<br />

Bei den LDs kommt noch hinzu, daß<br />

dieser Übergang von einer selbstverstärkenden<br />

Rückkopplung stimuliert wird, was zu einer<br />

spektral sehr reinen und überdies kohärenten<br />

Lichtemission führt.<br />

Die Rückkopplung wird <strong>durch</strong> einen optischen<br />

Resonator erreicht. Die Stirnflächen<br />

des aktiven Kristalls stellen natürliche Spiegelflächen<br />

dar, zwischen denen die Photonen<br />

beziehungsweise Lichtwellen hin- und hergeworfen<br />

werden und das aktive Medium mehrfach<br />

<strong>durch</strong>laufen. Aufgrund der geometrischen<br />

Abmessungen können sich in dem Resonator<br />

nur bestimmte Eigenschwingungen,<br />

sogenannte Moden, als stehende Wellen ausbilden.<br />

Zur stimulierten Emission tragen allerdings<br />

nur diejenigen Moden bei, die in den<br />

Frequenzbereich des Laser-Übergangs des aktiven<br />

Mediums fallen. So entsteht die für Laserstrahlung<br />

typische und extrem schmale Resonanzkurve<br />

der Intensität über der Frequenz<br />

(Bild 1).<br />

Dennoch bleibt die Lumineszenz, die spontane<br />

Rekombination von Elektron/Loch-Paaren,<br />

auch in Laserdioden ein konkurrierender<br />

Vorgang. Nur ein kleiner Teil der nach wie<br />

vor auftretenden spontanen Emission koppelt<br />

mit den vom Resonator vorgegebenen<br />

Schwingungszuständen des elektromagnetischen<br />

Feldes und regt die Laseroszillationen<br />

an. Der Rest verteilt sich auf andere, freie<br />

Schwingungsformen und wird seitlich abgestrahlt.<br />

Dieser Mechanismus ist der Grund,<br />

daß die stimulierte Emission erst ab einem bestimmten<br />

Schwellwert des Pumpstromes eintritt.<br />

Der muß so stark sein, daß er die Verluste<br />

der spontanen Emission in die freien<br />

Raummoden überwindet. In der Kennlinie<br />

äußert sich dieser Verlust darin, daß die Ausgangsleistung<br />

erst oberhalb eines gewissen<br />

Schwellstromes plötzlich stark ansteigt (Bild<br />

2). Das heißt, bislang ist stets ein Mindeststromfluß<br />

– typischerweise 30 Milliampére –<br />

<strong>durch</strong> die Laserdiode erforderlich, bevor der<br />

Lasereffekt einsetzt. Dies ist letztlich elektrische<br />

Leistung, die nicht für die Übertragung<br />

zur Verfügung steht und die somit den Wirkungsgrad<br />

der optoelektronischen Wandlung<br />

herabsetzt.<br />

Die <strong>photonische</strong><br />

Bandlücke<br />

In einem idealen Resonator treten alle emittierten<br />

Photonen nur in einer einzigen Schwingungsmode<br />

auf. Doch in der Festkörperelektronik<br />

galt die spontane Emission von Licht stets<br />

als natürliche und nicht zu beeinflussende Eigenschaft<br />

optischer Halbleiter. Im Jahre 1987<br />

zeigte der damals bei Bellcore beschäftigte Physiker<br />

Eli Yablonovitch erstmals einen Weg auf,<br />

wie sie sich möglicherweise unterbinden läßt.<br />

Man weiß, daß die spontanen Übergänge mit<br />

dem Strahlungsfeld verkoppelt sind, das die aktive<br />

Zone unmittelbar umgibt. Gelingt es, diese<br />

Umgebung so zu verändern, daß sie die Aus-<br />

26<br />

98


Forschung<br />

Entwicklung<br />

breitung der Lichtwelle verhindert, dann wird<br />

damit auch der Elektronenübergang blockiert<br />

– ähnlich wie eine annullierte Zugverbindung<br />

verhindert, daß der Reisende von A nach B gelangt.<br />

Die Idee, analog zur elektronischen eine<br />

<strong>photonische</strong> Bandlücke – also verbotene oder<br />

unzugängliche Energiezustände für Photonen<br />

in Halbleitern – herzustellen, ist nicht leicht zu<br />

realisieren. Die elektromagnetischen Wellen<br />

optische Leistung [mW]<br />

©<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0<br />

schwellenloser<br />

Laser<br />

