Kunst und Bologna â eine Liaison dangereuse - Zürcher ...
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zett 4–08 11<br />
design<br />
art radio zurich<br />
nach new yorker<br />
vorbild<br />
Art Radio, ein Internetsender aus New York, der dem<br />
Museum of Modern Arts (MoMA) angegliedert ist,<br />
könnte zum Vorbild <strong>eine</strong>s projektierten Hochschulradios<br />
der ZHdK werden. Eine Fact-Finding-Mission<br />
in Tribeca im Sommer 2008 brachte erste fruchtbare<br />
Erkenntnisse. Martin Zimper*<br />
In kaum <strong>eine</strong>m amerikanischen Gebäude findet sich <strong>eine</strong> als<br />
„13. Stock“ bezeichnete Etage. Es könnte Unglück bringen, meint<br />
man dort abergläubisch in Hotels, Büros <strong>und</strong> Ämtern. Nicht so<br />
im „Historic Clocktower Building“ an der Leonard Street im New<br />
Yorker Viertel Tribeca, <strong>eine</strong>m „historical landmark“, das sofort<br />
<strong>und</strong> ohne Umbauten als perfekte Kulisse für <strong>eine</strong>n „Batman“-<br />
Film verwendet werden könnte: riesige Steinadler am Dach, daneben<br />
die historische Tower Clock aus dem Jahr 1897, die heute<br />
noch stündlich schlägt.<br />
Erster <strong>Kunst</strong>radiosender der Welt<br />
Ohne zu zögern – weil vom Aberglauben nicht gebeutelt –, betritt<br />
Jacqueline Otten den „13th floor“ des Gebäudes. Hier befindet<br />
sich das Studio von Art Radio P.S.1, das Ziel der Fact-Finding-<br />
Mission der Leiterin des Departements Design der Zürcher<br />
Hochschule der Künste. WPS1, wie der Sender korrekt bezeichnet<br />
wird, ist laut „Time Out New York“ „the world’s first art radio<br />
station“. 2004 als Internet-Radio unter der Adresse www.wps1.org<br />
gestartet, stellt der Sender <strong>Kunst</strong> <strong>und</strong> KünstlerInnen in den Mittelpunkt<br />
der Berichterstattung. Alanna Heiss, die Direktorin des<br />
„Contemporary Art Centers“ P.S.1 (ein Tochterunternehmen des<br />
MoMA), erfüllte sich damit <strong>eine</strong>n ihrer grössten Wünsche: „Ich<br />
wollte immer schon <strong>eine</strong> Radiostation betreiben. Das ist wie ein<br />
unsichtbarer Trakt unserer Institution, damit können wir <strong>Kunst</strong><br />
in <strong>eine</strong>n grösseren Zusammenhang stellen als nur in <strong>eine</strong>m Gebäude.“<br />
Geplant: ein „Sender der Künste“, zugeschnitten auf<br />
die ZHdK<br />
Jacqueline Otten ist in diesem Moment <strong>eine</strong> Art Alanna Heiss aus<br />
Zürich. Seit Jahren will die Zürcher Hochschule der Künste ein<br />
eigenes Radio auf die B<strong>eine</strong> stellen. Der Projektname „Campusradio“<br />
schwirrt schon länger durch die Gänge der Hochschule,<br />
nicht nur als Gerücht – das Projekt hat bereits <strong>eine</strong> eigene Kostenstelle.<br />
Die Hochschulleitung beauftragte 2008 auf Vorschlag<br />
von Jacqueline Otten Martin Zimper, Leiter der Studienvertiefung<br />
Cast, mit der Erstellung <strong>eine</strong>s Projektvorschlags. Zimper hat<br />
in Österreich in den letzten Jahren vier verschiedene Radiostationen<br />
entwickelt <strong>und</strong> aufgebaut.<br />
Jacqueline Otten: „Viele Universitäten haben ein eigenes Campusradio.<br />
