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The truth may be bitter, but it must be told « - Pro Asyl

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»<strong>The</strong> <strong>truth</strong> <strong>may</strong> <strong>be</strong> <strong>b<strong>it</strong>ter</strong>, <strong>but</strong> <strong>it</strong> <strong>must</strong> <strong>be</strong> <strong>told</strong>«<br />

dann packen wir sie wieder in ihr Boot und bringen sie<br />

zurück an die türkische Küste oder auf eine un<strong>be</strong>wohnte<br />

Insel. Das ist natürlich nicht offiziell, die Türken dürfen<br />

das nicht merken. Also entweder ziehen wir sie in ihrem<br />

eigenen Boot, oder wir nehmen die Leute und ihr Boot<br />

an Bord unseres Patrouillenschiffs, das geht schneller,<br />

dann fahren wir in die türkischen Gewässer, setzen das<br />

Boot aus und setzen die Leute da rein.«<br />

Auch Küstenwacht-Chef Mikromastoras <strong>be</strong>stätigt, dass<br />

heimlich Flüchtlinge an die türkische Küste zurückgebracht<br />

werden, selbst wenn sie <strong>be</strong>re<strong>it</strong>s griechischen<br />

Boden <strong>be</strong>treten hatten: »… manchmal, wenn wir sie an<br />

Land finden, an der Küste, dann sammeln wir sie ein<br />

und fahren sie zurück!«<br />

Wegen der pol<strong>it</strong>isch angespannten Lage im Grenzgebiet<br />

gilt eine große Sorge der Behörden den Begegnungen<br />

m<strong>it</strong> der türkischen Küstenwache oder Marine. Aus<br />

diesem Grund, so Mikromastoras, halte sich das griechische<br />

Mil<strong>it</strong>är im Grenzgebiet we<strong>it</strong>gehend heraus: »Das<br />

Mil<strong>it</strong>är möchte das vermeiden. Denn sie sagen: wenn wir<br />

in solche Sachen verwickelt werden, dann provozieren<br />

wir dam<strong>it</strong> vielleicht einen Krieg. Ein Krieg könnte durch<br />

so was ausgelöst werden! Und das wollen sie e<strong>be</strong>n verhindern.<br />

A<strong>be</strong>r die Geheimdienste sind <strong>be</strong>teiligt.« 15<br />

nach Lesbos zu kommen, weil die türkische Küstenwache<br />

sie entdeckt hat und dann unsere Leute jagt,«<br />

so N.<br />

»Alle sind informiert, a<strong>be</strong>r nicht ü<strong>be</strong>r Funk! Wir <strong>be</strong>nutzen<br />

das Mobil-Telefon«. Auch die (mündliche) Anweisung an<br />

die Besatzungen der griechischen Küstenwachtkreuzer,<br />

nachts ohne Pos<strong>it</strong>ionslichter auszulaufen, steht offenbar<br />

im Zusammenhang m<strong>it</strong> dem allnächtlichen, türkisch-griechischen<br />

Kleinkrieg. »Die Türken sollen nicht sehen, wie<br />

wir uns <strong>be</strong>wegen!«, sagt ein Offizier, denn »das ist hier<br />

immer noch wie im kalten Krieg, zwischen uns und der<br />

türkischen Küstenwache«.<br />

Ein Krieg, <strong>be</strong>i dem Flüchtlinge und Migranten leicht<br />

zwischen die Fronten geraten können, wie die Rechtsanwältin<br />

Natassa Strachini <strong>be</strong>fürchtet. Und die Verantwortlichke<strong>it</strong>en<br />

lassen sich da<strong>be</strong>i kaum mehr erm<strong>it</strong>teln: »Alles<br />

spielt sich in der Nacht ab. Wer will da schon sagen,<br />

wo genau die Seegrenze verläuft (…) Das ist so eine Art<br />

Pingpong-Spiel: Die Griechen schicken das Flüchtlingsboot<br />

rü<strong>be</strong>r in die Türkei und die Türken schicken das<br />

Boot wieder auf die griechische Se<strong>it</strong>e … und da<strong>be</strong>i ster<strong>be</strong>n<br />

Menschen, Schiffe gehen zu Bruch und so we<strong>it</strong>er«.<br />

Der Auftrag an die Einhe<strong>it</strong>en der Küstenwache lautet,<br />

die Flüchtlingsboote zu stoppen und zur Umkehr zu <strong>be</strong>wegen.<br />

