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Hape Kerkeling, Ich bin dann mal weg - Pilgern.ch

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<strong>Hape</strong> <strong>Kerkeling</strong><br />

<strong>I<strong>ch</strong></strong> <strong>bin</strong> <strong>dann</strong> <strong>mal</strong> <strong>weg</strong>. Meine Reise auf dem Jakobs<strong>weg</strong>.<br />

346 Seiten. Malik-Verlag.<br />

Bu<strong>ch</strong>bespre<strong>ch</strong>ung<br />

<strong>I<strong>ch</strong></strong> muss gestehen, dass mir der Name ‚<strong>Kerkeling</strong>’ bis diesen Sommer ni<strong>ch</strong>t<br />

begegnet ist. Auf dem Jakobs<strong>weg</strong> in Spanien <strong>dann</strong> traf i<strong>ch</strong> Leute, die aufgeregt über<br />

dieses Bu<strong>ch</strong> diskutierten. In Interneteinträgen von Pilgerseiten wurde über das Bu<strong>ch</strong><br />

ges<strong>ch</strong>impft, auf der Hitliste der Bü<strong>ch</strong>er stand es zuoberst.<br />

So kaufte i<strong>ch</strong> mir dieses Bu<strong>ch</strong> ebenfalls, da i<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> gerne mitreden und<br />

mitdenken mö<strong>ch</strong>te.<br />

Vorerst: Jede Pilgerin, jeder Pilger, die oder der ein paar Wo<strong>ch</strong>en auf dem<br />

Jakobs<strong>weg</strong> gepilgert ist, könnte inhaltli<strong>ch</strong> ein ebenso Gutes und spannendes Bu<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>reiben. Was eine Shirley Mc Laine, was ein Coelho, was ein <strong>Kerkeling</strong> erlebt und<br />

bes<strong>ch</strong>reibt ist ni<strong>ch</strong>ts anders, als was au<strong>ch</strong> ein Herr Müller oder eine Frau Meier auf<br />

dem Jakobs<strong>weg</strong> erlebt. Es kann also ni<strong>ch</strong>t am Inhalt liegen, sondern an der Art, wie<br />

der Inhalt präsentiert wird. Und am Überras<strong>ch</strong>ungseffekt, dass eine prominente<br />

Person auf die Idee kommt, statt auf Mallorca seine Auszeit auf dem Jakobs<strong>weg</strong> mit<br />

<strong>Pilgern</strong> zu verbringen.<br />

Es gibt in der Zwis<strong>ch</strong>enzeit – i<strong>ch</strong> verfolge die Bu<strong>ch</strong>ausgaben zum Jakobs<strong>weg</strong> seit gut<br />

20 Jahren – eine Unmenge von sehr guten, guten und langweiligen Pilgerberi<strong>ch</strong>ten<br />

über den Jakobs<strong>weg</strong>. <strong>I<strong>ch</strong></strong> würde diesem Bu<strong>ch</strong> im ersten Teil die Note gut, im zweiten<br />

Teil die Note sehr gut geben.<br />

Es ist mir s<strong>ch</strong>on länger klar, dass jede Pilgerin, jeder Pilger seinen persönli<strong>ch</strong>en<br />

Jakobs<strong>weg</strong> geht – so persönli<strong>ch</strong> wie eben die vers<strong>ch</strong>iedenen Persönli<strong>ch</strong>keiten sind.<br />

Es ist von mir aus gerade ein Kennzei<strong>ch</strong>en des Jakobs<strong>weg</strong>es, dass er dieses<br />

Persönli<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t einebnet, sondern leben lässt. Es gibt zum Glück keine Pilger-<br />

Dogmen – obwohl etli<strong>ch</strong>e Leute si<strong>ch</strong> selber sol<strong>ch</strong>e kreieren. Z.B. mit der Frage: was<br />

ist ein ri<strong>ch</strong>tiger Pilger oder mit der Art des <strong>Pilgern</strong>s: man fährt ni<strong>ch</strong>t Bus, man muss<br />

au<strong>ch</strong> <strong>mal</strong> leiden (Blasen gehören fast obligatoris<strong>ch</strong> dazu, meinen einige). usw...<br />

<strong>Kerkeling</strong> wird gerade diejenigen aufregen, die gerne sol<strong>ch</strong>e Dogmen formulieren.<br />

Was finde i<strong>ch</strong> nun gut an diesem Bu<strong>ch</strong>: immer wieder musste i<strong>ch</strong> beim Lesen des<br />

Bu<strong>ch</strong>es la<strong>ch</strong>en. Humorvolle Einfälle und Überlegungen zum <strong>Pilgern</strong> würzen dieses<br />

Bu<strong>ch</strong> und damit die Pilgerreise. Es gibt immer wieder <strong>mal</strong> das kurze Aufleu<strong>ch</strong>ten<br />

eines philosophis<strong>ch</strong>en oder religiösen Gedankenganges. Was dieser Jakobs<strong>weg</strong><br />

den darauf pilgernden Mens<strong>ch</strong>en für Fragen stellt, fasziniert mi<strong>ch</strong> seit langem. So<br />

stellt <strong>Kerkeling</strong> seinem Bu<strong>ch</strong> den Ausspru<strong>ch</strong> voran: ‚Der Weg stellt jedem nur eine<br />

Frage: „Wer bist du“’<br />

Na<strong>ch</strong> jedem Tag formuliert <strong>Kerkeling</strong> eine Tageserkenntnis. Zum Beispiel: „i<strong>ch</strong> werde<br />

meinem S<strong>ch</strong>atten begegnen“. Natürli<strong>ch</strong> sind all diese Erkenntnisse ni<strong>ch</strong>t neu. Es gibt<br />

darüber s<strong>ch</strong>on viele Gutes in Literatur, Kunst und Kino. Offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> vermag der<br />

Jakobs<strong>weg</strong> uns heutigen Mens<strong>ch</strong>en auf Dinge aufmerksam zu ma<strong>ch</strong>en, die wir sonst<br />

s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t<strong>weg</strong> übersehen, überhören, überrennen.


