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The truth may be bitter, but it must be told « - Pro Asyl

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»<strong>The</strong> <strong>truth</strong> <strong>may</strong> <strong>be</strong> <strong>b<strong>it</strong>ter</strong>, <strong>but</strong> <strong>it</strong> <strong>must</strong> <strong>be</strong> <strong>told</strong>«<br />

Wir waren alle völlig geschockt. Wir konnten nicht<br />

glau<strong>be</strong>n, was hier passierte.<br />

Wie ich erst später erfuhr, wurde der größte Teil der<br />

Gruppe <strong>be</strong>re<strong>it</strong>s geschlagen und zwar unm<strong>it</strong>telbar nach<br />

Ankunft auf dem großen Schiff. Die Polizisten nahmen<br />

ihnen Mobiltelefone und ihre Gürtel ab.<br />

Als wir im Hafen von Chios ankamen, wurde mir m<strong>it</strong>geteilt,<br />

dass ich der zuständige Dolmetscher für die Registrierung<br />

der Leute sein werde.<br />

<strong>Pro</strong>tokoll des Gesprächs m<strong>it</strong> A., 29 Jahre,<br />

Palästinenser aus dem Libanon<br />

(Rippenbruch <strong>be</strong>i der Festnahme durch die coast guard),<br />

aufgezeichnet von Elias Bierdel in Samos am 8. August<br />

2007, inhaltsgleich m<strong>it</strong> den Gesprächsaufzeichnungen<br />

von Rechtsanwältin Marianna Tzeferakou (Athen) und<br />

Karl Kopp (Frankfurt) vom M<strong>it</strong>twoch, den 18. Juli und<br />

Donnerstag, den 19. Juli 2007 im Haftlager Samos<br />

Wir waren eine Gruppe von 22 Leuten. Die griechische<br />

Küstenwache kam, als wir m<strong>it</strong>ten auf dem Meer waren.<br />

Man hat uns an Bord gezogen, so einen nach dem anderen.<br />

Zuerst einen 17-Jährigen. Der hieß M. F. Sie ha<strong>be</strong>n<br />

ihn gleich verprügelt. Die anderen ha<strong>be</strong>n Angst gekriegt<br />

und sind ins Wasser gesprungen. Dann ha<strong>be</strong>n sie uns<br />

rausgezogen und schon ging es los m<strong>it</strong> den Schlägen<br />

und Schüssen … mich ha<strong>be</strong>n sie zusammengeschlagen,<br />

da<strong>be</strong>i ist eine Rippe gebrochen. Wir mussten uns flach<br />

hinlegen, dann sind sie auf uns draufgestiegen. Das ist<br />

alles auf dem Boot der Küstenwache passiert. Kaum<br />

waren wir an Bord, ha<strong>be</strong>n sie uns schon herumgeschubst<br />

und geschlagen. »Einer von Euch ist der Kap<strong>it</strong>än«, ha<strong>be</strong>n<br />

sie gesagt. A<strong>be</strong>r das stimmte gar nicht. Der hatte genauso<br />

für die Ü<strong>be</strong>rfahrt <strong>be</strong>zahlt wie wir alle.<br />

»Nein«, ha<strong>be</strong>n die gesagt, »der da! Das ist der Schlepper,<br />

der die Leute hier ins Land bringt!« Den ha<strong>be</strong>n sie<br />

(später) ins Gefängnis gesteckt, für 7 Jahre, glau<strong>be</strong> ich.<br />

Der mich geschlagen hat, das war so ein großer,<br />

muskel<strong>be</strong>packter Kerl – sehr stark, m<strong>it</strong> etwas längerem<br />

Haar.<br />

Er hatte genauso eine Uniform wie die anderen, eine<br />

dunkelblaue. Es waren vier Mann Besatzung auf dem<br />

Boot. Sie waren <strong>be</strong>waffnet. Die ha<strong>be</strong>n die Waffen entsichert<br />

und dann in die Luft geschossen. Dann wurde<br />

uns der heiße Lauf in den Rücken gedrückt. … das hat<br />

gezischt, unsere Kleider waren ja nass.<br />

Im Hafen ha<strong>be</strong>n sie uns dann einzeln von Bord geholt<br />

und in das Gebäude der Küstenwache gebracht. Den<br />

Typ, der mich geschlagen hat … auch noch nach hundert<br />

Jahren, den werde ich immer wieder erkennen.<br />

Nur wir zwei wurden so schwer verletzt: Ich und der<br />

»Kap<strong>it</strong>än«, dem ha<strong>be</strong>n sie m<strong>it</strong> den Stiefeln ins Gesicht<br />