konventionelle<br />

Laserdiode<br />

Laserschwelle<br />

Bild 2: Kennlinien von LED, konventioneller<br />

Laserdiode und schwellenlosem Laser<br />

LED<br />

10 20 30 40 50<br />

Laserdiodenstrom [mW]<br />

Bild 3: REM-Aufnahme eines mit mikromechanischen<br />

Strukturierungstechniken hergestellten<br />

<strong>photonische</strong>n Kristalls<br />

<strong>durch</strong>laufen dielektrische Materialien normalerweise<br />

fast ungehindert, nur an Stellen mit<br />

Brechzahlunterschieden kommt es zu Reflektionen.<br />

Um einen <strong>photonische</strong>n Kristall mit einer<br />

optischen Bandlücke zu verwirklichen,<br />

müssen regelmäßige, dreidimensionale periodische<br />

Gitterstrukturen aufgebaut werden,<br />

die aus Bereichen mit stark wechselndem Brechungsindex<br />

bestehen. An diesen werden die<br />

Lichtwellen ähnlich gestreut, wie die Materiewellen<br />

der Elektronen an den Atomgittern des<br />

Halbleiterkristalls.<br />

Den prinzipiellen Nachweis der Existenz<br />

<strong>photonische</strong>r Bandlücken haben Yablonovitch<br />

und sein Kollege Axel Scherer Anfang<br />

der neunziger Jahre bei Bellcore geführt. Sie<br />

bohrten ein Gitter von Löchern in acht Millimeter<br />

Abstand aus drei sorgfältig berechneten<br />

Raumrichtungen in ein Dielektrikum. Die<br />

Löcher wirkten als Streuzentren für die Photonenwellen,<br />

so daß infolge destruktiver Interferenz<br />

bei Frequenzen zwischen 13 und<br />

16 GHz keine Wellenausbreitung mehr stattfinden<br />

konnte. Für diesen Mikrowellenbereich<br />

war das Material künstlich intransparent<br />

geworden.<br />

Die zunächst exotisch erscheinende Idee<br />

ist seither von einigen anderen Festkörperphysikern<br />

aufgegriffen worden. Unlängst berichteten<br />

Shawn Lin und Jim Fleming vom<br />

Sandia National Laboratory in New Mexico,<br />

einer Großforschungseinrichtung des amerikanischen<br />

Energieministeriums, über die erfolgreiche<br />

Herstellung eines mit mikromechanischen<br />

Verfahren hergestellten, dreidimensionalen<br />

<strong>photonische</strong>n Kristalls, dessen Bandlücke<br />

bei 10µm im fernen Infrarot liegt. Sie<br />

hatten dazu einen Silizium-Wafer mit Siliziumdioxyd<br />

beschichtet, darin gleichmäßig<br />

Gräben geritzt und diese mit Polysilizium aufgefüllt.<br />

Die Oberfläche wurde dann gleichmäßig<br />

eben geschliffen, erneut mit SiO 2 bedeckt<br />

und darin ebenfalls regelmäßige Polysiliziumstreifen<br />

strukturiert, allerdings rechtwinklig<br />

zu dem in der darunterliegenden<br />

Schicht. Nachdem <strong>durch</strong> Wiederholung dieser<br />

Prozeßschritte mehrere solcher kreuzweisen<br />

Doppellagen hergestellt waren, wurde<br />

das SiO 2 als Stützmaterial mit Fluorwasser-<br />

Bild: Sandia National Laboratory<br />

Betreibt man eine Diode aus einem geeigneten<br />

Halbleitermaterial wie Galliumarsenid<br />

(GaAs) oder Indiumphosphid (InP) in<br />

Durchlaßrichtung, so injiziert der elektrische<br />

Strom Elektronen in das p-dotierte<br />

und Löcher in das n-dotierte Material. In<br />

der unmittelbaren Umgebung des p-n-<br />

Übergangs – der aktiven Zone von 10 bis<br />

100 nm Dicke – entsteht im p-Gebiet ein<br />

Überschuß an Elektronen und Löchern im<br />

n-Gebiet. Fällt ein Elektron aus dem Leitungsband<br />

in das Valenzband zurück<br />

(Rekombination), so wird die freiwerdende<br />

Energie in der Form eines Lichtquants<br />

(Photon) abgestrahlt.<br />

Die strahlende Rekombination der<br />

Ladungsträger kann auf zwei unterschiedliche<br />

Weisen stattfinden: spontan oder stimuliert.<br />

Bei der spontanen Emission<br />

erfolgt die Energieabgabe eines Elektron/Loch-Paares<br />

völlig unkorreliert mit<br />