Während es in aller Regel technisch keine großen<br />

Schwierigke<strong>it</strong>en <strong>be</strong>re<strong>it</strong>et, ein Flüchtlingsboot anzuhalten<br />

– notfalls werden Netze oder Leinen in den <strong>Pro</strong>peller geworfen<br />

– ist der zwe<strong>it</strong>e Teil des Auftrags sehr viel schwieriger<br />

zu erfüllen: »Wenn es in der Nähe der Seegrenze ist,<br />

dann werden die Boote aufgefordert, zurückzufahren«,<br />

schildert ein Offizier die nächtliche Praxis. »Notfalls ziehen<br />

wir sie m<strong>it</strong> einem Seil rü<strong>be</strong>r. A<strong>be</strong>r da wartet schon<br />

die türkische Küstenwache, das ist das <strong>Pro</strong>blem.«<br />

Denn wegen der <strong>be</strong>sonderen pol<strong>it</strong>ischen Gege<strong>be</strong>nhe<strong>it</strong>en<br />

gibt es keinerlei Koordination oder gar gemeinsame<br />

Rettungsaktionen im Grenzgebiet. Im Gegenteil: Sollte<br />

ein griechisches Patrouillenschiff, die Flüchtlinge im<br />

Schlepp, die Seegrenze ü<strong>be</strong>rfahren, droht die Konfrontation<br />

m<strong>it</strong> türkischen Einhe<strong>it</strong>en. So schildert Offizier<br />

N. das Verhalten der türkischen gegenü<strong>be</strong>r der griechischen<br />

Küstenwache: »Manchmal kommen sie auf uns<br />

zugefahren, m<strong>it</strong> gezogenen Waffen und fahren Kreise<br />

um unsere Lambros herum, um uns Angst zu machen.«<br />

Auch die Kommandos der Spezialeinhe<strong>it</strong>en, »die manchmal<br />

auch Leute direkt bis an die türkische Küste zurückbringen«,<br />

geraten häufiger ins Visier der türkischen<br />

»Kollegen«. »Manchmal ha<strong>be</strong>n die dann <strong>Pro</strong>bleme, wieder<br />

Die toten Flüchtlinge von M<strong>it</strong>ilini<br />

In einer abgelegenen Ecke des Friedhofs in M<strong>it</strong>ilini liegt<br />

die letzte Ruhestätte von Rahim Sarvari, einem Flüchtling<br />

aus Afghanistan. Sein Grabstein trägt die Inschrift<br />

»No 1, 21–10–2006«. Der dreißigjährige Mann ertrank<br />

auf dem Weg nach Europa. Er gehört zu den wenigen<br />

Toten auf dem St. Panteleimon Friedhof in M<strong>it</strong>ilini, dessen<br />

Ident<strong>it</strong>ät festgestellt werden konnte. Sarvaris Körper<br />

wurde identifiziert durch Familienangehörige. Versuche,<br />

ihn nach Afghanistan zu ü<strong>be</strong>rführen, sche<strong>it</strong>erten an<br />

den bürokratischen Hürden in Griechenland. Das zwe<strong>it</strong>e<br />

Grab m<strong>it</strong> der Aufschrift »No 2« ist die Ruhestätte eines<br />

Afghanen, der m<strong>it</strong> Sarvari ertrank. Ihr Boot sank an<br />

der Nordost-Küste von Lesbos. Ganz in der Nähe liegen<br />

namenlos kurdische Kinder <strong>be</strong>gra<strong>be</strong>n. Sie star<strong>be</strong>n im<br />

Jahr 2004 <strong>be</strong>i einem Schiffsunglück, ihre Mutter und drei<br />

Geschwister ü<strong>be</strong>rlebten. Die Leichen der Kinder wurden<br />

an der Küste gefunden. Sie trugen noch Rettungswesten.<br />

Se<strong>it</strong> 2002 wurden zwischen 40 und 60 Flüchtlinge und<br />

Migranten im St. Panteleimon <strong>be</strong>gra<strong>be</strong>n. Am Samstag,<br />

den 23. Septem<strong>be</strong>r 2007 wurden die Körper zweier<br />

minderjähriger Jungen aus Afghanistan an der Küste<br />

von Lesbos geborgen. Begräbnisse für die un<strong>be</strong>kannten<br />

Systematische Menschenrechtsverletzungen: die Methoden der griechischen Küstenwache 15

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