getreten, bis er nicht mehr wiederzuerkennen war.<br />

Am zwe<strong>it</strong>en Tag wollte ich ins Krankenhaus gebracht<br />

werden, zur Untersuchung. Und ich ha<strong>be</strong> gesagt, dass ich<br />

so heftig verprügelt worden bin. A<strong>be</strong>r die Ärztin im Camp<br />

hat mich nicht gelassen. Das ha<strong>be</strong> sie nicht zu entscheiden,<br />

hat sie gesagt. Und dann hat sie mir e<strong>be</strong>n Schmerztabletten<br />

gege<strong>be</strong>n, 10 Tage lang. A<strong>be</strong>r die ganze Ze<strong>it</strong><br />

ü<strong>be</strong>r ha<strong>be</strong> ich Blut gehustet.<br />

Am 11. Tag hatte ich so starke Schmerzen, da bin<br />

ich wieder zur Ärztin gegangen … sie hat mir wieder<br />

Schmerzm<strong>it</strong>tel gege<strong>be</strong>n. Ich wollte ins Krankenhaus,<br />

ich wollte das auch m<strong>it</strong> meinem eigenen Geld <strong>be</strong>zahlen,<br />

a<strong>be</strong>r die hat mich nicht gelassen.<br />

Am 25. Tag war dann Marianna da (gemeint ist Rechtsanwältin<br />

Marianna Tzeferakou) aus Athen, die hat es<br />

geschafft, dass ich doch noch ins Krankenhaus durfte.<br />

Dort wurden auch Röntgenaufnahmen gemacht, a<strong>be</strong>r<br />

man hat mir die Bilder nicht gege<strong>be</strong>n.<br />

27 Tage lang ha<strong>be</strong> ich Blut gespuckt, jeden Morgen.<br />

Eine Woche lang ha<strong>be</strong>n sie mich im Krankenhaus <strong>be</strong>halten<br />

– dann bin ich wieder ins Lager gekommen. 92 Tage<br />

lang war ich insgesamt eingesperrt – am Montag, den<br />

6. August 2007 bin ich rausgekommen.<br />

Ich bin aus dem Libanon hierher gekommen, um mein<br />

Le<strong>be</strong>n zu retten. Jetzt möchte ich hier blei<strong>be</strong>n und in Freihe<strong>it</strong><br />

le<strong>be</strong>n – ohne jemanden zu stören und ohne von anderen<br />

gestört zu werden.<br />

Ich bin verheiratet – ich ha<strong>be</strong> meine Frau zurückgelassen<br />

und drei Kinder. Wir telefonieren jeden Tag. Die S<strong>it</strong>uation<br />

zuhause ist katastrophal. Unser Haus ist zerstört, auch<br />

das Haus meines Vaters. M<strong>it</strong> Raketen zerschossen, von<br />

der Armee. Früher ging es uns gut, wir hatten ein Geschäft,<br />

wir ha<strong>be</strong>n gut gear<strong>be</strong><strong>it</strong>et. Ich will jetzt in Europa<br />

neu anfangen. Ich werde ar<strong>be</strong><strong>it</strong>en und dann meine Familie<br />

nachholen, denn die ist in großer Gefahr.<br />

Gespräch m<strong>it</strong> einem Offizier zu Einsätzen<br />

seines Patrouillenbootes:<br />

Frage: Was ist der Befehl, wenn ein Boot gesichtet ist<br />

Antwort des Offiziers: »Schickt sie zurück! Wenn es in der<br />

Nähe der Seegrenze ist, dann werden die Boote aufgefordert,<br />

zurückzufahren. Notfalls ziehen wir sie m<strong>it</strong> einem<br />

Seil rü<strong>be</strong>r. … Nachts ist es so, wenn wir sie kurz vor unserer<br />

Küste finden, und sie zerschneiden nicht ihr Boot,<br />

dann bringen wir sie manchmal zurück. A<strong>be</strong>r manchmal<br />

kommen sie auch tagsü<strong>be</strong>r hier an. Und wenn sie dann<br />

ihr Boot nicht unbrauchbar machen – das ist dann ihr<br />

Annex 1: Gesprächsauszüge 35

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