anderen Emissionsprozessen. Die stimulierte<br />

Emission hängt dagegen vom elektrischen<br />

Feld der Lichtwelle am Ort der<br />

Elektron/Loch-Paare ab und ist stark korreliert:<br />

Die stimuliert emittierten Photonen<br />

müssen sich in Frequenz, Phase und Richtung<br />

dem äußeren Strahlungsfeld anpassen.<br />

HINTERGRUND<br />

Lichtemission von Halbleitern<br />

LED<br />

Die Lichtemission von Lumineszenzdioden<br />

beruht ausschließlich auf den spontanen<br />

Rekombinationen von Elektronen im Leitungsband<br />

und Löchern im Valenzband.<br />

Der spektrale Bereich der Emission hängt<br />

von der Art des Halbleiters ab und wird<br />

von der Energiedifferenz zwischen dem<br />

Leitungs- und Valenzband bestimmt. Der<br />

Bandabstand, beziehungsweise die Energielücke,<br />

entspricht der Mindestenergie,<br />

die benötigt wird, um ein im Valenzband<br />

gebundenes Elektron aus seiner Bindung<br />

zu befreien und als frei bewegliches Elektron<br />

zum Ladungstransport im Leitungsband<br />

beitragen zu lassen.<br />

Obwohl die „Umwandlung“ von Elektronen<br />

in Photonen mit einem internen Wirkungsgrad<br />

von nahezu 100 Prozent erfolgt, läßt<br />

sich aufgrund der Schwierigkeit, das Licht<br />

zu extrahieren, davon extern nur sehr<br />

wenig nutzen. Von dem in alle Raumrichtungen<br />

abgestrahlten Licht entfällt nur ein<br />

sehr kleiner Anteil von etwa zwei Prozent<br />

auf den Austrittskegel. Der Rest bleibt im<br />

Innern des Kristalls gefangen, wird dort<br />

hin- und herreflektiert und führt zu hohen<br />

Wärmeverlusten. In konventionellen LEDs<br />

versucht man den Aufbau so zu gestalten,<br />

daß ein möglichst großer Teil des Lichtes<br />

in den Austrittskegel geworfen wird.<br />

LD<br />

Unter normalen Umständen ist die Rate<br />

der spontanen Emission stets größer als<br />

die der stimulierten; daran ändert auch<br />

ein noch so großer Pumpstrom nichts.<br />

Laserstrahlung, die Dominanz der stimulierten<br />

Emission, entsteht erst im Zusammenwirken<br />

mit einem optischen Resonator,<br />

der <strong>durch</strong> Rückkopplung die Intensität<br />

des Strahlungsfeldes in der aktiven Zone<br />

erhöht. Der optische Resonator wird im<br />

allgemeinen <strong>durch</strong> zwei reflektierende<br />

Spiegel um das aktive Medium herum<br />

gebildet, zwischen denen die Photonen<br />

beziehungsweise Lichtwellen hin- und hergeworfen<br />

werden. Bei den Halbleiterlasern<br />

bilden die Stirnflächen des aktiven Kristalls<br />

von selbst natürliche Spiegel, die die<br />

Photonen reflektieren, so daß sie die aktive<br />

Zone mehrfach <strong>durch</strong>laufen und den<br />

kollektiven Übergang vom Leitungs- ins<br />

Valenzband induzieren. Dazu muß die<br />

Anregung <strong>durch</strong> das Strahlungsfeld allerdings<br />

groß genug sein, so daß der Lasereffekt<br />

erst ab einem Schwellwert des<br />

Pumpstromes <strong>durch</strong> die Diode eintritt.<br />

26<br />

98<br />

77


Forschung<br />

Entwicklung<br />

p-Kontakt<br />

+<br />

Quelle: MIT<br />

©<br />

aktive Zone<br />

p-type<br />

n-type<br />

n-Kontakt<br />

Bild 4: Schematische Darstellung einer in<br />

einen <strong>photonische</strong>n Kristall eingebetteten<br />

LED. Physiker am MIT arbeiten an der Realisierung<br />

dieses <strong>photonische</strong>n Bauelements<br />

stoffsäure herausgelöst, so daß auf eine Kreuzgitterstruktur<br />

aus Polysilizium mit regelmäßigen<br />

Hohlräumen im Abstand von 4,8µm entstand<br />

(Bild 3).<br />

Gelingt es, denselben Effekt auch bei optischen<br />

Wellenlängen zu erzielen und in den<br />

<strong>photonische</strong>n Kristall obendrein den p-n-<br />

Übergang einer LED einzubetten, so läßt sich<br />

