ZMS-Ordner komplett - Saarbrücker Zeitung
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SCHÜLER-BOGEN<br />
1<br />
Journalistische<br />
Darstellungsformen<br />
2. DER KOMMENTAR<br />
Bezieht sich<br />
immer auf eine<br />
Nachricht<br />
Fakten und<br />
Standpunkte<br />
abwägen<br />
Wertung ist im<br />
Kommentar<br />
wichtig<br />
MEINUNG<br />
Starker, schwacher Sozialstaat<br />
System hat sich bewährt, kann aber nicht bleiben, wie es ist<br />
Es ist lange her, dass<br />
der Sozialstaat<br />
noch als „kollektiver<br />
Freizeitpark“ (Helmut<br />
Kohl) oder „soziale Hängematte“<br />
verunglimpft<br />
werden konnte. Das hat<br />
natürlich mit den scharfen<br />
Korrekturen zu tun, die zunächst<br />
Gerhard Schröder mit<br />
der Agenda 2010 und dann die<br />
große Koalition mit der Rente<br />
mit 67 vornahmen. Obwohl diese<br />
Reformen als „Armut per Gesetz“<br />
kritisiert werden, ist der<br />
Sozialstaat tatsächlich nicht<br />
schwächer, sondern stärker geworden.<br />
Die Rekordsumme von<br />
754 Milliarden Euro, die für<br />
Rente, Pflege, Arbeitslosigkeit,<br />
Familien, Behinderte und Jugendhilfe<br />
jährlich ausgegeben<br />
werden, belegt das.<br />
Das Gerede der Linken wie der<br />
Gewerkschaften vom Sozialabbau<br />
geht an den Fakten vorbei.<br />
Umgekehrt wird ein Schuh<br />
draus: Ohne die Reformen wäre<br />
der Sozialstaat jetzt in der Krise<br />
unbezahlbar. Stattdessen ist er<br />
nun leistungsfähig genug, um<br />
das Kurzarbeitergeld zu verlängern<br />
und die Renten zu erhöhen,<br />
um den Studenten mehr Bafög<br />
zu geben und den Familien zusätzliches<br />
Kindergeld. Der Sozialstaat<br />
wirkt als automatischer<br />
Stabilisator, der die Binnennachfrage<br />
auf hohem Niveau hält.<br />
Viele Länder beneiden Deutschland<br />
darum.<br />
Und trotzdem ist der Sozialstaat<br />
alles andere als perfekt. Er<br />
wird noch immer ausgebeutet.<br />
Im Gesundheitswesen etwa steigen<br />
die von Arbeitgebern und<br />
Arbeitnehmern zu zahlenden<br />
Von Werner<br />
Kolhoff<br />
Aufwendungen immer<br />
weiter an, ohne dass es<br />
den Deutschen dadurch<br />
besser ginge als anderen.<br />
Zweitens ist das Land<br />
trotz dieser gigantischen<br />
Umverteilung sozial<br />
nicht gerechter geworden.<br />
Arm und Reich haben sich<br />
noch weiter auseinander entwickelt.<br />
Das Arbeitseinkommen<br />
trägt fast allein die Lasten von<br />
Steuern und Sozialabgaben; Vermögen<br />
werden kaum herangezogen.<br />
Und die Bildungschancen<br />
hängen mehr denn je von der<br />
Herkunft ab.<br />
Weitere Reformen sind deshalb<br />
notwenig. Aktuell gilt das<br />
neben dem Gesundheitsbereich<br />
vor allem für die Bildungs- und<br />
Integrationspolitik, die verstärkt<br />
werden müssen. Und die familienpolitischen<br />
Leistungen von<br />
insgesamt rund 100 Milliarden<br />
Euro gehören endlich auf den<br />
Prüfstand. Freilich: Es ist immer<br />
leicht, zusätzliches Geld zu fordern.<br />
Es ist schwer, gleichzeitig<br />
an anderer Stelle zu kürzen. Das<br />
aber wird die neue Regierung<br />
angesichts der Haushaltslage<br />
müssen.<br />
Im nächsten Jahr wird der Sozialanteil<br />
am Bruttoinlandsprodukte<br />
den Rekordwert von<br />
32,4 Prozent erreichen. Das bedroht<br />
die Leistungsbereitschaft<br />
der Gesellschaft. Zum gestern<br />
veröffentlichten Bericht über<br />
den deutschen Sozialstaat gehört<br />
daher auch die Feststellung: So<br />
wie er ist, wird er nicht bleiben.<br />
Im Internet:<br />
www.saarbrueckerzeitung.de/meinung<br />
Meinung<br />
eines Autors<br />
Fakten und<br />
Standpunkte<br />
abwägen<br />
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