19.01.2015 Aufrufe

ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Euro-Rettung<br />

tieren. Die derzeitigen Finanzhilfen an Griechenland<br />

und Irland belegen dies.<br />

Umschuldungsphase samt<br />

Forderungsverzicht<br />

Der Rat scheint zuversichtlich, dass ein finanziell<br />

angeschlagenes Land durch die Liquiditätshilfen<br />

der zweiten Phase stabilisiert wird. Somit könnte<br />

der ESM hier zu Ende sein. Mehr der Vollständigkeit<br />

halber fährt der Rat dann fort: „Sollte der unerwartete<br />

Fall eintreten, dass sich ein Land als insolvent<br />

erweist, so muss dieser Mitgliedstaat zur<br />

Wiederherstellung eines tragbaren Verschuldungsmaßes<br />

entsprechend der IWF-Praxis mit seinen<br />

privaten Gläubigern einen umfassenden Re -<br />

strukturierungsplan aushandeln.“ 12<br />

Der Rat konkretisiert diesen abstrakten Satz: So sollen<br />

standardisierte Umschuldungsklauseln, sogenannte<br />

„Collective Action Clauses“, in die Pros pekte<br />

der Wertpapiere über Neuschulden ab 2013 eingebaut<br />

werden. Diese Klauseln sind per Kaufvertrag<br />

für alle Anleihezeichner bindend, egal ob sie bei der<br />

Gläubigerversammlung dabei sind oder nicht. Darin<br />

enthalten ist beispielsweise eine Regelung, nach der<br />

in der Gläubigerversammlung alle Schuldtitel zusammengefasst<br />

und aggregiert verhandelt werden.<br />

Dies wiederum erlaubt es, im Insolvenzfall qualifizierte<br />

Mehrheitsentscheidungen zu treffen, in denen<br />

die Zahlungsbedingungen für alle verbindlich<br />

je nach der finanziellen Lage des Staates angepasst<br />

werden. Es kann zum Beispiel ein Moratorium verhängt,<br />

die Fristigkeit verlängert oder der Zinssatz<br />

oder Nominalwert herabgesetzt werden (sogenannter<br />

Haircut), ohne dass einige Gläubiger das Verfahren<br />

strategisch blockieren. Auch können die über<br />

den ESM garantierten Gelder gegenüber den bestehenden<br />

Gläubigern rangmäßig bevorzugt werden.<br />

Den ESM vom Kopf auf die Füße stellen!<br />

Der von Bundesfinanzminister Schäuble zusammen<br />

mit der Kommission konzipierte Europäische Stabilitätsmechanismus<br />

beginnt mit der Präventionsphase<br />

und läuft über die Liquiditätshilfephase zu<br />

Umschuldung und Forderungsverzicht. Für potenzielle<br />

Defizitstaaten soll das Procedere immer<br />

ungemütlicher werden, sodass sie sich gleich<br />

schon in der ersten Phase an die Regeln halten<br />

und die Stabilität der Eurozone gesichert ist.<br />

Das ist jedoch nicht der richtige Weg, da er die<br />

Kosten nach oben treibt. Potenzielle Defizitstaaten<br />

betrachten den Prozess nicht von vorne nach hinten,<br />

sondern von hinten nach vorne. Die für sie relevanten<br />

Fragen sind: Wie schlimm wird es am Ende<br />

kommen Sie berechnen das Drohpotenzial aus<br />

dem Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und<br />

Schwere der Sanktionen. Hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

hat sich der Rat schon festgelegt.<br />

Ein Haircut wäre schlimm; aber dass es dazu<br />

kommt, ist nach Ansicht des Rates unwahrscheinlich.<br />

Der ESM ist so ausgerichtet, dass das<br />

bittere Ende möglichst nicht eintritt. Eine Regierung<br />

kann sich sagen: Wenn wir die Prävention<br />

nicht befolgen, dann landen wir weich in der Liquiditätshilfephase.<br />

Die Verantwortung, dass wir<br />

von dort wieder auf die Beine kommen, liegt bei<br />

denen, die uns dieses Verfahren verordnet haben:<br />

bei der Kommission und den Zahlerstaaten, vor allem<br />

bei Deutschland. Dass es dann noch zu einer<br />

Umschuldung kommt, scheint unwahrscheinlich.<br />

Was ist also zu tun Damit der ESM ein glaubwürdiges<br />

und vor allem kostengünstiges Instrument<br />

wird, muss er vom Kopf auf die Füße gestellt werden<br />

und in umgekehrter Reihenfolge erfolgen.<br />

Am Anfang muss die Umschuldung des bankrotten<br />

Staates stehen, da ihn das finanziell entlastet<br />

und ihm einen Neuanfang erlaubt. Danach können<br />

ihm bis zur Wiedererlangung seiner Kreditfähigkeit<br />

subsidiäre Liquiditätshilfen gewährt werden,<br />

sodass die Wogen geglättet werden. Zuletzt<br />

kann man darauf vertrauen, dass er die Regeln des<br />

Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie der Schuldenbremse<br />

aus eigenem Anreiz einhält; denn ohne<br />

die kostspieligen gemeinschaftlichen Garantien<br />

in Form eines Rettungsschirms hängt der<br />

Zinssatz, zu dem er Kredite aufnehmen kann, von<br />

der Seriosität seiner Haushaltsführung ab.<br />

Immer wieder wird gesagt, eine Umschuldung mit<br />

Gläubigerbeteiligung bringe die Finanzmärkte<br />

durcheinander. Dies lässt sich vermeiden, wenn<br />

ein abgestuftes Verfahren gewählt wird. Die Gläubiger<br />

sollten zunächst durch ein Schuldenmoratorium<br />

oder einen Zinsschnitt beteiligt werden. Liquiditätshilfen<br />

könnten in Mindestkursgarantien<br />

und Direkthilfen bestehen. Dadurch würden die<br />

Gläubiger vorsichtig, und die Schuldner hätten<br />

Anreize, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu befolgen.<br />

Die Kosten für eine Rettung durch den<br />

ESM würden so auf einen Bruchteil des derzeit geplanten<br />

Volumens begrenzt. 13 <br />

12 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen, 16./17. Dezember 2010,<br />

EUCO 30/10.<br />

13 Der Autor dankt Achim Klaiber und Erik R. Fasten für Hinweise<br />

und Unterstützung.<br />

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)<br />

51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!