– wie die im vergangenen Jahr veröffentlichten<br />

theoretischen Berechnungen von Shanhui<br />

Fan am Massachusetts Institute of Technology<br />

(MIT) zeigen – von vornherein die spontane<br />

Emission des Lichtes in die „falschen“<br />

Richtungen und Schwingungszustände unterdrücken.<br />

In dem Modell, daß den Berechnungen zugrundelag,<br />

ist die p-Schicht einer scheibenförmigen<br />

GaAs-LED mit zweidimensional angeordneten<br />

Löchern perforiert (Bild 4). Bei geeignet<br />

bemessenem Verhältnis von Loch<strong>durch</strong>messer<br />

zum Lochabstand entsteht dann<br />

eine <strong>photonische</strong> Bandlücke, die die unerwünschte<br />

Ausbreitung des Lichts in der Ebene<br />

der Scheibe verhindert und nur die spontane<br />

Emission in die Richtung der Normalen<br />

zuläßt.<br />

p<br />

n<br />

–<br />

„Bisher haben wir die spontane Emission immer<br />

als fundamentale Naturkonstante angesehen,<br />

jetzt können wir sie ingenieurmäßig angehen“,<br />

ist Yablonovitch überzeugt. „Ich persönlich<br />

glaube, daß dabei ein neuer Typ von Lichtquelle<br />

herauskommen wird, den man als<br />

Single-Mode-LED bezeichnen könnte: nicht<br />

mehr ganz LED, noch nicht ganz Laser – irgendetwas<br />

dazwischen“. Doch noch ist es<br />

nicht so weit. Was die Herstellung <strong>photonische</strong>r<br />

<strong>Kristalle</strong> so schwierig macht, sind die<br />

Dimensionen. Die gesamten Abmessungen eines<br />

solchen <strong>Bauelemente</strong>s müssen in der<br />

Größenordnung der halben Lichtwellenlänge<br />

liegen – 1.500 nm bei dem für die Glasfaserübertragung<br />

interessanten Infrarotbereich.<br />

Das erfordert die zwei- und dreidimensionale<br />

Strukturierung mit Röntgen- oder Elektronenstrahl-Lithografie<br />

im Sub-µ–Bereich. Anders<br />

als die planaren Techniken in der Mikroelektronik<br />

ist sie sehr viel schwieriger zu beherrschen<br />

und muß wegen der hohen Brechzahlunterschiede<br />

auch noch andere Materialien in<br />

Betracht ziehen.<br />

Experimentell sind die MIT-Forscher dem<br />

Ziel da<strong>durch</strong> schon recht nahe gekommen, daß<br />

sie zunächst auf den p-n-Übergang verzichteten<br />

und das Problem auf die Herstellung eines<br />

passiven <strong>Bauelemente</strong>s mit einer eindimensionalen<br />

Periodizität reduzierten. Die Anordnung<br />

bestand aus Löchern im Abstand von 220 nm.<br />

Die regelmäßige Struktur wurde da<strong>durch</strong> gestört,<br />

daß der Abstand in der Mitte 420 nm betrug.<br />

Daran konnten sie die Filterung von Wellenlängen<br />

bei 1,5µm nachweisen. „Man<br />

schickt einen Lichtpuls mit einem Gemisch<br />

von Frequenzen hinein“, erläutert der Leiter<br />

der MIT-Arbeitsgruppe, John Joannopoulos,<br />

„und wenn er auf die Anordnung trifft, wird<br />

nur die von der Störstelle festgelegte Frequenz<br />

hin<strong>durch</strong>gelassen“.<br />

Selbstorganisierende<br />

Prozesse<br />

Auf einem völlig anderen Weg als mit den<br />

Standardverfahren der Optoelektronik – Epitaxie,<br />

Lithografie und Ätzprozesse – sind jetzt Judith<br />

Wijnhoven und Willem Vos von der Universität<br />

Amsterdam zu vergleichbaren mikroporösen<br />

Strukturen gelangt. Mit Hilfe einer<br />

Kombination von naßchemischen Reaktionen<br />

und Sinterung gelang es ihnen, <strong>photonische</strong><br />

<strong>Kristalle</strong> herzustellen und an ihnen die Bandlücke<br />

nachzuweisen. Sie verwendeten poröses<br />

Bild 5: REM-Aufnahme eines p hotonischen<br />

Kristalls mit Lufteinschlüssen in TiO 2 , hergestellt<br />

<strong>durch</strong> selbstorganisierende Sinterprozesse<br />

und naßchemische Reaktionen<br />

Bild: J. Wijnhofen, W. Vos / Science<br />

