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ZUR WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK 127

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Europäische Währungsunion<br />

ken im Insolvenzfall definitionsgemäß ausfällt. Bei<br />

einem solchen Vorgehen – wie von Ökonomen<br />

empfohlen 5 – wäre das griechische Schuldenprob -<br />

lem ein kleines Problem geblieben.<br />

Erst durch den Bail-out wurde Griechenland zu einem<br />

großen Problem. Dies lässt sich an den Summen<br />

erkennen, die für die Rettung Griechenlands<br />

zur Verfügung gestellt wurden. Am 5. Mai 2010 sagte<br />

der Europäische Rat Griechenland 110 Milliarden<br />

Euro zu. Diese Zahl liegt etwa um den Faktor 5<br />

über den Kosten, die preisbereinigt und im Durchschnitt<br />

zur Bewältigung der Staatsbankrotte anderer<br />

Staaten wie Pakistan, Argentinien, Russland,<br />

Indonesien oder Mexiko in den vergangenen 15<br />

Jahren durch Umschuldungen aufgewandt worden<br />

sind. 6 Zugegeben, Griechenland ist Mitglied einer<br />

Währungsunion. Indes ist das kein ausreichender<br />

Grund für die hohen Kosten. Auch die US-Bundesstaaten<br />

New York (1975), Orange County (1994),<br />

Kalifornien (2010) und Illinois (2011) mussten<br />

oder müssen ihre Krisen in einer Währungsunion<br />

bewältigen, ohne hierfür Sondermittel aus dem US-<br />

Bundeshaushalt zu erhalten. Die hohen Kosten zur<br />

Rettung Griechenlands dürften sich daher in allererster<br />

Linie aus dem Bail-out erklären, der es Banken<br />

und Privatpersonen erlaubte, aus den griechischen<br />

Staatsanleihen nicht nur den hohen Zins,<br />

sondern auch den vollen Kurswert zu erhalten. Die<br />

Kosten für Griechenlands Rettung würden sogar<br />

auf das 14-Fache der angeführten Vergleichsfälle<br />

steigen, wenn die EFSF auch noch die Altschulden<br />

Griechenlands übernimmt. Dabei sind die Lasten<br />

durch die Übernahme von Altschulden anderer<br />

GIIPS-Staaten noch gar nicht berücksichtigt.<br />

Umfang und Lastenverteilung des neuen<br />

Europäischen Stabilitätsmechanismus<br />

Inzwischen wird selbst von der französischen Regierung<br />

anerkannt, dass die Griechenlandrettung<br />

und der Schutzschirm mit dem Vertrag von Lissabon<br />

unvereinbar sind. 7 Schwerwiegend ist insbesondere<br />

die Missachtung des Artikels 125 AEUV<br />

(Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen<br />

Union). Demzufolge erfordert die Währungsunion<br />

einen Haftungsausschluss der Mitgliedstaaten.<br />

Tatsächlich eingeführt wurde aber umgekehrt<br />

5 Vgl. Charles B. Blankart/Erik R. Fasten, Euro-Staaten müssen für<br />

ihre Banken einspringen, Handelsblatt vom 14. Dezember 2010,<br />

Seite 9.<br />

6 Vgl. Charles B. Blankart/Achim Klaiber, Die EU-Finanzkrise und<br />

Rezepte zu ihrer Überwindung, Neue Zürcher Zeitung, Internationale<br />

Ausgabe, Nr. 198, 27. August 2010, Seite 27.<br />

7 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. Dezember 2010,<br />

Seite 13.<br />

deren Haftungseinschluss. Es wurde ein Haftungsverbund<br />

gebildet, unter dessen Prämisse die Währungsunion<br />

wohl nie zustande gekommen wäre.<br />

Mehr noch: Weil das Grundgesetz den Rahmen<br />

des Lissabonvertrags eng eingrenzt, führt dessen<br />

Verletzung fast unausweichlich zu einer Verletzung<br />

des Grundgesetzes. 8<br />

Um dies alles zu heilen, soll der EFSM bis 2013 abgeschafft<br />

und die zeitlich befristete EFSF ab 2013<br />

auf eine vertraglich korrekte Grundlage gestellt<br />

werden. Hierzu dient ein neuer Artikel 136 Absatz<br />

3 AEUV, der über ein vereinfachtes Verfahren zur<br />

Änderung des Lissabon-Vertrags nach Artikel 48<br />

Absatz 6 EU-Vertrag erreicht werden soll. Der<br />

neue Artikel soll lauten: „Die Mitgliedstaaten, deren<br />

Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus<br />

schaffen, der aktiviert wird,<br />

wenn dies unerlässlich ist, um die Stabilität der Euro-Zone<br />

als Ganzes zu sichern. Die Bewilligung finanzieller<br />

Hilfen wird unter strikte Bedingungen<br />

gestellt.“ Allerdings darf die nach Artikel 48 Absatz<br />

6 EU-Vertrag geplante Vertragsänderung „nicht zu<br />

einer Ausdehnung der der Union im Rahmen der<br />

Verträge übertragenen Zuständigkeiten führen“.<br />

Diese Bedingung sei, wie manche meinen, erfüllt.<br />

Es werde nur eine Option zu einem außergemeinschaftlichen<br />

zwischenstaatlichen Vertrag eröffnet,<br />

die sich ergebe, weil das Verbot eines Bail-out nach<br />

Artikel 125 AEUV durch den neuen Artikel 136 Absatz<br />

3 teilweise zurückgenommen werde. 9 Insofern<br />

liege keine Ausdehnung der Zuständigkeiten der<br />

Union vor. Ob solche Argumente einer rechtlichen<br />

Prüfung standhalten, bleibt dahingestellt. Aus ökonomischer<br />

Sicht haften am ESM die gleichen Mängel<br />

wie an seinem Vorgänger der EFSF, denn beide<br />

sollen nach den gleichen Grundsätzen funktionieren.<br />

Auch der Wissenschaftliche Dienst des<br />

Bundestages hat Bedenken; er meint, es sei wenigs -<br />

tens eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und<br />

Bundesrat notwendig, um das Gesetz zu verabschieden.<br />

Wichtig ist, auf der vorgesehenen, aber<br />

noch nicht beschlossenen Einstimmigkeit im Rat<br />

nach dem besonderen Gesetzgebungsverfahren zu<br />

bestehen, wenn es um konkrete Kreditvergaben<br />

geht, sodass der deutsche Vertreter vor seiner<br />

Stimm abgabe im Rat die Zustimmung oder Ablehnung<br />

des Deutschen Bundestages einholen muss.<br />

Gegenwärtig wird von einem Fondsvolumen von<br />

500 Milliarden Euro gesprochen. Verglichen mit<br />

8 Vgl. dazu Markus C. Kerber, Der Verfassungsstaat ist ohne Alternative,<br />

Stuttgart 2010.<br />

9 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Februar 2011,<br />

Seiten 68 f.<br />

48 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik <strong>127</strong> (1/2011)

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