Was wir in Zürich brauchen, ist nicht ‚more of the<br />
same’, sondern <strong>eine</strong> eigenständige Idee, die zum Charakter unserer<br />
Hochschule passt.“ So entstand die Idee, der Hochschule<br />
der Künste <strong>eine</strong>n eigenen Sender der Künste zur Seite zu stellen.<br />
Die entsprechende Internet-Domain wurde bereits gesichert. Auf<br />
der Suche nach internationalen Vorbildern für diese Idee landete<br />
das Duo Otten <strong>und</strong> Zimper aus dem Departement Design beim<br />
Vorzeigeprojekt Art Radio in New York.<br />
Informative Stippvisite<br />
Es ist Freitag, 24. August 2008. David Weinstein, der Programmdirektor<br />
von WPS1, begrüsst die beiden Entsandten aus Zürich. Ein<br />
Grossteil des Teams ist ebenfalls gekommen, um den Besuch aus<br />
der Schweiz kennenzulernen. David Weinstein: „Wir haben ein<br />
kl<strong>eine</strong>s Kernteam, arbeiten auch mit vielen ehrenamtlichen Studierenden,<br />
die Beiträge <strong>und</strong> Sendungen gestalten, aber auch als<br />
DJs auflegen.“ WPS1 sendet <strong>eine</strong>n Livestream, der wöchentlich<br />
geändert wird <strong>und</strong> ein zwölfstündiges durchgehendes Programm<br />
bietet, sowie „programs on demand“, <strong>eine</strong> Art Audio-Archiv auf<br />
der Website des Senders, voll von erstaunlichen Audiofiles. William<br />
Burroughs liest beispielsweise „Naked Lunch“, Marcel Duchamp<br />
diskutiert <strong>und</strong> Walt Disney spricht. Station Manager Jeannie<br />
Hopper: „Natürlich spiegeln wir auch das aktuelle Geschehen<br />
am MoMA <strong>und</strong> bei P.S.1 wider. Wir machen zum Beispiel sehr<br />
lange, ausführliche Interviews mit Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstlern.<br />
Ich habe den Eindruck, bei uns sagen sie wirklich die Wahrheit.“<br />
Jeannie Hopper arbeitet in New York auch als DJ (www.liquidso<strong>und</strong>lounge.com)<br />
<strong>und</strong> kümmert sich um Kooperationen des<br />
Internetsenders wie jene mit der Art Basel Miami. WPS1 sendete<br />
Interviews, Impressionen <strong>und</strong> DJ-Mixes live aus Miami. Er ist<br />
mittlerweile zu <strong>eine</strong>m Sender mit internationaler Hörerschaft<br />
geworden. David Weinstein: „Die Hälfte unserer Hörerinnen<br />
<strong>und</strong> Hörer haben IP-Adressen ausserhalb von Amerika.“ Die laufenden<br />
Kosten werden vom MoMA getragen, die Anschubfinanzierung<br />
für die ersten drei Jahre kam vom Sponsor Bloomberg.<br />
Jacqueline Otten: „Bei WPS1 sieht man, dass ein kl<strong>eine</strong>s Team<br />
mit einfachen Mitteln ein regelmässiges Art-Radioprogramm<br />
produzieren kann. Der Besuch war sehr inspirierend für unsere<br />
Überlegungen in Zürich im Zusammenhang mit dem Sender der<br />
Künste.“ Ein Z-Modul („Radio der Künste“, D019) widmet sich<br />
übrigens dem Thema. Über weitere Schritte <strong>und</strong> Beschlüsse der<br />
Hochschulleitung wird via „Zett“ <strong>und</strong> andere Kanäle informiert.<br />
Der Besuch im 13. Stock war schon mal ein glücklicher Anfang.<br />
* Dr. Martin Zimper ist Leiter der Vertiefung Cast im Departement Design<br />
(martin.zimper@zhdk.ch).