Die elektronische Bandlücke ist die Mindestenergie,<br />

die nötig ist, um das äußerste<br />

(Valenz-) Elektron der Ionen in einem<br />

Kristall in den höheren Energiezustand<br />

des Leitungsbandes zu ‘heben’, wo es<br />

sich frei bewegen und zum Stromtransport<br />

beitragen kann. Die Entstehung der<br />

elektronischen Bandstruktur in Festkörperkristallen<br />

ist ein quantenmechanischer<br />

Effekt, der darauf beruht, daß Elektronen<br />

sowohl Teilchen- als auch<br />

Welleneigenschaften haben. Leitungsund<br />

Valenzband sowie die sie trennende<br />

Bandlücke resultieren aus der Wechselwirkung<br />

der Elektronenwellen mit dem<br />

Ionengitter des Kristalls, die als Streuzentren<br />

zur destruktiven Interferenz<br />

bestimmter Elektronenwellenlängen<br />

führen; die zugehörigen Energiewerte sind<br />

für die Elektronen „verboten“.<br />

Ein ähnlicher Effekt läßt sich für elektromagnetische<br />

Wellen (Photonen) mit<br />

HINTERGRUND<br />

Elektronische und <strong>photonische</strong> Bandlücken<br />

künstlichen Strukturen hervorrufen, die<br />

aus Dielektrika (Nichtmetallen) mit periodisch<br />

wechselndem Brechungsindex aufgebaut<br />

sind. Bei geeignet gewählten<br />

Abmessungen entsteht in solchen <strong>photonische</strong>n<br />

<strong>Kristalle</strong>n eine Bandlücke für die<br />

elektromagnetische Wellen: Es gibt spezielle<br />

Frequenz- beziehungsweise Wellenlängenbereiche,<br />

innerhalb derer sie sich<br />

nicht in dem Dielektrikum ausbreiten<br />

können. Der Kristall wird für diese Wellenlängen<br />

intransparent.<br />

Durch die Einbettung von Lumineszenzoder<br />

Laserdioden in <strong>photonische</strong> <strong>Kristalle</strong><br />

– also <strong>durch</strong> die Kopplung der elektronischen<br />

Bandlücke des lichtemittierenden<br />

Halbleiters mit der <strong>photonische</strong>n Bandlücke<br />

des umgebenden dielektrischen<br />

Materials – hoffen Wissenschaftler, das<br />

Emissionsverhalten der optoelektonischen<br />

Lichtquellen maßschneidern zu<br />

können.<br />

78<br />

Opal als Ausgangsmaterial, daß als Matrix<br />

diente. Dessen regelmäßige Hohlräume füllten<br />

sie im zweiten Schritt mit Titandioxyd, im dritten<br />

Verfahrensschritt entfernten sie das Stützmaterial.<br />

Der <strong>photonische</strong> Kristall besteht so<br />

aus gleichmäßig angeordneten, kugelförmigen<br />

Lufteinschlüssen in einer Ti2O 2 -Matrix. Im Labor<br />

wurden auf diese Weise dreidimensionale<br />

Kristallproben mit Poren<strong>durch</strong>messern von<br />

2 µm bis hinunter zu 0,24 µm hergestellt (Bild<br />

5). Solche „selbstorganisierenden“ Prozesse<br />

stellen möglicherweise eine kostengünstigere<br />

Lösung zur Fabrikation dar; ob sich das Verfahren<br />

allerdings auch auf industrielle Herstellungsbedingungen<br />

übertragen läßt, ist derzeit<br />

noch völlig offen.<br />

Zumal die regelmäßige Periodizität nicht alles<br />

ist: Wiederum analog zu Halbleitern, entfalten<br />

<strong>photonische</strong> <strong>Kristalle</strong> ihren größten Nutzen,<br />

wenn sie gezielt mit Störstellen oder Defekten<br />

versehen (dotiert) werden können, die<br />

dann innerhalb des unterdrückten Wellenlängenbereichs<br />

ein Fenster für die Ausbreitung einer<br />

bestimmte Wellenlänge öffnen. Wenn beispielsweise<br />

die Periodizität des Kristalls unter-<br />

26<br />

98


ochen wird, indem man eines der Löcher entfernt, verändert das die<br />

Randbedingungen der Wellenausbreitung so, daß in der Umgebung des<br />

Defektes spezifische Wellenformen existieren können, während alle anderen<br />

blockiert werden. Der <strong>photonische</strong> Kristall wirkt dann als hochselektives<br />

