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The truth may be bitter, but it must be told « - Pro Asyl

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»<strong>The</strong> <strong>truth</strong> <strong>may</strong> <strong>be</strong> <strong>b<strong>it</strong>ter</strong>, <strong>but</strong> <strong>it</strong> <strong>must</strong> <strong>be</strong> <strong>told</strong>«<br />

Annex 2: Abschiebungen von Deutschland<br />

nach Griechenland – einige exemplarische Fälle<br />

Von Haft und Misshandlungen in Griechenland <strong>be</strong>richten<br />

Flüchtlinge, denen die We<strong>it</strong>erreise nach Deutschland<br />

gelungen ist. Sie erzählen davon, dass sie von Griechenland<br />

in die Türkei abgescho<strong>be</strong>n worden sind, obwohl<br />

sie in Griechenland einen <strong>Asyl</strong>antrag stellen wollten. Viele<br />

Flüchtlinge ge<strong>be</strong>n an, dass sie in Griechenland inhaftiert<br />

worden sind – darunter auch Minderjährige.<br />

Gelingt es den Flüchtlingen, von Griechenland nach<br />

Deutschland we<strong>it</strong>erzureisen, droht ihnen aufgrund der<br />

Dublin II-Verordnung dennoch, alsbald wieder nach Griechenland<br />

abgescho<strong>be</strong>n zu werden. Nach dieser EU-Verordnung<br />

wird <strong>be</strong>stimmt, welcher M<strong>it</strong>gliedstaat der EU für<br />

die Durchführung des <strong>Asyl</strong>verfahrens zuständig ist. Zuständig<br />

ist in der Regel der Staat, durch den der Flüchtling<br />

in die EU eingereist ist. Deswegen wird vielen Flüchtlingen<br />

in Deutschland vorgehalten, sie müssten wegen<br />

ihres Reiseweges zurück nach Griechenland. Dass in<br />

Griechenland kein faires <strong>Asyl</strong>verfahren existiert, die sozialen<br />

Aufnahmestandards katastrophal sind und deswegen<br />

die Abschiebung dorthin unzumutbar ist, wird <strong>be</strong>i den<br />

Entscheidungen in Deutschland in der Regel ignoriert.<br />

Andere M<strong>it</strong>gliedstaaten der EU ha<strong>be</strong>n eine Abschiebung<br />

nach Griechenland in den letzten Jahren grundsätzlich<br />

als unzulässig angesehen, gerade weil keine Durchführung<br />

des <strong>Asyl</strong>verfahrens gesichert sei. Erst als die EU-<br />

Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingele<strong>it</strong>et<br />

hat, hat Griechenland im Novem<strong>be</strong>r 2006 zugesagt, die<br />

zurückgeführten <strong>Asyl</strong><strong>be</strong>wer<strong>be</strong>r wieder ins <strong>Asyl</strong>verfahren<br />

zu lassen. Nach den jüngsten Berichten von Flüchtlingen<br />

ist es jedoch mehr als fraglich, ob dieses Versprechen in<br />

der Praxis eingehalten wird.<br />

Im Folgenden werden Fluchtgeschichten dokumentiert,<br />

die Flüchtlinge in Deutschland PRO ASYL geschildert ha<strong>be</strong>n.<br />

Bei allen Flüchtlingen führte ihr Weg durch Griechenland.<br />

Nur durch den engagierten Einsatz von Anwältinnen<br />

und Anwälten sowie Flüchtlingsorganisationen konnte in<br />

Einzelfällen die Abschiebung nach Griechenland verhindert<br />

werden.<br />

Der 15-jährige H. aus dem Irak<br />

Die Eltern des 15-jährigen Irakers H. kommen <strong>be</strong>i einem<br />

Bom<strong>be</strong>nattentat in Kirkuk ums Le<strong>be</strong>n. H. lebt zunächst<br />

<strong>be</strong>i seiner Schwester; nachdem diese heiratet, wird ihm<br />

nahegelegt, deren Haushalt zu verlassen. Er kommt in<br />

einem Kinderheim unter, wo er nach eigenen Anga<strong>be</strong>n<br />

schlimme Erfahrungen macht. Vor dem Laden, in dem er<br />

ar<strong>be</strong><strong>it</strong>et, töten Terroristen zwei Personen, sein Chef wird<br />

als Tatverdächtiger festgenommen. Sein Schwager sagt<br />

ihm, es sei zu gefährlich für ihn, er müsse das Land<br />

verlassen. Er entschließt sich zur Flucht. Sein Ziel ist<br />

Deutschland, hier lebt ein Onkel. Ü<strong>be</strong>r die Türkei kommt<br />

er nach Griechenland, wo er aufgegriffen wird. Von dort<br />

flieht er we<strong>it</strong>er nach Deutschland und stellt einen <strong>Asyl</strong>antrag.<br />

Das Bundesamt lehnt seinen <strong>Asyl</strong>antrag ab und<br />

ordnet die Abschiebung nach Griechenland an. H., der<br />

einen Alpha<strong>be</strong>tisierungskurs macht sowie Sprachunterricht<br />

nimmt, isst kaum noch und hat Albträume, se<strong>it</strong> er<br />

von der drohenden Abschiebung nach Griechenland weiß.<br />

Er äußert mehrfach, er werde sich etwas antun. Wegen<br />

Suizidgefahr wird er in der geschlossenen Jugendpsychiatrie<br />

stationär aufgenommen. Eine Unterstützergruppe<br />

stellt für ihn eine Pet<strong>it</strong>ion <strong>be</strong>im Pet<strong>it</strong>ionsausschusses<br />

eines Landesparlamentes, da ein Herausreißen aus seinem<br />

sozialen Umfeld und die Trennung von seinem Onkel<br />

schwerwiegende Folgen für H. hätte. Auch die Ärzte der<br />

Jugendpsychiatrie gehen von einer Zusp<strong>it</strong>zung der <strong>Pro</strong>blematik<br />

<strong>be</strong>i einer Abschiebung nach Griechenland aus und<br />

halten eine jugendpsychiatrische/psychotherapeutische<br />

Betreuung des Jungen für angezeigt. Eine Rechtsanwältin<br />

aus Griechenland <strong>be</strong>stätigt, dass es dort kein staatliches<br />

Schutzprogramm für Minderjährige gibt. Eine we<strong>it</strong>ere<br />

Pet<strong>it</strong>ion wird <strong>be</strong>im Bundestag gestellt und vom Jugendamt<br />

unterstützt. Das Jugendamt b<strong>it</strong>tet das Bundesamt in<br />

einem Schrei<strong>be</strong>n um Ausübung des Selbsteintr<strong>it</strong>tsrechts,<br />

da H. sehr verzweifelt sei, se<strong>it</strong> er von der drohenden Abschiebung<br />

nach Griechenland weiß. Zudem lasse sein<br />

Verhalten darauf schließen, dass er noch minderjährig<br />

ist. Dies wird jedoch vom Bundesamt <strong>be</strong>zweifelt, da sein<br />

Geburtsjahr in Griechenland m<strong>it</strong> 1985 angege<strong>be</strong>n wurde.<br />

Sein kogn<strong>it</strong>iver Reifezustand grenze an den einer geistigen<br />

Behinderung. H. sei retraumatisiert und akut suizidal.<br />

PRO ASYL nimmt sich des Falles an, interveniert<br />

<strong>be</strong>im Bundesamt und nimmt Kontakt zum Pet<strong>it</strong>ionsausschuss<br />

des Deutschen Bundestages auf. Die Abschie-<br />

38 Annex 2: Abschiebungen von Deutschland nach Griechenland

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