Dies arbeitet <strong>Kerkeling</strong> dur<strong>ch</strong> seine Tagebu<strong>ch</strong>notizen gut heraus. Überhaupt<br />

wundere i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong>, was er alles im Detail zu bes<strong>ch</strong>reiben vermag: Begegnungen,<br />

Gesprä<strong>ch</strong>e, Gedankengänge.<br />

Wo habe i<strong>ch</strong> Mühe mit dem Bu<strong>ch</strong>: wie au<strong>ch</strong> bei anderen Pilgerberi<strong>ch</strong>ten <strong>bin</strong> i<strong>ch</strong><br />

erstaunt, was da alles an Mühsal und S<strong>ch</strong>wierigkeiten ausgegeben wird. Ist es<br />

wirkli<strong>ch</strong> so s<strong>ch</strong>limm, <strong>mal</strong> ein paar Stunden gerade aus zu gehen ohne S<strong>ch</strong>atten,<br />

ohne Brunnen mit viel Sonne Ist es wirkli<strong>ch</strong> so s<strong>ch</strong>limm, in einer Pilgerherberge zu<br />

s<strong>ch</strong>lafen, wo no<strong>ch</strong> andere Pilgerinnen und Pilger s<strong>ch</strong>lummern und s<strong>ch</strong>nar<strong>ch</strong>en Hier<br />

entwickelt <strong>Kerkeling</strong> man<strong>ch</strong><strong>mal</strong> ein Pathos, das mi<strong>ch</strong> zum S<strong>ch</strong>munzeln bra<strong>ch</strong>te. Fast<br />

mit Märtyrer-Spra<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>ildert er für mi<strong>ch</strong> ganz gewöhnli<strong>ch</strong>e Pilgererlebnisse. Na<strong>ch</strong><br />

nur einer Na<strong>ch</strong>t in einer Pilgerherberge s<strong>ch</strong>wört er nur no<strong>ch</strong> auf Hotels und<br />

Pensionen. Aber au<strong>ch</strong> dort muss er immer wieder jammern, weil die Wände ni<strong>ch</strong>t<br />

s<strong>ch</strong>alldi<strong>ch</strong>t sind, weil das Morgenessen ni<strong>ch</strong>t wie zuhause ist. <strong>I<strong>ch</strong></strong> kann dies ni<strong>ch</strong>t<br />

wirkli<strong>ch</strong> verstehen, weil i<strong>ch</strong> diesen Sommer die glei<strong>ch</strong>e Strecke gepilgert <strong>bin</strong> und mir<br />

immer wieder in Pilgerherbergen fürstli<strong>ch</strong> aufgenommen vorkam, sei es in<br />

S<strong>ch</strong>lafräumen oder beim vorgesetzten Essen.<br />

Aber eigentli<strong>ch</strong> ist dies ni<strong>ch</strong>t eine Aussage über das Bu<strong>ch</strong>, sondern über die Art des<br />

<strong>Pilgern</strong>s. Und die ist – siehe oben – eben von Person zu Person vers<strong>ch</strong>ieden.<br />

Eigentli<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> dieses Bu<strong>ch</strong> ein neuer Beweis dafür, dass der Jakobs<strong>weg</strong> seit<br />

über 1000 Jahren mit jedem Mens<strong>ch</strong>en etwas ma<strong>ch</strong>t, das er zuhause ni<strong>ch</strong>t wissen<br />

kann. Leute, die aus rein sportli<strong>ch</strong>em Interesse auf den Weg gehen, entdecken in<br />

si<strong>ch</strong> plötzli<strong>ch</strong> spirituelle Interessen. Leute, denen der Alltag die ganze Zeit mit<br />

Terminen stiehlt, entdecken die Freiheit, ganz im Moment leben zu dürfen und au<strong>ch</strong><br />

zu können. Leute, die Kir<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t <strong>mal</strong> mehr von aussen wahrnehmen, finden si<strong>ch</strong><br />

plötzli<strong>ch</strong> immer wieder innerhalb dieser Gebäude und sind fasziniert von der Spra<strong>ch</strong>e<br />

ihrer Ar<strong>ch</strong>itektur und ihrer Ausstrahlung.<br />

Ganz in diesem Sinn heisst es am S<strong>ch</strong>luss des Bu<strong>ch</strong>es:<br />

„Und wenn i<strong>ch</strong> es Revue passieren lasse, hat Gott mi<strong>ch</strong> auf dem Weg andauernd in<br />

die Luft geworfen und wieder aufgefangen. Wir sind uns jeden Tag begegnet.“<br />

Die Pilgerbe<strong>weg</strong>ung wird au<strong>ch</strong> dieses Bu<strong>ch</strong> in si<strong>ch</strong> aufnehmen, wie s<strong>ch</strong>on man<strong>ch</strong><br />

anderes. Ist es wirkli<strong>ch</strong> so s<strong>ch</strong>limm, wenn aufgrund eines sol<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>tes si<strong>ch</strong><br />

andere Leute auf den Weg ma<strong>ch</strong>en<br />

St.Gallen, 05.12.06<br />

Josef S<strong>ch</strong>önauer<br />

www.pilgern.<strong>ch</strong>

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