Filter. Mehr noch: Er ist zugleich ein Wellenleiter. Ein linienförmiger<br />

Defekt zwingt die Welle (das Photon), in ihrer Bahn der Linienführung<br />

des Defektes zu folgen – wie ein perfekter Spiegel selbst um 90°-<br />

Kanten herum.<br />

Neben dem Einfluß auf die spontane Emission ist allein diese Eigenschaft<br />

schon von außerordentlichem Interesse für die Optoelektronik.<br />

Denn bislang wird die Größe der optoelektronisch integrierten Schaltungen<br />

vor allem <strong>durch</strong> die Lichtwellenleiter auf den Chips bestimmt, welche<br />

die einzelnen Elemente wie Dioden, Laser oder Polarisatoren verbinden<br />

und die bei zu starker Krümmung starken Streuverlusten unterliegen.<br />

Gelingt es, Lichtführung und andere passive optische Elemente<br />

auf den Chips mit Hilfe <strong>photonische</strong>r <strong>Kristalle</strong> zu realisieren, wären sehr<br />

viel höhere Integrationsdichten zu erzielen.<br />

Im September meldete das japanische Unternehmen NEC, daß es in einer<br />

gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Optoelektronikern des Telekommunikationsriesen<br />

NTT unter der Leitung von Shojiro Kawakami von der<br />

Tohuku-Universität bereits gelungen ist, Prismen einer Größe von nur<br />

noch 10 bis 100µm herzustellen, die wie ein konventionelles Prisma die<br />

verschiedenen Wellenlängenanteile eines „weißen“ optischen Eingangssignals<br />

aufspalten und auf kleinstem Raum voneinander trennen können<br />

– nur sehr viel effektiver: Experimentell ließ sich bei einer Veränderung<br />

der Wellenlänge um ein Prozent von 1.000 auf 990 nm eine Richtungsänderung<br />

um 60 Prozent nachweisen. Dies ist etwa das hundertfache<br />

dessen, was bei gewöhnlichen Prismen aus Glas oder Silizium zu beobachten<br />

ist (Bild 6).<br />

Die Prismen selbst bestehen aus sechseckig-wabenförmigen Strukturen<br />

mit einer räumlichen Periodizität von 0,3 bis 0,4 µm, die aus alternierenden<br />

Schichten von SiO 2 mit niedrigem Brechungsindex und Si mit<br />

hohem Brechungsindex aufgebaut wurden. Sie eröffnen erstmals die<br />

Möglichkeit zur Large-Scale-Integration (LSI) von Add/Drop-Multiplexern<br />

in der WDM-Technik.<br />

Herkömmliches Prisma<br />

Photonischer Kristall<br />

Quelle: NEC<br />

©<br />

Bild 6: Das von NEC hergestellte „Super-Prisma“ aus einem <strong>photonische</strong>n<br />

Kristall erzeugt eine hundertfach stärkere wellenlängenabhängige<br />

Richtungsstreuung als ein konventionelles Prisma aus Glas oder<br />

Silizium. Diese Eigenschaft macht es sehr interessant für Add/Drop-<br />

Multiplexer in WDM-Übertragungssystemen<br />

„Um zu anderen Wellenlängen zu gelangen, müssen wir lediglich die<br />

Periode des Kristalls anpassen – bei 1.550 nm beispielsweise müßte die<br />

Kristallperiode um den Faktor 1,55 größer sein als in unserem Experiment,<br />

statt 0,3µm also 0,465µ“, erläutert Akihisa Tomita vom Forschungsinstitut<br />

für Optoelektronik- und Hochfrequenzkomponenten der<br />

NEC in Tsukuba. Was allerdings de Herstellung kompletter integrierter<br />

<strong>Bauelemente</strong> betrifft, gibt er sich keinen Illusionen hin: „Wir haben bisher<br />

nur den Effekt demonstriert. Wir hoffen, daß wir die ersten Prototypen<br />

von funktionsfähigen integrierten Schaltungen vielleicht in fünf Jahren<br />

herstellen können“.<br />

(WP)<br />

26<br />

98

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